Lutheraner hat geschrieben:Ah okay, jetzt verstehe ich das endlich. Die Ehe war von Anfang an wegen des ungültigen Dispens nicht existent gewesen und nach dem absurden Eheverständnis der RKK hätte er deshalb auch Frau und Kinder (sofern welche überlebt hätten) sitzen lassen können.
Das war die Haltung Heinrichs. Nach katholischem Eheverständnis hätte er die Ehefrau samt Kindern sogar sitzen lassen müssen, denn wenn der ursprünliche Dispens ungültig oder unrechtmäßig war, bestand gar keine Ehe und Heinrich und Katharina lebten in Sünde. Ich bin auch nicht sicher, ob Heinrich jemals eine Aussage darüber gemacht hat, ob Katharina als Jungfrau in die Ehe kam.
Allerdings gehst du dabei davon aus, dass der Dispens wirklich aufgrund unwahrer Aussagen zustande gekommen war. Das wird heute wohl kaum beweisbar sein.
Mir persönlich ist das ehrlich gesagt egal. Die Ehe zwischen Artur und Katharina mag vollzogen worden sein oder nicht. Die Kammerzofen mögen gelogen haben oder nicht. Aus heutiger Sicht ist eine arrangierte Kinderehe wie die zwischen Heinrich und Katharina ohnehin fragwürdig. Die weitere charakterliche Entwicklung Heinrichs ist mehr als problematisch, seine Handlungen kriminell, seine Auflösung der Klöster ein Verbrechen, seine selbstgewählte Stellung in der Kirche fast gotteslästerlich (aber später unter Elisabeth korrigiert).
Klar sind für mich aber zwei Dinge:
1. Die Überzeugung Heinrichs in den späten 1520er und frühen 1530er Jahren, daß seine Ehe mit Katharina unrechtmäßig sei, muß man als echt ansehen. Da stand nicht nur Geilheit dahinter - die konnte ein König damals ohnehin anders befriedigen. Das Vorgehen Heinrichs in dieser Sache war ungewöhlich skrupulös. Er hätte Katharina ja anderweitig aus dem Weg schaffen können - mit späteren Frauen hat er das ja getan.
2. Die Entscheidung Papst Clemens VII. ist wohl vornehmlich unter dem Einfluß der politischen Situation zustande gekommen - er stand unter direktem Einfluß Kaiser Karls V.
Die übliche Kurzdarstellung der Vorgänge erweist sich also als sachlich fraglich. Heinrich hat nicht einfach eine neue Kirche gegründet, weil er eine Ehescheidung wollte.
Aus englischer Sicht lief der Konflikt auf die Frage hinaus, ob der Papst das Recht hat, einen Dispens für eine nach biblischen Maßstäben und göttlichem Recht unrechtmäßige Ehe zu erteilen. Die katholische Seite vertrat die Ansicht, daß das Wort des Papstes bindend sei.
Die englische Seite kam zu der Überzeugung, daß es keine Grundlage dafür gab. Göttliches Recht stand über päpstlicher Macht und päpstlichem Anspruch. Damit hatte man natürlich eine Grundsatzentscheidung getroffen, die als Konsequenz nur die Zurückweisung jeglicher päpstlicher Autorität nach sich ziehen konnte. Und so kam es zur Trennung von Rom.