Lutheraner hat geschrieben:
Lieber Monergist,
diese Theorie finde ich prinzipiell sehr ansprechend. Aber wieweit ist sie mit der Bibel vereinbar? Nehmen wir als Beispiel die Stelle vom Weltgericht (mit der auch Lutheraner ihre Probleme haben, da es m.E. nicht so klar zu dem "sola fide" passt):
Matthäus 25, 31 ff.
daraus: ".... Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! ...."
und siehe auch Offenbarung 20
Lieber Lutheraner,
schön, dass Dir dieser Ansatz zumindest zusagt. Ich hatte ja schon versucht, ihn in den biblischen Kontext einzubinden. Die orthodoxe Antwort hierauf sollte (also so weit ich es mit meinen bescheidenen Mitteln beurteilen kann) im Übrigen lauten: Weil es eine einzige Parabel ist, kann man zunächst nicht hieraus eine vollumfängliche Beschreibung der Lehre von den sog, letzten Dingen entnehmen wollen. Sinn und Kern der Stelle ist es vielmehr, das ganz schlichte „Kriterium“ für das Jüngste Gericht zu verdeutlichen.
Ansonsten hatte ich versucht darzulegen, dass das Gesamtbild der Heiligen Schrift in der übereinstimmendem Auslegung der Kirchenväter, diese "Theorie" (wie Du es nennst) belegt, sie ist der Inhalt der Heiligen Schrift.
Dieses Gesamtbild erweist vielerlei, zunächst: Es gibt keinen Platz an dem Gott nicht ist (auch nicht im kommenden Äon) und Gott bestraft niemanden in dem Sinne, dass er ihm Nachteiliges aufgibt oder nur widerfahren lässt um der Strafe selbst willen. Insofern Er Nachteiliges zulässt (d. h. seine Gnade abzieht und den Menschen somit sich selbst überlässt), dann allein um der hierin enthaltenen Möglichkeit zur Korrektur des Fehlers wegen (dementsprechend ist die Kirche auch eine Heilanstalt, ein Krankenhaus, und verkauft nicht etwa Plätze im Himmel). Eine „geschaffene“ Strafe um ihrer selbst Willen nach dem Jüngsten Gericht könnte jedoch denklogisch diesen Anspruch nicht mehr erfüllen. Vielmehr hält Gott durch alle Abfälle des Menschen hindurch an diesem fest, bereitet die Menschheit auf die Erlösung vor, schickt nach dem stellvertretenden "Ja" der Gottesgebärerin seinen Sohn, erbringt damit das Opfer, das Abraham erspart blieb, und besiegt den Teufel, den Tod und die Sünde ganz "legal". Der tiefste Fall wandelt sich ins Gute, die größte Ungerechtigkeit wird unsere Gerechtigkeit, der Tod zum Urheber des Lebens. In den gesamten Kosmos ist eine lebensspendende Kraft eingedrungen, die jedem offen steht. Gott rettet uns - aber doch nicht vor Sich selbst...
Die Bibel beschreibt Gott an den unterschiedlichsten Stellen als Feuer und auch als Licht (siehe im Einzelnen herzu die von mir unten angegebenen Links), Ersteres im NT z. B. in Hebr 12,29, Letzteres in 1. Tim 6,16. Dan 7,9/10 wiederum macht deutlich, dass am Jüngsten Tag ein Strom von Feuer offenbar werden wird: Dieser ist für den Einzelnen entweder "Himmel" oder "Hölle", wie auch Maleachi 3,19 ff. bzw. 4,1 ff. zeigt:
Denn siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen; da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der künftige Tag wird sie anzünden, spricht der HERR Zebaoth, und wird ihnen weder Wurzel noch Zweige lassen. Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln; und ihr sollt aus und eingehen und hüpfen wie die Mastkälber.
Dieser - zweifachen, je nach "Empfänger" - Gestalt ist also das ewige Feuer, von dem auch die Matthäus-Stelle vom Weltgericht spricht. Gott
herrscht über alles und in allem (1. Kor 15,28). Zudem kann sie nicht ohne Johannes 12,46 ff. betrachtet werden, wo es heißt: I
ch bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.
Wer meine Worte nur hört und sie nicht befolgt, den richte nicht ich; denn ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.
Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich gesprochen habe, wird ihn richten am Letzten Tag.
Nicht der richterliche Akt verdammt demnach, sondern die Weigerung, dem Ruf zur Versöhnung Folge zu leisten. Das ist auch logisch, denn
auf unserer Seite besteht Feindschaft gegenüber Gott (Röm 5,10), weshalb
wir uns versöhnen lassen müssen, um die Begegnung mit der Heiligkeit Gottes zu ertragen; deswegen ergeht an uns der Ruf zur Versöhnung (2. Kor 5,20). Und macht das Wort vom „Himmelreich inwändig in uns“ nicht wirklich (erst) Sinn, wenn man das von mir beschriebene Verständnis zugrunde legt?
Dass keine räumliche Trennung stattfinden wird, macht auch das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann deutlich, die zwar auf eine Weise unendlich weit von einander entfernt sind und dennoch miteinander kommunizieren können und der Reiche wünscht, von Lazarus gekühlt zu werden. Der Graben zwischen Ihnen muss also rein geistlicher Natur sein. Aus der Offenbarung 14, 9/10:
Ein anderer Engel, ein dritter, folgte ihnen und rief mit lauter Stimme: Wer das Tier und sein Standbild anbetet und wer das Kennzeichen auf seiner Stirn oder seiner Hand annimmt,
10 der muss den Wein des Zornes Gottes trinken, der unverdünnt im Becher seines Zorns gemischt ist. Und er wird mit Feuer und Schwefel gequält vor den Augen der heiligen Engel und des Lammes. wird auch deutlich, dass niemand in die ewige Gottesferne verbannt werden wird.
Wenn nun (irgend-)ein Lutheraner

einwenden würde: Nee, nee, das ist mir alles zu kryptisch, ich halte mich exakt an die Schrift!", dann würde ich ihm entgegnen, dass es sicherlich noch viel weniger schriftgemäß ist, die Matthäus-Stelle so zu interpretieren, dass das alles gar nicht wirklich ein Kriterium für das Jüngste Gericht liefern soll, sondern als "Gesetz" zu verstehen sei (d. h. als Stelle, die den Sünder erschrecken lassen soll) oder dass die Trennung der Menschheit nach dem Glauben vollzogen und nur nach den Werken begründet werden wird. Du hast ja selbst gesagt, dass es schon einiger "Turnübungen" bedarf, um "sola fide" hier überzeugend zu verkaufen.
Der Hl. Basilius sagt zu dem Ganzen:
I believe that the fire prepared in punishment of the devil and his angels is divided by the voice of the Lord. Thus, since there are two capacities in fire, one of burning and the other of illuminating, the fierce and scourging property of the fire may await those who deserve to burn, while its illuminating and radiant warmth may be reserved for the enjoyment of those who are rejoicing.
Für diese "Theorie" spricht also vor allem, dass sie die unerträgliche Spannung - wie es sogar der KKK irgendwo formuliert - zwischen einer Reduzierung des Todes Jesu auf die Erfüllung der Strafgerechtigkeit Gottes und der gesamten Botschaft des Evangeliums gar nicht erst zur Entstehung gelangen lässt.
Wie ich schon einmal geschrieben habe ist Gott nicht „Liebe
und … (etwa Gerechtigkeit)“, sondern er
ist ausschließlich die Liebe (in Essenz, was wesentlich stärker als wenn er nur – vielleicht gar auch – Liebe empfinden würde.)
Was ist auch die Alternative? Gott, die Liebe, verdammt diejenigen zur ewigen Pein, die nicht liebevoll genug sind? (Ich finde das absurd.) Falls die so Verdammungswürdigen allerdings einsehen sollten, dass sie es sind und im Glauben annehmen, dass ein Unschuldiger die für sie gerechte Strafe getragen hat, kann dieser Mangel an Liebe jedoch hierdurch kompensiert werden und sie dürfen dann doch in den Himmel?
Man muss sich jedenfalls der eindeutigen Erkenntnis aussetzen, dass solch eine Lehre nicht die der Kirchenväter des ersten Jahrtausends ist. Dadurch allein wird sie freilich nicht zwangsläufig falsch, aber es stellt sich die Frage, ob das alles Apostaten waren?
Aus "The River of Fire" (siehe unten) zum Thema biblische "Zorn- und Gerichtsstellen":
Saint Basil in the same discourse gives the explanation of these expressions of the Holy Scriptures: "It is because fear," says he, "edifies simpler people," and this is true not only for simple people but for all of us. After our fall, we need fear in order to do any profitable thing and any good to ourselves or to others. In order to understand the Holy Scriptures, say the Fathers, we must have in mind their purpose which is to save us, and to bring us little by little to an understanding of our Creator God and of our wretched condition.
But the same Holy Scriptures in other places explain to us more accurately who is the real cause of our evils. In Jeremias 2:17, 19 we read: "Hath not thy forsaking Me brought these things upon thee? saith the Lord thy God.... Thine apostasy shall chastise thee and thy wickedness shall reprove thee; know then, and see that thy forsaking Me hath been bitter to thee, saith the Lord thy God."
In diesem Sinne ist beispielsweise bereits 1. Mose 3,18 zu lesen, wo es bei korrekter Übertragung
„verflucht … aufgrund deiner Taten“ heißen muss, was eine bloße Feststellung ist und nicht
"Ich verfluche Dich!" bedeutet. Nicht Gott, sondere unsere Taten verfluchen uns! Ebenso handelt es sich kurz zuvor bei der Aussage, dass der Genuss der verbotenen Frucht zum Tod führen wird, um eine Feststellung und nicht um eine Drohung Gottes. Entscheidend ist bereits, wie der Tod in die Welt gekommen ist.
Weitere Zeugnisse der Kirchenväter:
T
here is sprung up a light for the righteous, and its partner is joyful gladness. And the light of the righteous is everlasting ...
One light alone let us shun -- that which is the offspring of the sorrowful fire ...
For I know a cleansing fire which Christ came to send upon the earth, and He Himself is called a Fire. This Fire takes away whatsoever is material and of evil quality; and this He desires to kindle with all speed ...
I know also a fire which is not cleansing, but avenging ... which He pours down on all sinners ... that which is prepared for the devil and his angels ... that which proceeds from the Face of the Lord and shall burn up His enemies round about ... the unquenchable fire which ... is eternal for the wicked. For all these belong to the destroying power, though some may prefer even in this place to take a more merciful view of this fire, worthily of Him who chastises. (Hl. Gregor von Nazianz).
... those who find themselves in Gehenna will be chastised with the scourge of love. How cruel and bitter this torment of love will be! For those who understand that they have sinned against love undergo greater sufferings than those produced of the most fearful tortures. The sorrow which takes hold of the heart which has sinned against love is more piercing than any other pain. It is not right to say that sinners in hell are deprived of the love of God. ... But love acts in two different ways, as suffering in the reproved, and as joy in the blessed. (Hl. Isaak der Syrer)
Ich weiß (weil es mir nicht anders ging), dass einem dieser ganze Ansatz zunächst sehr „abgefahren“ und unbiblisch vorkommt, aber fast alle vermeintlich typisch lutherischen/westlichen Schriftstellen passen wunderbar auch bzw. oft viel besser auf „Christus Victor“ und die hier gegebene Deutung von Himmel und Hölle. Wenn man an dem Thema interessiert ist und sich einarbeiten möchte (und wenn es nur ist, um zu wissen, was man nicht glauben möchte), dann empfehle ich dies mit folgenden Dokumenten zu tun, denen in unterschiedlichem Ausmaß fast alles entnommen ist, was ich hier geschrieben habe (leider alles auf Englisch, bis die Sachen auf Deutsch vorliegen, wird es noch ein wenig dauerm):
Zum
Einstieg (wenig Aufwand):
Katechismus der Orthodox Church of America (OCA/Fr. Thomas Hopko, insgesamt sehr empfehlenswert) zu:
Redemption
Judgment
The Final Judgment
Heaven and Hell
Der Online-Katechismus (dort die einschlägigen Kapitel, der Server ist gerade überlastet, deshalb keine direkte Verlinkung möglich) der Repräsentanz der Russisch-Orthodoxen Kirche in Brüssel:
http://orthodoxeurope.org/
Von dem sehr reichhaltigen - auch grundlegend zu den Unterschieden zwischen "Ost" und "West" sowie zur Soteriologie etc. - griechischen "Orthodox Outlet for Dogmatic Enquirers"
OODE :
God as fire and light
Paradise and Hell according to Orthodox tradition
Zur
Vertiefung:
Ein Aufsatz von Peter Chopelas, der insbesondere sprachliche Fragen in Bezug auf Begriffe für das "Totenreich" im AT und NT beleuchtet und zeigt, wie sehr falsche Übersetzungen die Auslegung der Bibel beeinflussen können:
Heaven & Hell in the Afterlife, according to the Bible
Von Erzbischof Lazar Puhalo (New Ostrog Monastery) aus Kanada:
On the nature of Heaven and Hell according to the holy fathers
On the nature of sin
Von der "Orthodox Site for Inquirers and Converts"
http://orthodoxconvert.info/index.php:
The Sheep and the Goats
Zur
Abrundung oder als Einziges 
: Von Dr. Alexander Kalomiros (eine fabelhafte, nicht ganz umpolemische Gesamtdarstellung orthodoxer Soterioloigie und Eschatologie im Gegensatz zum Westen):
The River of Fire
Viele Grüße
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.