Paul Gerhardt

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Dieter
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Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Ich habe eine Frage an die Experten:

Über Paul Gerhardt (PG) habe ich zahlreiche Bücher gelesen, aber nirgendo habe ich etwas zum Thema PG und Abendmahl gefunden.

Es ist mir klar, dass PG als orthodoxer Lutheraner ein lutherischer Verständnis vom Abendmahl hatte, aber wurde es zu seiner Zeit und in seiner Region (Berlin-Brandenburg) jeden Sonntag gefeiert oder eher selten?

Auf Gemälden sieht man PG nur im schwarzen Talar mit weißem Beffchen. Was hat PG beim Abendmahlsgottesdienst getragen? Talar, Albe oder Meßgewand?

Wurde zu seiner Zeit in Berlin-Brandenburg sonntags nur oder überwiegend die Evangelische Messe gefeiert oder war der lutherische Predigtgottesdienst eher die Regel?

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Keine Antwort? Schade!

Ich hatte gedacht, hier wären die Experten.

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Clemens
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Clemens »

Ich weiß das nicht. :achselzuck:

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tanatos
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von tanatos »

Paul gerhardt lebte von 1607-76. Zu dem Zeitpunkt war es in Preußen noch selbstverständlich, allsonntäglich innerhalb des Sonntagsgottesdienstes das Heilige Abendmahl zu feiern. Belege hierzu sind die Kommunikantenregister, die ja in vielen Gemeinden aus dieser Zeit existieren, die diejenigen namentlich aufführen, die sich zum Sakramentsempfang angemeldet haben.
Die Praxis des allsonntäglichen Altarsakraments gilt meines Wissens für die gesamte lutherische Orthodoxie, wobei ich allerdings zugeben muß, daß ich über diejenigen Gebiete, in denen die oberdeutsche Form des Gottesdienstes gefeiert wurde (i.B. Württemberg) in diesem Zusammenhang nur wenig weiß. Aber in Preußen hielt man sich ja an die lutherische Variante der Meßform!
Wenn Du hier näheres nachschauen willst (wozu ich jetzt keine Zeit habe), sei Dir folgendes Buch empfohlen:
Paul Graff: Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. 2Bde., Göttingen 1921/1939

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Clemens
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Clemens »

In Württemberg feierte man damals nur höchst selten (3-4x/Jahr).

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

tanatos hat geschrieben:Paul gerhardt lebte von 1607-76. Zu dem Zeitpunkt war es in Preußen noch selbstverständlich, allsonntäglich innerhalb des Sonntagsgottesdienstes das Heilige Abendmahl zu feiern. Belege hierzu sind die Kommunikantenregister, die ja in vielen Gemeinden aus dieser Zeit existieren, die diejenigen namentlich aufführen, die sich zum Sakramentsempfang angemeldet haben.
Die Praxis des allsonntäglichen Altarsakraments gilt meines Wissens für die gesamte lutherische Orthodoxie, wobei ich allerdings zugeben muß, daß ich über diejenigen Gebiete, in denen die oberdeutsche Form des Gottesdienstes gefeiert wurde (i.B. Württemberg) in diesem Zusammenhang nur wenig weiß. Aber in Preußen hielt man sich ja an die lutherische Variante der Meßform!
Wenn Du hier näheres nachschauen willst (wozu ich jetzt keine Zeit habe), sei Dir folgendes Buch empfohlen:
Paul Graff: Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. 2Bde., Göttingen 1921/1939


Vielen Dank für diesen Hinweis!

Warum wird Paul Gerhardt immer im schwarzem Talar mit Beffchen dargestellt, aber nie im (lutherischen) Meßgewand?

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tanatos
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von tanatos »

Dieter hat geschrieben: Warum wird Paul Gerhardt immer im schwarzem Talar mit Beffchen dargestellt, aber nie im (lutherischen) Meßgewand?
In welchem Zusammenhang wird Gerhardt denn dargestellt?
Im Alltagsleben (mit der Mode seiner Zeit, also etwas, was dem späteren preußischen Talar ähnelt)?
Oder als Prediger?
Oder (und nur hier hatte liturgische Gewandung seinen [Punkt]) als Liturg, etwa am Altare GOttes?

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

tanatos hat geschrieben:
Dieter hat geschrieben: Warum wird Paul Gerhardt immer im schwarzem Talar mit Beffchen dargestellt, aber nie im (lutherischen) Meßgewand?
In welchem Zusammenhang wird Gerhardt denn dargestellt?
Im Alltagsleben (mit der Mode seiner Zeit, also etwas, was dem späteren preußischen Talar ähnelt)?
Oder als Prediger?
Oder (und nur hier hatte liturgische Gewandung seinen [Punkt]) als Liturg, etwa am Altare GOttes?


Nun, das älteste Bild von ihm hängt in der Paul-Gerhardt-Kirche von Lübben (Spreewald). Es wurde wenige Monate nach seinem Tode angefertigt. Darauf ist er im schwarzen Talar zu sehen. Fast alle andere Bilder sind später nach dieser Vorlage gefertigt worden.

Wenn er aber an jedem Sonntag die Ev. Messe gefeiert und dabei ein Messgewand getragen hat, bei welcher Gelegenheit hat er dann den Talar getragen? Hat er sich wie Luther während des Gottesdienstes umgezogen (das Messgewand beim Abendmahl, den Talar bei der Predigt?).

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

Dieter hat geschrieben:
tanatos hat geschrieben:
Dieter hat geschrieben: Warum wird Paul Gerhardt immer im schwarzem Talar mit Beffchen dargestellt, aber nie im (lutherischen) Meßgewand?
In welchem Zusammenhang wird Gerhardt denn dargestellt?
Im Alltagsleben (mit der Mode seiner Zeit, also etwas, was dem späteren preußischen Talar ähnelt)?
Oder als Prediger?
Oder (und nur hier hatte liturgische Gewandung seinen [Punkt]) als Liturg, etwa am Altare GOttes?


Nun, das älteste Bild von ihm hängt in der Paul-Gerhardt-Kirche von Lübben (Spreewald). Es wurde wenige Monate nach seinem Tode angefertigt. Darauf ist er im schwarzen Talar zu sehen. Fast alle andere Bilder sind später nach dieser Vorlage gefertigt worden.

Wenn er aber an jedem Sonntag die Ev. Messe gefeiert und dabei ein Messgewand getragen hat, bei welcher Gelegenheit hat er dann den Talar getragen? Hat er sich wie Luther während des Gottesdienstes umgezogen (das Messgewand beim Abendmahl, den Talar bei der Predigt?).
Sowas kommt im 17. Jahrhundert öfters vor, nicht nur bei Geistlichen:
- http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spinoza.jpg
- http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... ait%29.jpg

Ein im engeren Sinne geistliches Gewand ist der "Talar" mit "Beffchen" (eigentlich ist das weiße Teil ja noch deutlich größer) also nicht, ebensowenig wie die hanseatische Halskrausentracht. Nach meiner Einschätzung dürfte es sich um ein Honoratiorengewand handeln, wie es vorwiegend von Gelehrten getragen wurde (unter denen wiederum der Pfarrstand wohl den höchten Anteil hatte). Was Wallenstein hier anhat, sieht allerdings auch beffchenhaft aus: http://de.wikipedia.org/w/index.php?tit ... 123070249& Also vielleicht war die Kleidung sogar noch weiter verbreitet.

Also ein feierliches Alltagsgewand u. a. für den Hrn. Pfr., vielleicht auch für Predigten und andere nichteucharistische Amtshandlungen getragen (Das Buch auf dem Lübbener Portrait weist daruaf hin, dass er "dienstlich" unterwegs ist). Ob er sich wie Luther während der Messe umgezogen hat? In der brandenburgischen Kirchenordnung von 1540 und m. W. auch in der von 1572 wird das Messgewand die ganze Zeit getragen, jedenfalls hat der Geistliche es am Anfang an, und von zwischendrin ausziehen wird nichts gesagt. Eine neuere Kirchenordnung gibt es m. W. nicht. Eine andere Frage ist aber, was die Ordnung in der Lausitz war (damals außer Cottbus nicht brandenburgisch!!) und was sich in Brandenburg nach 1572 (durch Einzelerlasse und inoffiziell) änderte. Ich habe allerdings den Eindruck, dass es vor allem solche Änderungen gab, die neuen "Frömmigkeitsstilen" entsprangen oder die "antikatholisch" symbolträchtig waren (Latein, Elevation, etc.). Beiden Anforderungen entspricht das Weglassen des Messgewands nur, wenn es die ganze Zeit geschieht, und nicht nur während der Predigt. Und in der Berliner Marienkirche gab es die Kaseln m. W. bis 1870 (heute wieder ...); dann wird man sie auch die ganze Zeit getragen haben.

Also: so wie auf dem Bild dürfte Gerhardt zu feierlichen nichtgottesdienstlichen Gelegenheiten ausgesehen haben, möglicherweise auch zu nichteucharistischen AMtshandlungen (Trauung, Beerdigung, Vesperpredigt, Predigt in einer Messe, wo jemand anderes zelebriert).

Übrigens kenne ich auch von katholischen Priester-Heiligen (die ja wohl alle Kaseln anhatten) keine Portraits und nur sehr wenige Szenendarstellungen, wo sie liturgisch gewandet sind. Vielleicht ist das einfach Pietät, dass die Kasel nur für die Liturgie da ist und nicht, um sich irgendwie schön malen zu lassen.

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

tanatos hat geschrieben:Paul gerhardt lebte von 1607-76. Zu dem Zeitpunkt war es in Preußen noch selbstverständlich, allsonntäglich innerhalb des Sonntagsgottesdienstes das Heilige Abendmahl zu feiern.
Worauf beziehst Du Dich genau? Es könnte zwischen den lutherischen Praktiken in Brandenburg und (Ost-)Preußen ja durchaus Unterschiede gegeben haben; eine gemeinsame Kirchenverwaltung gab es m. W. nicht, Studienort war ein anderer (Frankfurt vs. Königsberg, schätze ich).

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Protasius
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Protasius »

Fragesteller hat geschrieben:Übrigens kenne ich auch von katholischen Priester-Heiligen (die ja wohl alle Kaseln anhatten) keine Portraits und nur sehr wenige Szenendarstellungen, wo sie liturgisch gewandet sind. Vielleicht ist das einfach Pietät, dass die Kasel nur für die Liturgie da ist und nicht, um sich irgendwie schön malen zu lassen.
Das müßte auch die Zeit sein, bei der Papstporträts nicht mehr im Rauchmantel, sondern in Chorkleidung angefertigt werden.

Daß die Kasel zum Predigen abgelegt wird, wäre nicht gar zu verwunderlich, wenn man bedenkt, daß katholische Priester in der tridentinischen Ordnung das auch tun, wenn sie nicht vom Altar, sondern von der Kanzel predigen. Allerdings wird das damit begründet, daß die Predigt nicht Teil der Messe ist (das hat sich bei der Liturgiereform geändert); wie sehen das die Lutheraner, ist die Predigt Teil des Abendmahls, oder ein eigener Gottesdienst?
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

Prostasius hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Übrigens kenne ich auch von katholischen Priester-Heiligen (die ja wohl alle Kaseln anhatten) keine Portraits und nur sehr wenige Szenendarstellungen, wo sie liturgisch gewandet sind. Vielleicht ist das einfach Pietät, dass die Kasel nur für die Liturgie da ist und nicht, um sich irgendwie schön malen zu lassen.
Das müßte auch die Zeit sein, bei der Papstporträts nicht mehr im Rauchmantel, sondern in Chorkleidung angefertigt werden.
Bis wann wurden sie ca. im Rauchmantel dargestellt?
Protasius hat geschrieben: Daß die Kasel zum Predigen abgelegt wird, wäre nicht gar zu verwunderlich, wenn man bedenkt, daß katholische Priester in der tridentinischen Ordnung das auch tun, wenn sie nicht vom Altar, sondern von der Kanzel predigen. Allerdings wird das damit begründet, daß die Predigt nicht Teil der Messe ist (das hat sich bei der Liturgiereform geändert); wie sehen das die Lutheraner, ist die Predigt Teil des Abendmahls, oder ein eigener Gottesdienst?
Teil des Abendmahls (des Sakraments) sicher nicht, wohl aber Teil (und zwar wesentlicher Teil) des Abendmahlsgottesdienstes, in dem es stattfindet. Allerdings könnte Luthers Umkleideverhalten durchaus ein (wenn auch sinnentleertes) Relikt der katholischen Sichtweise sein, und in ähnlicher Weise könnte es das auch anderswo im Luthertum gegeben habe. Dass oftmals nicht über das Evangelium gepredigt wird, sondern es eine eigene Reihe von Predigtexten gibt, ist m. E. auch ein solches Relikt. -- Allerdings trug Luther zum Predigen m. W. nur den Mönchshabit bzw. später den schwarzen Rock, während die Tridentiner ja alles außer Kasel und Manipel anlassen.
Dazu zwei Fragen:
1. War das Ausziehen der Kasel schon vor Trient flächendeckend üblich?
2. (@ Dieter:) Wie sah Luthers Kleidungsgewohnheit genau aus? Trug er die volle Gewandung für die Anfangsteile des Gottesdienstes, zog sie zur Predigt aus und danach wieder an, oder leitete er den gesamten nichteucharistischen Teil (Kyrie, Gloria, Kollekte, Lesungen, Predigt) im schwarzen Rock und zog danach erstmals die Kasel an? Oder fanden Predigten im schwarzen Rock überhaupt nur dann statt, wenn jemand anderes zelebrierte?

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Protasius
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Protasius »

Fragesteller hat geschrieben:
Prostasius hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Übrigens kenne ich auch von katholischen Priester-Heiligen (die ja wohl alle Kaseln anhatten) keine Portraits und nur sehr wenige Szenendarstellungen, wo sie liturgisch gewandet sind. Vielleicht ist das einfach Pietät, dass die Kasel nur für die Liturgie da ist und nicht, um sich irgendwie schön malen zu lassen.
Das müßte auch die Zeit sein, bei der Papstporträts nicht mehr im Rauchmantel, sondern in Chorkleidung angefertigt werden.
Bis wann wurden sie ca. im Rauchmantel dargestellt?
Wenn ich die Liste der Päpste auf Wikipedia zugrundelege und mir die Porträts anschaue, dann kommen die ersten Porträts in Chorkleidung bei Innozenz VII. (1404-1406) und seinem Nachfolger, dann kommt erstmal wieder liturgische Kleidung, und ab Sixtus IV. (1471-1484) kommt eine lange Reihe von Porträts in Chorkleidung, die nur von Marcellus II. (1555), Gregor XIV. (1590-1591) und Leo XIII. (1878-1903) unterbrochen wird. Ich dachte eigentlich, das wäre später gekommen, aber es paßt dennoch in das Schema, sich auf Porträts nicht in liturgischer Kleidung zu zeigen (die Chorkleidung [bis auf die Cappa magna] war damals die tägliche Kleidung für öffentliche Gelegenheiten, Bischöfe liefen dementsprechend auch in Talar, Rochett und Mozzetta durch die Gegend; der heute übliche rot gefütterte schwarze Talar mit vorn offenem Schulterkragen kam erst im 19. Jh. auf, vorher galt das als Hauskleidung).
Fragesteller hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben: Daß die Kasel zum Predigen abgelegt wird, wäre nicht gar zu verwunderlich, wenn man bedenkt, daß katholische Priester in der tridentinischen Ordnung das auch tun, wenn sie nicht vom Altar, sondern von der Kanzel predigen. Allerdings wird das damit begründet, daß die Predigt nicht Teil der Messe ist (das hat sich bei der Liturgiereform geändert); wie sehen das die Lutheraner, ist die Predigt Teil des Abendmahls, oder ein eigener Gottesdienst?
Teil des Abendmahls (des Sakraments) sicher nicht, wohl aber Teil (und zwar wesentlicher Teil) des Abendmahlsgottesdienstes, in dem es stattfindet. Allerdings könnte Luthers Umkleideverhalten durchaus ein (wenn auch sinnentleertes) Relikt der katholischen Sichtweise sein, und in ähnlicher Weise könnte es das auch anderswo im Luthertum gegeben habe. Dass oftmals nicht über das Evangelium gepredigt wird, sondern es eine eigene Reihe von Predigtexten gibt, ist m. E. auch ein solches Relikt. -- Allerdings trug Luther zum Predigen m. W. nur den Mönchshabit bzw. später den schwarzen Rock, während die Tridentiner ja alles außer Kasel und Manipel anlassen.
Dazu zwei Fragen:
1. War das Ausziehen der Kasel schon vor Trient flächendeckend üblich?
Ich vermute, daß entweder jemand anders gepredigt hat oder vom Altar aus die Predigt gehalten wurde; Zudem gab es auch die Gewohnheit, die Predigt vor der Messe zu halten, z.B. bei den Prämonstratensern. Im Pontificale Romanum sind einige vermutl. bis auf die karolingische Zeit zurückgehende zeremonielle Predigten an die Weihekandidaten enthalten, die der Bischof vom Altar aus hält, um sie über ihren Dienst und dessen Bedeutung zu belehren.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Vielleicht könnte dies eine Erklärung sein:

http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/57866


"Paul Gerhardt mit einer frühen Form des Beffchens

Das Beffchen (auch Bäffchen, von lateinisch biffa „die Halsbinde“) war ein im 17. Jahrhundert am Halsausschnitt getragenes 1–15 cm langes rechteckiges weißes Leinenstück.

Es ist ein Rest des früher unter dem sogenannten „Mühlsteinkragen“ getragenen kleineren Kragens. Ab 168 gehörte eine Halsbinde mit zwei auf die Brust herunterhängenden, nur wenige Zentimeter breiten Leinenstreifen zur bürgerlichen Tracht der Männer und war keinesfalls Amtstracht des lutherischen Pfarrers im Gottesdienst. Erst im 19. Jahrhundert wurde durch die Anordnung König Friedrich Wilhelm III. das Beffchen mit schwarzem Talar zum liturgischen Kleidungsstück im evangelischen Gottesdienst.

Bis heute hat sich das Beffchen in der Amtstracht der evangelischen Geistlichen erhalten. Hier ist es fester Bestandteil des Talars. (...)"

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Fragesteller hat geschrieben:
Prostasius hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Übrigens kenne ich auch von katholischen Priester-Heiligen (die ja wohl alle Kaseln anhatten) keine Portraits und nur sehr wenige Szenendarstellungen, wo sie liturgisch gewandet sind. Vielleicht ist das einfach Pietät, dass die Kasel nur für die Liturgie da ist und nicht, um sich irgendwie schön malen zu lassen.
Das müßte auch die Zeit sein, bei der Papstporträts nicht mehr im Rauchmantel, sondern in Chorkleidung angefertigt werden.
Bis wann wurden sie ca. im Rauchmantel dargestellt?
Protasius hat geschrieben: Daß die Kasel zum Predigen abgelegt wird, wäre nicht gar zu verwunderlich, wenn man bedenkt, daß katholische Priester in der tridentinischen Ordnung das auch tun, wenn sie nicht vom Altar, sondern von der Kanzel predigen. Allerdings wird das damit begründet, daß die Predigt nicht Teil der Messe ist (das hat sich bei der Liturgiereform geändert); wie sehen das die Lutheraner, ist die Predigt Teil des Abendmahls, oder ein eigener Gottesdienst?
Teil des Abendmahls (des Sakraments) sicher nicht, wohl aber Teil (und zwar wesentlicher Teil) des Abendmahlsgottesdienstes, in dem es stattfindet. Allerdings könnte Luthers Umkleideverhalten durchaus ein (wenn auch sinnentleertes) Relikt der katholischen Sichtweise sein, und in ähnlicher Weise könnte es das auch anderswo im Luthertum gegeben habe. Dass oftmals nicht über das Evangelium gepredigt wird, sondern es eine eigene Reihe von Predigtexten gibt, ist m. E. auch ein solches Relikt. -- Allerdings trug Luther zum Predigen m. W. nur den Mönchshabit bzw. später den schwarzen Rock, während die Tridentiner ja alles außer Kasel und Manipel anlassen.
Dazu zwei Fragen:
1. War das Ausziehen der Kasel schon vor Trient flächendeckend üblich?
2. (@ Dieter:) Wie sah Luthers Kleidungsgewohnheit genau aus? Trug er die volle Gewandung für die Anfangsteile des Gottesdienstes, zog sie zur Predigt aus und danach wieder an, oder leitete er den gesamten nichteucharistischen Teil (Kyrie, Gloria, Kollekte, Lesungen, Predigt) im schwarzen Rock und zog danach erstmals die Kasel an? Oder fanden Predigten im schwarzen Rock überhaupt nur dann statt, wenn jemand anderes zelebrierte?
-------------------------------

"Mit der lutherischen Reformation hat der schwarze Talar also ganz und gar nichts zu tun. Luther und die anderen Wittenberger Reformatoren trugen im Gottesdienst ganz selbstverständlich die althergebrachten Meßgewänder, wenn sie am Altar amtierten. Nur wenn Luther lediglich predigte und ein anderer die Liturgie leitete, trug Luther ein "ziviles" Gewand: seinen schwarzen Gelehrtenrock. "

http://www.stmichael-online.de/historische_bilder.htm

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

Aber wo wir schon beim Thema Gerhardt und Abendmahl sind: Kennt jemand ein Abendmahlslied (oder eine Liedstrophe o. ä. mit Abendmahlsbezug) von ihm?

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Fragesteller hat geschrieben:Aber wo wir schon beim Thema Gerhardt und Abendmahl sind: Kennt jemand ein Abendmahlslied (oder eine Liedstrophe o. ä. mit Abendmahlsbezug) von ihm?


Ich kenne keins. Das Abendmahl scheint für ihn kein Thema gewesen zu sein.

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

Protasius hat geschrieben: Ich vermute, daß entweder jemand anders gepredigt hat oder vom Altar aus die Predigt gehalten wurde; Zudem gab es auch die Gewohnheit, die Predigt vor der Messe zu halten, z.B. bei den Prämonstratensern. Im Pontificale Romanum sind einige vermutl. bis auf die karolingische Zeit zurückgehende zeremonielle Predigten an die Weihekandidaten enthalten, die der Bischof vom Altar aus hält, um sie über ihren Dienst und dessen Bedeutung zu belehren.
Das heißt, die Kanzel wurde in vortridentinischer Zeit vor allem für Predigten außerhalb der Messe genutzt? Und besteht die Möglichkeit, vom Altar aus zu predigen, auch heute (bzw. 1962) noch? -- In der brandenburgischen Kirchenordnung von 154 sind, wenn mich nicht alles täuscht, die Predigten und m. W. auch die Fürbitten von Anfang an nach dem Evangelium vorgesehen, und da gibt es 72 auch keine Änderung. Ob diese Ausschließlichkeit nun ein lutherisches Charakteristikum ist - keine Ahnung. Wo die Predigt stattfinden soll, steht da, glaube ich, nicht.
Dieter hat geschrieben:
ich hat geschrieben: 2. (@ Dieter:) Wie sah Luthers Kleidungsgewohnheit genau aus? Trug er die volle Gewandung für die Anfangsteile des Gottesdienstes, zog sie zur Predigt aus und danach wieder an, oder leitete er den gesamten nichteucharistischen Teil (Kyrie, Gloria, Kollekte, Lesungen, Predigt) im schwarzen Rock und zog danach erstmals die Kasel an? Oder fanden Predigten im schwarzen Rock überhaupt nur dann statt, wenn jemand anderes zelebrierte?
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"Mit der lutherischen Reformation hat der schwarze Talar also ganz und gar nichts zu tun. Luther und die anderen Wittenberger Reformatoren trugen im Gottesdienst ganz selbstverständlich die althergebrachten Meßgewänder, wenn sie am Altar amtierten. Nur wenn Luther lediglich predigte und ein anderer die Liturgie leitete, trug Luther ein "ziviles" Gewand: seinen schwarzen Gelehrtenrock. "

http://www.stmichael-online.de/historische_bilder.htm
Gut, dass entspricht dann dem, was ich meinte: Der schwarze Rock wird von einem zelebrierenden Geistlichen niemals getragen. Dass ihn ein nichtzelebrierender Prediger getragen hat, ist damit aber noch nicht gesetzt. Luthers Praxis scheint zu zeigen, dass es immerhin möglich war, ohne Chorrock auf die Kanzel zu steigen (ginge das heute noch, Prostasius?); aber es gab immerhin nach der von Dir verlinkten Seite in der brandenburgischen Landeskirche anscheindend Chorröcke, bis der Große Kurfürst sie abgeschafft hat, und für irgendwas wird man die auch genutzt haben.

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Protasius »

Fragesteller hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben: Ich vermute, daß entweder jemand anders gepredigt hat oder vom Altar aus die Predigt gehalten wurde; Zudem gab es auch die Gewohnheit, die Predigt vor der Messe zu halten, z.B. bei den Prämonstratensern. Im Pontificale Romanum sind einige vermutl. bis auf die karolingische Zeit zurückgehende zeremonielle Predigten an die Weihekandidaten enthalten, die der Bischof vom Altar aus hält, um sie über ihren Dienst und dessen Bedeutung zu belehren.
Das heißt, die Kanzel wurde in vortridentinischer Zeit vor allem für Predigten außerhalb der Messe genutzt? Und besteht die Möglichkeit, vom Altar aus zu predigen, auch heute (bzw. 1962) noch?
Die Kanzel wurde sicherlich auch für Predigten in der Messe genutzt (das meinte ich mit "daß [...] jemand anders gepredigt hat".) Und eine Predigt vom Altar aus wäre sicherlich auch heute noch möglich, indem man sich einfach umdreht. Die zeremoniellen Predigten im tridentinischen Ritus für das Weihesakrament hält der Bischof ja immer noch vom Altar aus (auf dem Faldistorium sitzend).
Gut, dass entspricht dann dem, was ich meinte: Der schwarze Rock wird von einem zelebrierenden Geistlichen niemals getragen. Dass ihn ein nichtzelebrierender Prediger getragen hat, ist damit aber noch nicht gesetzt. Luthers Praxis scheint zu zeigen, dass es immerhin möglich war, ohne Chorrock auf die Kanzel zu steigen (ginge das heute noch, Prostasius?); aber es gab immerhin nach der von Dir verlinkten Seite in der brandenburgischen Landeskirche anscheindend Chorröcke, bis der Große Kurfürst sie abgeschafft hat, und für irgendwas wird man die auch genutzt haben.
Ordensgeistliche mit eigenem Habit steigen selbstverständlich ohne Chorrock auf die Kanzel, Luther hat das ja auch gemacht, da er Augustinereremit war. Sonst kenne ich das nur von Requien, bei denen der Trauerredner nach römischem Zeremoniell nicht in Chorkleidung, sondern mit Talar und einem Ferraiolo genannten Umhang eine Ansprache hält (nach den römischen Büchern nach der Messe statt nach dem Evangelium).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

San Marco
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von San Marco »

Ich wiederhole hier in der Diskussion über Paul Gerhardt bezüglich seiner liedmäßigen Nichtbeachtung des Abendmahls meinen Hinweis auf seine dementsprechend vermutlich im Hintergrund stehende theologische Ansicht zur Bedeutung des Abendmahls. Der Kontakt mit Fleisch und Blut des Herrn stand offensichtlich nicht auf der Agenda. Warum ?

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umusungu
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von umusungu »

Paul Gerhardt wird bestimmt noch zu vielen anderen Themen KEINE Lieder gedichtet haben.
Aus dieser Tatsache kann doch keinerlei Aussage über Bedeutung gezogen werden.

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Protasius
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Protasius »

umusungu hat geschrieben:Paul Gerhardt wird bestimmt noch zu vielen anderen Themen KEINE Lieder gedichtet haben.
Aus dieser Tatsache kann doch keinerlei Aussage über Bedeutung gezogen werden.
Er wird bestimmt kein Lied zur Arbeitslosigkeit gedichtet haben, ja, aber bei etwas so zentralem wie dem Abendmahl dürfte man schon etwas erwarten.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Paul Gerhardt war kein Pietist, aber ein Vorläufer des Pietismus.

Im Pietismus hat das Abendmahl keine höhere Bedeutung als die Predigt.

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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von umusungu »

Paul Gerhardt dichtete in all den Jahren mehr als 130 Lieder und wurde nach Martin Luther der bedeutendste Liederdichter der deutschen evangelischen Christenheit. Seine Lieder entstanden aus der Erfahrung persönlichen Leides und zu einem großen Teil in der Zeit, als der Dreißigjährige Krieg tobte, vor allem in den Jahren zwischen 1643 und 1653; sie sind besonders von Gottvertrauen und Heilserfahrung geprägt.

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

"nach Martin Luther"


Nach meiner Einschätzung ist Paul Gerhardt der größere Liederdichter von den beiden.

Wieviele Lieder hat Luther geschrieben?

Bischof
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Bischof »

Sicher finden sich Verse bei Paul Gerhardt mit Sakramentsbezug.

Herr Jesu, meine Liebe - dort Verse 3+ 4:
3. Solch Unheil abzuweisen, / hast du, Herr, deinen Tisch gesetzt. / Da lässest du mich speisen, / so dass sich Mark und Bein ergetzt. / Du reichst mir zu genießen / dein teures Fleisch und Blut / und lässest Worte fließen, / da all mein Herz auf ruht. / Komm, sprichst du, komm und nahe / dich ungescheut zu mir, / was ich dir geb, empfahe / und nimms getrost zu dir.

4. Hier ist beim Brot vorhanden / mein Leib, der dargegeben wird / zum Tod – und Kreuzes- banden / für dich, der sich von mir verirrt. / Beim Wein ist, was geflossen / zu Tilgung deiner Schuld, / mein Blut, das ich vergossen / in Sanftmut und Geduld. / Nimms beides mit dem Munde / und denk auch mit darbei, / wie fromm im Herzensgrund / ich, dein Erlöser, sei.

Gerhardt ist ja gerade wegen seiner lutherisch-orthodoxen Haltung in der Abendmahlsfrage vom Kurfürsten in die Wüste geschickt worden. Dass für ihn das Hl. Abendmahl einen ganz besonderen Stellenwert hatte, ist daher unbestritten. Ich habe wirklich wenig Zeit um mich hier einzubringen, möchte aber eine Ausstellung in der Nicolaikirche (Nicolaiviertel) in Berlin empfehlen. Vor Jahren war da jedenfalls eine sehr aufschlussreiche Paul-Gerhardt-Ausstellung. Sollte ich bei Gelegenheit noch etwas finden, was hier her passt, melde ich mich.

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Bischof hat geschrieben:Sicher finden sich Verse bei Paul Gerhardt mit Sakramentsbezug.

Herr Jesu, meine Liebe - dort Verse 3+ 4:
3. Solch Unheil abzuweisen, / hast du, Herr, deinen Tisch gesetzt. / Da lässest du mich speisen, / so dass sich Mark und Bein ergetzt. / Du reichst mir zu genießen / dein teures Fleisch und Blut / und lässest Worte fließen, / da all mein Herz auf ruht. / Komm, sprichst du, komm und nahe / dich ungescheut zu mir, / was ich dir geb, empfahe / und nimms getrost zu dir.

4. Hier ist beim Brot vorhanden / mein Leib, der dargegeben wird / zum Tod – und Kreuzes- banden / für dich, der sich von mir verirrt. / Beim Wein ist, was geflossen / zu Tilgung deiner Schuld, / mein Blut, das ich vergossen / in Sanftmut und Geduld. / Nimms beides mit dem Munde / und denk auch mit darbei, / wie fromm im Herzensgrund / ich, dein Erlöser, sei.

Gerhardt ist ja gerade wegen seiner lutherisch-orthodoxen Haltung in der Abendmahlsfrage vom Kurfürsten in die Wüste geschickt worden. Dass für ihn das Hl. Abendmahl einen ganz besonderen Stellenwert hatte, ist daher unbestritten. Ich habe wirklich wenig Zeit um mich hier einzubringen, möchte aber eine Ausstellung in der Nicolaikirche (Nicolaiviertel) in Berlin empfehlen. Vor Jahren war da jedenfalls eine sehr aufschlussreiche Paul-Gerhardt-Ausstellung. Sollte ich bei Gelegenheit noch etwas finden, was hier her passt, melde ich mich.


Dies ist dann aber wohl das einzige Lied, das etwas Bezug hat zum Abendmahl. Bei mehr als 130 Lieder zeigt das, dass das Abendmahl wohl nicht im Zentrum des Denkens von Gerhardt stand.

Die Austellung in der Berliner Nikolaikirche ist eine Dauerausstellung. Diese ehemalige Kirche ist seit den 1930er Jahren Teil des Berliner Stadtmuseums.

Das Erbe Paul Gerhardts wird heute in der St. Marienkirche verwaltet.

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umusungu
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von umusungu »

Dieter hat geschrieben:Dies ist dann aber wohl das einzige Lied, das etwas Bezug hat zum Abendmahl. Bei mehr als 130 Lieder zeigt das, dass das Abendmahl wohl nicht im Zentrum des Denkens von Gerhardt stand.
Es stand wohl nicht im Zentrum des Dichtens von Paul Gerhardt. Daraus kann überhaupt kein Rückschluss auf die Bedeutung des Abendmahls in seinem Leben gezogen werden.
Seine Gedichte - die ja von anderen vertont wurden - verarbeiten seine Erfahrungen von Leid und Tod (vier Kinder früh verstorben, ebenso seine Ehefrau) sowie die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges und der mit ihm einhergehenden Pestepidemie.
Seine Gedichte besingen seine Heilsgewissheit .. seine tiefe Verwurzelung in Gott.

Bischof
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Bischof »

@ User Dieter:
Das sind wirklich seltsame Schlussfolgerungen und sind in keinster Weise sachgemäß. Wie ich nur kurz andeuten konnte, war Gerhardt Vertreter der lutherischen Orthodoxie, stand fest auf dem Boden der luth. Abendmahlslehre und hat diese vehement vertreten. Das zeigt u.a. das Berliner Religionsgespräch, sein Exil nach Sachsen gerade weil er sich weigerte das so genannte Toleranzedikt zu akzeptieren und zu unterschreiben.

Paul Gerhardt hat meiner Kenntnis nach nur ein Tauflied geschrieben. Hieraus jetzt zu schließen, dass er mit dem Thema Taufe nichts anfangen konnte bzw. nicht im Zentrum seines Denkens war, ist arg kurzschlüssig.

Gerade das Thema Abendmahl - als eine wesentliche Kontroverse mit den Reformierten - war Gerhardt wichtig, ja er hat deshalb sogar seine hervorragende Stelle verloren. Wie schon ein User einige Beiträge vorher schrieb muss man die Zeit bedenken. Mit seinen Lieder wollte er die Menschen trösten, die aufgrund des 30-jähriges Krieges mit Tod, Leid, Krankheit und Hunger geplagt waren. Ebenso wurde ihm von reformierter Seite nebst Kurfürst übel mitgespielt. Wer seine Lieder liest, weiß durch wieviel Leid er selbst gehen musste incl. Tod seiner Frau und fast aller seiner Kinder. Daher steht die Thematik von Leid und Tod in seinen Lieder im Vordergrund. Er zeigt sich hier als Seelsorger.

Es ist und bleibt ein Kurz- und Truckschluss daraus jetzt schlussfolgern zu wollen, dass gerade das Abendmahl nicht im Zentrum seines Denkens stand. Seine Biograhie sagt etwas anderes. Gerade das Sakrament des Altars und die luth. Abendmahlslehre standen im Zentrum seines Denkens, ja seines Lebens. Denn sein Leben selbst spricht Bände.

Dieter
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Dieter »

Paul Gerhardt war ein Kontroverstheologe der lutherischen Orthodoxie. Er richtete sich einerseits gegen die Katholiken, denen er Verdienstdenken vorwarf, andererseits gegen die Reformierten, denen er die Erwählungslehre und die Folgen daraus vorwarf.

Gegen die Reformierten dichtet er:

"Des Pöbelsvolk unweiser Hauf
Ist auch auf ihrer Seite;
Sie sperren Maul und Nase auf
Und sprechen: Das sind Leute!
Das sind ohn alle Zweifel die,
Die Gott vor allen anderen hie
Zu Kindern auserkoren.

Was sollte doch der große Gott
Nach jenen anderen fragen,
Die sich mit Armut, Kreuz und Not
Bis in die Grube tragen?
Wem hier des Glückes Gunst und Schein
Nicht leuchtet, kann kein Christe sein,
Er ist gewiß verstoßen."

Das Abendmahl wird von ihm in Bezug auf die Reformierten nie thematisiert.

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Reinhard
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Reinhard »

Dieter hat geschrieben:Paul Gerhardt ...

Das Abendmahl wird von ihm in Bezug auf die Reformierten nie thematisiert.
Womöglich doch.
Vielleicht führt Dich dieser Hinweis etwas weiter: bei Johannes M. Ruschke.

Fragesteller
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Re: Paul Gerhardt

Beitrag von Fragesteller »

Bischof hat geschrieben:Sicher finden sich Verse bei Paul Gerhardt mit Sakramentsbezug.

Herr Jesu, meine Liebe - dort Verse 3+ 4:
3. Solch Unheil abzuweisen, / hast du, Herr, deinen Tisch gesetzt. / Da lässest du mich speisen, / so dass sich Mark und Bein ergetzt. / Du reichst mir zu genießen / dein teures Fleisch und Blut / und lässest Worte fließen, / da all mein Herz auf ruht. / Komm, sprichst du, komm und nahe / dich ungescheut zu mir, / was ich dir geb, empfahe / und nimms getrost zu dir.

4. Hier ist beim Brot vorhanden / mein Leib, der dargegeben wird / zum Tod – und Kreuzes- banden / für dich, der sich von mir verirrt. / Beim Wein ist, was geflossen / zu Tilgung deiner Schuld, / mein Blut, das ich vergossen / in Sanftmut und Geduld. / Nimms beides mit dem Munde / und denk auch mit darbei, / wie fromm im Herzensgrund / ich, dein Erlöser, sei.

Gerhardt ist ja gerade wegen seiner lutherisch-orthodoxen Haltung in der Abendmahlsfrage vom Kurfürsten in die Wüste geschickt worden. Dass für ihn das Hl. Abendmahl einen ganz besonderen Stellenwert hatte, ist daher unbestritten. Ich habe wirklich wenig Zeit um mich hier einzubringen, möchte aber eine Ausstellung in der Nicolaikirche (Nicolaiviertel) in Berlin empfehlen. Vor Jahren war da jedenfalls eine sehr aufschlussreiche Paul-Gerhardt-Ausstellung. Sollte ich bei Gelegenheit noch etwas finden, was hier her passt, melde ich mich.
Das ist interessant, danke!
Dieter hat geschrieben:Paul Gerhardt war ein Kontroverstheologe der lutherischen Orthodoxie. Er richtete sich einerseits gegen die Katholiken, denen er Verdienstdenken vorwarf, andererseits gegen die Reformierten, denen er die Erwählungslehre und die Folgen daraus vorwarf.

Gegen die Reformierten dichtet er:

"Des Pöbelsvolk unweiser Hauf
Ist auch auf ihrer Seite;
Sie sperren Maul und Nase auf
Und sprechen: Das sind Leute!
Das sind ohn alle Zweifel die,
Die Gott vor allen anderen hie
Zu Kindern auserkoren.

Was sollte doch der große Gott
Nach jenen anderen fragen,
Die sich mit Armut, Kreuz und Not
Bis in die Grube tragen?
Wem hier des Glückes Gunst und Schein
Nicht leuchtet, kann kein Christe sein,
Er ist gewiß verstoßen."

Das Abendmahl wird von ihm in Bezug auf die Reformierten nie thematisiert.
Die Verse sind auch sehr interessant. Angeblich findet ja die Gleichsetzung Reichtum-Erwählung nur bei wenigen reformierten Autoren dieser Zeit, aber hier scheint sich zu zeigen, dass das im allgemeinen Bewusstsein doch eine gewisse Rolle gespielt hat (wenn auch vielleicht keine so große, wie der Polemiker Gehardt hier unterstellt).

-- Vielleicht hängt die Nichtbeachtung des Abendmahls auch damit zusammen, dass das Abendmahl im orthodoxen Luthertum, wie Till im Nachbarstrang ausführt, nicht primär Gegenstand, sondern Medium des Glaubens ist. Natürlich gibt es auch einen Abendmahlsglauben, nämlich den an die Realpräsenz, aber wichtiger ist nach der CA offenbar der durch das Abendmahl "nur" vermittelte Glaube an die Erlösungstat Christi - und eben um den geht es in Gerhardts Liedern.

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