Luthers selektive Wahrnehmung

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
max72
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Luthers selektive Wahrnehmung

Beitrag von max72 »

Hallo,

ich lese gerade, dass Luther meinte, das Buch Jakobus sei nicht biblisch und er es aus der Bibel herausnehmen wollte. Interessanterweise ist ja Jakobus gerade das Buch, das Luthers "Glaube allein" widerspricht: Jak 1, 14 "Meine Brueder, was nuetzt es wenn einer sagt er habe den Glabuen, aber es fehlen die Werke? Kann etwas der Glaube ihn retten?"

Irgendwo soll er auch in der Bibel "Glaube allein" uebersetzt haben, wo nur nur "Glaube" stand.

Ist nicht so ganz vertrauenserweckend fuer mich. Auch nicht die Sprache manch seiner Texte, ein gewisses "Temperamentsproblem" muss er schon gehabt haben?

Gruss

Max

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Der gute alte Martin hatte ein sehr widersprüchliches Temperament.

Geronimo

max72
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Beitrag von max72 »

Geronimo hat geschrieben:Der gute alte Martin hatte ein sehr widersprüchliches Temperament.

Geronimo
Wie gehen denn die Lutheraner selbst damit um? Das konnten die ja auch nicht verleugnen, dass seine Sprache manchmal unter der Guertellinie lag?

Max

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Edi
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Beitrag von Edi »

max72 hat geschrieben:
Geronimo hat geschrieben:Der gute alte Martin hatte ein sehr widersprüchliches Temperament.

Geronimo
Wie gehen denn die Lutheraner selbst damit um? Das konnten die ja auch nicht verleugnen, dass seine Sprache manchmal unter der Guertellinie lag?

Max
Ach das wird verdrängt oder mit dem damaligen Zeitgeist erklärt.
Nur haben sich schon damals manche über Luthers Grobianismus und seine vulgäre Sprache aufgeregt.

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Wie gehen denn die Lutheraner selbst damit um?
Das evangelische "Volk" kennt Luther meist im Original nicht. Man findet ihn auch in ev. Buchhandlungen nicht.
Die Ausnahme sind der Große und Kleine Katechismus und der Band mit den lutherischen Bekenntnisschriften.

Im übrigen hatte Luther auch für den Hebräerbrief und die Offenbarung nichts übrig. Die hat er zwar übersetzt, jedoch ohne Nummerierung mit dem Jakobusbrief ans Ende der Bibel gestellt. Sie zählten für ihn nicht wirklich zum Kanon, da sie angeblich "Christum nicht getrieben" haben.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Max, du solltest nicht vergessen, dass Luther kein Kind der heutigen Zeit ist. Predigten waren früher allgemein direkter und auch derber und da wurde schon mal gedroht und gefuchtelt und gebrüllt.

Ich nehm jetzt Luthers Übersetzung mal in Schutz, da ich mit der Lutherbibel aufgewachsen bin und grad wenn mir ein gewisses gelatineartige Gesülze aus den eigenen katholischen Reihen mal wieder reicht, dann hol ich sie gern aus dem Schrank und ergötz mich an der direkten zupackenden Sprache Luthers. Die Übersetzungsfehler stören mich nicht - wenn ich so ranginge, dürfte ich auch die Einheitsübersetzung nicht lesen.

Luther hat auch wie kein anderer die deutsche Sprache geprägt und bereichert.

Geronimo

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Edi
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Beitrag von Edi »

FranzSales hat geschrieben:
Wie gehen denn die Lutheraner selbst damit um?
Das evangelische "Volk" kennt Luther meist im Original nicht. Man findet ihn auch in ev. Buchhandlungen nicht.
Die Ausnahme sind der Große und Kleine Katechismus und der Band mit den lutherischen Bekenntnisschriften.
Genau so ist es. Selbst ev. Pfarrer kennen Luther nur auszugsweise. Dem Volk wird Luther nur als Glaubensheld dargestellt, der gegen kath. Missbräuche angegangen sei und schöne Kirchen-Lieder geschrieben hat. Seine negativen Seiten werden weitgehend bis heute unterschlagen.

Hier http://www.neo-lutheraner.de

kann man über seinen Sprachstil mal etwas nachlesen. (Nach unten blättern zu den Links, z.B. was er über Juden schreibt und auch anderes).
Ein Fachmann für Kirchengeschichte schrieb, dass sich manche seiner Ausdrucksweisen nicht mit dem Grobianismus seiner Zeit erklären liessen. Luther habe diesen weit übertroffen.
Zuletzt geändert von Edi am Samstag 20. November 2004, 19:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

ich lese gerade, dass Luther meinte, das Buch Jakobus sei nicht biblisch und er es aus der Bibel herausnehmen wollte.
Ja, ich glaube, er hätte ohne die "stroherne Epistel" von "Jäckel" ruhiger geschlafen. Immerhin, er hat sie nicht herausgenommen, sondern jedem das Urteil freigestellt. Die Apokalypse hat er auch nicht gemocht: zu drohend, zu düster.
Irgendwo soll er auch in der Bibel "Glaube allein" uebersetzt haben, wo nur nur "Glaube" stand.
"Als wenn man sagt: Der Bauer bringt allein Korn und kein Geld", so seine nicht unberechtigte Verteidigung. Er wollte nicht gestelzt und dicht am Griechischen übersetzen, sondern dem Volk aufs Maul schauen.
Ist nicht so ganz vertrauenserweckend fuer mich. Auch nicht die Sprache manch seiner Texte, ein gewisses "Temperamentsproblem" muss er schon gehabt haben?
Nicht mehr als seine Gegner. Es war eine polemische Zeit. Außerdem: Ohne seine Leidenschaft und sein Sprachgefühl hätte er wohl kein Werk hinterlassen können, das die deutsche Sprache so nachhaltig prägen würde wie die Lutherbibel. Wieviele geflügelte Worte wird wohl die Einheitsübersetzung unserer Sprache aufprägen? Welche Übersetzung liest sich leichter, merkt sich besser? Wir kommen am Luther immer noch nicht vorbei.

Anastasis

Beitrag von Anastasis »

Die von Edi verlinkten "Neo-Lutheraner" finde ich allerdings auch seltsam. Die konzentrieren sich ausschließlich auf Themen mit jeder Menge Zündstoff. Ob die Intention tatsächlich die von ihnen angegebene ist - oder ob die Luther nun gern einseitig negativ darstellen wollen? :kratz:
(Oder - wenn man den etwas "parteiartigen" Auftritt in Betracht zieht - ist das Ganze gar ein Fake?)

uli
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Beitrag von uli »

Anastasis hat geschrieben:Die von Edi verlinkten "Neo-Lutheraner" finde ich allerdings auch seltsam.
@ Anastasis: In der Tat – äuuuuuußerst seltsam!
Die Adresse der „Neo-Lutheraner („Gesellschaft für die Verbreitung von Informationen über die Glaubens- und Sittenlehre Martin Luthers“) ist: Röttbacher Straße 61, Kreuzwertheim.
Dies ist auch die Adresse des Verlags „Das Brennglas“, geleitet von German Murer, der seit vielen Jahren der spriritistischen Vereinigung „Universelles Leben“ (UL) angehört. Gründerin des "Universellen Lebens" ist Gabriele Wittek, in traditionell-katholischer, kleinstädtischer Umgebung aufgewachsen. Nach dem Tod ihrer Mutter 1970 glaubte Frau Wittek, mit dieser weiterhin in Verbindung zu stehen – Besuch spiritistischer Zirkel, um mit der Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. 1975 soll bei Frau Wittek das "Innere Wort" durchgebrochen sein. Der „Geistlehrer Bruder Emanuel“ und „Jesus Christus“ sollen sie seitdem als ihr Sprachrohr benutzen. Seit 1980 ist Gabriele Wittek angeblich einziges Bindeglied zwischen Gott und Welt. UL wendet sich entschieden gegen die "offiziellen Kirchen", sei´s katholisch, lutherisch, reformiert oder was immer.
Kurz und gut (bzw. schlecht): Die „Neo-Lutheraner“ sind eine Unterabteilung des „Universellen Lebens“, die sich von all dessen Untergruppierungen am geheimnisvollsten gibt. Wobei – natürlich – kein offensichtlicher Bezug zum Universellen Leben auf der Homepage erkennbar ist.

Uli

www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Uli hat geschrieben:»Die „Neo-Lutheraner“ sind eine Unterabteilung des „Universellen Lebens“«
Die Neo-Lutheraner gibt es überhaupt nicht einmal, es handelt sich lediglich um eine der zahlreichen Internet-Deckadressen (wie z. B. www.kirсhenopfer.dе) der faktisch als aggressiver Konzern agierenden Wittek-Sekte. Näheres wird gewiß Lucia noch beitragen! ;)
[/color]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Die sog. Neolutheraner habe ich nur wegen der Originalzitate von Luther verlinkt, da ich so schnell nichts Besseres gefunden habe.
Ansonsten bin ich nicht mit ihnen einig.
Zuletzt geändert von Edi am Montag 22. November 2004, 22:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Ketzerin
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Beitrag von Ketzerin »

[quote="max72"][quote="Geronimo"]Der gute alte Martin hatte ein sehr widersprüchliches Temperament.

Geronimo[/quote]

Wie gehen denn die Lutheraner selbst damit um? Das konnten die ja auch nicht verleugnen, dass seine Sprache manchmal unter der Guertellinie lag?

Max[/quote]

Wie die Lutheraner im allgemeinen damit umgehen, wage ich hier nicht zu erläutern. Ich persönlich stimme Geronimo durchaus zu. Dass er dem "gemeinen"= gewöhnlichen Volk auf´s Maul geschaut hat, ist sicher nicht zu verleugnen. Andererseits hat er doch mit seiner Sprache das moderne Deutsch wesentlich geprägt.
Dass selbst die meisten TheologInnen ihren Luther nicht ganz kennen, liegt m.E: schlicht an der Menge dessen, was er uns hinterlassen hat.
Habt ihr mal die Weimarer Ausgabe gesehen. *stöhn*

Problematisch bei Luther finde ich persönlich seine Ablehnung den Juden aus späteren Jahren. Da bin ich sehr froh, dass sich einige Landeskirchen klar davon distanziert haben.
Wie bei allem muss man auch beim alten Martin kritisch bleiben und schauen, ob´s schriftgemäß ist- was ja bekanntlich gut lutherisch ist.
:)
soli deo gloria

max72
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Beitrag von max72 »

Ketzerin hat geschrieben: Wie die Lutheraner im allgemeinen damit umgehen, wage ich hier nicht zu erläutern. Ich persönlich stimme Geronimo durchaus zu. Dass er dem "gemeinen"= gewöhnlichen Volk auf´s Maul geschaut hat, ist sicher nicht zu verleugnen. Andererseits hat er doch mit seiner Sprache das moderne Deutsch wesentlich geprägt.
Selbst Franzens Kirchengeschicht schreibt, dass sein Ton immer polemischer wurde in spaeten Jahren. Und ein paar Zitate, na ja, wenn das Volk so geredet hat, dann gab es damals fuer "four-letter-words" wie F*** und so weiter eine ganze Menge Aequivalente.

Wenn ich Heilige der Kirche und Luther vergleiche, na ja, da ist schon ein Unterschied...

Max

max72
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Beitrag von max72 »

FranzSales hat geschrieben:
Im übrigen hatte Luther auch für den Hebräerbrief und die Offenbarung nichts übrig. Die hat er zwar übersetzt, jedoch ohne Nummerierung mit dem Jakobusbrief ans Ende der Bibel gestellt. Sie zählten für ihn nicht wirklich zum Kanon, da sie angeblich "Christum nicht getrieben" haben.
Tja, wie man aus der heutigen Lesung der Offenbarung hoeren kann:
12 Ich sah die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war.
Ich finde das schon aeusserst seltsam, dass Luther gerade die beiden Buecher nicht haben will, die seiner "grossen Einsicht" widersprechen. Also da wundere ich mich jetzt schon.

Max

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Die Leistung von Luthers Bibelübersetzung ist nur zu bewerten, wenn man sich die anderen Bibelübersetzungen dieser Zeit ansieht. Dann erkennt man sein sprachliches Ringen und sein Gespür für Sprache. Außerdem ist bei allem nicht zu vergessen, dass es seine Übersetzungsintention war, eine Bibel in der Volkssprache zu schaffen, und die war einfach derb.

Dass sich sein Lebenslauf zu seinem Ende hin zunehmend von dem katholischer Heiliger unterscheidet, liegt auf der Hand. Nennt mir einen katholischen Heiligen, dessen Ringen um einen Zugang zu Gott so rasch und so extrem politisiert wurde und damit komplett aus dem spirituellen Ruder gelaufen ist und so sehr politisiert wurde, wie das bei Martin Luther der Fall war.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ich kenne mich mit Luther eigentlich gar nicht aus. Ich habe gehört, dass Luther eine Art Bekehrungserlebnis hatte, dass er sich plötzlich von Gott so angenommen und geliebt gefühlt hat, wie er ist - mit seinen Schwächen und seiner Sündhaftigkeit und dass sein Kampf gegen alles, was nach "Werken" riecht, aus einem falschen Verständnis dieses Erlebnisses kommen kann. Auch sein "ungesittetes" und zügelloses Auftreten könne man dadurch erklären, was dann natürlich mit zunehmenden Alter immer schlimmer wurde. Ist da eigentlich was wahres dran?
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Freitag 26. November 2004, 10:52, insgesamt 1-mal geändert.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Wenn ich Heilige der Kirche und Luther vergleiche, na ja, da ist schon ein Unterschied...
Stimmt. Nämlich in unserer Bewertung (sicht durch die rosarote Brille). Würden wir unsere Heiligen nur halb so kritisch betrachten wie Luther, wäre die Aufzählung nach einem A4 Blatt vorbei. Was die politisierung und Luther betrifft, stimmt auch nicht viele heilige politisierten und wurden für die Politik benutzt auch das ist kein Grund. Das einzige Problem was wir Katholiken damit haben ist einfach das Schisma und die volkommen Abkehr der Protestanten nach Luther von der Kirche.

Ich wage sogar zu Behaupten hätte Luther es geschafft trotz aller seiner Ideen die Einheit zu wahren oder wäre sie nach seinem Tod wieder hergestellt worden (anstatt sie in Trient weitere Gräben zu ziehen - Gespräche und Reinigung der Lehren beider Seiten) wäre er heute ein Heiliger.

Außerdem können wir Katholiken Luther so einiges verdanken und in den mystischen Leib Christi (Kirche) der schon mehr Tod als lebendig war ist wieder Leben gekommen.

LG
Fiore

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Luthers Bekehrungserlebnis:


"Luther hatte sich eingehend mit der Auslegung der Psalmen beschäftigt und war dabei immer wieder auf Wendungen gestoßen, in denen vom Gericht Gottes und seiner Gerechtigkeit die Rede war. Immer schon hatte ihm dieses Wort zu schaffen gemacht, das ihn quälte und das er geradezu haßte. Mit einemmal überkam ihn jedoch der Gedanke, daß dieser Begriff vielleicht in der Sprache der Bibel einen anderen Sinn haben könnte als in jener der Philosophen, in der man ihn zu denken gelehrt hatte. Um sich darüber Klarheit zu verschaffen, schlug er die berühmte Stelle im 1. Kapitel des Römerbriefes auf, in der es heißt: »Der Gerechte lebt aus Glauben.« In der Rückschau auf das große Erlebnis, von dem Luther noch wenige Monate vor seinem Tode in der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner lateinischen Werke berichtete, schrieb er dazu: »In brennendem Wissensdurst bedrängte ich Paulus, was er an dieser Stelle sagen wollte, bis ich, Tag und Nacht meditierend, durch Gottes Barmherzigkeit auf die Verknüpfung der Worte achten lernte.« Aus dem Zusammenhang des Textes leuchtete in ihm plötzlich, wie eine göttliche Eingebung, die Erkenntnis auf, daß damit nur die schenkende Gerechtigkeit Gottes gemeint sein konnte, durch die er uns in seiner Gnade gerecht macht. Nicht der Mensch konnte vor Gott jemals gerecht werden, wie er es selbst erfahren hatte, sondern nur Gott selbst machte den Gläubigen gerecht. Wie ein Jubelsturm durchzog es seine Seele: das war die Lösung, ja die Erlösung! In diesem Augenblick fühlte Luther, daß der Heilige Geist über ihn gekommen war... Er warf sich auf die Knie, Tränen der Freude stiegen in ihm auf und inmitten der kleinen Turmstube tat sich der Himmel vor ihm auf. »Da war es mir«, bekannte er, »als wäre ich ganz von neuem geboren und durch offene Pforten in das Paradies selbst eingetreten.« Bis an sein Lebensende gedachte Luther voll tiefster Dankbarkeit jener Stunde, in der ein neues Leben für ihn begonnen hatte. Das Wort des Paulus, den er in seiner Verkündigung gleichsam neu entdeckt hatte, wurde für ihn zum Schlüssel seiner ganzen weiteren Theologie. »Von da aus eröffnete sich mir das rechte Verständnis auch der übrigen Heiligen Schrift. Ich ging in Gedanken die ganze Bibel durch und stellte auch bei anderen Begriffen eine entsprechende Meinung fest: Werk Gottes, das heißt: was Gott in uns wirkt; Kraft Gottes: mit der er uns kräftig macht; Weisheit Gottes: mit der er uns weise macht. . . Soviel ich das Wort Gerechtigkeit Gottes zuvor gehaßt hatte, mit soviel Liebe erhob ich es nun zu meinem allersüßesten Wort. So wurde mir diese Stelle bei Paulus wahrhaftig die Pforte zum Paradies.«

Quelle

max72
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Beitrag von max72 »

DAs Problem scheint mir, wenn es einseitig wird. Terese von Lisieux betont ja auch Gottes Barmherzigkeit und dass man von sich aus nichts erreichen kann. Aber dennoch sind es Taten UND Werke. Sie hat das Beispiel eines kleinen Kindes, das versucht eine Treppe hochzugehen und nie es schafft auch nur die erste Stufe zu erklimmen, aber das ganze ist so bezaubernd anzusehen, dass Gottes liebe erweckt wird und der Vater das Kind die Treppe hochtraegt. Alleine Gottes Barmherzigkeit, aber immerhin versucht das Kind die Treppe zu erklimmen, und wieviele versuchen es nicht mal.

Von Luther gibt es eine Textstelle wo er sagt,wenn man glaubt, dann koenne man weiterhin ehebrechen und alles, der Glaube rette einen...

Die Uebersetzung Luthers mag schoen sein, aber war er nicht so begeistert von seiner Erkenntnis, dass er das aus der Bibel entfernen wollte, das nicht in diese Erkenntnis passte? Eine Stelle, wo "Glaube" steht uebersetzt er mit "gLaube allein", Jakobus und Johannes sieht er nicht als authentisch an, und gerade die sagen, dass Werke wichtig sind. Ist das nicht etwas seltsam?

Gruesse

Max

max72
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Beitrag von max72 »

FioreGraz hat geschrieben:
Wenn ich Heilige der Kirche und Luther vergleiche, na ja, da ist schon ein Unterschied...
Stimmt. Nämlich in unserer Bewertung (sicht durch die rosarote Brille). Würden wir unsere Heiligen nur halb so kritisch betrachten wie Luther, wäre die Aufzählung nach einem A4 Blatt vorbei.
Na ja, da moechte ich schon einmal ein paar Beispiele hoeren, die das bestaetigen. Einige Heilige vielleicht, aber ein Franz von Assissi, eine Teresa von Avila usw?

Max

Marlene
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Beitrag von Marlene »

max72 hat geschrieben: Von Luther gibt es eine Textstelle wo er sagt,wenn man glaubt, dann koenne man weiterhin ehebrechen und alles, der Glaube rette einen...
Es gibt Protestanten, die sind der Meinung, Katholiken könnten ehebrechen und alles, weil sie's hinterher beichten können ...

Max, bei so einer Behauptung wäre es fair, eine exakte Textstelle, und zwar von Luther selbst, keine Sekundärliteratur, anzugeben.

max72
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Beitrag von max72 »

Marlene hat geschrieben:
max72 hat geschrieben: Von Luther gibt es eine Textstelle wo er sagt,wenn man glaubt, dann koenne man weiterhin ehebrechen und alles, der Glaube rette einen...
Max, bei so einer Behauptung wäre es fair, eine exakte Textstelle, und zwar von Luther selbst, keine Sekundärliteratur, anzugeben.
Hab ich zuhause (bin aber leider ne Woche verreist). Man muss auch sagen, dass eben Luther sehr spitz formulierte und polemisch redete. Das kann er auch wirklich nicht gemeint haben. Obwohl es schon das Problem gibt, dass dann ein christlicher Verbrecher, der glaubt, eher in den Himmel kommt, als der buddhistische Heilige. Mir scheint die Katholiken haben den Mittelweg, Werke UND Glaube...

Mir geht's hier halt grad darum, warum Luther ausgerechnet die Buecher nicht haben wollte, die gegen sein "Glaube allein" reden. Purer Zufall? Ich stolpere halt ein wenig ueber Luthers Temperament...

Gruss

Max

max72
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Beitrag von max72 »

Hier ist's ja auf dem Netz, ein Text, der das ganze auch etwas relativiert:


Protestant theologian, Dr John Gerstner, writes:
Scott Hahn, in his deliverance on the radio, did refer to a very criminal statement on the part of Martin Luther, that he could commit adultery several different times a day and still be justified by faith alone. Luther had an unhappy way, and very graphic manner, of expressing certain convictions which, when taken literally, are not only horribly anti-Christian, but are also horribly anti-Martin Luther. He wrote two dissertations against the Antinomianism which was troubling the Lutheran movement in his day, as Scott Hahn and his students of the Reformation know very well. The statement cited by Hahn was just an inexcusable but unforgettable way of Luther’s trying to say that his works, or his morality, was not the foundation of justification by faith alone. While doing research recently at St Vincent College in Latrobe, PA, I read a recent Roman Catholic writer who said: “Luther never meant that a habitual adulterer, murderer, liar, could be justified by faith alone. Otherwise he would not have opposed Karlstadt, Agricola and other easy-believers of his time”’ (Gerstner, JH, Rome Not Home in Justification by Faith Alone, Soli Deo Gloria, 1995, p. 176).
http://www.justforcatholics.org/a161.htm
Zuletzt geändert von max72 am Freitag 26. November 2004, 11:41, insgesamt 1-mal geändert.

Pina Colada
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Beitrag von Pina Colada »

Ich glaub, dass Luther in diesem Punkt genauso missverstanden wird, wie Katholiken oft, wenn sie übers Beichten sprechen.

Marlene
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Beitrag von Marlene »

max72 hat geschrieben:Hier ist's ja auf dem Netz, ein Text, der das ganze auch etwas relativiert:
Protestant theologian, Dr John Gerstner, writes:
Scott Hahn, in his deliverance on the radio, did refer to a very criminal statement on the part of Martin Luther


aha ... ein Zitat über Zitat über ein Zitat ...

Ich weiß schon, weshalb ich um ein Originalzitat von Martin Luther bat ...
:ja:

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

@max72
Na ja, da moechte ich schon einmal ein paar Beispiele hoeren, die das bestaetigen. Einige Heilige vielleicht, aber ein Franz von Assissi, eine Teresa von Avila usw?

Max
Einige viele, sogar die größten haben nicht unbedingt, kritisch betrachtet, ne reine Weste. Ein Augustinus dessen Ansichten sich in so manchen Punkten mit denen Luthers deckten, ein Thomas von Aquin, ein Petrus Damiani, Bernhard von Clairvaux, etc. Und genauso gibts Heilige denen man wie Franz v.A. ne fast lupenreine Weste (aus der Sicht von uns Menschen) bescheinigen kann.

LG
Fiore

max72
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Beitrag von max72 »

Marlene hat geschrieben:
max72 hat geschrieben:Hier ist's ja auf dem Netz, ein Text, der das ganze auch etwas relativiert:
Protestant theologian, Dr John Gerstner, writes:
Scott Hahn, in his deliverance on the radio, did refer to a very criminal statement on the part of Martin Luther


aha ... ein Zitat über Zitat über ein Zitat ...

Ich weiß schon, weshalb ich um ein Originalzitat von Martin Luther bat ...
:ja:


Ich hab's zuhaus, ich such's Dir raus. Ausserdem streitet der Protestantische Theologe es ja nicht ab, sondern erklaert die Sache...

Max

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Martin Luther:
"Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi." (WA Br 2, 372) - Sei ein Sünder und sündige kräftig, aber vertraue noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt.

In diesem Sinn wird wohl auch das Zitat vom Ehebrechen zu verstehen sein. Luther übertreibt immer sehr stark, um die Hoffnung und das alleinige Vertrauen auf Gott zu betonen.
Ob so eine Art der Rede sinnvoll ist, ist eine andere Frage.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

1522 fordert Luther in seiner Schrift "Vom ehelichen Leben":
Marin Luther hat geschrieben:"Daher soll auch heute noch das weltliche Schwert, die Obrigkeit, die Ehebrecher töten. Denn wer seine Ehe bricht, der hat sich schon selbst geschieden und ist ein toter Mensch."
Da die Obrigkeit dieser ihrer Pflicht aber nicht nachkommt, erlaubt Luther die Wiederverehelichung: die des betrogenen Partners, aber auch die des Ehebrechers, allerdings soll dieser sich in "ein fernes Land davonmachen und dort freien".
Martin Luther hat geschrieben:Aber es wäre besser: tot, tot mit ihm! - um ein böses Vorbild zu vermeiden"
1539 erlaubte Luther (unter Hinweis auf die Polygamie der Erzväter) dem Landgraf von Hessen, sich eine zweite Ehefrau zu nehmen, da eine Doppelehe besser als eine Scheidung sei.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Ich nehm jetzt Luthers Übersetzung mal in Schutz, da ich mit der Lutherbibel aufgewachsen bin und grad wenn mir ein gewisses gelatineartige Gesülze aus den eigenen katholischen Reihen mal wieder reicht, dann hol ich sie gern aus dem Schrank und ergötz mich an der direkten zupackenden Sprache Luthers. Die Übersetzungsfehler stören mich nicht - wenn ich so ranginge, dürfte ich auch die Einheitsübersetzung nicht lesen.

Luther hat auch wie kein anderer die deutsche Sprache geprägt und bereichert.

Ich sehe das auch so - besonders die Psalmen sind in der Lutherbibel schöner als in anderen Übersetzungen. Poesie und philologisch korrekte Übertragung sind oft ein Problem.

Cicero
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Beitrag von Cicero »

Ich gebe hier mal zu Protokoll, daß mich obiges Statement überrascht hat.

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