Traditionelles Luthertum

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Marcus
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Traditionelles Luthertum

Beitrag von Marcus »

Nach dem Vorbild der Sakramentskapelle im Kreuzgang, in der traditionelle röm.-kath. Christen ihr eigenen Unterforum haben, habe ich mir gedacht, könnte man ja auch einen extra Thread in der Klausnerei mal eröffnen, wo es um den Erhalt des eigenen Erbes gehen soll und zugleich ein Gesprächskreis für ein traditionelles, bibel- und bekenntnistreues Luthertum entstehen kann, wo Fehlentwicklungen im Protestantismus angesprochen und konstruktive Vorschläge zur Verbesserung sachlich miteinander erörtert werden können. Ferner kann auch über das Selbstverständnis der ev.-luth. Kirche diskutiert werden. Soll die Reformation wirklich als ein Vorbild für eine ständig sich erneuernde Kirche verstanden werden, die sich regelmäßig den gesellschaftlichen Entwicklungen anpasst? Oder soll sich die ev.-luth. Kirche vielmehr als reorganisierte Kirche der alten Väter verstehen und es daher für notwendig erachten, einen starken Konfessionalismus zu pflegen, für die Wahrheit zu streiten und sich lehrmäßig von anderen Denominationen abzugrenzen, was Ökumene, die auf Abendmahls- und Kirchengemeinschaft hinauslaufen soll, ausschließt?

Wie bewertet Ihr die lutherische Orthodoxie und neolutherische Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert? Soll es in der Kirche auch heute nicht wieder mehr Bewegung im Kampf gegen den rationalistischen Zeitgeist, die tugend- und gottlose egoistische Spaßgesellschaft, deren jegliches Gefühl von Sittlichkeit sukzessiv verloren geht, blinden Unionismus und Ökumenismus, der zwar die Einheit sucht, die Wahrheit dabei aber verleugnet und letztlich zu Beliebigkeit und zu Glaubensabfall führt und den ganzen liberalen Rationalismus geben?

Wie soll man mit kirchlichen Erneuerungsbewegungen umgegangen werden, die meinen, dass es fast 2000 Jahre an Zeit gebraucht hätte, um gegen das Zeugnis der Heiligen Schrift und der kirchlichen Überlieferung festzustellen, dass die Frauenordination genauso von Gott wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gewollt oder zumindest nicht gegen die göttliche Ordnung seien?

Gibt es Vorstellungen und Vorschläge wie eine traditionelle evangelische Messliturgie aussehen kann, die das Bekenntnis zu Unserem Herrn und Heiland in höchstwürdigster Weise zum Ausdruck bringt? Inwieweit wäre die Liturgie der Tridentinische Messe für Euch akzeptabel (Dass z. B. der Opferkanon nicht in Frage kommen kann, ist natürlich klar). Soll es auch bei uns z. B. ein Stufengebet oder eine Lesung aus dem 1. Kapitel des Johannesevangeliums zum Schluss der Heiligen Messe geben?

Begründet die Gemeinde das Amt oder das Amt die Gemeinde? Wenn man davon ausgeht, dass niemand predigen und die Sakramente verwalten darf, der nicht ordnungsgemäß und berufen und ordiniert worden ist und die sichtbare Kirche dort ist, wo das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden, ist es dann nicht konsequent auch zu sagen, dass es ohne kirchliches Amt keine sichtbare Kirche geben kann?

Wie viele Sakramente gibt es? Die BSLK bekennen die hl. Taufe, das hl. Abendmahl die hl. Beichte als Sakramente und sind auch bereit z. B. die Ehe sowie die Priesterweihe als Sakramente zu bezeichnen (Apologie). Ferner wird die Zahl der Sakramente letztlich offen gelassen. Wie steht Ihr zu einem sakramentalen Charakter der Konfirmation sowie zur Krankensalbung? Die Apologie lehnt es zwar ab, sie als Sakramente zu bezeichnen, aber eine Einordnung in die Kategorie „sakramentale Handlungen“ wird dadurch ja nicht ausgeschlossen.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Sind diese Fragen nur an gleichgesinnte, will heißen, traditionelle Lutheraner, gerichtet?
Und überhaupt, soll dieser Thread eine geschlossene Ecke für traditionelle Lutheraner sein?
Im Übrigen: Letzten Sonntag wurde ich von einem jungen Mann aus Polen über die Lutheraner ausgefragt. Weil ich ja angeblich soviel weiß. Und aus irgendeinem Grund habe ich auch besonders die traditionellen Lutheraner herausgehoben.
Warum ich das getan habe? Vielleicht, weil die traditionellen Lutheraner mir gezeigt haben, daß die evangelische Theologie, so wie ich sie erlebt habe, nicht der ganze Protestantismus ist. Entmythologisierung, alles wird nur symbolisch verstanden, Jesus hat gar keine Wunder gewirkt, usw. Dazu noch sogenannte "Pastoren", die das "Abendmahl" mit Kartoffelchips und Cola feiern wollen (ohne Witz, so einen habe ich im Radio gehört)…ehrlich gesagt, da habe ich schon, dank traditioneller Lutheraner, eine Lektion gelernt.
Ich bin eine überzeugte Katholikin, aber ich denke, wenn ich in so einer traditionell-lutherischen Familie aufgewachsen wäre, wäre ich vielleicht heute einer von euch.
???

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

gelöscht -falscher Thread-
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

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Lutheraner
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Re: Traditionelles Luthertum

Beitrag von Lutheraner »

Hallo Marcus,
ich finde es sehr gut, dass Du diesen Thread eröffnet hast!
Marcus hat geschrieben:Soll die Reformation wirklich als ein Vorbild für eine ständig sich erneuernde Kirche verstanden werden, die sich regelmäßig den gesellschaftlichen Entwicklungen anpasst?
Das war m.E. nie ihr Anspruch gewesen. Diejenigen in der Kirche, die diese Anpassung fordern, beziehen sich auch nicht auf die Reformation und ihre Ziele, sondern nehmen die Reformation, in einer viel zu eingeschränkten und unhistorishen Sichtweise, nur zur Begründung ihres selbstgewählten Wegs in Anspruch. Ich denke, dass diese Auffassung leicht durch historische Tatsachen widerlegbar ist.
Marcus hat geschrieben: Oder soll sich die ev.-luth. Kirche vielmehr als reorganisierte Kirche der alten Väter verstehen und es daher für notwendig erachten, einen starken Konfessionalismus zu pflegen, für die Wahrheit zu streiten und sich lehrmäßig von anderen Denominationen abzugrenzen, was Ökumene, die auf Abendmahls- und Kirchengemeinschaft hinauslaufen soll, ausschließt?
Das halte ich für sehr wichtig, wobei bei allem Konfessionalismus nie der EIndruck einer zerstrittenen Christenheit entstehen darf. Dieser Eindruck schadet dem Christentum genauso wie eine Ökumene, die alles irgendwie für richtig hält.
Marcus hat geschrieben: Wie bewertet Ihr die lutherische Orthodoxie und neolutherische Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert? Soll es in der Kirche auch heute nicht wieder mehr Bewegung im Kampf gegen den rationalistischen Zeitgeist, die tugend- und gottlose egoistische Spaßgesellschaft, deren jegliches Gefühl von Sittlichkeit sukzessiv verloren geht, blinden Unionismus und Ökumenismus, der zwar die Einheit sucht, die Wahrheit dabei aber verleugnet und letztlich zu Beliebigkeit und zu Glaubensabfall führt und den ganzen liberalen Rationalismus geben?
Im Prinzip schon. Wobei ich nicht glaube, dass das in unserer Mediengesellschaft mit der für sie typischen Verbreitung von verkürzten und damit auch oft sinnentstellten Zitaten besonders erfolgversprechend wäre.
Marcus hat geschrieben: Wie soll man mit kirchlichen Erneuerungsbewegungen umgegangen werden, die meinen, dass es fast 2000 Jahre an Zeit gebraucht hätte, um gegen das Zeugnis der Heiligen Schrift und der kirchlichen Überlieferung festzustellen, dass die Frauenordination genauso von Gott wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gewollt oder zumindest nicht gegen die göttliche Ordnung seien?
Man sollte mit ihnen auf Basis der Bibel über diese Punkte diskutieren.
Marcus hat geschrieben: Gibt es Vorstellungen und Vorschläge wie eine traditionelle evangelische Messliturgie aussehen kann, die das Bekenntnis zu Unserem Herrn und Heiland in höchstwürdigster Weise zum Ausdruck bringt?
Hier sehe ich momentan keinen Änderungsbedarf. Wichtig ist, dass die Gottesdienste von einer lebendigen Gemeinde gefeiert werden. Wenn der Pfarrer die Liturgie singen kann und die Gemeinde fleissig mitbetet und mitsingt ist das schon sehr viel wert.


Marcus hat geschrieben: Begründet die Gemeinde das Amt oder das Amt die Gemeinde? Wenn man davon ausgeht, dass niemand predigen und die Sakramente verwalten darf, der nicht ordnungsgemäß und berufen und ordiniert worden ist und die sichtbare Kirche dort ist, wo das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden, ist es dann nicht konsequent auch zu sagen, dass es ohne kirchliches Amt keine sichtbare Kirche geben kann?
Das ist keine einfache Frage. Den Geburtstag der Kirche feiern wir an Pfingsten. Ich denke, man muß mit dem Zusammenhang des Pfingstereignisses genau durchdenken, was die Kirche eigentlich ausmacht.
Marcus hat geschrieben: Wie viele Sakramente gibt es? Die BSLK bekennen die hl. Taufe, das hl. Abendmahl die hl. Beichte als Sakramente und sind auch bereit z. B. die Ehe sowie die Priesterweihe als Sakramente zu bezeichnen (Apologie). Ferner wird die Zahl der Sakramente letztlich offen gelassen. Wie steht Ihr zu einem sakramentalen Charakter der Konfirmation sowie zur Krankensalbung? Die Apologie lehnt es zwar ab, sie als Sakramente zu bezeichnen, aber eine Einordnung in die Kategorie „sakramentale Handlungen“ wird dadurch ja nicht ausgeschlossen.
Jede Festlegung der Anzahl der Sakramente geht von einem bestimmten von Menschen gemachten Kriterium aus. Deshalb kann es meiner Ansicht nach hierauf keine eindeutige Antwort geben. Die beste Antwort lautet mindestens zwei. Die Gefahr dieser Einschränkung ist natürlich, dass kirchliche Handlungen, die nicht als Sakramente definiert werden, als unwichtig erachtet werden und in Vergessenheit geraten können.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

Allons
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Re: Traditionelles Luthertum

Beitrag von Allons »

Marcus hat geschrieben:Nach dem Vorbild der Sakramentskapelle im Kreuzgang, in der traditionelle röm.-kath. Christen ihr eigenen Unterforum haben, habe ich mir gedacht, könnte man ja auch einen extra Thread in der Klausnerei mal eröffnen, wo es um den Erhalt des eigenen Erbes gehen soll und zugleich ein Gesprächskreis für ein traditionelles, bibel- und bekenntnistreues Luthertum entstehen kann, wo Fehlentwicklungen im Protestantismus angesprochen und konstruktive Vorschläge zur Verbesserung sachlich miteinander erörtert werden können.
Sehr überzeugend. Wieso nicht eigenen Bereich innerhalb des Kreuzgangs? Schlage vor: Das Museum ;D :mrgreen:

Biggrin, Allons!

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Lieber Allons,

das wäre sicherlich ein Thema für einen neuen Thread, aber welche Möglichkeiten siehst Du, wie der christliche Glaube - und hier speziell in der evangelischen Kirche - in unserer Gesellschaft wieder erstarken kann, wenn Du das Luthertum eher für museumsreif hälst?
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

anneke6 hat geschrieben:Sind diese Fragen nur an gleichgesinnte, will heißen, traditionelle Lutheraner, gerichtet?
Und überhaupt, soll dieser Thread eine geschlossene Ecke für traditionelle Lutheraner sein?
Der Thread soll selbstverständlich keine abgeschottene Ecke für traditionell eingestellte Lutheraner sein. Die Sakramentskapelle steht ja auch anderen als traditionellen Katholiken offen. Wer Interesse hat, soll ruhig posten.

anneke6 hat geschrieben:Im Übrigen: Letzten Sonntag wurde ich von einem jungen Mann aus Polen über die Lutheraner ausgefragt. Weil ich ja angeblich soviel weiß. Und aus irgendeinem Grund habe ich auch besonders die traditionellen Lutheraner herausgehoben.
Warum ich das getan habe? Vielleicht, weil die traditionellen Lutheraner mir gezeigt haben, daß die evangelische Theologie, so wie ich sie erlebt habe, nicht der ganze Protestantismus ist.
Das wissen leider viel zu wenige. Auch ich setzte früher das Luthertum schlicht mit der EKD bzw. dem Protestantentum gleich und betrachtete Luther sogar als Gründer der EKD (angenommenes Gründungsdatum 31.10.1517).

Viele, selbst etliche Evangelische wissen das zumeist auch nicht besser. Ich habe bislang auch die Erfahrung gemacht, dass nahezu jeder, der Mitglied einer Gliedkirche der EKD ist, bekennt ein Evangelischer oder ein Protestant zu sein. Zwischen evangelisch-reformiert, evangelisch-lutherisch und evangelisch-uniert wird eigentlich nicht mehr differenziert. Und spätestens seit der Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie hat es sich mit dem landeskirchlichen Konfessionalismus und der traditionellen Verbundenheit zum eigenen Bekenntnis de facto erledigt.

Der Hauptunterschied zwischen Protestanten und Katholiken wird auch von einigen nur darin gesehen, dass Protestanten keinen Papst haben und ethisch moderne bzw. nicht zu spießig wie die Katholischen eingestellt sind. Es herrscht eine regelrechte Bildungsarmut. Hinzu kommt noch, dass in der Gegend, wo ich aufgewachsen bin (Rhein-Main-Gebiet, also ein Ballungsgebiet), genügend Menschen ohnehin nur wenig mit Religion am Hut haben. In Bayern, vielleicht noch in einer dörflichen Gegend, wo man als Protestant in der Minderheit ist, herrscht natürlich ein ganz anderes Bewusstsein für seinen Glauben. Von den evangelischen Konfirmanden in meiner Stadt, die ich ja durch die Schule und den Sport kannte, war vielleicht ein Drittel halbwegs gläubig. Und halbwegs heißt hier nur, dass sie eventuell hinter dem Apostolischen Glaubensbekenntnis standen.

Gegen den Rationalismus in der Theologie und den Unionismus kämpften bereits die Vertreter des Neuluthertums sowie die späteren Väter der Altlutheraner im 19. Jahrhundert, was u.a. zur Gründung von altlutherischen Freikirchen führte, die vom Staat anfangs nicht geduldet und deren Mitglieder verfolgt und zum Teil inhaftiert wurden. Die SELK ist heute als Altlutherische Kirche die Nachfolgerin dieser Freikirchen. Leider gibt es aber auch bei uns den Ein und Anderen, der nicht mehr so recht weiß, wo man eigentlich herkommt und mit der traditionellen Verbundenheit zum Luthertum nicht mehr viel anfangen kann, so dass unsere Mitgliederzahlen ständig abnehmen. Ich denke, der FSSPX und FSSP wird es in einigen Jahrzehnten ähnlich gehen, da ja nicht garantiert ist, dass die Kinder und Enkelkinder der heutigen Traditionalisten die selbe Einstellung wie ihre Eltern und Großeltern haben. Dafür haben wir aber gerade unter den Konvertiten einige als 180%-gefürchtete Glieder, die andererseits aber auch durchweg große Anerkennung ernten. Wer von der Landeskirche oder von einer anderen konfessionellen Richtung zu uns konvertiert, weiß ja in der Regel warum und ist auch bereit, sich zum traditionellen und konfessionellen Luthertum zu bekennen und es zu verteidigen.
Innerhalb der Landeskirchen kämpft z. B. die KSBB für ein orthodoxes und traditionelles Luthertum.
anneke6 hat geschrieben:Ich bin eine überzeugte Katholikin, aber ich denke, wenn ich in so einer traditionell-lutherischen Familie aufgewachsen wäre, wäre ich vielleicht heute einer von euch.
:)
Zuletzt geändert von Marcus am Dienstag 29. Juli 2008, 20:25, insgesamt 1-mal geändert.

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:Lieber Allons,

das wäre sicherlich ein Thema für einen neuen Thread, aber welche Möglichkeiten siehst Du, wie der christliche Glaube - und hier speziell in der evangelischen Kirche - in unserer Gesellschaft wieder erstarken kann, wenn Du das Luthertum eher für museumsreif hälst?
Als Glied der Unionskirche von Berlin-Brandenburg sieht er darin eventuell ein anachronistisches konfessionelles Denken, welche bereits die alten Preußen und Co. im 19. Jahrhundert durch die Zwangsunion stark unterbunden hatten.

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Marcus
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Re: Traditionelles Luthertum

Beitrag von Marcus »

Hallo Lutheraner,

danke für Deinen Beitrag. Im Grunde stimme ich mit Dir überein.

Was die Liturgie angeht, so gehe ich mit Dir zwar konform, denke aber, dass man z. B. eine Lesung aus dem 1. Kapitel des Johannesevangeliums schön zum Schluss einer Messe integrieren kann. Das wäre doch ein toller Abschluss und die Messe erhielte eine schöne Symmetrie.

Kennst Du neben der Braunschweiger Brüdernkirche noch andere ev.-luth. Landeskirchengemeinden, vor allem in Deiner Gegend, die theologisch wie liturgisch problemlos mit der SELK mithalten könnten. Ich denke da grade an solche, die über Jahrzehnte in der Lehre konstant blieben und die Gemeinde an sich so konservativ eingestellt ist, dass ein liberaler oder moderater Pfarrer dort keine Chance hätte, zum Pfarrer gewählt zu werden. Wo ist die lutherische Orthodoxie also noch nicht untergegangen? Wie viele Pfarrer in der Bayerischen Landeskirche würdest Du als KSBB-nahestehend bezeichnen?

Allons
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Beitrag von Allons »

Marcus hat geschrieben:
Als Glied der Unionskirche von Berlin-Brandenburg sieht er darin eventuell ein anachronistisches konfessionelles Denken, welche bereits die alten Preußen und Co. im 19. Jahrhundert durch die Zwangsunion stark unterbunden hatten.
Lieber Lutheraner,

vorab Danke, dass Du mich nach dem Joke nicht ins Killfile befördert hast :) Leider habe ich ein Faible für Sprüche von der Sorte Friedrich II.

Lieber Marcus,
als Glied der Unionskirche sehe ich überhaupt nix. Ich bin im Rheinland groß geworden, anschließend 6 Jahre bei den Jesuiten zur Schule gegangen, Wehrdienst im Hessischen, Studium u.A. im katholischen Würzburg (Stadt) und dann erst nach Berlin. Wenn meine Lebensplanung gradlinig verlaufen wäre wäre ich jetzt vermutlich Rechtsewalt (gut fränkisch :) ) und Mitglied der sächs. Landeskirche. Nu is det berlinerische meine Heimat und det is ooch jut so. Hätte ich überall die Überzeugungen meiner aktuellen Landeskirche/des real präsenten Pfarrers angenommen, ich wäre Wolpertinger oder Buddhist geworden.

Zurück zum Thema: Mein Großvater sagte stets: Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern immer wieder aus der Asche ein neues Feuer entstehen zu lassen.

Das bedeutet aber auch etwas, was für viele unakzeptabel ist: Das neue Feuer ist nicht unsere Sache, sondern die Sache der nächsten Generation. Diese und in diesen muß es brennen.

Und brennen wird es dann, wenn der Glaube der entsprechenden Generation zu den Fragen Antworten gibt, die sie bewegen und Wege aufzeigt, die zu gehen sich lohnt, oder die es wenigstens glaubhaft versprechen.

Eine weitere Plattitüde (für mich zumindestens): Glaube ist ein Weg. Persönlich, Individuell, Unwiederholbar, Nicht steuerbar, Nicht antezipierbar, Nicht delegierbar, ausschliesslich sich selbst und dem Ziel verantwortlich. IHM legen wir unser Talent zu Füßen, am Ende der Reise.

Ich gehe völlig mit Euch beiden konform, dass die theologische Sensibilisierung der Gemeinden am Boden liegt und verbessert werden sollte.

(In diesem Zusammenhang möchste ich mich mal im Forum dafür bedanken, dass ich hier mehr gelernt habe und Anregungen erhalten habe als in x-30 Jahren vorher. Hier sind Türen aufgestoßen worden, hinter denen spannende Universen zu entdecken sind und ich bin noch im Eingangsbereich :) )

Was heißt also in diesem Zusammenhang Traditionelles Luthertum? Heißt es Feuer machen ? Wohlan: Welche Glut hat das Luthertum, die die Gläubigen entzünden könnte ? Da muß man reinblasen.
Wenn traditionelles Luthertum bedeutet: wir verehren die Aschehaufen unserer Vorfahren dann -> Das Museum

In diesem Zusammenhang noch einen Gedanken: Reisende mögen es nicht wenn man ihnen langwierig erklärt was *nicht* geht. Eine Kirche, die nur auf Abgrenzung bedacht ist, hat ihren Weg offenbar schon hinter sich. Das ist der Charme von Leuenberg: es zeigt auf, was *geht*.

Beste Grüße Allen, Allons!

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Beitrag von Lutheraner »

Lieber Allons,

Du weißt ja, dass Du als Unions-Preuße uns schon aus Prinzip verdächtig bist ;-)

Allons hat geschrieben: Was heißt also in diesem Zusammenhang Traditionelles Luthertum? Heißt es Feuer machen ? Wohlan: Welche Glut hat das Luthertum, die die Gläubigen entzünden könnte ? Da muß man reinblasen.
Liturgie, Tradition, Spiritualität, Glaubensgewißheit.
Allons hat geschrieben: Wenn traditionelles Luthertum bedeutet: wir verehren die Aschehaufen unserer Vorfahren dann -> Das Museum
Da stimme ich Dir zu. Wobei ich diese Gefahr heute beim Luthertum eigentlich nicht sehe, sondern eher bei den Rationalisten, die das Christentum als Aschehaufen anpreisen.
Allons hat geschrieben: In diesem Zusammenhang noch einen Gedanken: Reisende mögen es nicht wenn man ihnen langwierig erklärt was *nicht* geht. Eine Kirche, die nur auf Abgrenzung bedacht ist, hat ihren Weg offenbar schon hinter sich. Das ist der Charme von Leuenberg: es zeigt auf, was *geht*.
Der Text der LK enthält meiner Meinung nach handwerkliche Fehler. So steht dort z.B., dass die Kirchen sich gegenseitig die Ordination anerkennen, aber für welche kirchliche Handlungen die Ordination Voraussetzung ist, steht nirgends. Was soll das?
Darüber hinaus gibt es Formulierungen, die nicht eindeutig interpretierbar sind.
Leuenberg wäre weniger schlimm, wenn die Gliedkirchen wirklich eine Ökumene in versöhnter Verschiedenheit leben würden. Aber stattdessen wird die LK gerne als gemeinsamer Lehrkonsens oder gemeinsames Bekenntnis herangezogen. Diesen Anspruch hat die Konkordie nie gehabt. Glücklicherweise spielt sie hier im Süden bislang keine Rolle.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

Allons
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Beitrag von Allons »

Lieber Lutheraner,
Lutheraner hat geschrieben:
Liturgie,
Spiritualität,
Tradition,
Glaubensgewißheit.
Die ersten 2 lasse ich sozusagen gelten da muß man jetzt nachfassen. Tradition ist ein Zirkelschluß (Traditionelles Luthertum zeichnet sich dadurch aus, dass es zwei Eigenschaften besitzt: Tradition und Luthertum :) ) Glaubensgewißheit ist das Feuer, dass in *Dir* brennt, aber nur unter bestimmten Bedingungen ist das geeignet auch bei anderen ein Feuer auszulösen.
Lutheraner hat geschrieben:
Der Text der LK enthält meiner Meinung nach handwerkliche Fehler. So steht dort z.B., dass die Kirchen sich gegenseitig die Ordination anerkennen, aber für welche kirchliche Handlungen die Ordination Voraussetzung ist, steht nirgends. Was soll das?
Darüber hinaus gibt es Formulierungen, die nicht eindeutig interpretierbar sind.
Die Frage welche Handlungen eine Ordination voraussetzen würden und welche Amthandlung und an wem denn dann überhaupt den Anforderungen an eine Ordination genügen würde würde diesen Rahmen ja auch sprengen. Sonst stünde da ja auch schlicht "42".
Lutheraner hat geschrieben: Leuenberg wäre weniger schlimm, wenn die Gliedkirchen wirklich eine Ökumene in versöhnter Verschiedenheit leben würden.
Das machen sie doch schon, wenigstens auf Gemeindeebene. Der Rest lebt wenigstens in verschiedener Versöhntheit. ;)

Herzliche Grüße, Allons!

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Re: Traditionelles Luthertum

Beitrag von Lutheraner »

Marcus hat geschrieben:Kennst Du neben der Braunschweiger Brüdernkirche noch andere ev.-luth. Landeskirchengemeinden, vor allem in Deiner Gegend, die theologisch wie liturgisch problemlos mit der SELK mithalten könnten.
Hallo Marcus,

ich kenne schon einige landeskirchliche Gemeinden, die - aus meiner Sicht - mit vielen SELK-Gemeinden theologisch und vermutlich zu einem Großteil auch liturgisch mithalten können. Es kommt immer darauf an, wo Du die Grenzen ziehen möchtest.
Die Gemeinde der Braunschweiger Brüdernkirche ist wirklich etwas besonderes. Mit ihr sind sicherlich auch die St. Johanniskirche in Hamburg-Eppendorf und die Gartenkirche in Hannover vergleichbar, aber beide kenne ich nur vom Hörensagen her.
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Beitrag von Lutheraner »

Allons hat geschrieben:Lieber Lutheraner,
Lutheraner hat geschrieben:
Liturgie,
Spiritualität,
Tradition,
Glaubensgewißheit.
Die ersten 2 lasse ich sozusagen gelten da muß man jetzt nachfassen. Tradition ist ein Zirkelschluß (Traditionelles Luthertum zeichnet sich dadurch aus, dass es zwei Eigenschaften besitzt: Tradition und Luthertum :) )
Ich meine das so, dass man auch Wert auf die Tradition der Kirche und damit auf eine gewisse Kontinuität legt. Dazu gehört, dass man nicht leichtfertig verurteilt oder vom Tisch fegt, was unsere Glaubensgeschwister vor 50 oder 100 Jahren glaubten, sondern sich versucht damit auseinanderzusetzen. Manche Aussagen von Synodalen oder Geistlichen, was den evangelischen Glauben heute in ausmacht ("Frauenordination, Priestertum aller Getauften, evangelische Freiheit, keine strikte moralische Regeln") sind doch insofern völlig unglaubwürdig, da sie unterstellen, dass unsere Vorfahren einen ganz anderen (und damit wohl falschen) Glauben hatten.
Allons hat geschrieben: Glaubensgewißheit ist das Feuer, dass in *Dir* brennt, aber nur unter bestimmten Bedingungen ist das geeignet auch bei anderen ein Feuer auszulösen.
Aber wenn ich das Feuer nicht habe, kann ich es nicht weitergeben. Es waren doch immer glaubensfeste Menschen, die Erweckungen ausgelöst haben. Wenn ich meinen eigenen Glauben permanent in Zweifel ziehe, indem ich ihn nur unter bestimmten Kriterien gelten lasse, dann überzeuge ich mit ihm niemanden. Damit möchte ich nicht behaupten, dass man den Glauben nicht hinterfragen soll, sondern dass er nicht vollständig äußeren Maßstäben unterworfen sein sollte.
Einfacher ausgedrückt: Ich glaube, dass Theo Lehmann missionarisch viel mehr geleistet hat, als Dorothee Sölle.
Allons hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Der Text der LK enthält meiner Meinung nach handwerkliche Fehler. So steht dort z.B., dass die Kirchen sich gegenseitig die Ordination anerkennen, aber für welche kirchliche Handlungen die Ordination Voraussetzung ist, steht nirgends. Was soll das?
Darüber hinaus gibt es Formulierungen, die nicht eindeutig interpretierbar sind.
Die Frage welche Handlungen eine Ordination voraussetzen würden und welche Amthandlung und an wem denn dann überhaupt den Anforderungen an eine Ordination genügen würde würde diesen Rahmen ja auch sprengen. Sonst stünde da ja auch schlicht "42".
Aber es macht doch keinen Sinn zu beschließen, dass man sich gegenseitig die Ordinationen anerkennt, wenn man nicht festlegt, wozu man sie braucht. Wenn eine Leuenberg-Gliedkirche die Ordination komplett abschafft und festlegt, das jedes Gemeindeglied gleichwertig jede kirchliche Handlung durchführen darf, dann widerspricht sie damit nicht der Konkordie.
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:
Allons hat geschrieben: In diesem Zusammenhang noch einen Gedanken: Reisende mögen es nicht wenn man ihnen langwierig erklärt was *nicht* geht. Eine Kirche, die nur auf Abgrenzung bedacht ist, hat ihren Weg offenbar schon hinter sich. Das ist der Charme von Leuenberg: es zeigt auf, was *geht*.
Der Text der LK enthält meiner Meinung nach handwerkliche Fehler. So steht dort z.B., dass die Kirchen sich gegenseitig die Ordination anerkennen, aber für welche kirchliche Handlungen die Ordination Voraussetzung ist, steht nirgends. Was soll das?
Darüber hinaus gibt es Formulierungen, die nicht eindeutig interpretierbar sind.
Leuenberg wäre weniger schlimm, wenn die Gliedkirchen wirklich eine Ökumene in versöhnter Verschiedenheit leben würden. Aber stattdessen wird die LK gerne als gemeinsamer Lehrkonsens oder gemeinsames Bekenntnis herangezogen. Diesen Anspruch hat die Konkordie nie gehabt. Glücklicherweise spielt sie hier im Süden bislang keine Rolle.
Die Leuenberger Konkordie muss aus lutherischer Sicht abgelehnt werden:
Beispiel für die Unionisierung einer Bekenntnisaussage

Das lutherische Bekenntnis sagt, daß die Kommunikanten in, mit und unter dem Brot und Wein den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, zur Anteilhabe am Leib Christi und zur Stärkung des Glaubens empfangen.

Es sagt weiter, daß Leib und Blut Christi unter Brot und Wein mit dem Mund von allen Kommunikanten empfangen wird, wobei diejenigen, die das Sakrament im Glauben empfangen, dies zum Heil, diejenigen, die es im Unglauben empfangen es sich aber zu geistlichem Schaden nehmen.

Das reformierte Bekenntnis besagt, daß das Abendmahl ein reines Gedächtnis sei, bei dem man nur Brot und Wein empfange. Nach Calvin wird dabei eine spirituelle (geistliche im Gegensatz zur leiblichen) Gegenwart des zur Rechten des Vaters erhöhten Christus angenommen. Die leibliche Gegenwart Christi mit seinem Leib und Blut unter Brot und Wein wird entschieden abgelehnt.

Die Leuenberger Konkordie formuliert eine Kompromißformel, bei der festgehalten wird, daß Christus (auf spirituelle Weise) in der Feier des Abendmahls gegenwärtig sei und diese Gegenwart auch an den Genuß von Brot und Wein gebunden sei.

Die sog. Realpräsenz, also die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Christi, gebunden an die „Materie" oder die sog. „Realien" von Brot und Wein, wird jedoch nicht bekannt.

Die Calvinisten mußten sich also von ihren Grundpositionen entfernen und sich bestimmten Aspekten lutherischer Lehre öffnen, die ihre Bekenntnisse noch ausdrücklich verwerfen und ebenso mußten die Lutheraner verfahren.

Quelle: http://www.lutherisch.com/glaube_und_lehre.htm
Wenn man sich die Formulierung zum Abendmahl in der LK mal durchliest, ist es nicht besonders schwer ein Abendmahlsverständnis nach Melanchthon herauszulesen, der ja sogar später die CA diplomatisch spitzfindig und geschickt verfälschte, um den Calvinisten damit entgegenzukommen. Wer den Schund in der LK bekennt, ist kein Lutheraner mehr, sondern ein Philippist und Kryptocalvinist.

Das merken aber offenbar studierte ev.-luth. Theologe auch nicht. So las ich vor ein paar Wochen im Kreuzgang von einer ehemaligen Lutheranerin und jetzigen Katholikin, dass man ihr früher gelehrt hätte, Jesus Christus sei nur während des Aktes des Vollzugs im Sakrament gegenwärtig. Ev.-luth. ist aber, dass der wahre Leib und das wahre Blut Christi durch das Sprechen der Einsetzungsworte zum Brot und Wein hinzukommen und sich zur sakramentalen Einheit miteinander verbinden. Die Realpräsenz ist damit konsequent weitergedacht letztlich von dem Bestand der Materie abhängig. Dass diese Auffassung bereits die Gnesiolutheraner, also die wahren Lutheraner, vertreten hatten, darüber gibt es genügend Publikationen und auch eine Dissertation.

Bei dem Abendmahlsverständnis, das die Leuenberger Konkordie vermittelt, muss man sich nicht wundern, wenn selbst lutherische Pastoren nicht verzehrte Hostien wegschmeißen und den Rest im Kelch in den Abfluss gießen und das auch noch damit rechtfertigen, dass Jesus Christus nur während des Kommunizierens gegenwärtig sei. Ich nenne das „Sakramentsschändung“. Ein größeres Sakrileg gibt es eigentlich nicht mehr. Solche Pastoren wurden von den Gnesiolutheranern früher ihres Amtes enthoben und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Auch von Luther gingen entsprechende Initiativen aus.

Und außerdem frage ich mich, wie „Lutheraner“ überhaupt Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mit bekenntnisverschiedenen Kirchen begründen können, wenn bereits aus der CA hervorgeht, dass die sichtbare Kirche dort ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden, zugleich aber festgestellt wird, dass immer noch Lehrunterschiede bestehen, die aber keinen Grund zur Trennung mehr darstellen sollen?

Es gibt zwischen Lutheranern und Reformierten erhebliche Unterschiede im Amtsverständnis, im Sakramentsverständnis, in der Christologie, in der Soteriologie sowie in der Prädestination etc.

In der Bibel steht: „Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (ApG 2, 42)

Hier wird doch deutlich, dass Abendmahlsgemeinschaft Beständigkeit und Übereinstimmung in der Lehre voraussetzt. Andernfalls würde eine Gemeinschaft vorgetäuscht, die doch in Wirklichkeit gar nicht besteht.

Die Leuenberger Konkordie ist daher wieder einmal ein klassisches Beispiel für einen faulen ökumenischen Kompromiss, der zwar blind die Einheit sucht und die Wahrheit dabei preisgibt, zur Lehrbeliebigkeit hinführt und letztlich für den sukzessiven Abfall vom eigenen Bekenntnis verantwortlich ist.

Lutheraner hat geschrieben:Ich meine das so, dass man auch Wert auf die Tradition der Kirche und damit auf eine gewisse Kontinuität legt. Dazu gehört, dass man nicht leichtfertig verurteilt oder vom Tisch fegt, was unsere Glaubensgeschwister vor 50 oder 100 Jahren glaubten, sondern sich versucht damit auseinanderzusetzen. Manche Aussagen von Synodalen oder Geistlichen, was den evangelischen Glauben heute in ausmacht ("Frauenordination, Priestertum aller Getauften, evangelische Freiheit, keine strikte moralische Regeln") sind doch insofern völlig unglaubwürdig, da sie unterstellen, dass unsere Vorfahren einen ganz anderen (und damit wohl falschen) Glauben hatten.
Da hast Du recht. Ich möchte allerdings betonen, dass die Tradition unserer Kirche nicht vor 50 Jahren begann, auch nicht im Jahre 1530 oder am 31.10.1517, sondern an Pfingsten, also 50 Tage nach der Himmelfahrt Christi. Auch wenn die eigene Gemeinschaft erst ein halbes Jahrtausend alt ist, so ändert das nichts daran, dass man vor 500 Jahren die Katholische Kirche erneuern bzw. in ihr die alte katholische und apostolische Kirche wiederherstellen wollte, weil man überzeugt war, dass sie auf die Schiefe Bahn geraten ist. Wenn man sich aber als reorganisierte Kirche der Väter betrachtet, so kann die Tradition doch nicht erst mit der Reformation beginnen. Außerdem wurden in den Schriften, die ins Konkordienbuch aufgenommen worden sind, auch die alten Kirchenväter zahlreich zitiert, um aufzuzeigen, dass man nichts Neues lehrt, sondern die eigenen Lehren so schon in der alten Kirche vertreten wurden. Nur so kann man sich auch als ein Teil der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten verstehen. Andernfalls, also sofern man nur von Rom selbständig sein will, weil man den Papst und die ganze Kirche irgendwie doof und spießig findet und sein eigenes Süppchen ganz nach seinem Geschmack kochen will, ist man nichts anderes als ein Sektierer, der außerhalb der Kirche steht. Die gesamte kirchliche Überlieferung ist zwar jenem Teil der kirchlichen Überlieferung unterzuordnen, der von den hl. Kirchenväter aufgrund der Tradition kanonisiert und als Gottes Wort festgestellt wurde. Solange aber die Kirche und ihre Väter evangeliumsgemäß gelehrt haben und ihre Lehren mit der Heiligen Schrift in Einklang zu bringen sind, besteht kein Grund die Tradition zu verwerfen und abzulehnen. Unser Fundament ist das Evangelium Christi und alles, was darauf passt, soll auch stehen bleiben.

Die Kirche konnte sich doch letztlich immer auf den Beistand des Heiligen Geistes verlassen und wurde niemals permanent von Ketzern, Ahnungslosen und Machtgierigen regiert. Die Väter der ungeteilten Kirche sind auch unsere Väter. Und was die heiligen Väter zum Thema praktizierende Homosexualität und Frauenordination von der Heiligen Schrift ausgehend gelehrt haben, ist für mich so eindeutig, dass sich die Frage, ob man Frauen ins Predigtamt ordinieren oder homosexuelle Beziehungen segnen darf, erst gar nicht stellt. Wo solches geschieht, wird nicht mehr im Sinne Gottes gehandelt, so dass kein Segen dafür zu erwarten ist. Man braucht sich nur die Entwicklungen der Kirchen anzusehen, die Homosexuelle segnen und die Frauenordination eingeführt haben. Im Großen und Ganzen befinden sie sich alle in mehr oder weniger starken Krisen und drohen zu zerfallen. Das ging dem Volk Israel, das sich auch gerne dem Willen des Herrn widersetzt hatte, bereits zu Zeiten des alten Testaments nicht anders.
Zuletzt geändert von Marcus am Mittwoch 30. Juli 2008, 21:13, insgesamt 1-mal geändert.

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Marcus
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Re: Traditionelles Luthertum

Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:
Marcus hat geschrieben:Kennst Du neben der Braunschweiger Brüdernkirche noch andere ev.-luth. Landeskirchengemeinden, vor allem in Deiner Gegend, die theologisch wie liturgisch problemlos mit der SELK mithalten könnten.
Hallo Marcus,

ich kenne schon einige landeskirchliche Gemeinden, die - aus meiner Sicht - mit vielen SELK-Gemeinden theologisch und vermutlich zu einem Großteil auch liturgisch mithalten können. Es kommt immer darauf an, wo Du die Grenzen ziehen möchtest.
Die Gemeinde der Braunschweiger Brüdernkirche ist wirklich etwas besonderes. Mit ihr sind sicherlich auch die St. Johanniskirche in Hamburg-Eppendorf und die Gartenkirche in Hannover vergleichbar, aber beide kenne ich nur vom Hörensagen her.
Danke schön!

Ich denke alle ev.-luth. Christen und Gemeinden, die sich zur Heiligen Schrift und zum Konkordienbuch bekennen, sollte sich der Erklärung der ev.-luth. Kirche in Litauen anschließen:
Wir lehnen diese falsche Lehren ab und bekennen die völlige Autorität der Bibel und ihrer Lehren, wie sie richtig und unabänderlich im Konkordienbuch niedergelegt ist. Wir haben volle Kirchengemeinschaft mit den Kirchen, die Glauben und Lehre gemeinsam mit uns haben, und die weder Frauenordination praktizieren noch fördern, die homosexuelle Praxis nicht gut heißen, die keine Kompromisse wegen der Rechtfertigungslehre eingehen, und bekennen, dass jedem Kommunikanten im Abendmahl unter den Zeichen des Brotes und des Weins der wahre Leib und das wahre Blut des Herrn gereicht wird und er es auch empfängt.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Evangelisc ... in_Litauen

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Hallo Marcus,

kennst Du die Zeitschrift Confessio Agustana?

Mitherausgeber sind u.A. die Bischöfe Janis Vanags und Jobst Schöne. Die Mehrzahl der Autoren sind Pfarrer, Prädikanten und Professoren, die zur Evang.-Luth. Kirche in Bayern gehören.
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Hallo Lutheraner!

Vielen Dank für Hinweis. Hab da schon mal etwas mitbekommen, dass es diese Seite gibt.

Letztens las ich mal wieder Pieper und Walther und mir fiel auf, dass sie es letztlich ablehnten die Ordination als konstitutives Element für die Vermittlung eines Amtscharismas anzusehen, weil das aus dem Konkordienbuch nicht ausdrücklich vorgeht. Daher war die Ordination für sie nicht mehr als eine löbliche Einrichtung nach kirchlichem Recht. Die Bibel und Tradition schienen für sie also nicht weiter von belangen zu sein, weil man die BSLK wohl dahingehend fundamental auslegte, dass etwas, was nicht expressiv verbis in den BSLK steht, nicht richtig sein kann. Das ist aber absolut falsch. Wenn es heißt, dass die BSLK die Bibel richtig wiedergeben, so kann man das doch letztlich nur auf Glaubenslehren beziehen, welche auch in den BSLK angesprochen werden. Wo sie nichts Konkretes sagen oder gar schweigen, ist es mehr als ratsam, hier auf Grundlage der Schrift der kirchlichen Tradition zu folgen, zumal sich die ev.-luth. Kirche als innerkatholische Reformbewegung verstand und die Kirche nicht erst seit dem Jahre 1580 wieder existiert.

Im Grunde machen ja die BSLK nichts anderes als rechte Lehre festzustellen und falsche Lehre zu verwerfen. Das wurde in der Geschichte der Kirche auf Konzilen auch nie anders gemacht. Anlass waren immer Lehrstreitigkeiten. Und wie Pastor i. R. Bürgener in einem seiner Bücher mal schrieb, sei auch die röm.-kath. Segenstheologie zu Zeiten Luthers doch sehr mager ausgeprägt gewesen, so dass auch die röm.-kath. Kirche demnach die Handauflegung bei der Priesterweihe nicht als das wesentlichste Element für die Gültigkeit einer Weihe und Vermittlung eines Amtscharismas verstanden hätte. Nach dem Prinzip vorzugehen, was nicht in den BSLK ausdrücklich drinsteht, sei falsch, ist daher abzulehnen.

Vielmehr erwartet das Konkordienbuch nur, dass man Lehren, die als orthodox festgestellt wurden, bekennt und Lehre, die als heterodox festgestellt wurden, ablehnt. Ansonsten wird man, soweit man sich als innerkatholische Reformbewegung versteht, wirklich nicht davonkommen, die ganze kirchliche Überlieferung anzunehmen, soweit sie der Heiligen Schrift bzw. dem Evangelium Christi nicht widerspricht. Im Grunde genommen sollte sich die ev.-luth. Kirche also als eine Art „katholische Notkirche“ verstehen, die solange eine Existenzberechtigung hat, wie die röm.-kath. Kirche noch Lehrmeinungen vertritt, die nach bestem Wissen und Gewissen die Schrift negativ berühren. Sobald das nicht mehr der Fall ist, ist jeder Lutheraner, der sich nicht der röm.-kath. Kirche anschließt, also nicht mehr als ein Sektierer. Darum stehen mir auch die Nackenhaare zu Bergen, wenn es von der lutherischen Seite aus Bemühungen gibt, mit reformatorischen Glaubensgemeinschaften, die links von uns stehen, gemeinsame ökumenische Erklärungen auszuhandeln und zu unterzeichnen, die letztlich die ev.-luth. Kirche nach links rücken lassen. Und ferner sind Entwicklungen abzulehnen, die im Widerspruch zur Schrift und Tradition stehen (wie z. B. Frauenordination, Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, Evolutionstheorie, historisch-kritische Methode, feministische und liberale Theologie etc...), weil sich dazu beitragen, dass das Christentum in regelmäßigen Abständen neu erfunden und umdefiniert wird. Als Christen sind wir schließlich gehalten Gotteswort und nicht Menschenwort zu predigen und dem Willen Gottes und nicht dem Willen der Gesellschaft zu folgen. Wo also die Kirche nicht mehr als Leib Christi, deren Haupt Jesus Christus ist, verstanden wird, sondern als gesellschaftliche Einrichtung, die sich folglich den Entwicklungen der Gesellschaft anzupassen hat, kann nicht mehr von der Kirche Christi, sondern nur noch von einer „gesellschaftlichen Organisation zur christlichen Brauchtumspflege“ gesprochen werden.

Gruß Marcus

P.S.

Korrektur: Beitrag vom 30.07., 21:10 Uhr: Pfingsten – Christi Himmelfahrt = 10 Tage; Pfingsten – Ostern = 50 Tage (war wohl etwas zu sehr in Feierlaune...)

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Hier wird behauptet, dass Käsemann davon ausging, dass bei der Ordination ein Amtscharisma vergeben wird. Weiß jemand, wieweit das stimmt? Ich dachte, dass Käsemann eher liberal war, daher wundert mich das etwas.
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Beitrag von Lutheraner »

Marcus hat geschrieben:Im Grunde genommen sollte sich die ev.-luth. Kirche also als eine Art „katholische Notkirche“ verstehen, die solange eine Existenzberechtigung hat, wie die röm.-kath. Kirche noch Lehrmeinungen vertritt, die nach bestem Wissen und Gewissen die Schrift negativ berühren. Sobald das nicht mehr der Fall ist, ist jeder Lutheraner, der sich nicht der röm.-kath. Kirche anschließt, also nicht mehr als ein Sektierer.
Ich glaube, dass man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass die römische Kirche leider nie den rechten Glauben annehmen wird. Daran hindern sie schon ihr Selbstverständnis und ihre Strukuten.

Eine überkonfessionelle Ökumene halte ich nur in begrenzter Weise für wichtig (egal in welche Richtung). Wichtig ist die innerkonfessionelle Ökumene und damit die Bewahrung des rechten Glaubens.
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Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:
Marcus hat geschrieben:Im Grunde genommen sollte sich die ev.-luth. Kirche also als eine Art „katholische Notkirche“ verstehen, die solange eine Existenzberechtigung hat, wie die röm.-kath. Kirche noch Lehrmeinungen vertritt, die nach bestem Wissen und Gewissen die Schrift negativ berühren. Sobald das nicht mehr der Fall ist, ist jeder Lutheraner, der sich nicht der röm.-kath. Kirche anschließt, also nicht mehr als ein Sektierer.
Ich glaube, dass man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass die römische Kirche leider nie den rechten Glauben annehmen wird. Daran hindern sie schon ihr Selbstverständnis und ihre Strukuten.

Eine überkonfessionelle Ökumene halte ich nur in begrenzter Weise für wichtig (egal in welche Richtung). Wichtig ist die innerkonfessionelle Ökumene und damit die Bewahrung des rechten Glaubens.
Hallo Lutheraner,

man kann natürlich davon ausgehen, dass die röm.-kath. Kirche die seitens der Reformation abgelehnten Glaubenslehren und Praktiken nicht grundlegend ändern wird. Das stand ja schon für die Väter der Reformation fest. Mir ging auch vielmehr um das Selbstverständnis der ev.-luth. Kirche. Diese kann ja nur solange eine Existenzberechtigung für sich als eigenständige Gemeinschaft von Christen innerhalb der Kirche Christi in Anspruch nehmen wie sie selbst allein rechtgläubig ist bzw. sich nach besten Wissen und Gewissen für rechtgläubig halten kann und darf. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, an die eigene Selbständigkeit festzuhalten, wenn andere christliche Glaubensgemeinschaften im Grunde die selbe theologische und ethische Auffassung vertreten. In diesem Fall ist das Streben nach einer Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mehr als nur wünschenswert. Daher ist mir auch innerkonfessionelle Ökumene wichtig. Ich sondiere sehr aufmerksam, mit welchen ev.-luth. Kirchen, die theologisch wie ethisch im Grunde die selbe Auffassung wie die SELK teilen, auch Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft begründet werden kann. Mit den ev.-luth. Kirchen aus Lettland und Litauen könnte ich mir eine derartige ökumenische Gemeinschaft sehr gut vorstellen.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass die heutige RKK mit Papst Benedikt XVI. an der Spitze doch im Großen und Ganzen deutlich evangelischer als die westeuropäischen protestantischen Großkirchen ist. Auffallend und bezeichnend ist es doch, dass man selbst in den konservativsten SELK-Gemeinden Leute antrifft, die sich im Großen und Ganzen durchweg positiv über das Buch „Jesus von Nazareth“ von Papst Benedikt XVI. äußern. Und ich meine sogar (wenn ich mich nicht verguckt habe) in einer altlutherischen Gemeinde, die selbst von Selkies als „sehr konservativ“ bezeichnet wird, Exemplare von diesem Buch gesehen zu haben. Mit einem rege Interesse erwarte ich auch den Ausgang der Lehrgespräche zwischen SELK und RKK. Man wird zwar sicherlich nicht einig werden können, ohne das jeweils eigene Lehrgebäude aufzuweichen, was absolut falsch wäre (mit dieser Art von Ökumene kann ich gar nichts anfangen), aber über ein konstruktives Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Unterschiede würde ich mich zumindest mal freuen. Man muss sie schließlich immer regelmäßig über den „Stand der Dinge“ informieren können. Und wo Missverständnisse und Vorurteile bestehen, können diese abgebaut werden.

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Beitrag von Lutheraner »

Marcus hat geschrieben: Man darf aber auch nicht vergessen, dass die heutige RKK mit Papst Benedikt XVI. an der Spitze doch im Großen und Ganzen deutlich evangelischer als die westeuropäischen protestantischen Großkirchen ist.
Dieser Scheint trügt leider gewaltig. Du kannst die RKG nicht auf Ratzinger reduzieren und auch Ratzinger kann man nicht auf sein Buch "Jesus von Nazareth" reduzieren. Er hat in diesem Buch bewusst nach dem Jesus der Evangelien gesucht, insofern ist es natürlich ein evangelisches Buch geworden.
Die katholische Gemeinschaft besteht aber nicht nur aus dem Papst, sondern aus ihren Gemeinden und Gläubigen weltweit. Und da ist und war schon immer vieles im Argen, nicht nur in Mitteleuropa, sondern vor allem auch in südlichen Ländern.
Vor der Reformation lag die Glaubensweitergabe weitgehend brach. Selbst Priester wussten nicht einmal wieviele Sakramente es gab. Der "Glaube" des einfachen Volkes bestand hauptsächlich aus obskuren Vorstellungen, wie dass der Anblick eines Bildnisses des Hl. Chrystophorus vor dem plötzlichen Tod schützt. Bei vielen südländischen Katholiken sieht das auch heute nicht viel besser aus.
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Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:
Marcus hat geschrieben: Man darf aber auch nicht vergessen, dass die heutige RKK mit Papst Benedikt XVI. an der Spitze doch im Großen und Ganzen deutlich evangelischer als die westeuropäischen protestantischen Großkirchen ist.
Dieser Scheint trügt leider gewaltig. Du kannst die RKG nicht auf Ratzinger reduzieren und auch Ratzinger kann man nicht auf sein Buch "Jesus von Nazareth" reduzieren. Er hat in diesem Buch bewusst nach dem Jesus der Evangelien gesucht, insofern ist es natürlich ein evangelisches Buch geworden.
Das ist mir schon klar.
Die katholische Gemeinschaft besteht aber nicht nur aus dem Papst, sondern aus ihren Gemeinden und Gläubigen weltweit. Und da ist und war schon immer vieles im Argen, nicht nur in Mitteleuropa, sondern vor allem auch in südlichen Ländern.
Vor der Reformation lag die Glaubensweitergabe weitgehend brach. Selbst Priester wussten nicht einmal wieviele Sakramente es gab. Der "Glaube" des einfachen Volkes bestand hauptsächlich aus obskuren Vorstellungen, wie dass der Anblick eines Bildnisses des Hl. Chrystophorus vor dem plötzlichen Tod schützt. Bei vielen südländischen Katholiken sieht das auch heute nicht viel besser aus.
Diese Fälle sind mir bekannt. Nicht umsonst sprach sich auch das Konzil von Trient für die Errichtung von Priesterseminaren aus. Und Luther prangerte in seinem Großen Katechismus auch die Bildungsarmut bei Pfarrern und Volk heftig an.

Dass es in südlichen Ländern, wo die Bildung der Menschen allgemein nicht besonders hoch ist, dafür die Volksfrömmigkeit und der Aberglaube keine Grenzen zu kennen scheint, Formen der Heiligenverehrung gibt, die den Eindruck erwecken, man würde Polytheismus praktizieren, ist mir bekannt. Das ist aber nicht offizielle Lehre der RKK. Vielmehr handelt es sich um Missbräuche, welche die Kirche mangels Angebot an qualifiziertem Personal (Pfarrer, Kapläne, Diakone, Katecheten) nur unzureichend bekämpfen kann. Insoweit ist es gut, dass Heiligenverehrung im Sinne von „Bitte um Fürsprache“ bei uns nicht praktiziert wird. Das beugt gegen Missbräuche wohl am effektivsten vor.

Wenn ich mir allerdings päpstliche Verlautbarungen durchlese und diese mit manchen Statements von leitenden protestantischen Geistlichen oder Professoren in Westeuropa vergleiche, muss ich sagen, dass der Vatikan hier deutlich standfester auf dem christlichen Fundament steht. Oder meinst Du, die RKK würde es dulden, dass ein Regionalbischof, der keinen Zusammenhang mehr zwischen Christi Tod am Kreuz und Sündenvergebung sieht, dort länger im Amt bliebe oder gar noch als Kandidat für ein höheres Amt vorgeschlagen würde? Man kann sagen, was man will: Christliche Grundglaubenswahrheiten, gerade wie sie in den drei altkirchlichen Bekenntnisse stehen, werden von und innerhalb der RKK standhafter vertreten wie in den meisten protestantischen Großkirchen in Europa. Dort scheint es in manchen Gegenden und Gemeinden noch nicht einmal mehr als anstößig zu gelten, einen Pfarrer zu haben, der die leibliche Auferstehung Christi leugnet.

Mag ja sein, dass ich momentan dazu geneigt bin, Negatives in den Landeskirchen eher wahrzunehmen als in der RKK. Ich bin aber wirklich um den landeskirchlichen Protestantismus sehr besorgt. Auch den dortigen Umgang mit konservativen Pfarrern und Gemeindemitgliedern nehme ich mit großer Besorgnis zur Kenntnis.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Marcus hat geschrieben:… in südlichen Ländern, wo die Bildung der Menschen allgemein nicht besonders hoch ist …
Öhm … Einbildung soll ja auch ’ne Bildung sein.
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Marcus hat geschrieben:… in südlichen Ländern, wo die Bildung der Menschen allgemein nicht besonders hoch ist …
Öhm … Einbildung soll ja auch ’ne Bildung sein.
Mit „südlichen Ländern“ meinte ich eigentlich südamerikanische sowie afrikanische Länder, also sog. „Entwicklungsländer“. Dass die dortige Infrastruktur hinsichtlich des Bildungsangebots doch eher schlecht als gut und auch die Analphabetenquote doch recht hoch ist, steht doch eigentlich außer Frage. Das heißt ja nicht, dass die Menschen dort „doof“ wären.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ach so. Ich hatte das so verstanden, als dächtest du an Bolognesen, Sienesen, Toletaner oder was in der Art.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

oder Tridentiner! *wegbin*
???

sofaklecks
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Mal ne Frage

Beitrag von sofaklecks »

Mal ne Frage:

Genügt Hauptschulabschluss, um ein vollwertiger Christ zu sein?

Welches kulturelle bzw. schulische Niveau setzte Christus zur Erlösung in etwa voraus?

Darf man den Beitrag von Marcus so verstehen, dass Volksfrömmigkeit und Aberglaube Hand in Hand gehen?

sofaklecks

(Ich empfehle ein demütiges Überdenken des eingenommen Standpunktes. Glauben ist keine Frage des Verstandes allein und die Liebe des Herzens ist der (Un-) Vernunft des Geistes in vielen, wenn nicht den meisten Glaubensfragen überlegen. Auch der Glaube an die Unfehlbarkeit des (eigenen) Verstandes ist eine Form von Aberglauben und des Polytheismus).

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Demütig meinen eigenen Standpunkt zu überdenken, finde ich manchmal schwer. Aber in diesem Fall ist mein Standpunkt klar:
1. Frage:
Ja, ein Hauptabschluß genügt.
2. Frage:
Gar keines, die Erlösung ist ein Geschenk.
3.
Vielleicht kann man den Beitrag so verstehen, aber Marcus hat ihn ja selber entschärft. Ich denke: Volksfrömmigkeit und Aberglaube gehen manchmal (fast) nahtlos in einander über, aber es gibt auch viele einfache, fromme Leute "aus dem Volk", die genau wissen, was Aberglaube ist und ihn ablehnen. Auf der anderen Seite müllen sich viele gebildete Menschen den Kopf mit Feng Shui, Wicca und dem Keltischen Baumhoroskop voll.
???

sofaklecks
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Nein

Beitrag von sofaklecks »

Nein, Anneke,

Marcus hat den Beitrag nicht entschärft.

Er hat Menschen in Südamerika und Afrika, die keine Schulbildung haben, damit diskriminiert. Das wollte ich anmerken.

Die vordergründige Verteidigung der katholischen Kirche mit dem Hinweis auf die mangelnde Schulbildung ihrer Mitglieder in südlichen Gegenden ist eine Fortsetzung der Überheblichkeit protestantisch gebildeter Europäer, die zu dem jetzigen Zustand Afrikas mit geführt hat, die indes katholischen Kreisen durchaus nicht fremd war. Ich erinnere an der grössten Schlächter Afrikas, den katholischen König Leopold von Belgien.

sofaklecks

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Marcus
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Re: Nein

Beitrag von Marcus »

sofaklecks hat geschrieben:Nein, Anneke,

Marcus hat den Beitrag nicht entschärft.

Er hat Menschen in Südamerika und Afrika, die keine Schulbildung haben, damit diskriminiert. Das wollte ich anmerken.

Die vordergründige Verteidigung der katholischen Kirche mit dem Hinweis auf die mangelnde Schulbildung ihrer Mitglieder in südlichen Gegenden ist eine Fortsetzung der Überheblichkeit protestantisch gebildeter Europäer, die zu dem jetzigen Zustand Afrikas mit geführt hat, die indes katholischen Kreisen durchaus nicht fremd war. Ich erinnere an der grössten Schlächter Afrikas, den katholischen König Leopold von Belgien.

sofaklecks
Wo habe ich Menschen diskriminiert? Ich habe angemerkt, dass die Menschen dort an sich nicht „doof“ seien, aber mangels der vorhandenen Infrastruktur kaum die Möglichkeit auf Bildung hätten, was wiederum zur Folge hätte, dass man sich leicht in abergläubische Vorstellungen verirre. Das hat doch nichts mit Diskriminierung zu tun. Vielmehr sollte das für uns ein Grund zum Anlass sein, mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu investieren. Schließlich ist Bildung ein Menschenrecht.

Ich denke jetzt nicht nur an schulischer, sondern auch an religiöser Erziehung. Die Katholische Kirche braucht dort mehr geistliches Personal, das vor Ort arbeitet und sich den Menschen annimmt. Mangels Personal sind die dortigen Geistlichen nicht selten überfordert. Es kann nicht sein, dass ein Priester für Zehntausende Gläubige ganz alleine zuständig ist. Hier werden sie vor höchsten Herausforderungen gestellt.

Ich stelle allerdings immer wieder fest, dass auch Westeuropäer z. T. nicht zwischen Anbetung und Anrufung von Heiligen unterscheiden können. In den angesprochenen Entwicklungsländern kommt noch hinzu, dass die dortigen Menschen vor der Christianisierung polytheistische Stammesreligionen anhingen, so dass es schnell passieren kann, wenn man als Kirche nicht aufpasst, dass einzelne Heilige emotional als „Gottheiten“ angesehen und entsprechend verehrt werden. Irgendwo gibt es im Kreuzgang auch einen Thread, wo das angesprochen wurde. Und ich meine mich erinnern zu können, dass durchaus die Meinung vertreten wurde, dass die Volksfrömmigkeit dort besorgniserregende Züge angenommen hätte.

Nachtrag:

Und übrigens: Jeder Getaufte, der an Jesus Christus glaubt, ist ein natürlich ein Christ.

Und gerettet wird man – das sagt jetzt der Protestant – allein aus Gnaden durch den Glauben um Jesu Christi willen.

Selbstverständlich haben es weniger gebildeter Menschen auch im Regelfall leichter gläubig zu sein, weil sie sich nicht mit den ganzen wissenschaftlichen und rationalistischen Lehrmeinungen rumschlagen müssen, sondern einfach kindlich von Herzen glauben können. Aber genauso ist man aber auch viel anfälliger, falsche Glaubensvorstellungen anzunehmen, weil man vielleicht etwas nicht richtig verstanden hat und man es niemals richtig erklärt bekommen hatte. Genau das meinte ich.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

1. Frage:
Ja, ein Hauptabschluß genügt.


Nein, der genügt nicht. Noch genügt er nicht. Er ist ganz irrelevant.

Konfiguriert der Mond, wenn es nachts wärmer ist als draußen? Ja oder nein? – Quark.
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