Lioba hat geschrieben:Beim zweiten Punkt meinten Lutheraner und ich die spezielle Entwicklung in den Staaten, wo neue Gemeinden wie Pilze aus dem Boden spriessen ohne echte theologische Begründung. Ein Ergebnis davon ist, dass etliche ernste Christen in die Orthodoxie abwandern,so viel ich weiss z.B. die gesamte Kerngruppe um Campus für Christus - zu meiner Jugendzeit eine feste Institution der evangelikalen Szene.
Hallo Lioba,
die Konvertierung als Antwort darauf, dass andere zu schnell konvertieren?
Komische Reaktion. Ich kenne - virtuell - ein paar amerikanische Christen, die sich von evangelikalen Kirchen abgewandt haben und Interesse an der Orthodoxie hatten. Glücklicherwiese haben sie dann doch noch die lutherische Kirche kennengelernt und fühlen sich dort heute wohl. Was sie ihren evangelikalen Kirchen entfremdete ist nicht zu Letzt das Verkommen zur Show. Ich glaube the devil loves contemporary worship music. Seicht, seichter, am seichtesten. Immer mehr fühlen sich von dieser showhaften, oberflächlichen Gottesdienstgestaltung abgestossen. Immer mehr spüren, dass der Ritus einen festeren, verbindlicheren Rahmen braucht. Der Trend geht hin zum Liturgischen. Nicht zuletzt deswegen wächst die orthodoxe Kirche in USA. Evangelikale konvertieren zu ihr. LEider eigentlich, denn Evangelikalen, die sich nach einer weniger oberflächlichen Form des Ritus sehnen, sollte eigentlich die evangelisch-lutherische Kirche die naheliegendste, neue geistliche Heimat sein. Liturgisch sind wir konservativer als die Römer und Sakramentsverständnis und -praxis sind der Tradition entsprechend aber auch biblisch fundiert und stehen nicht zu letzt im angenehmen Kontrast zum meaningless Erinnerungszeichenritusbegeherei, den ja manchen non-denominational Kirchen konsequent gleich weglassen.
Aber es gibt ein Problem: wir haben eine ganz andere Theologie als die Evangelikalen. Denn, weisst du, ich glaube, dass eigentlich die theologischen Vorstellungen vieler Born-again Evangelikalen, geprägt durch die Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts, der Orthodoxie und auch Rom sehr nahe sind. Reformatorisch sind sie aber nicht. Es tut mir leid, dass so sagen zu müssen, aber die Campus Crusade for Christ Mitarbeiter mögen "ernste Christen" gewesen sein, ihre Lehre war jedoch falsch. Und ich vermute, dass es daher für sie kein Problem war in die Orthodoxie zu konvertieren. Das reformatorische und eigentliche biblische Verständnis des Evangeliums, der Rechtfertigung des Sünders und dem Verhältnis zwischen Rechtfertigung und Heiligung, ist in der evangelikalen Welt genauso wenig verbreitet wie in der Orthodoxie oder in der römisch-katholischen Kirche. Aus diesem Grund finde ich es auch immer lächerlich wenn Evangelikale sich über die RKK ereifern, wegen, nicht unwichtigen aber doch weniger wichtigen, Punkten wie dem Anrufen von Heiligen, wenn sie sich darüber ereifern OBWOHL sie eigentlich im wichtigsten Artikel des christlichen Glaubens Vorstellungen haben, die denen des römischen Katechismus entsprechen. Aber der Schrift widersprechen.
Somit, um zum Thema des Threads zurückzukommen, gibt es etwas wie eine protestantische Einheit einfach nicht. Es gibt das Wort des Evangeliums, das Wort der Rechtfertigung, der Gerechterklärung des Sünders durch Gott um Christi willen. Dieses Wort hat der heilige Geist durch die Reformatoren wieder ans Licht gebracht und um dieses und durch dieses Wort wird die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen gesammelt. Die Fülle der Erwählten und durch Christi Wort Wiedergeborenen. Die unterschiedlichen sich Kirchen nennenden Gruppen nehmen an diesem Errettungswerk Christi mehr oder weniger teil.