Quasinix hat geschrieben:Maurus hat geschrieben:Kennst du die Zahlen, oder ist das bloß eine Vermutung? Und musst du dir wirklich so ganz schlimme Dinge ausdenken, die ich vielleicht auch noch behaupten könnte, um kräftig draufdreschen zu können? Und klar: Kritik an kirchlichen Zuständen vor dem II. Vatikanum ist antikirchlich, danach nicht nur nicht antikirchlich, sondern sogar geboten. Ich sag ja: Die Traditionalisten bauen nah am relativistischen Tümpel.
Du stellst doch die Behauptung in den Raum, daß schon immer Schindluder mit den Ehenichtigkeitsfeststellungen getrieben wurde?
Der Begriff Schindluder stammt von dir, aber die Möglichkeit, da etwas zu biegen ist nun offensichtlich. Zuletzt im Haus Grimaldi, aber zu deiner Beruhigung: Das war nach dem Konzil. Aber mach dir nichts vor: Wenn früher im Herrscherhaus der Nachwuchs ausblieb, musste eine neue Frau her. Und die Kirche hatte zu kuschen.
Quasinix hat geschrieben:Mit der Behauptung, daß "die Kirche praktisch von Anbeginn das Ehescheidungsverbot aufgeweicht hat", machst Du die Eheannullierung zur "Scheidung auf Katholisch", was sie eben gerade nicht ist und unterstellst "der Kirche" zudem pauschal Ungehorsam gegen Christi Gebote.
Was willst du eigentlich? Wieviel Spielraum für Ausnahmen lässt Jesu Gebot denn? Keinen, oder? Und gibt es nun solche Ausnahmen, oder nicht?
- Paulinisches Privileg (von Innozenz III. mit Gesetzeskraft ausgestattet)
- Alexander III. löst nicht vollzogene Ehen von Partner auf, von denen einer ins Kloster eingetreten ist. Das war wohlgemerkt im 12. Jh, also war das jahrhundertelang nicht möglich. Was sagt ein Traditionalist zu so einem Bruch? Ok, weil es vor 1965 war?
- Martin V. löst sakramentale, nicht vollzogene Ehe auf (15. Jh. - allerdings strittig, aber was solls. Heute geht das.)
- Paul III. erlässt im 16. Jh. ein Privileg für polygame Indianer, die sich nicht mehr an die Frau erinnern konnten, die sie als erstes geheiratet hatten: Sie durften mit ihrer Lieblingsfrau zusammenbleiben.
- Pius V. erlaubte darauf aufbauend, dass selbst in dem Fall, dass der Indianer sich erinnere, er seine LIeblingsfrau behalten könne, wenn diese sich taufen lässt
- seit 1924 löst die Kirche auch Ehen zwischen Katholiken und Ungetauften auf
- seit 1957 löst die Kirche Ehen zwischen Ungetauften auch dann auf, wenn keiner der beiden sich taufen lassen will, es reicht, dass einer einen Katholiken zu heiraten beabsichtigt.
Quasinix hat geschrieben:Zum anderen Punkt: Indem man die "vorkonziliare" Kirche verleumdet, schadest man der Kirche insgesamt, erweckt man doch den Eindruck, als hätte man dieses ernste Thema früher völlig falsch behandelt. Jeder, der die billige Gleichung "vorkonziliar = schlecht" bedient, stellt 195 Jahre Kirchengeschichte in ein schlechtes Licht. Kritisiert man verrückte moderne Auswüchse, geht es stattdessen meist um die letzten 5 Jahre; außerdem geht es ja um die Korrektur dessen, was ganz aktuell schiefläuft und nicht um Vergangenheitsbewältigung. Das ist der Unterschied.
Ich verleumde überhaupt nichts. Ich stelle lediglich dar, dass die Gleichung vorkonziliar=gut, nachkonziliar=schlecht so ohne weiteres nicht passt und es sehr wohl auch in früheren Zeiten der Kirche Fehlentwicklungen und Missstände gegeben hat, was der Traditionalismus aus ideologischen Gründen aber natürlich nicht zugeben kann, weil dann ja ein Gutteil der Argumentation den Bach herunter geht.
Ich persönlich habe überhaupt kein Problem, diese Fehlentwicklungen heute und gestern einzuräumen, das macht die Kirche weder besser noch schlechter. Schließlich hat sie sich trotz allem über 2 Jahre bewährt und ist die älteste Institution der Erde. Das ist für mich auch ein kleiner Gottesbeweis. Dagegen hilft es mir überhaupt nichts, mir ein Wunschbild von der Kirche "aller Zeiten" zu schaffen, das mir selbst ein wohlmeinender Historiker in 3 Sekunden zerlegt. Realismus kann der Kirche nicht schaden, sie bleibt heilig und indefektibel. Mehr brauche ich nicht.
Maurus hat geschrieben:
Nichts davon wurde von irgendwem behauptet.
Was bedeutet dann das:
Maurus hat geschrieben:Diese Behauptung widerspricht direkt Kaspers Argumentationsführung:
Bei Geschiedenen und Wiederverheirateten, die vor ihrem Gewissen überzeugt seien, dass ihre vorige Ehe eigentlich nicht gültig gewesen sei, frage er sich manchmal, „ob der gerichtliche Weg wirklich der einzige zur Lösung des Problems sein muss und ob nicht mehr seelsorgliche und geistliche Prozeduren möglich wären“. Man könne daran denken, „dass der Bischof diese Aufgabe einem Priester mit geistlicher und seelsorgerischer Erfahrung überträgt“.
http://www.vaticanhistory.de/wordpress/?p=8778
Im Original geht es dann noch wie folgt weiter:
Kasper wörtlich: „Ist es wirklich möglich, dass man über Wohl und Wehe der Personen in zweiter und dritter Instanz nur auf der Basis von Akten, also von Papier, entscheidet, aber ohne die Person und ihre Situation zu kennen?“
Das meinte ich mit "ungerecht, da keine pastoral begründeten Einzelfallentscheidungen getroffen werden".[/quote]
Ich sehe trotzdem nicht, wo Kasper da irgendetwas als ungerecht bezeichnet hat. Und Gerichtsurteile sind immer Einzelfallentscheidungen und natürlich spielt auch die Pastoral dort eine Rolle.
Quasinix hat geschrieben:Zu Kaspers Idee: OK, laß es "speziell qualifizierte Priester" sein und nicht jeden Priester, aber das ändert substanziell auch nichts. Der zahlenmäßige "Dammbruch" erfolgt dadurch, daß zum einen die Hürde für ein Seelsorgegespräch mit dem Pfarrer wesentlich niedriger ist als die Anstrengung eine Ehenichtigkeitsverfahrens
Das kann sein, aber was spielt das für eine Rolle, wenn zwei in ungültiger Ehe zusammenleben? Soll dieser Rechtsschein durch hohe Hürden aufrechterhalten werden?
Quasinix hat geschrieben:und zum anderen in der Praxis wohl dann auch dadurch, daß es bei diesem "Verfahren" vermutlich weder eine Anhörung des "früheren" Partners noch einen eigens bestellten "defensor matrimonii" geben wird. Vielmehr soll ja das Gewissen des Betroffenen den Maßstab für die Gültigkeit der Ehe darstellen (s.o.). Da darf die Objektivität und Gründlichkeit doch sicher bezweifelt werden.
Das sind Detailfragen, zu denen in den Äußerungen Kaspers anscheinend gar nichts steht. Solche Spekulationen sind fruchtlos.