marcus-cgn hat geschrieben:taddeo hat geschrieben:
Genau diesen Reformauftrag hat das Konzil ja gegeben. Und dummerweise verstanden auch die Herrschaften, die anschließend die praktische Umsetzung (also das neue Meßbuch) erarbeiteten, ihr Werk als Reform des Meßbuches, nicht als seine Abschaffung.
Ja, das ist aber nur die formal kirchenrechtliche Sichtweise. Die Reformkommission stand aber rein praktisch vor der Entscheidung, ob sie ihren Auftrag sozusagen im bestehenden System ausführt, also grundsätzlich alles übernimmt und dann hinzufügt oder ergänzt, oder eben alles löscht und von Grund auf neu konzipiert. Sie hat sich dann für die zweite Variante entschieden. Es bleibt die Frage, ob Paul VI. davon bewusst hat und die Möglichkeit gehabt hätte zu sagen, so geht das nicht. Das Messbuch von 1570 muss in seiner Grundstruktur erkennbar bleiben. Immerhin hat er ja - im großen und ganzen - das Kanongebet vor Veränderungen geschützt.
Die Kommission hat prinzipiell nicht neu konzipiert, sondern durchaus die Grundstruktur des Missale von 1570 beibehalten. Ziel war es, einerseits die ausdrücklichen Forderungen der Konzilsväter zu berücksichtigen, andererseits den im Laufe der Jahrhunderte gewucherten Wildwuchs zu beschneiden, und drittens bei diesem Vorgehen auf die ältesten Zeugnisse zurückzugreifen (das II. Hochgebet etwa ist eine Frucht davon). Nichts anderes war auch schon bei der Redaktion des Missale 1570 geschehen, als man auf die ältesten damals greifbaren Handschriften und Drucke zurückgriff, um die "norma Patrum" wiederzuerlangen. Auch damals gab es deutliche Änderungen am bekannten Ritus, ohne daß diese wirklich die Struktur der Messe berührt hätten.
Und damals wie heute führte mangelndes oder fehlerhaftes liturgiegeschichtliches Wissen (und möglicherweise auch ideologisches Handeln) zu einigem Murks, der sich wohl bei derlei Projekten nie ganz wird vermeiden lassen. Der heutige NOM ist sicher nicht der liturgischen Weisheit letzter Schluß. Aber das war das Missale von 1570 ebenso sicher auch nicht. Die Frage ist, wer als nächster versuchen oder veranlassen wird, etwas Besseres auf die Beine zu stellen. Und dabei wird auch wieder gemurkst werden, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.