„Längs der südlichen Langseite dieses Saales saßen auf einer dunkelrot ausgeschlagenen Estrade die zur Zeremonie der Fußwaschung bestimmten, zwölf alten Männer, in schwarzer Gewandung, auf dem Kopfe ein violettes Barett. Weiter zurück standen ihre Anverwandten und zwölf Mädchen, welch letztere, wie die zwölf Greise auf Kosten des Hofes neu gekleidet worden waren. Nachdem die Hofgeistlichkeit das Evangelium gesungen und das Evangelienbuch den königlichen Hoheiten zum Kusse gereicht worden war, übergab der Prinzregent den diensttuenden Kämmerern seinen Hut und Säbel und begab sich zu dem ältesten der Männer. Der Obersthofmeister überreichte dem Prinzregenten die Kanne, der Subdiakon hielt das vorhandene Becken unter den entblößten Fuß. Der Regent begoß den entblößten Fuß jedes alten Mannes mit Wasser und trocknete denselben mit dem überreichten Tuche ab. Nach Beendigung der Fußwaschung ließ sich Seine Königliche Hoheit die Hände begießen und zum Abtrocknen derselben ein Tuch von seinem ältesten Sohn, dem Prinzen Ludwig reichen. Nachdem der Regent den Säbel wieder umgelegt hatte, begab er sich alsdann zurück zum ältesten Manne und hängte einem jeden dieser sogenannten Apostel einen Zugbeutel mit 40 Mark um den Hals, während den Mädchen später je ein Geschenk von 15 Mark ausbezahlt wurde. Seine Königliche Hoheit hatten für jeden Einzelnen der alten Männer freundliche Worte, wie auch für deren Anverwandte.“
(Hans Heidelbach: Luitpold, Prinz-Regent von Bayern, 3. Aufl., München 1901)