Tja, alles fing damit an, dass Ende Januar unser Kater nach langem Dahinsiechen an Bleivergiftung starb, jemand hatte ihn mit nem Luftgewehr angeschossen und das blieb wochenlang unbemerkt.

Ich hab tagelang geheult und war seelisch einfach nur zermürbt. Zusätzlich kam durch die Karnevalstage noch ein wahnsinniges Heimweh nach Köln dazu. Normalerweise bin ich ja ein Meister im Ignorieren und Verdrängen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich Gottes Rufen einfach nichts mehr entgegenzusetzen. Der Gedanke, dass es mal eine Zeit gegeben hat, zu der Gott für mich Heimat war, hat mich dann dazu gebracht, dass ich mich, recht widerwillig zuerst, umgedreht habe und einen ersten halben, noch recht wackligen Schritt wieder auf Gott zugegangen bin.
Also habe ich erstmal wieder angefangen zu beten. Aber wie das mit Gott oft so ist, gibt man ihm den kleinen Finger, will er die ganze Hand....und den Arm....und den ganzen Menschen.

Also gut, dann bei nächster Gelegenheit auch wieder zur Messe gehen. Nächsten Dienstag um 9h, Bus in den Ort allerdings schon um 7.20h. Argh, jahrelang hätt ich problemlos in kurzer Zeit ne Kirche oder sogar mehrere erreichen können, da wollte ich nicht. Und nu wohn ich in der Diaspora und da will ich wieder, trotz erhöhtem logistischem Aufwand!

Die erste Messe seit vielen, vielen Jahren war sehr schön, aber auch irgendwie fremd. Es war, als würde ich nach 25 Jahren wieder in das Dorf meiner Kindheit zurückkehren. Vieles kenne ich noch, mit vielem verbinden mich schöne Erinnerungen, aber manches ist auch verändert und mir fremd geworden. Während der letzten vier Wochen habe ich meine Heimat neu erkundet und fange so langsam an, mich wieder zu Hause zu fühlen.
Ziemlich schnell war mir klar, dass ich es nicht bei einem unverbindlichen Vorbeischauen belassen wollte. Und ebenso klar war, dass als nächstes Beichte auf der Tagesordnung stand. Daran hab ich dann noch ne Woche rumlaboriert, weil mir bei einem geschätzten Zeitraum von 15 Jahren seit der letzten Beichte mächtig die Muffe ging.

Ich hab dann mein Bisschen Mut zusammengekratzt und den Pfarrer um einen Beichttermin gebeten. Der het mir dann aber erst mal ein Vorgespräch vorgeschlagen, damit er mich und meine Lebenssituation kennenlernen kann. Eigentlich ne gute Idee.
Tja, eigentlich. Leider geriet dieses Gespräch zum Desaster. Ich bin ganz klassisch mit dem Pfarrer fürchterlich aneinandergerasselt. Er hat mir ein paar unbequeme Wahrheiten, die ich nicht hören wollte, wenig feinfühlig vor den Latz geknallt und ich bin so wütend geworden, dass ich Rauchschwaden hinter mir her ziehend abgerauscht bin.

Als ich nach zwei Tagen ausgequalmt hatte, fing ich an nachzudenken. So ganz Unrecht hatte er ja nicht. Also hab ich fast zwei wochen lang nachgedacht, gebetet, hier im Forum gelesen und bin ganz generell in mich gegangen. Ich hatte dann quasi eine Eingebung. Es ist gleichgültig, wieviele Sorgen und Gedanken ich mir mache, denn es läuft nur auf eine einzige Frage hinaus, die ich ehrlich beantworten muss: was ist es mir wert, was bin ich bereit zu tun, um mit meinem Gott reinen Tisch zu machen?
Die Antwort kam sehr spontan: alles! Es ist mir alles wert und ich bin bereit alles zu tun, was nötig ist.
Mit dieser Erkenntnis habe ich den Pfarrer dann nochmal angesprochen und ich konnte ihn von meiner Aufrichtigkeit überzeugen. Als ich ihn zum ersten Mal um einen Termin bat, war ich wieder drauf und dran, krumme Wege und Abkürzungen gehen zu wollen. Ich wollte mich bei meiner Religion wie an einem Buffet bedienen und mir nur das nehmen, was mir schmeckt und den Rest ignorieren. Jedenfalls bin ich meinem Pfarrer mittlerweile sehr dankbar, dass er mir das nicht hat durchgehen lassen!
Er schlug dann auch vor, doch eine Generalbeichte abzulegen um wirklich einen ganz neuen Anfang wagen zu können.
Tja, was soll ich sagen? Es war sehr anstrengend und sehr befreiend. Zum ersten Mal in meinem erwachsenen Leben bin ich frei, nur nach vorne zu sehen. Das ist ein Zustand, an den ich mich erst noch gewöhnen muss. Mehrmals am Tag erwische ich mich dabei, wie ich über Vergangenes nachgrüble. Dann sage ich: Halt, hör auf, es ist vergeben!
Und dann wende ich mich anderen Dingen zu. Aber mir die Grübelei abzugewöhnen ist gar nicht so einfach.
Nach vorne zu schauen ist sehr viel schöner. Seit Dienstag habe ich dann auf den Sonntag geschaut, auf heute, da ich wusste, dass heute meine zweite Erstkommunion sein würde. Die Sehnsucht nach dem Leib des Herrn war gross genug, dass ich gerne früher, z.B. bei der Freitagsmesse in der nächsten Stadt, gegangen wäre, aber ich hatte mir gedacht, dass es schon bei unserem Pfarrer sein sollte. Immerhin musste der Ärmste sich stundenlang meinen gesammelten Sündendreck von 30 Jahren anhören.
An meine erste Hl. Kommunion kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich nur, dass ich ein ätzendes Kleid tragen musste, einen dämlichen Kranz auf dem Kopf hatte, hässliche Kniestrümpfe und Lackschuhe!


Aber den Moment heute, als mir unser Pfarrer den Leib des Herrn reichte, werde ich bis ans Ende meiner Tage nicht vergessen. Mein Herz hat mächtig gewummert vor lauter Aufregung und meine Kehle war so trocken, dass mein Amen kaum hörbar geflüstert wurde.
Es gab in meinem Leben schon Momente, in denen ich Gott leibhaftig erfahren habe, ihn ganz nah bei mir gespürt habe, aber noch nie zuvor bei der Eucharistie. Dass ich das heute erfahren durfte, dafür bin ich sehr dankbar!
So, und nun muss ich den Waffelteig anrühren, denn heute wird gefeiert.