"Unser Land ist religiös ausgeblutet und am Ende"

Allgemein Katholisches.
Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

Hm, ich frage mich schon die ganze Zeit:
wo liegen die eigentlichen Gründe dafür, dass Fernsehszenen wie die anfangs geschilderte mit dem Christentum möglich sind/gesellschaftlich toleriert werden, was mit anderen Religionen nicht so ohne weiteres möglich wäre?

Edith
Beiträge: 2544
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 20:38

Beitrag von Edith »

Jojo hat geschrieben:Hm, ich frage mich schon die ganze Zeit:
wo liegen die eigentlichen Gründe dafür, dass Fernsehszenen wie die anfangs geschilderte mit dem Christentum möglich sind/gesellschaftlich toleriert werden, was mit anderen Religionen nicht so ohne weiteres möglich wäre?
Ich vermute schon, daß es mit unserer Gewaltlosigkeit zu tun hat.
In Saudi-Arabien würde so ein Sender umgehend geschlossen, und das Gebäude von irgendwelchen aufgebrachten Gläubigen niedergebrannt.
(ok ich übertreibe..... 8) Stilmittel...)

Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

(Geschmacklose) Witze über Juden sind politisch inkorrekt -> unsere Vergangenheit.
(Geschmacklose) Witze über Moslems sind politisch inkorrekt -> unsere Toleranz
(Geschmacklose) Witze über "Randgruppen" aller Art sind ebenfalls offiziell politisch inkorrekt -> unser Verständnis


(Geschmacklose) Witze über Christen sind o.k.

Woran mag das liegen?

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Jojo hat geschrieben:(Geschmacklose) Witze über Juden sind politisch inkorrekt -> unsere Vergangenheit.
(Geschmacklose) Witze über Moslems sind politisch inkorrekt -> unsere Toleranz
(Geschmacklose) Witze über "Randgruppen" aller Art sind ebenfalls offiziell politisch inkorrekt -> unser Verständnis


(Geschmacklose) Witze über Christen sind o.k.

Woran mag das liegen?
an der Abneigung
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Laura

Beitrag von Laura »

Es liegt auch an den "Altlasten". 95% der Generation meiner Eltern (zwischen 1920-1945 geboren) haben in ihrer Jugend sehr schlechte Erfahrungen mit Kirche gemacht, sind z.B. massiv mit Höllenpredigten etc. unter Druck gesetzt worden etc. Die haben sich nur mühsam davon befreit und brauchen jetzt das Schimpfen und die Verleumdung, um in ihrer Entscheidung gegen den christlichen Glauben bestätigt zu werden.

Laura

Benutzeravatar
Julia Wolf
Beiträge: 357
Registriert: Dienstag 18. November 2003, 11:23
Wohnort: München

Beitrag von Julia Wolf »

Laura hat geschrieben:Es liegt auch an den "Altlasten". 95% der Generation meiner Eltern (zwischen 1920-1945 geboren) haben in ihrer Jugend sehr schlechte Erfahrungen mit Kirche gemacht, sind z.B. massiv mit Höllenpredigten etc. unter Druck gesetzt worden etc. Die haben sich nur mühsam davon befreit und brauchen jetzt das Schimpfen und die Verleumdung, um in ihrer Entscheidung gegen den christlichen Glauben bestätigt zu werden.

Laura
Ganz genauso sehe ich und erlebe ich es. Und als kultureller Prozess werden diese Einstellungen an die nächste Generation weitergegeben, die sie unhinterfragt und unbewußt übernimmt.

Das Problem ist, dass sich hier schon Fronten aufeinander eingespielt haben.

Ich habe mal einen interessanten Beitrag gesehen über chronisch Schwerkranke, die das Glück hatten gesund zu werden. Nein, es war anschließend nicht die große Freude da, sondern große Probleme. Denn alle Beteiligten hatte sich an ihre Rolle gewöhnt:
Der Kranke an seine Leidensrolle, an seine Hilfbedürftigkeit, auch an das Verwöhnt-werden und Bemitleidet-werden.
Die Gesunden hatten sich an ihre Pfleger- und Opferrolle gewöhnt, mit der sie sich als gute Menschen fühlen konnten, die auch Anrecht auf Verständnis und Rücksicht hatten.
Beide Seiten vermissten die Vorteile ihrer Rollen. Und es wurde ihnen schwer neue zu finden. Es dauerte eine ganze Weile. Dann allerdings entstand ein gesundes Verhältnis zueinander, aber es war ein schwerer Weg dorthin.

Dies sehe ich auch bei dem Wechselspiel: Kirchentreue und Kirchenfeinde.
Man hat sich aneinander gewöhnt, die erste Schockzeit ist vorbei. Man hat seine Rollen eingeübt. Und man braucht sich gegenseitig, sonst funktionieren die Rollen nicht mehr.

Die Kirchentreuen brauchen die Kirchenfeinde um ihre Kirchentreue aufzuwerten. Erst durch die kirchenfeindliche Umgebung wird ihre Treue zu etwas ganz besonderem.
Die Kirchenfeinde brauchen das Bild einer starren, lebensfeindlichen und weltfremden Kirche, um sich bei all den inzwischen entstandenen Zwängen, toll und frei und modern und offen zu fühlen. Wäre da nicht die Kirche mit ihren "überalterten" Vorstellungen, würde viel mehr deutlich werden, wie sehr man inzwischen wieder gefangen ist in materiellen und modischen Zwängen. Aber man braucht nur auf die konservative Kirche zu schauen, schon fühlt man wieder, wie fortschrittlich man ist.

Also beide Gruppierungen brauchen sich gegenseitig und bleiben in einem ungesunden Zustand stecken. Beide Gruppierungen, so scheint es mir, haben eigentlich kein sonderliches Interesse daran, hier etwas zu ändern.

Für eine geistige Gesundung wäre aber diese Änderung dringend notwendig, auch wenn sie schmerzhaft ist.

Den Kirchentreuen - so denke ich - täte es gut, die Kirchenfeinde als ihresgleichen, als Mitmenschen und Brüder/Schwestern wahrzunehmen, und zu erkennen, dass ihre Kritik zwar nicht grundsätzlich berechtigt ist, aber doch wahre Teile enthält.

Den Kirchenfeinden täte es gut, zu erkennen, dass im Glauben sehr viel Freiheit und Lebendigkeit und Wirklichkeitssinn stecken kann, und dass ihre scheinbare Freiheit doch auch sehr begrenzt ist.

Nun ja - mit der Zeit vielleicht...
spätestens wenn unsere Probleme groß genug sind, dass wir sie nur miteinander lösen können.

Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Laura

Beitrag von Laura »

Den Kirchenfeinden täte es gut, zu erkennen, dass im Glauben sehr viel Freiheit und Lebendigkeit und Wirklichkeitssinn stecken kann, und dass ihre scheinbare Freiheit doch auch sehr begrenzt ist.


Nur leider, liebe Julia, glaube ich, dass genau diese Erfahrung und selbst dieser Gedanke vielen Menschen überhaupt nicht möglich ist. Dass der Gottedienstbesuch mir etwas bedeuten kann, mit guttun kann, ist einem Menschen, der dahin gezwungen wurde, fast nicht zu vermitteln - ebensowenig wie einem Menschen, der 40 Kilo Übergewicht hat, die Freude an körperlicher Bewegung.
Ich merke in der Schule oft, dass Schüler Glaube einfach nur "scheiße" finden wollen, dass überhaupt keine Basiserfahrungen da sind, an die man anknüpfen könnte. Von Kirche kann da einfach nichts Gutes kommen...


Laura

Benutzeravatar
Ermi
Beiträge: 246
Registriert: Freitag 26. Dezember 2003, 15:31
Wohnort: Diözese München

Beitrag von Ermi »

Laura hat geschrieben:Es liegt auch an den "Altlasten". 95% der Generation meiner Eltern (zwischen 1920-1945 geboren) haben in ihrer Jugend sehr schlechte Erfahrungen mit Kirche gemacht, sind z.B. massiv mit Höllenpredigten etc. unter Druck gesetzt worden etc. Die haben sich nur mühsam davon befreit und brauchen jetzt das Schimpfen und die Verleumdung, um in ihrer Entscheidung gegen den christlichen Glauben bestätigt zu werden.



Liebe Laura!
Von der Kirche kann nichts Gutes kommen, wie es die Schüler meinen? Nun Laura, ich glaube, Du hast auch etwas dick aufgetragen, von 95%, wie oben erwähnt. :roll:
Aber Skeptiker werden immer ein Haar in der Suppe finden!? Vergl. Joh.1,45ff. Philippus findet Natanael und sagt zu ihm: Von dem Mose im Gesetz geschrieben und die Propheten – den haben wir gefunden; Jesus, den Sohn Josefs von Nazareth. Und Natanael sprach zu ihm: Aus Nazareth – kann von da etwas Gutes sein?

Gruß Ermi
Gott ist mittendrin!

Biggi
Beiträge: 820
Registriert: Donnerstag 11. Dezember 2003, 16:46

Beitrag von Biggi »

Danke, Julia, für dein obiges Posting. Ich denke, da ist sehr viel Wahres dran! Ich halte zwar - ebenso wie Ermi - Lauras Prozentwert von 95 % für arg pessimistisch (basiert ja auch sicher nicht auf validen Umfragewerten ;) , sondern auf ihren Eindrücken aus dem persönlichen Umfeld), aber die gegenseitige Fixierung aufeinander trifft sicher manches Mal zu.
Die "Therapie" nennst du ja auch schon: sich gegenseitig ernst- und annehmen, auch mit den je unterschiedlichen Positionen. Denn nur so können wir als "Kirchentreue" schließlich auch überzeugen und anstecken. Und - bei allem Verständnis für die Kirchenfernen - will ich mich davon nicht abbringen [Punkt] Schließlich bin ich fest davon überzeugt, dass der Glaube an Gott, die Liebe zu ihm, gut tut und befreit! Aber - wenn ich mich richtig erinnere, hat Max Frisch das mal geschrieben -: "Man soll die Wahrheit dem anderen hinhalten wie einen Mantel, in den er hineinschlüpfen kann, und nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen."

LG
Biggi

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Ja, es ist immer ein Problem mit den Anekdoten, Geschichten, Erlebnissen, wenn sie als Grundlage für Entscheidungen oder Ansichten herhalten sollen ... dann wird da was verfestigt und man verweigert sich partout neuen Erkenntnissen, denn die könnten ja das liebgewordene Feindbild umstoßen.
95% sind mit Sicherheit zu hoch. In der Altersgruppe, die Laura erwähnt, sind viele Menschen von eher konservativer Einstellung und die "Neuerungen" in der Kirche verunsichern sie und stoßen auf Unverständnis.

Um aufs Thema zurückzukommen: ich glaube, es gibt eine ganze Reihe Menschen, die so was schon fuchst, die sich aber von einer Beschwerde nichts versprechen. Den Unmut zu bündeln wäre also nicht schlecht.

Bei uns in der Gemeinde entsteht grade eine Gruppe Öffentlichkeitsarbeit (wo ich auch mitmachen werde), die sich ggfs. auch um Bewußtseinmachung solcher Sachen bemühen wird, falls nötig auch Beschwerden sammeln und einreichen.

Da das Christentum im Gegensatz um Islam heutzutage einen weitgehendst privaten Charakter angenommen hat, ist auch das Bewußtsein darüber dementsprechend privat geworden. Manche Leute haben auch Angst, sofort von der Umwelt in die Rolle des verbiesterten Fundamentalisten gedrängt zu werden (sogar von den eigenen Glaubensbrüdern).

Geronimo

Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

Der Punkt ist nicht, dass 95% der bevölkerung schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht haben, ein Großteil hat überhaupt keine direkte Erfahrungen mehr mit der Kirche gemacht und wenn, dann indirekt über die Medien.
Der Punkt ist, dass 95% der Katholiken keine katholische Identität mehr hat.

Ein Großteil der deutschen Katholiken glaubt, dass Katholizismus wesenhaft ein Problem sei!

Wie gering inzwischen das Selbstbewusstsein ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass man bei jeder Gelegenheit den letzten rest an Identität bereit ist auch noch dranzugeben (Stichwort Ökumene)
Daher muten Prosteste etwa gegen Fernsehsendungen oder Filme auch so lächerlich an. Es ist in etwa so respekteinfößend wie das Gebrüll eines schwer verletzten Löwen.
Ein Jude hat Identität (und notfalls den Zentralrat). Ein Moslem hat Identität. Nischengruppen aller Art haben inzwischen mehr Identität als der deutsche Katholik.

Laura

Beitrag von Laura »

Jojo hat geschrieben:Der Punkt ist nicht, dass 95% der bevölkerung schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht haben, ein Großteil hat überhaupt keine direkte Erfahrungen mehr mit der Kirche gemacht und wenn, dann indirekt über die Medien.
Der Punkt ist, dass 95% der Katholiken keine katholische Identität mehr hat..
Jojo, ich habe nicht geschrieben 95 % der Bevölkerung, sondern 95% einer bestimmten Generation. Dass daraus resultiert, dass diese Generation ihren Kindern keinen Glauben vermitteln konnte, und dass diese Leute jetzt außer ihrem Taufschein keine religiöse Identität mehr haben, ist logisch. Damit sind die Erfahrungen mit Kirche begrenzt auf evtl. Sakramentenkatechese und Fernsehen.
Was wäre denn eine "katholische Identität"?

Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

Laura hat geschrieben:Was wäre denn eine "katholische Identität"?
Ein kollektives Bewusstsein (wir), mit dessen Inhalte sich der Einzelne (ich) identifiziert. Beides ist verblasst.

Ein Test?

Ich bin (Bayern-München-Fan).
Wir als (Bayern-München-Fans).

() ersetzen durch beliebig Mitreißend-tolles-Interessantes. Auf der Zunge zergehen lassen.

Pause und () ersetzen durch (Katholik).

Hand aufs Herz. Mehr oder weniger intensiv?

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Ich weiß, es ist keine richtige Antwort, aber ...

katholische Identität = etwas Zauberhaftes, Wunderschönes, aus dem Urgrund meines Seins

An der Quelle sitzen ...

Entschuldigt den Ausflug ins Gefühlvolle ... aber es musste einfach mal sein :ja:

Geronimo

Dr. Dirk
Beiträge: 1433
Registriert: Montag 6. Oktober 2003, 09:03

Beitrag von Dr. Dirk »

Jojo hat geschrieben:Wie gering inzwischen das Selbstbewusstsein ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass man bei jeder Gelegenheit den letzten rest an Identität bereit ist auch noch dranzugeben (Stichwort Ökumene)
Daher muten Prosteste etwa gegen Fernsehsendungen oder Filme auch so lächerlich an. Es ist in etwa so respekteinfößend wie das Gebrüll eines schwer verletzten Löwen.
Ein konkretes Beipiel dazu: Man erinnere sich an den letzten Sommer, als Langnese ihre "7Sünden" auf den Markt brachte. Auf Proteste von Christen, die darauf hinwiesen, dass die Verniedlichung von Sünden kein guter Weg ist, konnte Langnese antworten, dass die Kampagne mit Kirchenvertretern abgesprochen wurde, die ihnen versicherten, dass das mit den Sünden heute in der modernen Kirche nicht mehr so eng gesehen würde.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Mir zeigte dieses konkrete Beispiel, dass sich diese protestierenden Christen eben bloß mal wieder bloß dadurch zu Gehör brachten, indem sie rummaulten und mangelnden Humor über sich selbst zeigten.
Nicht wirklich werbend.
Ich wüsste auch nicht, warum ich mit den Katholiken unter den Protestierern in eine "Identität" gesteckt werden wollte.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Lasst Euch mal was von einem Ex-Gleich- und Ungläubigen sagen: jeder, der als Gläubiger den Film "Das Leben des Brian" lustig findet, hat ein Rad ab.

Nebenbei, Ralf, über Deine Verfolgung darfst Du jubeln und Dich freuen; über die Verfolgung Deiner Glaubensgeschwister auch?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Ralf

Beitrag von Ralf »

Nein, ich freue mich darüber nicht (wobei ich besonder die Verfolgung meine, die diesen Namen verdient), aber angesichts wirklicher Verfolgung finde ich das Jammern hier auf hohem Niveau.

Jesus fordert von uns, dass wir uns (jeder für sich) bei Verfolgung und Schmähung freuen. Ich bin erstaunt, wie sehr diese Äußerung hier abgelehnt und wie wenig sie als erstrebenswertes Zeil angesehen wird.

Und ich habe dann wohl ein Rad ab. Ich kann halt gut über mich lachen.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Das sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe, Ralf. Klar ist ja doch, dass der christliche Glaube niemals gesellschaftskonform sein kann, also immer Schmähungen, Verdächtigungen ausgesetzt sein wird. Meines Erachtens trifft das auch den Kern des Jesu-Wortes : sollte das das Christentum einmal nicht mehr der Pfahl im Fleische der Welt sein, dann ist es tot; also freut euch über .... usw. usw. denn das heißt, die Botschaft lebt, sie schwärt im Fleisch der Welt (die sich natürlich wehrt, ist ja logisch).

Warum sollte dies aber Hand in Hand gehen mit einer völligen Verstummung in Bezug auf Dinge, die die Kirche beleidigen?
Hab ich ein Schild über dem Kopf, wo drauf steht: Ich bin Christ, zieht über mich her, wie's euch passt und bewerft alles mit Dreck, was mir heilig ist?

Ich hab mich selbst nicht über RTL beschwert, ganz einfach, weil ich das gar nicht mitgekriegt habe - würde aber so eine Beschwerde unterschreiben, wenn sie mir vorgelegt würde.
Ist das nicht egal, ob ich mich damit lächerlich mache?

Geronimo

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ach, der Kern des Wortes Jesu ist ganz einfach: wir sollen uns freuen, wenn wir um seinetwillen verfolgt, geschmäht etc. werden.
Einfach so wie's da steht.
Weil der Lohn für jeden einzelnen dann im Himmel groß sein wird.
Sich Freuen! ist die Devise. Nicht hinnehmen, sondern sich freuen!

Benutzeravatar
Julia Wolf
Beiträge: 357
Registriert: Dienstag 18. November 2003, 11:23
Wohnort: München

Beitrag von Julia Wolf »

@Laura

Ich denke der Religionsunterricht ist in einer sehr schwierigen Situation. Mir fallen zwei Punkte ein:

Viele Kinder, Jugendliche haben Eltern, die nichts mehr mit der Kirche zu tun haben wollen, vielleicht ausgetreten sind oder geschieden wiederverheiratet, die Mutter abgetrieben hat, usw.
Es ist einerseits sicher richtig, dass Jugendliche sich gerne von den Eltern absetzen ("Schockt eure Eltern - geht in die Kirche" setzt hier ja richtig an). Aber hier geht es um so unendlich viel mehr, als um eine Äußerlichkeit. Darin liegt ein riesiges Problem verborgen.

Es gibt die Möglichkeit, Religion oberflächlich zu vermitteln.

Es gibt die Möglichkeit (oder auch nicht?), Religion in die Tiefe gehend zu vermitteln. Das bedeutet auch zu vermitteln, dass nach dem Tod die Ewigkeit kommt, in die man selig oder verdammt eingeht.

Und hier entsteht die Frage: was ist mit meinen Eltern, die sich von der Kirche abgewandt haben? Sind sie auf der Seite des Bösen, sind sie verdammt? Diese Frage auszuhalten ist für ein Kind nahezu unmöglich, für einen Jugendlichen bestimmt sehr schwer. Ich vermute, dass sich viele Kinder / Jugendlichen gegen den Glauben entscheiden, weil sie diese Frage nicht aushalten.

Darin sehe ich die eine große Hürde im Religionsunterricht.


Eine zweite sehe ich darin, dass nicht unbedingt Wissensvermittelung zum Glauben führt, sondern Zuhören. Es wäre wichtig, die je ganz persönlichen Glaubenshindernisse zu erfahren und zu verstehen. Diese sind aber oft etwas sehr sehr persönliches (z.B. die Angst, die Eltern könnten verdammt sein, oder das Gefühl den Enthaltsamkeitsansprüchen nicht genügen zu können).
Die Schule ist aber ein Ort, in dem die Schüler vor allem dem Lehrer zuhören und weniger ausgeprägt der Lehrer dem Schüler. Und fast alles läuft öffentlich ab - welcher Schüler wird seine tiefsten Ängste und Befürchtungen, seine Schwachheit vor anderen Schülern ausbreiten wollen? So bleiben die wahren Glaubenshindernisse unausgesprochen.

Wirklich zuhören (und nicht nur "reden lassen") ist auch nicht immer einfach. Es bedeutet, den anderen in seinen Schwierigkeiten ganz ernst nehmen. Das kann bedeuten, eigene Vorstellungen loslassen zu müssen, Dinge anders zu sehen bereit sein. Es kann bedeuten zu begreifen, dass es Glaubenshindernisse gibt, die man nicht einfach mit gutem Willen aus dem Weg räumen kann. Es heißt, auch eigene Rat- und Hilflosigkeit ertragen können.


@ Ralf u.a.

Ich denke schon, dass es recht ist, die positiven Seiten des Geschmäht-werdens zu erkennen.

Aber ich sehe auch eine ganz große Gefahr darin. Nämlich, dass man das Geschmäht-werden beginnt zu genießen und es dann sucht. Dann ist die Vergrößerung des Grabens vorprogrammiert.

Jesus Christus selbst hat um Jerusalem geweint (es gibt sogar in Jerusalem an dieser Stelle eine Kirche "Dominus flevit"). Er hat sich nicht gefreut, geschmäht und verachtet zu werden. Es hat ihm weh getan, dass die Menschen ihn nicht verstanden haben.

Ich denke, es ist sehr wichtig, zu unterscheiden, wie die Freude aussieht. Wenn sie ein Trost ist für das Unter-der-Situation-leiden, eine Hoffnung für später im Jenseits, dann ist es ok. Wenn ich mich aber bereits hier in dieser Welt ausgesprochen gut fühle, weil ich geschmäht werde, dann bin ich der Meinung, dann läuft etwas verkehrt. Dann ist das Geschmäht-werden bald nicht mehr nur eine Folge des treuen Stehens zum Glauben, dann wird es bald zum Selbstzweck. Aber das kann doch bestimmt nicht gemeint sein.

Ich will Dir Ralf und den anderen das nicht unterstellen. Ich kenne es aber als Gefahr bei mir selbst und wollte es daher einmal sagen.


Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Henry44
Beiträge: 103
Registriert: Donnerstag 29. Januar 2004, 18:55
Wohnort: Graz

Beitrag von Henry44 »

Liebe Julia!

Du schreibst:

"Und hier entsteht die Frage: was ist mit meinen Eltern, die sich von der Kirche abgewandt haben? Sind sie auf der Seite des Bösen, sind sie verdammt? Diese Frage auszuhalten ist für ein Kind nahezu unmöglich, für einen Jugendlichen bestimmt sehr schwer. "

Ich glaube, wir sollten von Gott nicht in menschlichen Maßstäben denken, er hat die Möglichkeit, alle Menschen zu retten.

Ist es nicht so, dass gerade die frommen Christen, die sich so sehr bemühen, alle Gebote zu halten, die größten Probleme mit diesem Gedanken haben, Gott könnte letztlich alle retten, selbst Hitler? Siehe das Gleichnis mit den Arbeitern im Weinberg, die alle einen Denar bekommen. "Die, die den ganzen Tag gearbeitet haben, ziehen beschämt ab und wir mit Ihnen!", hat der Münchner Religionsphilosoph Eugen Bisher in einem Vortrag gesagt, jawohl wir ziehen auch beschämt ab, weil es unserem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Gott hat ein anderes, wie wir an dem Beispiel sehen.

Verlassen wir uns darauf, dass Gott es denen vergelten wird, die ihn lieben, dass niemand Angst haben muss, zu kurz zu kommen. So steht es in der Schrift. Wie Gott letztlich handeln wird, wissen wir nicht, die ganze Schöpfung bleibt ein unauflösbares Geheimnis. Alles, was wir von Gott wissen ist nichts im Vergleich zu dem, was wir nicht wissen.

Allen einen schönen Sonntag.

Henry44
Und wenn ich auch wandere durchs finstere Tal, so fürcht ich kein Unglück, denn du, Herr, bist bei mir.

Benutzeravatar
Ermi
Beiträge: 246
Registriert: Freitag 26. Dezember 2003, 15:31
Wohnort: Diözese München

Titel

Beitrag von Ermi »

Wenn Ralf schreibt: Wir sollen Schmähungen um Jesu Willen gerne tragen und annehmen. Ralf, da habe ich meine Schwierigkeiten, was die Interpretation dieser Schriftstelle bedeuten könnte.
Im Joh. 18,21ff. lese ich: Was fragst du mich? Frage die Hörer, was ich ihnen gesagt: Sieh, die wissen, was ich gesprochen habe. Aber als er das gesprochen hatte, gab einer der Amtsdiener, der dabei stand, Jesus einen Backenstreich (Watsche) und sprach: So antwortest du dem Hohenpriester? Antwortete ihm Jesus: Wenn ich Übles gesagt habe, so bezeuge das Üble, wen aber Gutes – was schlägst du mich?
Da meine nun, dass Jesus sich nicht gefreut hat, als er eine Watsch’n um des Vaters Willen bekommen hat.

Das andere Problem, dass schon Geronimo angeschnitten hatte, ist die Frage, wie verhalte ich mich, wenn Diffamierungen gegen die Kirche, dem christlichen Glauben im Fernsehen usw. ausgestrahlt werden?
Noch in 70er Jahren wurden anrüchige Filme in den Kirchen gebranntmarkt. Der Erfolg war, dass damit eine indirekte Reklame gemacht wurde und die Kinos rappel voll waren.
Gruß Ermi
Gott ist mittendrin!

Ralf

Beitrag von Ralf »

Wenn der Herr selbst uns auffordert, uns über Schmähungen um seinetwillen zu freuen, so liegt darin natürlich die von Julia angesprochene Gefahr. Es gibt auch innerhalb der Kirche Mesnchen, die den Wahrheitsgehalt ihres Glaubens daran messen, wieviel Gegenwind sie bekommen: je mehr, desto wahrer. Das ist selbstverständlich ein gefährlicher Trugschluss.
Die Schmähungen sollen wir nicht nicht suchen, aber wenn sie uns als Kreuz aufgegeben werden, so dürfen wir uns ob der Ehre freuen, dass wir dadurch etwas näher an der Passion Christi sind. Darüber sollen wir uns freuen, nicht über Schmähungen als solche. Ohne die Schmähungen, die Christus erlitten hat, die unseren wertlos und sicher nicht erfreuenswert. Alles müssen wir aus Christi Perspektive zu sehen versuchen und uns als Menschen sehen, die Ihm gehören. Der Sklave ist nicht mehr wert als sein Herr und er darf auch nicht erwarten, besser behandelt zu werden.
Ja, Jesus hat über Jerusalem geweint (ein befreundeter Franziskaner erzählte mir mal innig ergriffen von der Bedeutsamkeit dieses Ortes Dominus flevit für ihn selbst), aber nicht, weil er geschmäht wurde, sondern weil viele in Israel das Heil für sich selbst ablehnten. Er weinte nicht wegen seiner Schmerzen, sondern er weinte um sie, wie eine Henne, deren Küken einfach nicht zur Wärme wollen der Flügel wollen, sondern den Tod in der Kälte zu bevorzugen scheinen.
Und ja, Jesus hat den Diener gefragt, mit welchem Recht er ihn schlüge. Doch dürfen wir hier nicht mehr hineinlesen, als dort steht. Er hat ihn gefragt, er hat ihn aber nicht aufgefordert, es nicht zu tun oder gar Sanktionen angedroht. Wenn wir bei Schmähungen fragen: "Warum tust Du das? Es tut mir weh, warum tust Du das?", dann ist das doch etwas ganz anderes, als wenn wir mit dem Gesetz drohen.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Ralf hat geschrieben: Wenn wir bei Schmähungen fragen: "Warum tust Du das? Es tut mir weh, warum tust Du das?", dann ist das doch etwas ganz anderes, als wenn wir mit dem Gesetz drohen.
Stimmt. Aber von mit dem Gesetz drohen, war auch nicht die Rede. Sondern genau von dem, was du schreibst.

Geronimo

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ach ja? Naja, von Nachfragen war aber bei den Protesten, seien sie gegen Langnese oder RTL oder wen auch immer nur sehr wenig zu spüren. Ein Protest ist etwas fundamental anderes als eine Frage.

Petra
Beiträge: 6157
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Petra hat geschrieben:Kann es sein, dass hier die Wirkung von Verhöhnung und Schmähung unterschätzt wird? Auf Christen, die nicht fest im Glauben und einer Gottesbeziehung stehen, können sie sich verheerend ausüben.
:/

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Ralf hat geschrieben:Ach ja? Naja, von Nachfragen war aber bei den Protesten, seien sie gegen Langnese oder RTL oder wen auch immer nur sehr wenig zu spüren. Ein Protest ist etwas fundamental anderes als eine Frage.
Ich denke, Ralf, dass Du hier fundamental irrst. Eine Sache ist es, Schmähung oder gar Verfolgung für sich selber zu akzeptieren, ja, zu bejahen. Eine andere Sache hingegen ist es, dies sozusagen stellvertretend für andere zu tun. Soll ich jenen chinesischen Katholiken zurufen: Mensch, habt ihr Glück, dass ihr geschmäht, verfolgt oder gar ermordet werden. Sind wir verpflichtet zu schweigen, wo Unrecht geschieht? Wo Menschen christlichen Glaubens wegen ihres Glaubens geschmäht, verfolgt und getötet werden?

Auch für uns als Gläubige ist Schmähung und Verfolgung kein anzustrebender Selbstzweck, sondern gewinnt seinen Sinn einzig als Zeugnis des Glaubens in Christi Nachfolge. Das schließt aber keineswegs aus, Schmähungen, die anderen zugefügt werden, einzelnen Gläubigen oder Gruppen davon, entgegenzutreten. Mehr noch, gerade aus unserem Glauben sind wir verpflichtet, unseren Geschwistern zu dienen. Und dazu gehört auch der Schutz des durch Schmähung und Verfolgen angefochtenen Glaubens.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Ralf

Beitrag von Ralf »

Dann erklär mir doch mal die Aufforderung Jesu, aber bitte möglichst ohne sie kleinzureden.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Akzeptiere Verfolgung, die Dir zukommt, als Nachfolge. Und stehe für jene ein, die verfolgt werden. Verleugne Dich selbst, und nicht jene, die verfolgt werden. Stehe für sie ein, nicht für Dich.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Ralf

Beitrag von Ralf »

Und wo bleibt die Freude?

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Ralf hat geschrieben:Und wo bleibt die Freude?
In der Nachfolge. Welchen Sinn sonst sollte die Freude über Spott, Schmähung und Verfolgung haben? Wir sind schließlich nicht Glaubensmasochisten.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema