Leguan hat geschrieben:Woher weißt Du das so genau und wie gut kennst Du dich im Hinduismus aus?
Ein guter Freund von mir, der Hindu ist, hat mir das so erklärt, daß der Hinduisumus sich nicht über den Götterkanon definiert, sondern über die dahinterstehende Lehre. Die bekannten Hindugottheiten sind Teil der Tradition, aber es gibt keinen festgefügten Götterkanon, sondern dieser ist durchaus in Bewegung. Das übernehmen fremder Götter ist kein Synkretismus, sondern Teil des Hinduismus. Synkretismus wäre es erst, wenn man christliche Lehren übernehmen würde.
Ich kenne mich im Hinduismus deswegen so gut aus, weil ich eine ganze Zeit meines Lebens in Asien verbracht habe, nicht als Hippie oder änliches, sondern im Rahmen eines Sprachstudiums und ich eben da auch Familienanschluss hatte.
Sie waren, was man heute Hindu-Aktivisten nennt, gehörten einer höheren Kaste an, gleichsam waren sie aber nicht so borniert mich als Fremde und Kastenlose die ich ja als Nicht-Hindu bin, zu akzeptieren; ausserdem war ich mit der Tochter des Hauses eng befreundet.
Diese Leute waren Tamilen.
Religion hat mich immer schon interessiert, schon als Kind, und wenn mein Leben nicht ganz bestimmte Bahnen gegangen wäre, hätte ich bestimmt vergleichende Religionswissenschaften studiert.
Und so habe ich mich trotzdem immer in die Religionen vertieft und intesiv damit beschäftigt, die mein Leben gekreuzt haben.
Dasselbe gilt auch für meine Kenntnisse über den Buddhismus und den Islam und in den letzten Jahren auch für das Judentum.
Zu konvertieren war für mich nie notwendig - nur für diejenigen, die etwa meinen ich wäre mal von Religion zu Religion gehüpft.
Es ist immer noch ein Unterschied ob man nur über die Dinge liesst und hört oder tatsächlich erlebt und sich dann sachkundlich macht. Ich habe das immer für mich wie ein kleines Studium gemacht und ich hatte das Glück, die richtigen Menschen zu treffen, die die passende Offenheit dazu hatten.
Dieses Muster hat sich in meinem Leben ein paar mal wiederholt in verschiedenen Ländern und deshalb diese Kenntnisse.
Für einen Europäer ist es nicht immer einfach diese Akzeptanz zu erlangen, gemessen an dem was sich als westliche Menschen in Asien so herum treibt. (Ashram, Gurus, Bhagwan und so...)
Ich war und bin immer ein wenig anders; soviel zu dem Hintergrund meiner Kenntnisse.
Ach ja, ich bin natürlich immer bereit mich eines besseren belehren zu lassen, denn nur Gott ist allwissend und der Mensch lernt nie aus.
Jetzt der Hinduismus:
Der Hinduismus ist mit keinem Religonssystem einfach nur so zu vergleichen. Der Hinduismus ist (fast) alles: Polytheismus, Pantheismus, eine Art von Monotheismus, Dämonenverehrung ist ebenso populär wie der Vielgötterglaube, in dem man sich seinen persönlichen Gott aussuchen kann, der aber in seinem Aspekt auch nur den ein Teil des allumfassenden göttlichen Prinzips ist. Von diesem allumfassenden göttl. Prinzips gibt es wiederum die Anhänger die das in einer personalisierten Form verehren und diejenigen die die unpersönliche Variante beforzugen.
Jede Kaste hat ihre eigene Gottheit, selbst die Kastenlosen, aber alle haben auch gemeinsam verehrte Götter.
Religionen die von aussen nach Indien eingedrungen sind, und das sind zu unterschiedlichen Zeiten das Christentum und der Islam gewesen, haben sich nicht vermischt aber aus den unteren Schichten der Bevölkerung grössere bis grosse Teile (zwangs=Islam) bekehrt.
Das Christentum hat in 2 Zeitperioden in Indien Fuss gefasst. Zuerst als Thomaschristen durch Apostel Thomas, friedlich und durch Überzeugungsarbeit und deshalb sind nicht nur aus der Unterschicht sondern auch unter den Brahmanen Menschen Christen geworden. Das ist bis heute dadurch ersichtlich, dass sich in abgeschwächter Form das Kastenwesen dort erhalten hat.
Thomaschristen sind in ihrer Kultur durch und durch indisch aber sie haben meines Wissens nie diese Synkretismus-Tendenzen gehabt wie in späterer Zeit Katholiken dort.
Sie gehören ja zu den altorientalischen Kirchen und hatten auch immer Kontakt mit den Kirchen des Nahen Ostens.
Sie sind ja auch orthodox in ihrer Art und das hindert einen dann daran einfach Riten oder ähnliches von anderen Religionen zu übernehmen.
Für die jüdische Gemeinde vornehmlich in Kerala (südwestliches Indien) lässt sich änliches sagen.
Beide Gemeinschaften haben sich zu einer Zeit in Indien niedergelassen, in der die Einstellung der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit noch nicht unter der Erfahrung der islam. und später der kolonialen Eroberungen stand.
Kerala stellt in Indien ohnenhin ein Unikum dar: es gibt Kasten die sind matriarchalisch organisiert, sie hatten immer auch Kontakt zu anderen Teilen Asiens und vieles mehr was ich gar nicht alles schreiben kann, ist mir zu viel, hier in diesem Rahmen.
Die anderen christl. Konfessionen haben in Indien erst durch die Kolonialmächte Fuss gefasst und dass eben erst nach der islamischen Invasion.
Zu dieser Zeit hatte sich die Einstellung der Hindus zu anderen Religionen schon längst geändert resultierend aus Zwangsbekehrungungen (Islam), Unterdrückung und Fremdherrschaft.
Die Christen anderer Konfessionen wurden und werden eigentlich immer mit dem Westen verbunden, da haben versuche einer Indiaisierung vonehmlich bei den Katholiken nicht wirklich viel geholfen.
Diese Versuche haben oft den Anschein erweckt dass sich Hindus christlichen Verehrungsformen angeschlossen hätten.
Das ist nicht der Fall; im Gegenteil, die Führer hinduistischer Bewegungen oder auch Parteien haben sich immer wieder solcher, in ihren Augen Anbiederungen an ihre Religion, verwehrt.
Paralell dazu gab und gibt es in der einfachen Volksreligion immer schon Hindus die christliche und islamische Wallfahrtsorte besuchen und die dort entweder ruhenden Heiligen (Islam=Sufis) oder Marienstatuen um Beistand und Hilfe zu bitten. In diesen Fällen kann man durchaus von Synkretismus reden, denn weder im Christentum noch gar im Islam ist es vorgesehen, dass Fremdgläubige Gottesdiensten beiwohnen und mit anbeten.
Synkretismus äussert sich nicht nur in einer partiellen Übernahme von Lehren sondern auch in der Übernahme von anderen Verehrungsformen.
Und das hat in Indien immer schon stattgefunden; und nicht nur in Indien, eigentlich weltweit, denn was ist es anderes als Synkretismus, wenn eine Religion in einem neuem Territorium Fuss fasst, eine andere Religion schon vorfindet und diese dann auch zu Überzeugungszwecken teilweise mit einbindet?
So ist es auch in unseren Breiten geschehen.
Indien ist, was das Thema Religion betrifft, ein schier unerschöpfliches Feld und es ist nicht einfach eine Regel aufzustellen.
Songul hat geschrieben:Zitat:
Antichristliche Aktionen nehmen in Indien schon seit längerem zu.
Das ist mir durchaus bekannt, hat aber damit weniger zu tun. Die Ablehnung des Christentums ist wie gesagt zuerst eine Ablehnung der Lehre. Dazu kommt, daß die antichristlichen Aktionen desöfteren nicht unbedingt religiösen Ursprungs sind, so gibt es Großgrundbesitzer, die mit aller Macht verhindern wollen, daß die unterste Kaste in christlichen Schulen Lesen und Schreiben lernt, oder sich gar durch Konversion emanzipiert.
Das ist nur ein Aspekt der Sache.
Die anti-christlichen Übergriffe haben auch mit der vermehrten Missionstätigkeit der Evangelikalen zu tun, die ja nicht nur in Lateinamerika erfolgreich und eben oft sehr offensiv aktiv sind.
Diese Übergriffe treffen aber gleichsam auch die buddhistische Mission.
Diese ganzen Auseinandersetzungen hängen auch eng mit der, von Mahatma Ghandi gegründeten Harijan-Bewegung zusammen, die ja nicht nur den Kastenlosen einen besseren sozialen Status verschaffen sollte, sondern sie auch in den Hinduismus integrieren sollte.
Nicht zuletzt war der Mörder Ghandis deswegen ein Hindu.
Aber Leute,
das Thema Indien ist so umfangreich, das ganze Land ist wenn man so will, ein einziger Synkretismus, da reicht Hörensagen einfach nicht aus um sich eine Meinung zu bilden.
Nochmals:
Ich stehe dazu: für mich hat ein Christ auf einer ausserchristlichen Weihehandlung nichts zu suchen und schon gar nicht daran teilzuhaben.
Kein Laie nicht, und auch kein Vertreter unseres Glaubens, gleich welcher Konfession .
Wer solches tut, erweisst seiner eigenen Religion einen Bärendienst und diskreditiert sich selbst.
LG Songul