Berolinensis hat geschrieben:Ich lese das Buch in kleinen Stückchen, und muß sagen, daß ich es immer mehr für entbehrlich halte. Bis auf wenige Ausnahmen verbleibt es doch arg an der Oberfläche, die Themen springen ohne erkennbaren Zusammenhang hin und her, und der Interviewer bringt ständig in viel zu langen "Fragen" seine Privatansichten zum Ausdruck (ich lasse die Fragen inzwischen aus).
Ich habe das Buch einmal durchgelesen und ein weiteres Mal gründlich durchgearbeitet. Den von Dir geschilderten Eindruck kann ich nur bestätigen. Die gesamte Kapiteleinteilung halte ich für diffus bzw. ungünstig. Wieso
dasselbe Thema in verschiedene Kapitel aufgespalten wird, erschließt sich mir nicht (über Mißbrauch wird etwa in Kap. 2 & 3, über die Krise in der Gesellschaft in Kap. 5 & 6 über Amtsantritt und Amtsführung in 7 & 8,... gehandelt).
Eine Analyse der Fragestellungen (besser Monologe) von Seewald wäre eine eigene Aufgabe. Seine "pausenlose" Paranoia bzgl. Finanzkrise, Klimawandel,... hat mich beispielsweise gestört.
Zu den Antworten des Papstes gäbe es natürlich viel zu sagen. Unter den mir negativ aufgefallenen Punkten greife ich einmal einen heraus:
Der Papst versteht es offen und locker über alle möglichen Dinge (inkl. Belanglosigkeiten) zu plaudern, dort wo es jedoch "interessant" wird, behält er die Zügel des Gesprächs fest in der Hand und die Plauderei findet ein Ende. So antwortet er auf zahlreiche wichtige Fragen bzw. Punkte entweder gar nicht oder nur nichtssagend.
Solche von Seewald angesprochene Themen wären: der Verfall der Ordensdisziplin, der moral. Verfall des Klerus, die Diagnose des kieloben schwimmenden Schiffs, der Umbau des Papsttums zugunsten der Ökumene, das Schisma in der Kirche, die liberalen Bischöfe, das nur noch als Wellnesprojekt verstandene Christentum,... - Zu diesen brennenden Fragen erhält der Leser vom Papst (wenn er auch nur als Privatmann antwortet) leider keine Auskunft.