Mystik

Allgemein Katholisches.
Poliven
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Beitrag von Poliven »

Margret hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Beten unterscheidet sich von Plappern durch die Liebe. Mit Liebe zu Gott und den Nächsten kann man das Vaterunser auch 100 Mal hintereinander sinnvoll aufsagen. Vereinigung meint einreihen in die Gemeinschaft.
Wenn ich mir vorstelle, :hmm: , meine Kinder sagen aus lauter Liebe zu mir 100mal ein- und dasselbe Gedicht auf ... :hmm: das bringt mich ja doch schon zum Nachdenken.
Das kann man eher mit zwei Menschen vergleichen die sich wirklich lieben. Die können es ( vorrausgesetzt es ist wahre Liebe ) auch nicht oft genug sagen wie sehr sie sich mögen.

Übrigens von den Heiligen weiß man das es nicht schaden kann.

Wendelin
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Beitrag von Wendelin »

Ein Mystiker ist für mich ein Mensch der sein Menschsein ganz annimmt.
In diesem Sinne ist für mich z.b. Jesus ein Mystiker.
Allerdings was mich bei "spektakulären Mystikern" mittlerweile etwas abschreckt, ist der enorme Drang zur "Botschaft", und die sich daraus ergebenden, nach meinem Verständniss reichlich "unmystischen" Folgeerscheinungen.

Wendelin
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
so dass schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
sooft dich unsre Herzen offen sehn.

Wendelin
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Beitrag von Wendelin »

Ein für mich überzeugendes Mystikverständniss wird in einem Aussspruch eines Zen Meisters deutlich.
Der geht ungefähr so:

Ein tiefes Geheimniss,
ich sammle Brennholz
ich schöpfe Wasser.

In diesem Sinne bin ich mir nicht so sicher ob die religiösen Institutionen, z.B Kirchen oder auch Zen Institutionen die direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form nicht eher erschweren...

Aber dazu formuliere ich vieleicht eine Frage in diesem Forum.

Wendelin
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Tut mir Leid, Wendelin. Ich halte das für überspanntes Geschwätz.

[Absatz mit persönlichem Angriff nach Beanstandung gelöscht. cantus planus, Mod.]

Eines verstehe ich noch nicht:
Einerseits ist das Zitat des Zen-Meisters die Dich überzeugende Mystik, andererseits befürchtest Du, dass Zen-Institutionen die "direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form" eher erschweren?
Ja, was denn? Verstehen diese denn die Zen-Mystik anders als Du?
Und warum erschweren die christlichen Institutionen die "direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form" ?

Was ist denn für Dich die direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form?

Ich bin jetzt ganz ratlos......

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Wendelin
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Beitrag von Wendelin »

Ad hoc mal eine Antwort:
[Replik auf oben gelöschten Absatz entfernt. cp, Mod.]
Für mich ist Glauben an etwas sehr bestimmtes, eingegrenztes... eher Aberglaube.

Die Zen Institutionen sind mindestens so "entartet" wie die christlichen Institutionen...

Z.B. erschwert meiner Meinung nach die Kirche die direkte Erfahrung des Lebens weil die Nachfrage danach enom hoch ist sich diese direkte Lebenserfahrung zu ersparen...
So verstehe ich ein Jesuswort: Wer sucht der findet, wer anklopft dem wird aufgetan. Zieml. einfach und direkt ohne irgendeinen Hokuspokus den wir natürl.vorziehen,über den man jahrelang diskutieren kann u,s,w, ...


Wendelin
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overkott
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Beitrag von overkott »

Ich sehe die Sonne.

Ich zähle die Sterne.

Was ist der Mensch?

Ich denke an Christus.

Ich sehe den Nächsten.

Gott ist die Liebe.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo Wendelin

Du bist ja so was von aufgeklärt. Von Kopf bis Fuß steckst Du voller Vernunft. Hoffentlich kannst Du noch gerade gehen.

Nicht persönlich nehmen. Ich schreibe gerne deutlich. Die sanfte Tour übernehmen evtl. andere.
8)

Gruß, ad_hoc
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Wendelin
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Beitrag von Wendelin »

No problem...
Wendelin
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sofaklecks
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Irgendwann

Beitrag von sofaklecks »

Irgendwann einmal kommt man beim Nachdenken über den Glauben an einen Punkt, wo man am liebsten alle Bücher über die Bibel beiseitestellen und Gott direkt erfahren will.

Wo man diese Hilfen als Krücken ansieht, ohne die man schneller vorankommt. Wo man das Floss verbrennt.

Man entspricht dann in der Entwicklung einem pubertären Jugendlichen, der meint, er könne die Welt einreissen. Einem Weinstock, der hochmütig verlangt, vom Stecken losgebunden zu werden, weil er sebst Frucht zu tragen beginne, dieser aber verdorrt sei, ohne zu bedenken, dass er vom Stecken gehalten wird und er sein Aufstreben nur dem jetzt als hinderlich angesehenen Stück Holz verdankt.

Indessen:

Gleich hinter dem Ufer mit der Asche des verbrannten Flosses beginnt der nächste Arm des Flusses, den man zuvor nicht erkennen konnte.

Es spricht nichts dagegen, sich einmal mit einer andere Art des Nachdenkens zu beschäftigen.

Es spricht nichts dagegen, nach Parallelen zu suchen.

Es ist aber unvernünftig, aus Übermut den Kompass über Bord zu werfen, weil man glaubt, eine Möwe gehört zu haben.

sofaklecks

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Peti
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Beitrag von Peti »

Wendelin hat geschrieben:Ein für mich überzeugendes Mystikverständniss wird in einem Aussspruch eines Zen Meisters deutlich.
Der geht ungefähr so:

Ein tiefes Geheimniss,
ich sammle Brennholz
ich schöpfe Wasser.

In diesem Sinne bin ich mir nicht so sicher ob die religiösen Institutionen, z.B Kirchen oder auch Zen Institutionen die direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form nicht eher erschweren...

Aber dazu formuliere ich vieleicht eine Frage in diesem Forum.

Wendelin

Das christliche Gegenstück zum Zenmeister ist nicht der Mystiker sondern der Heilige. Er versteht sein Leben als Sendung innerhalb der Kirche. Er kann Mystiker sein oder auch nicht.
Sein Höchstwert ist ncht irgendeine Transzendenzerfahrung sondern das Bestehen des Alltags in Glaube, Hoffnung und Liebe.

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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Wendelin hat geschrieben:Ein tiefes Geheimniss,
ich sammle Brennholz
ich schöpfe Wasser.
Und wo ist die Mystik?
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

cantus planus hat geschrieben:
Wendelin hat geschrieben:Ein tiefes Geheimniss,
ich sammle Brennholz
ich schöpfe Wasser.
Und wo ist die Mystik?
Erst dreißig Jahre Holz sammeln und Wasser schöpfen, dann vielleicht verstehen. :ikb_chinese:
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Peti hat geschrieben:
Wendelin hat geschrieben:Ein für mich überzeugendes Mystikverständniss wird in einem Aussspruch eines Zen Meisters deutlich.
Der geht ungefähr so:

Ein tiefes Geheimniss,
ich sammle Brennholz
ich schöpfe Wasser.

In diesem Sinne bin ich mir nicht so sicher ob die religiösen Institutionen, z.B Kirchen oder auch Zen Institutionen die direkte Erfahrung des Lebens als höchste Form nicht eher erschweren...

Aber dazu formuliere ich vieleicht eine Frage in diesem Forum.

Wendelin

Das christliche Gegenstück zum Zenmeister ist nicht der Mystiker sondern der Heilige. Er versteht sein Leben als Sendung innerhalb der Kirche. Er kann Mystiker sein oder auch nicht.
Sein Höchstwert ist ncht irgendeine Transzendenzerfahrung sondern das Bestehen des Alltags in Glaube, Hoffnung und Liebe.
:jump:

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overkott
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Re: Mystik

Beitrag von overkott »

Wer das Ziel nicht kennt, wird auch den Weg dahin nicht finden. Der christliche Weg zu Gott aber ist Christus. Deshalb gibt es auch keine christliche Mystik ohne Christus. Christus aber hat uns keine Atemtechnik vermittelt, sondern seinen Geist gegeben: Liebt einander. Der Geist Christi aber ist eins mit dem Geist des Vaters: Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Das sind Mystik und Askese: Gottesliebe und Nächstenliebe. Es gibt also keine Mystik ohne Askese. Wer die Nächstenliebe lebt, erlebt Gott. Denn Gott lebt, wo die Nächstenliebe lebt. Gott ist die Nächstenliebe.

Woher aber nimmst du die Kraft für den Tag, wenn nicht aus dem Schlaf in der Nacht? Woher die Tugend der Nächstenliebe, wenn nicht aus dem Gebet? Woher das christliche Gebet, wenn nicht aus der Schrift?

Josef Ratzinger habilitierte sich mit dem Gedanken: „Die Schrift ist geboren aus einem mystischen Kontakt der Hagiographen mit Gott, sie kann daher richtig verstanden werden wiederum nur auf einer 'mystisch' zu nennenden Ebene.“ Die Schrift ist die Geschichte der Gottesliebe und des Ringens um diese erste Liebe.

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Edi
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Re: Mystik

Beitrag von Edi »

overkott hat geschrieben:Woher das christliche Gebet, wenn nicht aus der Schrift?
Geht auch aus dem hlg. Geist, veilleicht sogar besser als aus der Schrift.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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incarnata
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Re: Mystik

Beitrag von incarnata »

Das christliche Gebet ist liebender Austausch mit dem Du Gottes,Antwort auf Seinen Anruf,beginnend mit Bitte und Dank,folgend den Worten erfahrender Beter vor uns oder frei dem Drängen des eigenen Herzens -bis hin zur wortlosen Versenkung in Seinen barmherzigen Blick; in der Erkenntnis des eigenen Unvermögens zum vertrauenden Kinde werden-daraus Kraft schöpfen für die Kämpfe des Alltags;Ziel ist immer in Seiner Liebe zu bleiben und so auch den Alltag zum Gebet zu machen,das IHN als den Ursprung allen Lebens ständig preist;man kann es auch Heiligkeit nennen oder Nachfolge Christi getragen von der Kraft des Hl. Geistes.Ob man auf diesem Weg auch durch mystische Erlebnisse gestärkt wird oder nicht liegt nicht an uns und sollte nicht Ziel des Bemühens sein; ich denke gerade in Phasen der Schwäche im Glauben werden uns manchmal solche Erfahrungen geschenkt,um uns auf den
oben beschriebenen Weg zu setzen;wer ihn vom Verstande gesteuert sowieso schon konsequent geht,wie unser derzeitiger Papst,der einmal gesagt hat,er habe nie so etwas erlebt-bedarf dessen nicht.
Ziel aller Mystik und allen Betens ist Gott allein,der wie ER uns versprochen hat in den Herzen derer,die Seinen Geboten folgen (aus Liebe zu IHM)Wohnung nimmt,so dass sie die Fülle des Lebens erfahren können.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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overkott
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Re: Mystik

Beitrag von overkott »

Ein modernes mystisches Gebet ist das Öffnen der Bibel mit der Bitte: Vater sprich zu mir, führe mich zu Jesus, öffne mir die Augen meines Herzens, zeig mir die Hingabe deines Sohnes für uns Menschen und erfülle mich mit seinem Geist der Liebe zu allen, die meine Hilfe brauchen.

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overkott
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Re: Mystik

Beitrag von overkott »

Der Papst hat ja beim Priestertreffen eine Mystik an den Tag gelegt, die ganz anders klang als die Einheit mit dem Vater im Geist, ausgedrückt im Vaterunser.

Das hätten man ihm gar nicht so zugetraut.

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Niels
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Re: Mystik

Beitrag von Niels »

Kannst Du das evtl. näher erklären?
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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overkott
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Re: Mystik

Beitrag von overkott »

Er sprach von Theologie der Liebe zum Geliebten.

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overkott
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Re: Mystik

Beitrag von overkott »

Ich denke, dass Theologen wie Freunde des Bräutigams sind, die auf die Stimme Christi hören, wie er zu seiner Braut, der Kirche, spricht.

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incarnata
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Re: Mystik

Beitrag von incarnata »

Gerade darum geht es doch für jeden Christen und den Priester besonders:die Liebe zwischen dem Bräutigam Christus mit der Braut,der Kirche,deren Glieder wir alle sind.Das Hohelied ist so interpretiert worden und beim Beichten geht es letztlich darum immer wieder den Mangel der eigenen Liebesfähigkeit zu er-und bekennen um immer wieder die verzeihende Liebe des Vaters,die Barmherzigkeit des Sohnes,der uns Sünder zu seinen Brüdern und Schwestern gemacht hat im Heiligen Geiste zu erfahren.Insofern denke ich nicht ,dass die Bräutigam-Braut-Mystik eine andere ist als die Vater-Sohn-oder die Kreuzesmystik; es sind nur immer verschiedene Blickwinkel auf dasselbe Thema: die unendliche und unfassliche Liebe Gottes.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Bruder Donald

Bonaventura's Mystik

Beitrag von Bruder Donald »

Der hl. Bonaventura hat sich ja auch zur "mystischen Praktik" geäußert. Die Schriften sind mir bekannt, aber wie ordnet man sie ein, was ist eigentlich Sinn, Inhalt und Kernpunkt dieser Werke?

Wie unterscheidet sich "Soliloquium. De quatuor mentalibus exercitiis" (praktischer?) von "De triplici via" (theoretischer?) und wie spielt dann "Itinerarium mentis in Deum" da noch hinein?

Hat sich schon jemand von euch an diesen bonuventarischen Exerzitien versucht?

Trisagion
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Re: Bonaventura's Mystik

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 31. Oktober 2020, 12:30
Der hl. Bonaventura hat sich ja auch zur "mystischen Praktik" geäußert. Die Schriften sind mir bekannt, aber wie ordnet man sie ein, was ist eigentlich Sinn, Inhalt und Kernpunkt dieser Werke?

Wie unterscheidet sich "Soliloquium. De quatuor mentalibus exercitiis" (praktischer?) von "De triplici via" (theoretischer?) und wie spielt dann "Itinerarium mentis in Deum" da noch hinein?

Hat sich schon jemand von euch an diesen bonuventarischen Exerzitien versucht?
Ich habe nur das "Itinerarium mentis in Deum" gelesen, in einer schönen englischen Übersetzung. Insofern halte ich mich mal mit Vergleichen zwischen den Quellen zurück. Mir scheinen sie allerdings so rein von der Inhaltsangabe ziemlich ähnlich zu sein.

Es gibt im wesentlichen drei Wege zur Mystik: durch den Körper, durch die Betrachtung und durch die Stille. Wobei im Christentum (und den meisten Religionen) das Körperliche eher nicht separat vorkommt, sondern die geistigen Übungen unterstützt (z.B. Asketik, Isolation, Schweigen). Bonaventura gibt "Itinerarium mentis in Deum" eine detaillierte Anweisung zur mystischen Betrachtung, quasi eine systematische Themensammlung was man denn bedenken soll, und in welcher (geistigen) Reihenfolge. Und er tut das sowohl praktisch als auch theologisch unterfüttert, und das ist aus einem Guß, eine echt praktische Theologie zur Mystik. Noch hinzu hat die Anweisung in den Anfangkapiteln so einen Stil wo erst eher poetisch eine Übersicht gebracht wird, und das dann mehr erklärend auseinandergenommen wird. Wenn man dem echt praktisch folgt, kann man sich zur Erinnerung vor dem Beten dann eben kurz die "Poesie" durchlesen. Allein schon Kapitel 4 des Prologs lohnt sich für einen alten Theoretiker wie mich als tägliches Mahngebet...

Jedenfalls ist "Itinerarium mentis in Deum" ein Juwel der "betrachtenden" Mystik. Ich habe es normalerweise mehr mit der "stillen" Mystik, aber Du hast mich da etwas aufschlagen lassen was ich sicher seit einem Jahrzehnt nicht mehr gelesen haben. Unverhofft kommt oft. Danke.

Bruder Donald

Re: Mystik

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 31. Oktober 2020, 13:54
Mir scheinen sie allerdings so rein von der Inhaltsangabe ziemlich ähnlich zu sein.
Ja, das hat mich auch sehr irritiert.
Jedenfalls scheint es mir so, dass uns mit "De triplici via" (s)ein theoretisches Konzept der (Beschauungs-)Mystik vorliegt, angefangen mit der Betrachtung (meditatio), dann mit dem Gebet (oratio) und endend mit der Beschauung (contemplatio).
Das "Itinerarium" und das "Soliloquium" beschäftigen sich offenbar, als Orientierung zur Praxis, "nur" mit der Betrachtung, wobei mir das "Itinerarium" noch etwas ausführlicher ist und das Gebet und die Beschauung miteinbezieht.
Die Datierung der Werke fände ich interessant, aber offenbar tut sich die Wissenschaft da etwas schwer. :/
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 31. Oktober 2020, 13:54
Es gibt im wesentlichen drei Wege zur Mystik: durch den Körper, durch die Betrachtung und durch die Stille.
Die Beschauungsmystik erscheint mir etwas mit der Achtsamkeitsmeditation gemeinsam zu sein. Was meinst du dazu?
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 31. Oktober 2020, 13:54
Ich habe es normalerweise mehr mit der "stillen" Mystik, aber Du hast mich da etwas aufschlagen lassen was ich sicher seit einem Jahrzehnt nicht mehr gelesen haben. Unverhofft kommt oft. Danke.
You're welcome :daumen-rauf:

Trisagion
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Re: Mystik

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 1. November 2020, 18:18
Jedenfalls scheint es mir so, dass uns mit "De triplici via" (s)ein theoretisches Konzept der (Beschauungs-)Mystik vorliegt, angefangen mit der Betrachtung (meditatio), dann mit dem Gebet (oratio) und endend mit der Beschauung (contemplatio).
Wie gesagt, ich habe das Werk nicht gelesen. Aber im allgemeinen wird die contemplatio als nur durch Gottes Gnade erreichbar gesehen, und insofern kriegt man dann keine methodische Diskussion, sondern höchtens eine theologische. Und die oratio folgt im allgemeinen spontan / natürlich aus der meditatio, man wird halt durch die Betrachtung zum Gebet inspiriert (und gelegentlich aus dem Gebet zur Beschauung im eigentlichen Sinne inspiriert). Insofern wird auch das Gebet dann meist nicht bzgl. Methodik diskutiert, sondern wenn da was besprochen wird geht es da meist um etwas zwischen Psychologie und Theologie. Die spezifische Methodik des Gebets ist hier ja gerade die Inspiration durch die Betrachtung. Kurz, ich wette der Unterschied ist letztlich nur wieviel Theorie es zu meditatio -spontan-> oratio -Gnade-> contemplatio gibt. Diese Abfolge ist halt mittelalterlicher "Standardlehre", z.B. auch bzgl. der lectio divina.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 1. November 2020, 18:18
Die Beschauungsmystik erscheint mir etwas mit der Achtsamkeitsmeditation gemeinsam zu sein. Was meinst du dazu?
Hmm, eher nicht. Achtsamkeitsmeditation im Sinne dessen was wir da aus dem Osten importiert haben ist zum großen Teil überhaupt keine richtige Mystik oder Religion, sondern Konzentrations-, Kontroll- und Beruhigungsübung. Im Zen nennt man das "Bompu Zen", bedeutet so in etwa "gewöhnliches Zen". Man könnte es netter auch "Meditation zum geistigen und körperlichen Wohlbefinden" nennen. Die Aspekte der Achtsamkeitsmeditation die man zur Mystik rechnen kann würde ich dann eher zur "stillen" Meditation rechnen. Ein Anfänger der "Zazen" lernt ("stille" Meditation im Zen), wird ja auch angewiesen sowohl auf Körperhaltung als auf Atmung zu achten, eventuell sogar Atemzüge zu zählen. Wenn Du so willst geht Achtsamkeitsmeditation in "stille" Meditation über wenn der Übende nicht mehr auf seine körperliche Gegebenheiten achten muß (weil der recht Körperzustand unterbewußt beibehalten wird) aber seine Aufmerksamkeit nicht abschaltet (wie wir das normalerweise tun wenn unser Körper "automatisch" agiert und sonst nichts los ist).

Der Betrachtungsmystik entspricht im Zen jedenfalls eher das Meditieren über Koans. (Wobei sowohl die betrachtende als auch die stille christliche Mystik durchaus verschieden ist von dem was ich aus dem Zen kenne, sowohl in der Methodik als auch in der Ausrichtung. Aber das wäre für mich noch das Ähnlichste...)

Bruder Donald

Re: Mystik

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 2. November 2020, 03:31
Wenn Du so willst geht Achtsamkeitsmeditation in "stille" Meditation über wenn der Übende nicht mehr auf seine körperliche Gegebenheiten achten muß [...] aber seine Aufmerksamkeit nicht abschaltet [...].
Okay interessant. Ich hätte nämlich diese "Aufmerksamkeit"/Achtsamkeit eher in die Richtung "Beschauung" (contemplatio) gedeutet.

Was verstehst du eigentlich unter "stiller (christlicher) Mystik"? :hmm:
Z. B. das Herzens-/ Jesusgebet oder Ruhegebet? (Würde ich nämlich zur "Beschauungsmystik" zuordnen)

Trisagion
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Re: Mystik

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 2. November 2020, 14:54
Was verstehst du eigentlich unter "stiller (christlicher) Mystik"? :hmm:
Z. B. das Herzens-/ Jesusgebet oder Ruhegebet? (Würde ich nämlich zur "Beschauungsmystik" zuordnen)
So Sachen wie in "Die Wolke des Nichtwissens", der Autor war vermutlich ein Kartäuser. Man findet das aber auch anderweitig, etwa bei St Teresa von Ávila in Wohnungen der Inneren Burg ab der vierten Wohnung. Ich nenne es "still", weil man versucht (auf die eine oder andere Weise) sich selbst soweit wie möglich zurückzunehmen um Raum für Gott zu schaffen, es ist also still sowohl körperlich als auch geistig, sowohl wörtlich als auch metaphorisch. Selbst wenn dabei noch "kognitives Material" benutzt wird (etwa wiederholte Stoßgebete, was man anderweitig ein "Mantra" nennen würde), geht es eben nicht mehr wirklich um deren Inhalt. Es ist eher eine Art Ablenkung, damit der geschäftige Geist in guter Weise etwas zu tun kriegt, wie wenn man einem Kind ein Spielzeug gibt damit die Erwachsenen in Ruhe reden können. Insofern kann meinetwegen ein Jesusgebet teil "stiller" Mystik sein, oder auch nicht. Es kommt darauf an wie und wozu Du dieses Gebet sprichst. Es ist keinswegs unwichtig auch vom Inhalt, weil es schon darauf ankommt auf welcher Trajektorie man in die Stille läuft. Aber es geht eben nicht darum den Inhalt selbst zu bedenken in der "stillen" Mystik. Es geht darum sich von dem Inhalt und seiner Wiederholung fortspülen zu lassen bis all dies ... versinkt. Aber wie gesagt, das ist nur eine Art, es gibt deren viele.

Bruder Donald

Re: Mystik

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 2. November 2020, 18:18
Ich nenne es "still", weil man versucht (auf die eine oder andere Weise) sich selbst soweit wie möglich zurückzunehmen um Raum für Gott zu schaffen, es ist also still sowohl körperlich als auch geistig, sowohl wörtlich als auch metaphorisch.
Okay verstehe. Läuft es am Ende aber nicht auch auf die contemplatio hinaus?
Oder unterscheidet sich die "Stille-" von der "Beschauungsmystik" auf dem Weg zur contemplatio?

Trisagion
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Re: Mystik

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 2. November 2020, 21:15
Okay verstehe. Läuft es am Ende aber nicht auch auf die contemplatio hinaus?
Oder unterscheidet sich die "Stille-" von der "Beschauungsmystik" auf dem Weg zur contemplatio?
Also, Beschauungsmystik ist schlicht doppelt gemoppelt. In der Mystik läuft immer alles auf die contemplatio, also Beschauung (des Göttlichen) dank einer Gnade Gottes, heraus. Die Frage ist nur ob man das menschlich primär mittels Betrachtung, also meditatio, vorbereitet oder nicht. Wenn ja, dann ist es halt Betrachtungsmystik, wie z.B. bei Bonaventura oder lectio divina, wenn nein dann ist das "still" in meinem Sinne. (Da gibt es sicherlich auch irgendein professionelles Sammelwort für, das war jetzt nur meine eigene Namengebung...)

Das schreibt sich auch ehrlich gesagt alles viel komplizierter als es ist. Wenn Du die zwei Sachen mal ausprobiert hast, weißt Du sowohl um deren klaren Unterschied als auch darum, daß die Grenze durchaus fließend sein kann und auch oft genug eine Frage der individuellen Intepretation ist. Es ist wie der Unterschied zwischen rot und orange. Das bestimmte Dinge eindeutig rot oder eindeutig orange sind, darauf können sich alle einigen, aber wann genau etwas aufhört rot zu sein und anfängt orange zu sein darüber lässt sich trefflich (und nutzlos) streiten. Vom Ansatz her: nachdenken ist betrachtend, nicht-denken ist still.

Bruder Donald

Re: Mystik

Beitrag von Bruder Donald »

Danke, jetzt ist es mir klarer. :daumen-rauf:

Bruder Donald

Wolke des Nichtwissens

Beitrag von Bruder Donald »

Falls sich jemand für die "Wolke des Nichtwissens" interessiert, möchte ich auf unterschiedliche deutsche Übersetzungen aufmerksam machen.
In der Suche wird prominent die Fassung von Willi Massa (ex-katholischer Priester) angezeigt, daneben auf seiner Übersetzung basierende Herausgeberschaft von Willigis Jäger (Benediktiner und Zen-Meister).
Im Bezug auf einen Artikel des Mystikforschers Josef Sudbrack SJ ist diese Übersetzung kritisch zu sehen, da Massa offenbar Inhalte zen-buddhistisch interpretiert/verfälscht hat.
Dagegen ist aber die text- und inhaltsgetreue Übersetzung der "Wolke" vom Literaturwissenschafter Wolfgang Riehle zu empfehlen:
Sudbrack hat geschrieben:In dessen erster Übersetzung von Massa wurde der überall deutliche Richtungssinn auf den transzendenten, schenkenden Gott zurück gebogen zur eher immanenten Innerlichkeit. Wenn der Traktat schreibt: nach oben, übersetzt Massa, "in die tiefsten Tiefen", wenn der Traktat den Gipfel erwähnt, heißt es bei Massa Mitte. Wenn der Traktat die Erkenntnis der eigenen Schwäche vor dem göttlichen Licht herausstellt, bleibt bei Massa nur übrig: "Versuche dich selbst zu erkennen". Die neue Übersetzung von Wolfgang Riehle hat nun glücklicherweise auch in der deutschen Sprache den Richtungssinn des mystischen Traktats von der "Wolke des Nichtwissens" deutlich gemacht. Es ist ein ständiges Übersteigen, wie schon die Definition der mystischen Erfahrung zeigt: nakid entent unto god - die total losgelöste nackte intentionale Ausrichtung auf Gott; Massa hingegen schreibt wörtlich, dass im Traktat die "intentionale" Meditation negiert werde.

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