Mystik

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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

Dirk hat geschrieben:
Wenn Leute bei Menschen, die Visionen oder Einsprechungen haben, von "Mystikern" reden, streuben (oder sträuben ? :kratz:) sich mir die Nackenhaare. Mystik und inneres Gebet sind für mich untrennbar verbunden.
Das ist eine den Wüstenvätern und Kleinen Philokalie nahe Auffassung von Mystik, die dem Herzensgebet ähnlich klingt.
Zuletzt geändert von Giosuè Carducci am Freitag 30. Juni 2006, 22:44, insgesamt 2-mal geändert.

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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

Peter hat geschrieben:Wenn ich das so lese, denke ich, ich bin rheinisch-mystisch.

Und ich muss an den alten Père Joseph † denken, der mit einem Freund und Mitbruder gemeinsam wissen wollte, was es mit der Stigmatisiserten aus Châteuneuf-sur-Galaure, Marthe Robin, auf sich hatte. Sie besuchten diese «Mystikerin» und nahmen sich vor, ihren Humor auf Herz und Nieren zu prüfen. Das sei, meinte Joseph, doch ein gutes Zeichen der Echtheit. In ihrem Zimmer angekommen, stellten sie sie mit einem Scherz auf die Probe: Und viel, viel später, als wir gemeinsam am Grab von Marthe Robin standen, sagte er leise und versonnen: «Marthe, was haben wir gelacht …».

Joseph war ein treuer und kluger Begleiter. Und so wunderbar vieles war, was man über Mystiker, vielleicht über Marthe und ihre Stigmata, oder über Pater Pio – oder gar einen gewissen Ort in der Herzegowina munkelte: An dieser Stelle konnte er immer streng werden und uns barsch zur Nüchternheit mahnen.
Danke für diesen Beitrag.

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Giosuè Carducci
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Re: Mystik

Beitrag von Giosuè Carducci »

Ermi hat geschrieben: Für mich ist die <Lyrik> der beste Einstieg, um die Mystik zu verstehen. Denke an das Hohelied im alten Testament, die Lyrik des Hl. Joh. vom Kreuz, die Lyrik der Hl. Theresia von Avila, usw. :)
Gruß Ermi
Für mich ebenfalls. Allerdings fehlen mir in dieser Aufzählung die lateinischen Hymnen der Hildegart von Bingen.

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Giosuè Carducci
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Re: Mystik

Beitrag von Giosuè Carducci »

Mariamante hat geschrieben: "Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein
oder gar nicht.", wurde mir gesagt.

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Mariamante
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Re: Mystik

Beitrag von Mariamante »

Mystik besteht aus Empfindung und bewusster religiöser Lebensführung. Aber vielleicht einer Bewusstheit, die mehr dem Herzen, als dem Verstand entspringt.
Deshalb denke ich, was du schriebst ist unbedingt Äußerung mystischen Lebens.
Gott hinter allem sehen, alles in Bezug zu Gott sehen ist nicht nur ein offenes Auge sondern ein offenes Herz haben. Augustinus war es glaube ich der sagte: Überfall habe ich dich gesucht, bis ich dich in der Tiefe meines Herzens fand. Mystiker als tgiefe Herzensmenschen - könnte man es so sagen?
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Re: Mystiker

Beitrag von Mariamante »

Ad Carducci

Der Prophet Moses und Apostel Paulus mit seiner der jüdischen Prophetie nahestehenden Sendung und Erfahrung sind keine besonders glücklichen Beispiele für Mystiker.
In dem Sinne, als Mose Gott im "brennenden Dornbusch" schaute oder Paulus sowohl die Begegnung zu Damaskus hatte wie auch in den dritten Himmel erhoben wurde sind sie in besonderer Weise Mystiker im Sinne von "Gottschauende".
Gerade christliche Mystiker zeichnen sich etwa zur Hälfte durch bemerksenwerte Bescheidenheit und nahezu Unsichtbarkeit in Hinblick auf ihr besonderes religiöses Leben aus.
Das Geheimnis "des Königs" zu wahren ist für Mystiker wichtig. Ich denke dass jeder Mensch in einer eigenen Beziehung zu Gott steht, die einzigartig ist. Dass der Mystiker mehr nach innen lebt als nach außen ist wohl auch ein 'Grund, warum dieses Leben mit Gott sehr "unauffällig" sein kann.
Bei weitem nicht alle erlangten die Strahlkraft und Universalität einer Hildegart von Bingen. Es gibt auch eine ganze Reihe "unauffälliger" Mystiker.
Gottes Rufe an die Seelen sind sehr verschieden. In Gottes Sinfonie der Liebe ist sowohl eine Teresa von Avila, ein hl. Johannes vom Kreuz, Franziskus, eine hl. Hildegard, eine Therese von Lisieux oder Johannes Ruisbroeck

http://www.bautz.de/bbkl/j/Jan_v_r.shtml

eine Facette der göttlichen Liebe.

Was alle verbindet, ist zweifellos ihre Liebe zu Gott.

Kennst du das bemerkenswert kluge Buch Schweizers: Mystik des Apostels Paulus
Ja- der lebendige Glaube, die brennende, leidenschaftliche Liebe sind es, welche die Mystiker verbindet. Das genannte Buch kenne ich nicht.
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Giosuè Carducci
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Re: Mystik

Beitrag von Giosuè Carducci »

Mariamante hat geschrieben: nicht nur ein offenes Auge sondern ein offenes Herz haben.
Eine verblüffend einfache Definition für mystisches Leben.

Meister Eckehart schrieb in seinen staunenswert tiefsinnigen Schriften auch ganz anschauliche Dinge wie:
Du brauchst Gott weder hier noch dort zu suchen, er ist nicht ferner als vor der Tür des Herzens. Da steht er und harrt und wartet, wen er bereit finde, der ihm auftue und ihn einlasse. Du brauchst ihn nicht von weit her herbei zu rufen. Er kann es weniger erwarten als du, dass du ihm auftust. Es ist ein Zeitpunkt: Das Auftun und das Eingehen.

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Mariamante
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Re: Mystik

Beitrag von Mariamante »

Ja- die Érkenntnis und Erfahrung, dass der gegenwärtige Augenblick und Ort wo wir sind die Tür zu Gott ist, ist für Mystik wesentlich.

Du kennst wahrscheinlich die Geschichte von den zwei Mönchen die ausgingen, die Tür zu Gott zu suchen. Als ihnen nach einer langen Wanderung ein Engel die Tür öffnete, standen sie wieder in ihrer Zelle.

Ist dir Bruder Laurentius oder Br. Lorenz bekannt?

Bruder Laurentius
"Der Wandel in Gottes Gegenwart"

Gespräche und Briefe des Karmeliterbruders Laurentius

Ich sah den Bruder Laurentius zum ersten Mal am 3.August 1666. Er erzählte mir, wie sich seine Bekehrung zugetragen habe und sagte folgendes:

Gott hat mir eine besondere Gunst zuteil werden lassen, indem er mich im Alter von 18 Jahren zu sich bekehrte. Das kam so: In einem Winter betrachtete ich einmal einen Baum, wie er kahl und entblättert dastand, der dann im Frühling Blüten und im Herbst reife Früchte trug. Bei diesem Anblick empfing ich einen so starken Eindruck von der Vorsehung und Allmacht Gottes, daß er sich unauslöschlich tief in eine Seele senkte. Diese innerste Berührung hat es vermocht, mich vollständig von der Welt loszureißen. Sie hat eine solche Liebe zu Gott in mir entzündet, daß ich nicht einmal sagen kann, ob sie in den 40 Jahren, seitdem ich Ihm diene, an Glut und Kraft überhaupt noch wachsen konnte.
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Giosuè Carducci
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Re: Mystiker

Beitrag von Giosuè Carducci »

Mariamante hat geschrieben: Gottes Rufe an die Seelen sind sehr verschieden. In Gottes Sinfonie der Liebe ist sowohl eine Teresa von Avila, ein hl. Johannes vom Kreuz, Franziskus, eine hl. Hildegard, eine Therese von Lisieux oder Johannes Ruisbroeck

http://www.bautz.de/bbkl/j/Jan_v_r.shtml

eine Facette der göttlichen Liebe.

Vollkommen einmalig bei jedem Wurf ins menschliche Leben. Für mich sind ebenfalls bedeutende Mystiker Autoren wie Angelus Silesius und Novalis.

Ein mir sehr liebes Buch ist von Walter Nigg: Heimliche Weisheit - Mystisches Leben der evangelischen Christenheit, Diogenes, 405 S.

Silesius, Cherubinischer Wandersmann

37. Die Unruh kombt von dir.

Nichts ist das dich bewegt / du selber bist das Rad /
Das auß sich selbsten laufft / und keine Ruhe hat.



60. Leib / Seele / und Gottheit.

Die Seel ist ein Kristall / die GOttheit ist ihr schein:
Der Leib / in dem du Lebst / ist ihrer beider schreyn.



61. Jn dir muß GOtt gebohren werden.

Wird Christus tausendmahl zu Bethlehem gebohrn /
Und nicht in dir; du bleibst noch Ewiglich verlohrn.


82. Der Himmel ist in dir.

Halt an wo lauffstu hin / der Himmel ist in dir:
Suchstu GOtt anders wo / du fehlst Jhn für und für.


115. Du selbst must Sonne seyn.

Jch selbst muß Sonne seyn / ich muß mit meinen Strahlen
Das farbenlose Meer der gantzen GOttheit mahlen.


30. Zufall und Wesen.

Mensch werde wesentlich: denn wann die Welt vergeht /
So fällt der Zufall weg / das wesen das besteht.
Novalis, 3. Hymne an die Nacht

Einst da ich bittre Tränen vergoß, da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am dürren Hügel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg - einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsäglicher Angst getrieben - kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. - Wie ich da nach Hülfe umherschaute, vorwärts nicht konnte und rückwärts nicht, und am fliehenden, verlöschten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: - da kam aus blauen Fernen - von den Höhen meiner alten Seligkeit ein Dämmerungsschauer - und mit einem Male riß das Band der Geburt - des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr - zusammen floß die Wehmut in eine neue, unergründliche Welt - du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst über mich - die Gegend hob sich sacht empor; über der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Hügel - durch die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geliebten. In ihren Augen ruhte die Ewigkeit - ich faßte ihre Hände, und die Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band. Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie Ungewitter. An ihrem Halse weint ich dem neuen Leben entzückende Tränen. - Es war der erste, einzige Traum - und erst seitdem fühl ich ewigen, unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht und sein Licht, die Geliebte.

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Mariamante
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Re: Mystiker

Beitrag von Mariamante »

Vollkommen einmalig bei jedem Wurf ins menschliche Leben. Für mich sind ebenfalls bedeutende Mystiker Autoren wie Angelus Silesius und Novalis.
Angelus Silesius (Johannes Scheffler) ist mir bekannt- seine prägnanten Aussprüche sind aussagekräftig. Was die Einmaligkeit jeder Seele ausmacht habe ich bei der Konvertitin Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit folgende Eingebung Jesu gelesen:

Jede Seele hat ihre eigenen Schönheit- verherrlicht Ihn auf ihre eigene Art. Wenn man das begreift, dann vergehen die Eifersüchteleien. Jede Seele hat ihre eigene, einzigartige Sendung. Man muss ihr helfen, sie zu erfüllen und die ihr unbekannten Kräfte an Liebe und Großmut, die Gott in jeder Seele birgt, zu verwerten. Würdet ihr das verstehen, dann entstünde ein breiter Strom des gegenseitigen Zusammenarbeitens, um die Ankunft meines Reiches zu beschleunigen.
Ein mir sehr liebes Buch ist von Walter Nigg: Heimliche Weisheit - Mystisches Leben der evangelischen Christenheit, Diogenes, 405 S.
Die Bücher von Walter Nigg habe ich vor vielen Jahren mit Gewinn gelesen.


Vergelts Gott für die Zitate.
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Giosuè Carducci
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Re: Mystik

Beitrag von Giosuè Carducci »

Mariamante hat geschrieben:
Ist dir Bruder Laurentius oder Br. Lorenz bekannt?
Bisher nicht. Gibt es eine empfehlenswerte Buchausgabe? Der zitierte Text wirkt völlig authentisch. Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis!

Die Szene erinnert mich etwas an die Geschichte von Buddhas Erleuchtung. Nur ganz anders.

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Mariamante
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Re: Mystik

Beitrag von Mariamante »

Giosuè Carducci hat geschrieben:
Mariamante hat geschrieben:
Ist dir Bruder Laurentius oder Br. Lorenz bekannt?
Bisher nicht. Gibt es eine empfehlenswerte Buchausgabe? Der zitierte Text wirkt völlig authentisch. Vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis!

Die Szene erinnert mich etwas an die Geschichte von Buddhas Erleuchtung. Nur ganz anders.
Weiß nicht ob der Hinweis erlaubt ist. Aber an anderer Stelle zitierte ich ausführlicher aus einer Schrift des Karmeliterbruders, die ich vor einigen Jahren gelesen habe:

http://www.marienforum.de/thread.php?th ... r=0&page=1

Hier noch einige Buchangaben:
http://www.amazon.de/exec/obidos/search ... 04-2004555
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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

Dank dir! Werde morgen eine Br. Lorenz-Datei anlegen.
Freue mich darauf, das Buch in Händen zu halten.

Falls du dich auch mit Jüdischer Mystik beschäftigst: Die beeindruckendste Anthologie in Sachen Vollständigkeit und Sprachkraft der Übersetzung jüdischer Mystik auf dem derzeitigen Buchmarkt in deutscher Sprache heißt: Das Herz der Kabbala - Jüdische Mystik aus zwei Jahrtausenden / herausgegeben von Daniel C. Matt / Mit einer Einführung von Gershom Scholem, O. W. Barth, 1996, 255 S.
Zuletzt geändert von Giosuè Carducci am Samstag 1. Juli 2006, 00:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Mariamante
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Beitrag von Mariamante »

Giosuè Carducci hat geschrieben:Dank dir! Werde morgen eine Br. Lorenz-Datei anlegen.
Freue mich darauf, das Buch in Händen zu halten.
Freut mich, wenn es zu Deiner Bereicherung beitragen kann. Die Einfachheit, Klarheit von Br. Laurentius ist faszinierend.
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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

Mariamante hat geschrieben:Die Einfachheit, Klarheit von Br. Laurentius ist faszinierend.
Schon dein erstes Zitat erweckt genau diesen Eindruck. :)

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Mariamante
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Beitrag von Mariamante »

Giosuè Carducci hat geschrieben:
Mariamante hat geschrieben:Die Einfachheit, Klarheit von Br. Laurentius ist faszinierend.
Schon dein erstes Zitat erweckt genau diesen Eindruck. :)
Auch diese einfachen Worte find´ich faszinierend:

Ich bin in meinen alltäglichen Beschäftigungen mehr mit Gott vereinigt, als wenn ich mich aus der Arbeit zu besonderen Stunden des Gebetes zurückziehe, von denen ich gewöhnlich mit größerer Trockenheit des Geistes zurückkehre.
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Beitrag von ad_hoc »

@Giosuè Carducci
Falls du dich auch mit Jüdischer Mystik beschäftigst: Die beeindruckendste Anthologie in Sachen Vollständigkeit und Sprachkraft der Übersetzung jüdischer Mystik auf dem derzeitigen Buchmarkt in deutscher Sprache heißt: Das Herz der Kabbala - Jüdische Mystik aus zwei Jahrtausenden / herausgegeben von Daniel C. Matt / Mit einer Einführung von Gershom Scholem, O. W. Barth, 1996, 255 S.
Stellen Sie doch bitte einmal ganz kurz etwas über die Kabbala ein, zweckmäßigkeitshalber in einem eigenen Thread. Was erkennen Sie in der Kabbala? Sehen Sie unterschiedliche Entwicklungen in den vergangenen 2000 Jahren oder eine kontinuierliche Entwicklung? Inwiefern hat die Kabbala Einfluß auf Ihre persönliche Entwicklung?

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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

ad_hoc hat geschrieben:
Stellen Sie doch bitte einmal ganz kurz etwas über die Kabbala ein, zweckmäßigkeitshalber in einem eigenen Thread. Was erkennen Sie in der Kabbala? Sehen Sie unterschiedliche Entwicklungen in den vergangenen 2000 Jahren oder eine kontinuierliche Entwicklung? Inwiefern hat die Kabbala Einfluß auf Ihre persönliche Entwicklung?

ad_hoc
Ungern. Denn das ist, wie Grass einmal schrieb, Ein weites Feld. ;) Als optimale Einführung in die vielfältigen Strömungen jüdischer Kabbala empfehle ich: Perle Besserman: Der versteckte Garten - Die Kabbala als Quelle spiritueller Unterweisung, Spirit Fischer, tb, 186 S.

Im Judentum ist das Studium der Kabbala ab einem gewissen Mindestalter für Fromme eine ganz normale Angelegenheit.

Während des Theologiestudiums, als ich mich eine Zeitlang schwerpunktmäßig mit Paulus Leben und Werk auseinandersetzte, konnte ich durch Teilnahme bei einer überwiegend jüdischen Kabbalastudiengruppe seine in 2. Kor 12 beschriebene Entrückung besser verstehen, als mir ein Zusammenhang mit Merkava-Mystik auffiel ( http://de.wikipedia.org/wiki/Merkaba ). Zum besseren Verständnis sollte man erwähnen, dass bei Paulus gewiss keine solche vorliegt!

In jüdischer Kabbala sehe ich ein beeindruckendes Streben nach Heiligkeit.

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Beitrag von ad_hoc »

@Giosuè Carducci

Wir kommen trotzdem der Sache schon etwas näher.
Sie haben geschrieben:
Im Judentum ist das Studium der Kabbala ab einem gewissen Mindestalter für Fromme eine ganz normale Angelegenheit.
Welche Juden (das ist mir sehr wichtig) sind gemeint und welche Art der Kabbala studieren diese denn?

Sie haben weiterhin geschrieben:
In jüdischer Kabbala sehe ich ein beeindruckendes Streben nach Heiligkeit.
Auch bei den Juden selbst gibt es hier unterschiedliche Strömungen. Welche ist von Ihnen angesprochen?

ad_hoc.
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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

ad_hoc hat geschrieben:@Giosuè Carducci

Wir kommen trotzdem der Sache schon etwas näher.
Sie haben geschrieben:
Im Judentum ist das Studium der Kabbala ab einem gewissen Mindestalter für Fromme eine ganz normale Angelegenheit.
1. Welche Juden (das ist mir sehr wichtig) sind gemeint und welche Art der Kabbala studieren diese denn?

Sie haben weiterhin geschrieben:
In jüdischer Kabbala sehe ich ein beeindruckendes Streben nach Heiligkeit.
2. Auch bei den Juden selbst gibt es hier unterschiedliche Strömungen. Welche ist von Ihnen angesprochen?

ad_hoc.
1) Bitte besorgen Sie sich den empfohlenen Band von Perle Besserman.
2) Dieses Streben fand ich in allen jüdischen Strömungen. Nicht nur unter jüdischen Kabbalisten. Dass es gerade dort sogar für meine Gojimaugen stärker aufleuchtet, erklärt sich aus der generellen Funktion der Mystik, die darin besteht, Gott zu erfahren.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Bleiben wir vorerst noch bei der jüdischen Kabbala. Gibt es dort etwas, womit sie nicht einverstanden sein können? Eigentlich ist dies ja ausgeschlossen, da Sie in allen jüdischen Strömungen dieses Streben (mystische Gotteserfahrung?) erkannt haben. Was ist denn das Faszinierende daran, daß sogar Ihre Gojimaugen aufleuchten? Die Quntessenz würde mir schon genügen.

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Beitrag von Giosuè Carducci »

ad_hoc hat geschrieben:Bleiben wir vorerst noch bei der jüdischen Kabbala. Gibt es dort etwas, womit sie nicht einverstanden sein können? Eigentlich ist dies ja ausgeschlossen, da Sie in allen jüdischen Strömungen dieses Streben (mystische Gotteserfahrung?) erkannt haben. Was ist denn das Faszinierende daran, daß sogar Ihre Gojimaugen aufleuchten? Die Quntessenz würde mir schon genügen.

ad_hoc
Eigentlich ist dies ja ausgeschlossen, da Sie in allen jüdischen Strömungen dieses Streben nach Heiligkeit erkannt haben.

Was ist denn das Faszinierende daran, daß sogar Ihre Gojimaugen aufleuchten?

Die Epiphanie des Heiligen zeigt sich mir deutlich im Synagogengottesdienst. Dies mag mit den im Vergleich zu christlichen Konfessionen relativ zahlreichen symbolischen Bräuchen und Festen zusammenhängen. Sicher auch mit der deutlich älteren jüdischen Tradition. Der jüdische und christliche Gott offenbart sich auf viele unterschiedliche Weisen als besonders reine Epiphanie des Heiligen. Ich weiß nicht, ob Sie die heilige Schrift im Griechischen, Lateinischen oder Hebräischen kennen. Je näher man sich dem Urtext des Hebräischen annähert, umso vollständiger man den Sinn des Gemeinten erfasst, desto heller und klarer leuchtet der Geist Gottes. Eine große Hilfe für ein tieferes Verständnis des NT.

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Beitrag von ad_hoc »

@Giosuè Carducci

Ich sehe schon, Sie antworten mir nicht mit Fakten und Begründungen, sondern Sie beschreiben mir Ihre Empfindungen:
Die Epiphanie des Heiligen zeigt sich mir deutlich im Synagogengottesdienst.
Und auch:
Je näher man sich dem Urtext des Hebräischen annähert, umso vollständiger man den Sinn des Gemeinten erfasst, desto heller und klarer leuchtet der Geist Gottes. Eine große Hilfe für ein tieferes Verständnis des NT.
Sie nehmen als Maßstab Ihrer Gotteserkenntnis das Alte Testament. Hat dieses AT insofern auch eine höhere Wertigkeit für Sie? Wo drückt sich den die Gotteserkenntnis für Sie deutlicher aus: im AT oder im NT? Unterscheiden sie zwischen dem alttestamentlichen Gott und dem neutestamentlichen Gott?

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Beitrag von Giosuè Carducci »

ad_hoc hat geschrieben:@Giosuè Carducci

Ich sehe schon, Sie antworten mir nicht mit Fakten und Begründungen, sondern Sie beschreiben mir Ihre Empfindungen:
Die Epiphanie des Heiligen zeigt sich mir deutlich im Synagogengottesdienst.
Und auch:
Je näher man sich dem Urtext des Hebräischen annähert, umso vollständiger man den Sinn des Gemeinten erfasst, desto heller und klarer leuchtet der Geist Gottes. Eine große Hilfe für ein tieferes Verständnis des NT.
Würden Sie auf die Frage, was Sie an Ihrer Frau anzieht, Gefühle oder Äußerlichkeiten beschreiben?
ad_hoc hat geschrieben:
Hat dieses AT insofern auch eine höhere Wertigkeit für Sie?

ad_hoc
Nein.
ad_hoc hat geschrieben:
Unterscheiden sie zwischen dem alttestamentlichen Gott und dem neutestamentlichen Gott?

ad_hoc
Nein.

Das Bindeglied ist bekanntlich Jesus. Für ihn wäre Ihre Frage absolut lächerlich gewesen.

Sie fragten nicht, ob welche meiner Meinung nach bestehen.

Nachösterlich ergaben sich langfristig dogmatische Unterschiede. Man könnte mit der Beantwortung dieser Frage Monate, oder ein Leben verbringen. Verstehe, was Dogmatiker daran fesselt.

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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

ad_hoc hat geschrieben: Wo drückt sich denn die Gotteserkenntnis für Sie deutlicher aus: im AT oder im NT?
Der Vorgang der Gotteserkenntnis wird im AT durch seine Prophetenbücher und aus Prophetenschulen stammenden Texten wesentlich sinnfälliger beschrieben als im NT, das bis auf die Offb diese Textgattungen nicht kennt.
Die Weisheit belehrt ihre Söhne, / sie mahnt eindringlich alle, die auf sie achten. Wer sie liebt, liebt das Leben, / wer sie sucht, wird Gott gefallen. Wer sie ergreift, findet Ehre beim Herrn / und wird unter Gottes Segen leben. Der Dienst an ihr ist Dienst am Heiligtum; / wer sie liebt, den liebt der Herr. Wer auf mich hört, wird gerecht richten, / wer mir zuhört, wohnt in meinen innersten Kammern. Hat er Vertrauen zu mir, wird er mich erlangen, / auch seine Nachkommen werden mich besitzen. Denn unerkannt gehe ich mit ihm / und prüfe ihn durch Versuchungen. Furcht und Bangen lasse ich über ihn kommen, / bis sein Herz von mir erfüllt ist.
Dann wende ich mich ihm zu, / zeige ihm den geraden Weg und enthülle ihm meine Geheimnisse.
Sir 4, 11-18

Glücklich der Mensch, der Weisheit gefunden hat, der Mensch, der Verständnis erlangt! Denn ihr Erwerb ist besser als Silber und [wertvoller] als Gold ihr Gewinn. Kostbarer ist sie als Korallen, und alle deine Kleinode kommen an Wert ihr nicht gleich. Länge des Lebens [ist] in ihrer Rechten, in ihrer Linken Reichtum und Ehre. Ihre Wege sind freundliche Wege, und alle ihre Pfade sind Frieden. Ein Baum des Lebens ist sie für [alle], die sie ergreifen, und wer an ihr festhält, ist glücklich zu preisen. Der HERR hat durch Weisheit die Erde gegründet, die Himmel befestigt durch Einsicht. Durch seine Erkenntnis brachen die Fluten hervor, die Wolken triefen von Tau. Mein Sohn, laß sie nicht weichen aus deinen Augen, bewahre Umsicht und Besonnenheit! So werden sie Leben sein für deine Seele und Anmut für deinen Hals. Dann gehst du sicher deinen Weg, dein Fuß stößt nirgends an. Wenn du dich hinlegst, wirst du nicht aufschrecken, und liegst du, erquickt [dich] dein Schlaf.
Sprüche 3, 13-24

Hier konnte ich Erfahrungen deutlicher wiedererkennen als in der lyrischen Utopie des Hohenlieds der Liebe oder in den gewaltigen rhythmischen Bilderfolgen des Johannes von Patmos. Zweifellos ist auch das NT eine Fundgrube heiliger Texte. Hilfestellungen der Berufung bietet das AT.

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Margret
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Beitrag von Margret »

Das "Vaterunser" ist eine Vorlage dafür, wie wir beten sollen. Das heißt nicht, dass wir es immer und immer wieder hersagen sollten/müssten.
"Darum sollt ihr so beten", auf diese Weise, in dieser Art oder Form,
nicht erst zuerst an sich selbst denken, sondern zuerst den Vater verherrlichen, damit Sein Wille geschehe, dann erst für sich selbst bitten - für Leib und Seele.
Bevor Jesus das Vaterunser lehrt, mahnt er seine Jünger, dass sie beim Beten nicht viel plappern sollen wie die Heiden.
Deshalb verstehe ich manche Leute nicht, die meinen, sie müssten das Vaterunser 10 Mal und mehr hintereinander aufsagen.

Jetzt wäre es ganz nett, Mr. overkott, wenn Du mir erläutertest, was Du unter "Vereinigung" verstehst? Und das "Vaterunser" als Gebet dazu? TmL, versteh ich nicht so ganz.

Gruß
Margret

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overkott
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Beitrag von overkott »

Beten unterscheidet sich von Plappern durch die Liebe. Mit Liebe zu Gott und den Nächsten kann man das Vaterunser auch 100 Mal hintereinander sinnvoll aufsagen. Vereinigung meint einreihen in die Gemeinschaft.

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Margret
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Beitrag von Margret »

overkott hat geschrieben:Beten unterscheidet sich von Plappern durch die Liebe. Mit Liebe zu Gott und den Nächsten kann man das Vaterunser auch 100 Mal hintereinander sinnvoll aufsagen. Vereinigung meint einreihen in die Gemeinschaft.
Wenn ich mir vorstelle, :hmm: , meine Kinder sagen aus lauter Liebe zu mir 100mal ein- und dasselbe Gedicht auf ... :hmm: das bringt mich ja doch schon zum Nachdenken.

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incarnata
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Beitrag von incarnata »

Als Mystiker würde ich alle die Menschen bezeichnen,die irgendwann einmal
in ihrem Leben von der Erfahrung der Gottesliebe überwältigt und beschenkt
wurden und sich bemühen,das dabei entzündete Feuer im Herzen konsequent
in den Alltag zu tragen,selbst wenn das Glücksgefühl für sie persönlich mittler-
weile nicht mehr besteht,mit klarem Verstand auch in den Wüsten des Unverständnisses der Umgebung wie der eigenen Zweifel.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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overkott
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Sextum, Mystik und Visionen

Beitrag von overkott »

Dass dem Vatikan Medjugorje nicht ganz keusch erscheint, verwundert nicht.

Sicher ist das auch ein Wink nach Kolumbien.

Die Kirche braucht eine Sakramentenmystik, deren Sinn darin liegt, das geistliche Leben zu ordnen und zu erneuern.

Schon der hl. Augustinus kannte den schmalen Grat zwischen Heiligkeit und Häresie, wie er insbesondere in seiner Sprachphilosophie über den lateinischen Wortgebrauch für Liebe dargelegt hat:

Wir können keinen Unterschied erkennen, wenn uns der Geist der Unterscheidung nicht gegeben ist.

So hat Josef Kardinal Höffner Eros und Agape als Werthaltung ehegestaltende Kraft zugesprochen.

Für uns Christen ist der Eros nicht schlecht in sich, aber er wird erst im Mysterium der Ehe geordnet und geheiligt.

Gleichwohl ist die Ehe keine Weihe, die der priesterliche Mensch erst als Ganzhingabe an Gott erfährt.

Was aber dem Gebot und Sakrament nicht entspricht, kann von der Kirche als Mystik und Vision nicht gutgeheißen werden.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die bedeutenste Vision für uns Christen ist die Bibel.

Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

overkott hat geschrieben:Die bedeutenste Vision für uns Christen ist die Bibel.
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Warum?

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