„Dokument an die Bischöfe in aller Welt gesandt: Es geht um Formen des Zusammenlebens, Paare ohne Trauschein, gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Die Kirche stellt sich Fragen zu den großen Veränderungen, die das Aussehen der Familie verändert haben.“
Sind sich zum zweiten Mal verheiratete Christen »ihrer irregulären Lage« bewusst?
»Fühlen sie sich an den Rand gestellt und erleben sie die Unmöglichkeit des Empfangs Sakramente als leidvolle Situation?«
Das ist eine der 38 Fragen aus dem Fragebogen, der als Anhang dem kurzen Vorbereitungsdokument für die von Papst Franziskus für Oktober 2014 einberufene außerordentliche Bischofssynode über die Familie beiliegt.
Hier einige übersetzte Passagen:
Andrea Tornielli hat geschrieben: Das Papst möchte die Ortskirchen befragen, um den »Herausforderungen der Familienpastoral« begegnen zu können. In Großbritannien haben die Bischöfe bereits entschieden, den Fragebogen in den Pfarrgemeinden diskutieren zu lassen, und laden alle ein, Vorschläge und Anregungen einzubringen. Schon in den ersten Zeilen wird schwarz auf weiß die neue Vorgehensweise dargelegt, mit der die Arbeit der Synode effizienter und partizipativer gemacht werden soll.
Die erste Etappe wird die außerordentliche Versammlung im Oktober 2014 sein, deren Aufgabe es ist »eine präzisere Bestandsaufnahme vorzunehmen und die Zeugnisse und Vorschläge der Bischöfe zu sammeln.«
Als zweiter Schritt folgt die ordentliche Synode 2015, die »Leitlinien für das pastorale Handeln am Menschen in der Familie suchen« soll.
Das Dokument, das den Bischöfen in aller Welt in diesen Tagen zugegangen ist, beschreibt offen die »unerhörten Problematiken«, die sich in den letzten Jahren verschärft gezeigt haben: immer stärkere Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, »die keine Ehe eingehen und den Gedanken an eine Heirat manchmal sogar ausdrücklich zurückweisen«; Partnerschaften zwischen Personen des gleichen Geschlechts, »denen bisweilen die Adoption von Kindern gestattet wird«; interreligiös gemischte Ehen; Familien mit allein erziehenden Elternteilen; »Ausdrucksformen eines kirchenfeindlichen Feminismus«; die Ausbreitung des Phänomens der Leihmutterschaft. Vor allem aber sei »im eigentlichen kirchlichen Raum eine Schwächung oder das Abhandenkommen des Glaubens« an das Sakrament der Ehe und an die »therapeutische Kraft« der Beichte zu verzeichnen.
Es sei daher »dringend vonnöten«, dass das Weltepiskopat seine Aufmerksamkeit auf diese Probleme richte. »Denkt man zum Beispiel allein an die Tatsache«, so lautet ein wichtiger Absatz, »dass im gegenwärtigen Kontext viele aus irregulären Ehen geborene Kinder und Jugendliche ihre Eltern niemals beim Empfang der Sakramente erleben, so versteht man die Dringlichkeit der Herausforderungen, denen sich die Evangelisierung in der aktuellen Situation gegenüber sieht (...). Diese Realität findet ihr passgenaues Gegenstück in der breiten Aufnahme, auf die in unseren Tagen die Lehre von der göttlichen Barmherzigkeit und die Weisung zur zärtlich mitfühlenden Sorge für innerlich und äußerlich verletzte Menschen erfährt: Die Erwartungen, die sich daraus für die pastoralen Wege im Blick auf die Familie ergeben, sind außergewöhnlich weitreichend.« Damit spricht das Dokument, das eindeutig die Handschrift des Papstes trägt, von großen Erwartungen, die in eine erneuerte Pastoral gegenüber den »verletzten Menschen« gesetzt werden. Es werden weder Türen geschlossen, noch beschränkt man sich auf die einfache Auflistung der bereits bekannten doktrinären Positionen.
Einige Fragen beziehen sich auf das so genannte »Naturrecht«.Andrea Tornielli hat geschrieben: Im zweiten Teil des Dokuments werden auf drei Seiten die biblischen und lehramtlichen Grundlagen zum Thema Ehe und Familie zusammengefasst. Schließlich werden 38 Fragen aufgelistet. Darin wird um Auskünfte über die Verbreitung und Aufnahme der Lehre der Kirche zu dieser Materie gebeten; man fragt, auf welche Schwierigkeiten ihre Umsetzung in der Praxis stößt und ob diese Lehre auf allen Ebenen Eingang in die pastoralen Planungen und Programme findet. Ebenso wird um Auskunft gebeten, welche Punkte außerhalb des kirchlichen Milieus am stärksten angegriffen oder zurückgewiesen werden.
Zur Frage der Homoehe:Andrea Tornielli hat geschrieben:Die Synode will wissen, ob beispielsweise »nicht praktizierende oder sich als nichtgläubig bezeichnende Getaufte die kirchliche Eheschließung verlangen« und wie »die pastoralen Herausforderungen bewältigt werden, die sich daraus ergeben.« Anschließend wird auf Fragen der Familienpastoral und der Begleitung von Paaren in Krisensituationen eingegangen. In Bezug auf »schwierige Situationen des Ehelebens«, mit denen sich zahlenmäßig die meisten Fragen beschäftigen, wird etwa gefragt, wie stark das nichteheliche Zusammenleben von Paaren verbreitet ist, ob es freie Partnerschaften gibt, oder wie relevant die Problematik getrennt lebender und geschiedener Partner ist, die neue Verbindungen eingehen: »Auf welche Weise wird diese Wirklichkeit in dazu geeigneten pastoralen Programmen angegangen?«
Und weiter: »Wie erleben die Getauften ihre regelwidrige Lage? Sind sie sich ihrer bewusst? Zeigen sie sich schlicht indifferent? Fühlen sie sich an den Rand gestellt und erleben sie die Unmöglichkeit des Empfangs Sakramente als leidvolle Situation?«
Außerdem: »Welche Anfragen richten wieder verheiratete Geschiedene bezüglich der Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung an die Kirche? Wie viele der Personen, die sich in einer solchen Lage befinden, erbitten den Empfang dieser Sakramente?«
Besonders wichtig ist die Frage zur Ehenichtigkeit: »Könnte eine Beschleunigung des kanonischen Verfahrens zur anerkannten Feststellung der Nichtigkeit des Ehebandes einen wirklich positiven Beitrag zur Lösung der Problematik bieten, in der sich die Betroffenen befinden? Und wenn ja, wie ist das zu erreichen?«
Dieser Weg, nämlich die Beschleunigung von Annullierungsverfahren, war zuvor bereits von Benedikt XVI. und später auch von Franziskus selbst in dem Interview angesprochen worden, das er der Presse auf seinem Rückflug von Rio de Janeiro gab. Bei dieser Gelegenheit hatte der Papst auch die in den orthodoxen Kirchen geltende Praxis erwähnt. Dort können Zweitehen in einigen Fällen nach einem Weg der Buße gesegnet werden.
»Gibt es eine pastorale Lösung, um solchen Fällen zu begegnen? Wie wird den getrennt lebenden und geschiedenen Personen, die erneut geheiratet haben, die Barmherzigkeit Gottes verkündet, und wie wird die Unterstützung ihres Glaubensweges durch die Kirche konkret umgesetzt?«
Humanae vitae und der Ausblick:Andrea Tornielli hat geschrieben: Der Fragebogen befasst sich auch mit Partnerschaften zwischen Menschen des gleichen Geschlechts. »Welche pastorale Betreuung ist gegenüber jenen Personen möglich, die sich entschieden haben, in derartigen Verbindungen zu leben?« Und dann: »Welche pastorale Vorgehensweise ist im Falle der Partnerschaften zwischen Menschen des gleichen Geschlechts, die Kinder adoptiert haben, im Hinblick auf die Weitergabe des Glaubens zu wählen?«
Tornielli berichtet, zuletzt werde nach möglichen zusätzlichen Themen und Vorschlägen gefragt, die im Zusammenhang mit diesen als dringlich bezeichneten Herausforderungen stehen und von den Empfängern eingebracht werden sollen, falls sie in dem Fragebogen nicht angesprochen wurden.Andrea Tornielli hat geschrieben: Schließlich wird auch auf Fragen zur Lehre der Enzyklika »Humanae vitae« von Paul VI. und zur Empfängnisverhütung eingegangen. So wird etwa gefragt, ob die Lehre von Papst Montini bekannt ist und akzeptiert wird.
Und: »Wie kann eine gegenüber der Entstehung des Lebens offenere Mentalität gefördert werden?«
Insgesamt lasse sich ein umfassender und partizipativer Ansatz erkennen. Es zeige sich der klare Wille, Antworten zu finden „angesichts des stummen Schismas immer zahlreicherer Getaufter, die von den Sakramenten ausgeschlossen sind, weil sie mit einem Partner unverheiratet zusammenleben oder als Geschiedene noch einmal geheiratet haben.“