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Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Donnerstag 1. Juli 2004, 23:59
von Ralf
Hallo.
Ich möchte mal das Thema Disziplin ansprechen. Damit meine ich jetzt bewusst nicht die bezüglich der Einhaltung irgendwelcher CIC-Regelungen, sondern die bezüglich des Glaubenslebens.
Ich habe den Eindruck, dass die Disziplin nicht nur mehr oder weniger verschwindet, sondern auch ihr Wert nicht mehr geschätzt wird. natürlich darf sie nicht als Mittel angesehen werden, sich den Himmel zu verdienen, aber sie kann und darf doch durchaus ein Ausdruck der bereits zutiefst geglaubten Erlösung durch Christus gesehen werden, oder?
Warum hat Disziplin so einen schlechten Ruf? Und damit meine ich bspw. das körperliche Fasten, die Regelmäßigkeit des Gebetes (besonders auch des Stundengebetes bei Orden, Nachtwachen sind bspw. quasi abgeschafft). Ich selbst bin ja auch ein Kind dieser Zeit und somit sehr skeptisch gegenüber jeglicher Art von Disziplin aufgewachsen.
Dennoch: hätten mich meine Eltern nicht getriezt, jeden Tag meine Musikinstrumente zu üben, wäre jetzt nichts damit. Das ändert doch nichts am Geschenk Gottes, dass ich das kann!
Übrigens fand ich das alles andere als toll damals, nicht sofort draußen spielen zu können....
Oder habe ich eine komplett falsche Wahrnehmung? Wenn ich aber westliche Ordensleute mit denen der Orthodoxie vergleiche....
Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 00:09
von Edith
Ralf hat geschrieben:Hallo.
Warum hat Disziplin so einen schlechten Ruf? ....
Oder habe ich eine komplett falsche Wahrnehmung? ....
Tja,... warum? Kann es sein, daß wir uns generell gaaanz ungern was vorschreiben lassen ("ich glaube nur, was ich sehe/weiß/erfahren habe"?)
[ironie on]
Straßenverkehr und Disziplin? Geschwindigkeitsbeschränkung?
Ha!
Glaube? Da kann ich ja wohl glauben was ich will.
Soll Gott sich gefälligst nach mir richten. [/ironie off]
Disziplin
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 08:04
von Mariamante
Interessante Frage. Also ich glaube dass der Mensch (wohl auch durch die Erbsünde) "von Jugend auf zum Bösen" neigt, wie es die hl.Schrift andeutet. Es scheint, als falle es dem Menschen auf Grund seiner verwundeten Natur leichter das Böse zu tun. Zu einem Schabernack z.B. sind manche gerne bereit- aber für eine gute Tat (wo es etwas Mühe braucht) findet man nicht so schnell Freunde. .
Ich glaube dass Disziplin und Ordnung etwas Mühe und
Selbstüberwindung fordert- und dass das mit ein Grund ist, warum manche das nicht so gerne tun. Es gibt noch viele andere Gründe. Aber ich wollte mal das ansprechen.
Wenn die hl.Schrift sagt, dass Gott ein Gott der Ordnung ist "der alles nach Maß und Zahl" geordnet hat, dann ist eine lebendige Form der Ordnung und der Disziplin gewiß ein Weg, Gott zu erfahren. Aber Disziplin darf nicht in Prinzipienreiterei, Legistik erstarren sonst ist die Gefahr des Pharisäismus groß.
Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 09:16
von max72
Edith hat geschrieben:
Tja,... warum? Kann es sein, daß wir uns generell gaaanz ungern was vorschreiben lassen ("ich glaube nur, was ich sehe/weiß/erfahren habe"?)
Ich denke auch da liegt das Problem. Jemanden zu sagen, was er zu tun habe, das wird gleich als intolerant verschrien; alles ist gut und erlaubt.
Es ist aber auch Hochmut und Stolz unserer Zeit, die Menschen machen eine kleine Erkenntnis und meinen jetzt wuerden sie alles verstehen. Etwas Bescheidenheit, also die Einsicht wie wenig wir eigentlich wissen, waere da schon nuetzlich...
Gruss
Max
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 09:34
von Biggi
Also für mich persönlich liegt das größte Problem mit der Disziplin darin, dass ich das nicht einhalte, was ich eigentlich richtig und gut finde, was eigentlich sinnvoll wäre, was ich eigentlich will - aber eben nicht wirklich und ernsthaft will. - Wobei diese Schwierigkeiten natürlich graduell sehr schwanken und in hohem Maße von körperlicher/geistiger/geistlicher "Fitness" beeinflusst werden.
Und ich denke, dass das bei mir und anderen
1.) der entscheidende Grund dafür ist, dass die Entwicklung im Glaubensleben recht langsam oder gar nicht voran geht,
2.) ursächlich irgendwas mit der Erbsünde zu tun hat,
3.) Disziplin - wie Ralf schon schrieb - in der Tat seit langem (vielleicht als Reaktion auf übertriebene Disziplinforderungen in früheren Generationen) einen miserablen Ruf hat und im Wertehorizont unserer Gesellschaft sehr weit unten rangiert.
LG
Biggi
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 09:34
von cathol01
Vielleicht ist es interessant, sich darauf zu besinnen, dass im Wort 'Disziplin' das lateinische 'discipulus' (Schüler) versteckt. Jemand, der diszipliniert ist, ist also nicht jemand, der sich starr an irgendwelche irgendwann einmal festgelegten Regeln hält, sondern jemand, der bereit ist, ständig zu lernen, der Veränderungen sucht und will.
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 10:16
von max72
cathol01 hat geschrieben:Vielleicht ist es interessant, sich darauf zu besinnen, dass im Wort 'Disziplin' das lateinische 'discipulus' (Schüler) versteckt. Jemand, der diszipliniert ist, ist also nicht jemand, der sich starr an irgendwelche irgendwann einmal festgelegten Regeln hält, sondern jemand, der bereit ist, ständig zu lernen, der Veränderungen sucht und will.
Wenn ich an Schueler denke, dann an einen, der eben seinem Lehrer vertraut. Und eben auch einen der bereit ist etwas zu tun selbst wenn er es noch nicht ganz versteht.
Interessant ist ja dass Schueler heute eher wenig Disziplin haben (was heisst, die machen was sie wollen....)
Gruss
Max
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 10:19
von Edith
max72 hat geschrieben:
Wenn ich an Schueler denke, dann an einen, der eben seinem Lehrer vertraut.
Wenn ich an Schüler denke..... wird mir schlagartig klar, warum das mit der discip-lin nicht funktioniert!

Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 12:57
von Marlene
Ralf hat geschrieben:Ich möchte mal das Thema Disziplin ansprechen. Damit meine ich jetzt bewusst nicht die bezüglich der Einhaltung irgendwelcher CIC-Regelungen, sondern die bezüglich des Glaubenslebens.
Gebetsdisziplin?
Meine Erfahrung ist die, dass ich ziemlich aus dem Ruder gerate, wenn ich da eine bestimmte Grunddisziplin nicht einhalte - und mich dann am freiesten fühle, wenn ich mich zur Disziplin gezwungen habe ... (hinterher natürlich)
In "meinem" Kloster wird den Besuchern das Stundengebet meist mit den Worten erklärt, dass man sich mehrmals am Tag zum Gebet begibt, um seinen Tag immer wieder von Gott "durchkreuzen" zu lassen .. ich finde das ein passendes Bild.
Es geht ja beim Gebet nicht darum, in gute Stimmung zu kommen, sondern darum, sich immer wieder bewusst vor Gott zu stellen. Und sich bewusst zu machen, wer in meinem Leben wirklich das Sagen hat.
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 13:01
von Edith
Disziplin ist das Geländer, das verhindert, daß ich stürze.
Edith's gesammelte Lyrik, Band 8
Disziplin
Verfasst: Freitag 2. Juli 2004, 13:16
von Mariamante
Zur Gebetsdisziplin ein Wort:
Wenn ich mir eine bestimmte Zeit für intensives Gebet reserviere (natürlich soll ja das ganze Leben Gebet = (gebet- euch- Gott hin) werden)
dann stellt sich alles darauf ein: Geist- Seele- Leib werden durch diese Ordnung gleichsam auf Gott ausgerichtet- eine Art Rhythmus.
Die Kirche kennt diese Rhythmen einerseits durch die festlichen Zeiten im Kirchenjahr (Advent, Weihnachten,....) und anderseits auch durch die sogenannten Stundengebete. Nach dem guten Wort vom Geländer könnte man Disziplin auch als Himmesleiter bezeichnen-es hilft einem stufenweise bergauf. Man darf jetzt sicher nicht auf der Leiter stehen bleiben und verharren - aber ohne die Leiter kommt man auch nicht weiter.
Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Sonntag 4. Juli 2004, 21:57
von Erich_D
Marlene hat geschrieben:In "meinem" Kloster ...
Welches wäre denn Deines?
Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Montag 5. Juli 2004, 17:29
von Marlene
Erich Dumfarth hat geschrieben:Marlene hat geschrieben:In "meinem" Kloster ...
Welches wäre denn Deines?
Entschuldigung, das ist vielleicht doch etwas verkürzt gesagt: "Mein" Kloster ist das Kloster, in dem ich Oblatin bin, also ein Benediktinerkloster.
Re: Disziplin im Glaubensleben
Verfasst: Montag 5. Juli 2004, 22:44
von Bernd Heinrich Stein
Ralf hat geschrieben:Hallo.
Ich möchte mal das Thema Disziplin ansprechen. Damit meine ich jetzt bewusst nicht die bezüglich der Einhaltung irgendwelcher CIC-Regelungen, sondern die bezüglich des Glaubenslebens.
Ist Disziplin nicht nur dann notwendig, wenn ich etwas nicht freiwillig und gern tue? Wenn ich aber nicht gern und freiwillig mit Gott spreche (bete), wieviel ist dann mein Gebet "wert"?
Wenn ich an mir (allzu oft) entdecke, dass ich meine Zwiesprache mit Gott "vergessen" habe, ist dies für mich ein Anlaß, meinen Glauben oder besser meinen verborgenen Zweifel zu überprüfen. Bloße Selbstdisziplin lehne ich für mich ebenso ab, als würde ich eine Gebetsmühle anstoßen, damit sie für mich etwas "herunter leiert".
Nicht selten ist die mit dem versäumten Gebet verbundene "Einsicht" in meinen noch vorhandenen Zweifel der Anlaß zu einem tiefen Gebet. Verbunden mit Reue und der Bitte um Vergebung.
Ich empfinde diese Vorgehensweise für mich als einen Weg, meinen Glauben zu vertiefen.
Bernd Heinrich