Spannendes Thema in unserer ach so säkularisierten Zeit
Habe dazu anlässlich einer Frage eines Katechumenen mal etwas nachgeforscht, um besser aussagefähig zu sein bezüglich "was ist betreffend Schutzengel feste und ständige kirchliche Lehre und Praxis, was ist zumindest theologisch akzeptabel wenngleich nicht Lehre, was ist Volksfrömmigkeit und was ist Aberglaube".
In der Kategorie "katholische Lehre und Praxis" findet sich dazu gar nicht besonders viel.
Die Existenz der Engel allgemein - unterbliche personale Geistwesen mit eigenem Willen - und unter ihnen insbesondere uns jeweils höchstpersönlich zugeordnete Schutzengel ist eindeutig Teil der ständigen Glaubenslehre und basiert schon auf der Heiligen Schrift und den Vätern, grundsätzlich also unfehlbar, wenngleich diese Lehre potenziell durch das Lehramt erweitert oder verändert - aber eben nicht eliminiert - werden könnte.
Aus kirchlicher Lehrtradition geht (nicht unfehlbar, aber zumindest bis auf Widerruf zu glauben) weiters hervor: Sie stehen, sofern sie nicht zu den "gefallenen Engeln" gehören, in der ständigen Präsenz Gottes, sind also seine ständigen Diener und Boten; die Aufgabe der Schutzengel ist es, uns vor Gefahren und Schaden "auf all unseren Wegen" zu bewahren. Das meint nach gängiger Auffassung sowohl das leibliche als auch das geistige Wohl, also nicht nur die unsterbliche Seele.
Die Verehrung der Schutzengel allgemein und insbesondere des eigenen Schutzengels sind gängige Praxis. Das Schutzengelfest ist zwar noch nicht sehr alt (lt. kathpedia für die Weltkirche seit 1670 vorgeschrieben), aber seit damals ebenso Teil der offiziellen Praxis der Kirche.
In der Kategorie "theologisch akzeptabel" gäbe es deutlich mehr als in der ersten. Hier würde ich u.a. Aussagen von Theologen einordnen, denen zufolge wir durch sündhaftes Verhalten unseren Schutzengel "vertreiben" oder sein Wirken für uns schwächen können.
Auf deine Frage bezogen möchte ich ergänzen: Ihre Aufgabe ist nicht, uns vor Leid zu beschützen; das wäre unlogisch, denn wir sind ja aufgerufen, unser Kreuz zu tragen und so Jesus ähnlich zu werden.
Thomas von Aquin hat einige Überlegungen dazu angestellt, zB wann der Schutzengel "zugeteilt" würde (Zeugung? Geburt? Taufe?); derartige Überlegungen sind vom Lehramt der Kirche weder bestätigt noch verurteilt oder anderweitig kommentiert worden.
Zur Volksfrömmigkeit zählt beispielsweise:
Ob die Schutzengel ihre Aufgabe nicht bloss durch ihre fürbittende Intervention bei Gott wahrnehmen, sondern auch durch beherztes Einschreiten in die sichtbare Welt, dazu konnte ich keine theologisch fundierten Aussagen finden. Die Volksfrömmigkeit sieht freilich durchaus auch letzteres als Teil des Wirkbereichs der Schutzengel an.
Ob Schutzengel sich als Wecker ("Lieber heiliger Schutzengel, bitte weck mich morgen um 7 Uhr auf") oder bei der Parkplatzsuche ("Lieber Schutzengel, bitte ich brauch in fünf Minuten einen Parkplatz vor dem Standesamt") und ähnlichen eher alltäglichen Aufgaben "einspannen" lassen und wirksam werden, dazu gibt es sehr kontroversielle Meinungen und Erfahrungen im Kirchenvolk. Vieles davon lässt sich wohl "zwischen Volksfrömmigkeit und Aberglaube" ansiedeln; wer in Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, Psychologie und diversen Naturwissenschaften bewandert ist, wird so manches, das dem wundersamen Wirken der Schutzengel zugeschrieben wird, eher als natürlich erklärbar betrachten. Hierzu hat wohl jeder seine eigenen Erfahrungen oder eben auch nicht.
Verworfen wird die gelegentlich anzutreffende Praxis, dem eigenen Schutzengel einen Namen zu geben. Das ist Anmaßung und kein passender Umgang mit den mächtigen Geistern.
Ebenfalls verworfen sind übertriebene Formen der Engelverehrung und darauf basierende Entgleisungen; in diesem Kontext strittig (aber in weiten Teilen mE definitiv nicht akzeptabel) sind die Privatoffenbarungen betreffend Engel von G. Bitterlich ("Engelwerk")
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Fun fact: Mehr Menschen glauben an die Existenz und Wirksamkeit von Schutzengeln als an Gott
