Trisagion hat geschrieben: ↑Freitag 2. Oktober 2020, 00:45
Lycobates hat geschrieben: ↑Donnerstag 1. Oktober 2020, 18:24
Wenn der Herr in Mt. 28,18-20 abschließend zu Petrus und den anderen Aposteln sagt, Er würde mit ihnen sein bis zum Ende der Zeit, erfolgt zwingend, da die Apostel ja nicht unsterblich sind, daß die ihnen verliehenen Gewalten und Vollmachten, sowohl die den Aposteln insgesamt verliehenen, als auch die Petrus im besonderen verliehenen, auf ihre jeweiligen (legitimen) Nachfolger übergehen sollten.
Soweit stimme ich zu. Nur wird dabei nicht klar, wie nun genau diese Nachfolge in Zukunft zu erfolgen hat. Und es ist auch nicht klar, welche Gewalten und Vollmachten über den regulären Apostelstand heraus nun genau in der Nachfolge des Petrus weitergegeben werden. Man kann hier aus der Tradition heraus argumentieren, aber erstens formiert sich diese Tradition recht langsam über die Jahrhunderte und zweitens kann es durchaus sein, daß sie letztlich nur eine mögliche Fassung der notwendigen Weitergabe der apostolischen Führung ist. [...]
Achtung!
Die Argumentation aus der Tradition (der Geschichte) heraus ist zwingend.
Dann wird klar, welche Gewalten und Vollmachten über den regulären Apostelstand heraus weitergegeben werden und existieren. Historische Zeugnisse sind zwar nicht für alle Jahrhunderte in Fülle vorhanden, ja manchmal spärlich vorhanden (was bei der Quellenlage im allgemeinen auch normal ist), aber doch in genügender Weise vorhanden, um den Satz zum Jurisdiktionsprimat von 1870 zu stützen. Und was das wichtigste ist: nichts aus den historischen Quellen spricht dagegen. Ja: auch die Ablehnung, der man etwa im Orient hin und wieder immer wieder begegnet, spricht dafür, denn was nicht existiert oder nicht beansprucht wird, muß man nicht ablehnen.
Es könnte auch nicht anders sein, denn ein Dogma kann nur formuliert und verkündet werden, wenn sein Inhalt zur Gänze, d.h. zumindest dem Prinzip nach, in der Offenbarung, die mit dem Tode des letzten Apostels abgeschlossen wurde, enthalten ist. Wenn dem nicht so wäre, wäre die Verkündung von 1870 eine Temerität und eine Usurpation.
Es stimmt, daß, zwar nicht das
Prinzip, aber die
Art und Weise der Ausübung des Jurisdiktionsprimates sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat, größere oder kleinere Akzeptanz erfahren hat, je nach Temperament des Ausübenden, bzw. derer, die ihn über sich erfuhren, aber er hat sehr wohl immer existiert, so wie er letztendlich definiert wurde, wenn er auch bisweilen geschlummert hat. Man muß auch die Verkehrslage, und die Kommunikationsmittel, oder den Mangel daran, über Jahrhunderte berücksichtigen. Kein Vergleich mit dem "Twitter", der in Sekunden in aller Welt bekannt ist.
Die Akten des Vatikanums (1869-1870) enthalten die historischen Erörterungen, die im Vorfeld geführt wurden. Natürlich sind die Konzilsväter damals nicht über eine Nacht Eis gegangen, bei all den Widersprüchen, die es, zumal in Deutschland, auch schon damals gab.
Wir könnten jetzt, wenn wir Muße hätten, einen Gang durch die Geschichte antreten, und einiges dazu ausführen. Dazu fehlt mir die Zeit.
Ein Beispiel: der heilige Papst und Märtyrer Klemens I., des Apostelfürsten dritter Nachfolger in Rom, aus dem Hause der Flavier ("Klemens von Rom" wie die Modernen ihn gerne nennen), hat mit seinem (ersten) Brief an die Korinther, noch vor Ende des ersten Jahrhunderts, lehramtlich autoritativ und disziplinarisch in die Kirche Korinths eingegriffen, was in Korinth auch rezipiert und, wichtiger, akzeptiert wurde. (Das bezeugt noch etwa 80 Jahre später, um 170, Dionysos, damaliger Bischof von Korinth.)
Weit über den Bereich hinaus, der später als Patriarchat des Westens bezeichnet wurde, weit in den griechischen Raum hinein, ja: noch zu Lebzeiten des Apostels und Evangelisten Johannes, der als letztlebender Apostel den griechischen Raum dominierte. Das ist nur möglich gewesen aufgrund der Autorität des römischen Stuhles und seines Begründers, auf dem Klemens saß. Das ist eine, zumindest faktische und implizite, und unwidersprochen gebliebene Ausübung des Jurisdiktionsprimates der Kirche Roms, wenn auch der Begriff in seiner juristischen Präzision (auch das ist römisch) erst viel später geprägt wurde.