Gregorianische Messe?

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Lazzaro
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Lazzaro »

Hallo Paulah!
Ich habe die Suche einmal anders herum gestartet. Der Prophet Ezechiel wird mit Beginn des November in der Matutin gelesen. Es müßte sich entweder um eine Lesung des Samstag vor dem 2. Sonntag im November oder um den 2.Sonntag selbst handeln.
Im byzantinischen (=neojulianischen Misch-) Kalender bewegten wir uns in den letzten Jahren zu der Zeit etwa im 20.- 24. Sonntag nach Pfingsten.
Das heißt, der 26. Sonntag nach Ostern ist zwar bei einem extremen Ostertermin möglich, aber noch lange nicht bewiesen.

Entschuldige bitte, ich bin kein Fachmann und habe auch nichts studiert, aber:
Die Zeile
2. Et factus est feria IV l’ I (?)
würde ich als :
2. Et factus est feria VI l’ I, d.h. feria sexta, lectio i.
lesen
dementsprechend wären die Abschnitte davor 1. -3. Lesung des 5. Wochentages, also lese ich:
16. Cum fecero in te fr v l´i
ausgeschrieben also als 16. Cum fecero in te feria v. lectio i .
Aber ich kann da auch völlig falsch liegen!

Wenn das alles stimmt, sind wir klar in der 1. vollen Woche im November, dh Donnerstag und Freitag nach dem Sonntag nach Allerheiligen.
:achselzuck: :achselzuck: :achselzuck: Das Erklärt aber keinen 26. Sonntag zwischen Freitag und Samstag.

Lazzaro, é stato un piacere

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Protasius
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Protasius »

Ich habe mir nochmal die Scans angesehen; die Musiknotation auf der zweiten Seite der Datei ist die Magnificatantiphon des Samstags vor dem IV. Sonntag im November Qui coelorum contines thronos. Das Y direkt davor steht höchstwahrscheinlich nicht für Yesus, sondern für Hymnus, und das darauffolgende O lux gibt den Hymnus der Samstagsvesper im Jahreskreis an O lux beata trinitas, gefolgt vom Versikel Vespertina oratio ascendat ad te Domine. Die Oration Familiam tuam, quaesumus, Domine, die nach der Antiphon dieser ersten Sonntagsvesper angegeben ist, gehört zum nachgeholten V. Sonntag nach Erscheinung; das ist dann der 26. Sonntag nach Pfingsten, wenn wir die größtmögliche Anzahl von 28 Sonntagen nach Pfingsten haben.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Paulah
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Paulah »

Ihr seid echt super! Ich bin von meiner Auszeit im Kloster zurück. Und ihr habt mich erst mal gut damit beschäftigt, die Überlegungen nachzuvollziehen und was denn ein Versikel sein könnte. Aber ich glaube, das bringt mich schon wieder ein gutes Stück weiter.

@ Lazzaro
Doch! Mit deiner Lesart passt es mit dem Sonntag schon. In Zeile 16 haben wir Donnerstag, in Zeile 2 in der rechten Spalte Freitag. In der 21. Spalte steht was, was ich nicht lesen kann. Das könnte aber der Samstag sein. Dann passt das mit dem Sonntag in Zeile 13 hervorragend.

@ Protasius
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das System jetzt verstanden habe. Wenn da steht Dominica, ist das dann die Vesper am Samstagabend? Dann würde das mit den Überlegungen von Lazzaro zusammenpassen.
Weißt du, wie der Text der Oration Familiam tuam, quaesumus, Domine, weiter geht? Im Netz habe ich nichts mit ut infra und consuete gefunden. Und wo kann ich so was nachlesen, was wann vorkommt? Ich bin zwar - immerhin - im Besitz eines Schott von 1957, aber da finde ich immer erst was, wenn mir das hier einer erklärt hat (z. B. das mit den nachgeholten Sonntagen nach Erscheinung).

Zur Magnificatantiphon: Ich dachte, ein Magnificat hätte immer was zu tun mit der Szene, in der Maria nach der Verkündigung durch den Engel Gabriel zu Elisabeth geht. Das kommt in Qui celorum nicht vor. Oder meinst du das so wie hier: https://app.neumz.com/listen/vesperas-i ... 28-08-2021
Da kommt erst der Text bis in gemitibus nostris und dahinter steht dann Magnificat anima mea dominum Das Magnificat steht in meinem Text ja nicht.
Das rote a mit dem Strich darüber könnte auch aut heißen, also entweder die Antiphon Qui celorum oder Muro tuo inexpugnabili
Käme dann entweder die erste oder die zweite Antiphon und danach das Magnificat, was aber nicht dort steht, weil das (mal abgesehen von mir) jeder weiß bzw. wusste?

Viele liebe Grüße von Paula

Paulah
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Paulah »

Nachtrag: Ich habe gerade noch mal auf meine Bilddateien gestarrt: auf der ersten Seite in der linken Spalte Zeile 21 steht sabbato l'c I, also tatsächlich Samstag.

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Protasius
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Protasius »

Paulah hat geschrieben:
Donnerstag 23. Februar 2023, 18:36
Ihr seid echt super! Ich bin von meiner Auszeit im Kloster zurück. Und ihr habt mich erst mal gut damit beschäftigt, die Überlegungen nachzuvollziehen und was denn ein Versikel sein könnte. Aber ich glaube, das bringt mich schon wieder ein gutes Stück weiter.

@ Lazzaro
Doch! Mit deiner Lesart passt es mit dem Sonntag schon. In Zeile 16 haben wir Donnerstag, in Zeile 2 in der rechten Spalte Freitag. In der 21. Spalte steht was, was ich nicht lesen kann. Das könnte aber der Samstag sein. Dann passt das mit dem Sonntag in Zeile 13 hervorragend.

@ Protasius
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das System jetzt verstanden habe. Wenn da steht Dominica, ist das dann die Vesper am Samstagabend? Dann würde das mit den Überlegungen von Lazzaro zusammenpassen.
Weißt du, wie der Text der Oration Familiam tuam, quaesumus, Domine, weiter geht? Im Netz habe ich nichts mit ut infra und consuete gefunden. Und wo kann ich so was nachlesen, was wann vorkommt? Ich bin zwar - immerhin - im Besitz eines Schott von 1957, aber da finde ich immer erst was, wenn mir das hier einer erklärt hat (z. B. das mit den nachgeholten Sonntagen nach Erscheinung).

Zur Magnificatantiphon: Ich dachte, ein Magnificat hätte immer was zu tun mit der Szene, in der Maria nach der Verkündigung durch den Engel Gabriel zu Elisabeth geht. Das kommt in Qui celorum nicht vor. Oder meinst du das so wie hier: https://app.neumz.com/listen/vesperas-i ... 28-08-2021
Da kommt erst der Text bis in gemitibus nostris und dahinter steht dann Magnificat anima mea dominum Das Magnificat steht in meinem Text ja nicht.
Das rote a mit dem Strich darüber könnte auch aut heißen, also entweder die Antiphon Qui celorum oder Muro tuo inexpugnabili
Käme dann entweder die erste oder die zweite Antiphon und danach das Magnificat, was aber nicht dort steht, weil das (mal abgesehen von mir) jeder weiß bzw. wusste?

Viele liebe Grüße von Paula
Vor den Reformen des 20. Jahrhunderts hatte jedes Fest eine erste Vesper am Vorabend und höhere Feste auch eine zweite Vesper am Abend des Festtages selbst.

Ut infra ist kein Teil der Oration, sondern die Rubrik siehe unten (deshalb steht es ja auch in Rot geschrieben), wohl weil der Text an einer späteren Stelle im Manuskript vollständig steht/stand.

Die Magnificatantiphon hängt vom jeweiligen Sonn- oder Festtag ab, in der zweiten Vesper am Sonntagabend nimmt sie oft Bezug auf das Evangelium, in der ersten Sonntagsvesper am Samstagabend nimmt sie in der Regel bezug auf die Lesungen der Matutin. Daß der Textanfang des Magnificat hier im Manuskript nicht steht, ist keine Überraschung; es ist vom Ablauf her offensichtlich, daß jetzt das Magnificat dran ist, also wird nur die Endung des Psalmtones angegeben (EUOUAE). Da das Magnificat in jeder einzelnen Vesper des Jahres vorkommt, wäre es Verschwendung von teurem Platz, wenn man es jedes Mal wieder hinschreiben würde. Ein aut im Sinne einer Auswahl erscheint mir unwahrscheinlich.

Ich hätte das vllt. schon eher tun sollen, aber ich habe mal einige Bücher zu dem Thema herausgesucht:
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Paulah
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Paulah »

Wow! Ganz herzlichen Dank für die vielen Erklärungen und die Literaturhinweise.

Das mit der Rubrik bei ut infra wirft für mich auch noch mal ein ganz anderes Licht auf das Fragment. Das ist ja nicht direkt rot geschrieben, sondern rot unterstrichen. Das kommt etwas weiter unten bei ### de hystous noch mal vor.
Protasius hat geschrieben:
Freitag 24. Februar 2023, 07:50
Die Magnificatantiphon hängt vom jeweiligen Sonn- oder Festtag ab, in der zweiten Vesper am Sonntagabend nimmt sie oft Bezug auf das Evangelium, in der ersten Sonntagsvesper am Samstagabend nimmt sie in der Regel bezug auf die Lesungen der Matutin. Daß der Textanfang des Magnificat hier im Manuskript nicht steht, ist keine Überraschung; es ist vom Ablauf her offensichtlich, daß jetzt das Magnificat dran ist, also wird nur die Endung des Psalmtones angegeben (EUOUAE). Da das Magnificat in jeder einzelnen Vesper des Jahres vorkommt, wäre es Verschwendung von teurem Platz, wenn man es jedes Mal wieder hinschreiben würde. Ein aut im Sinne einer Auswahl erscheint mir unwahrscheinlich.
Wenn das EUOUAE der "Platzhalter" für das Magnificat steht, käme das aber zwei Mal vor. Einmal hinter der Antiphon Qui celorum und einmal nach der Antiphon Muro tuo inexpugnabili Macht man das so?

Ich überlege auch immer noch, aus welcher Art von Buch das Blatt stammen könnte. Wenn es tatsächlich ein Brevier wäre, wäre es ja für den Privatgebrauch. Es kommt aber auch, jedenfalls nach dem, was ich da lese ipsum cum ceteris vor. Wenn derjenige, der das Buch privat gebraucht hat, keinen "neben sich herlaufen" ;) hat, wer sind dann "die anderen"? Ich werde mir mal die Bücher unter dem letzten Link anschauen. Nach den Beschreibungen bei Virgil Fiala und Wolfgang Irtenkauf, Versuch einer liturgischen Nomenklatur, in: Zur Katalogisierung mittelalterlicher und neuerer Handschriften, Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 1963, S. 105-137 könnte es meiner Meinung nach auch ein Missale sein.

Das ist ja richtig spannend, was man von einem einzigen Blatt alles so erfahren kann!

Viele Grüße von Paula

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Protasius
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Re: Gregorianische Messe?

Beitrag von Protasius »

Paulah hat geschrieben:
Freitag 24. Februar 2023, 11:12
Wow! Ganz herzlichen Dank für die vielen Erklärungen und die Literaturhinweise.

Das mit der Rubrik bei ut infra wirft für mich auch noch mal ein ganz anderes Licht auf das Fragment. Das ist ja nicht direkt rot geschrieben, sondern rot unterstrichen. Das kommt etwas weiter unten bei ### de hystous noch mal vor.
Protasius hat geschrieben:
Freitag 24. Februar 2023, 07:50
Die Magnificatantiphon hängt vom jeweiligen Sonn- oder Festtag ab, in der zweiten Vesper am Sonntagabend nimmt sie oft Bezug auf das Evangelium, in der ersten Sonntagsvesper am Samstagabend nimmt sie in der Regel bezug auf die Lesungen der Matutin. Daß der Textanfang des Magnificat hier im Manuskript nicht steht, ist keine Überraschung; es ist vom Ablauf her offensichtlich, daß jetzt das Magnificat dran ist, also wird nur die Endung des Psalmtones angegeben (EUOUAE). Da das Magnificat in jeder einzelnen Vesper des Jahres vorkommt, wäre es Verschwendung von teurem Platz, wenn man es jedes Mal wieder hinschreiben würde. Ein aut im Sinne einer Auswahl erscheint mir unwahrscheinlich.
Wenn das EUOUAE der "Platzhalter" für das Magnificat steht, käme das aber zwei Mal vor. Einmal hinter der Antiphon Qui celorum und einmal nach der Antiphon Muro tuo inexpugnabili Macht man das so?

Ich überlege auch immer noch, aus welcher Art von Buch das Blatt stammen könnte. Wenn es tatsächlich ein Brevier wäre, wäre es ja für den Privatgebrauch. Es kommt aber auch, jedenfalls nach dem, was ich da lese ipsum cum ceteris vor. Wenn derjenige, der das Buch privat gebraucht hat, keinen "neben sich herlaufen" ;) hat, wer sind dann "die anderen"? Ich werde mir mal die Bücher unter dem letzten Link anschauen. Nach den Beschreibungen bei Virgil Fiala und Wolfgang Irtenkauf, Versuch einer liturgischen Nomenklatur, in: Zur Katalogisierung mittelalterlicher und neuerer Handschriften, Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 1963, S. 105-137 könnte es meiner Meinung nach auch ein Missale sein.

Das ist ja richtig spannend, was man von einem einzigen Blatt alles so erfahren kann!

Viele Grüße von Paula
Ein Missale enthält nicht das Stundengebet, sondern die Messe, also kann es kein Missale sein, wenn wir über Vespern reden. Ich halte das deshalb für ein Fragment eines Antiphonale. Das EUOUAE ist wie oben erwähnt der Platzhalter für das sEcUlOrUm AmEn in der Doxologie (Gloria Patri), die am Ende jedes Psalms und jedes Canticums steht.

Ich habe noch mal im Antiphonale Romanum von 1912 nachgeschaut; je nachdem, wieviele Sonntage der Monat November hat (vier oder fünf), entfällt eine der Antiphonen in der 1. Sonntagsvesper, und auch dementsprechend die Lesungen in der Matutin der entsprechenden Woche. Auf diese Weise wird von jedem Buch der hl. Schrift in der Matutin wenigstens ein Teil gelesen. Da Muro tuo impugnabili die Magnificatantiphon am Samstag vor dem dritten Sonntag im November ist, Qui coelorum contines diejenige für den Samstag vor dem vierten Sonntag im November, erklärt sich auf diese Weise, wieso da ein aut steht; das wäre dann keine freie Auswahl, sondern abhängig vom entsprechenden Jahr. Nebenbemerkung: da bei der Rubrikenreform 1960 die Zählung der Sonntage im Monat geändert wurde, entfällt seitdem immer die zweite Novemberwoche (ausführlicher in diesem Artikel auf New Liturgical Movement).

Das ipsum cum ceteris könnte sich zwanglos auf die Psalmen der Samstagsvesper beziehen, denn die Antiphon Benedictus des ersten Psalms fängt mit denselben Worten an, sodaß der Psalm in mittelalterlichen Büchern häufig als ipsum bezeichnet wird; wenn da also die Antiphon Benedictus steht bzw. auf sie verwiesen wird, würde ipsum cum ceteris einfach die gewöhnlichen Psalmen der Samstagsvesper bezeichnen.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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