Vorreformatorische Bibelübersetzungen

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NiklasB.
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Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von NiklasB. »

Moin moin,

Ich habe nun schon des Öfteren von Bibelübersetzungen gehört, die es bereits vor Luther und Konsorten gab. Kennt sich jemand mit deren Rezeption, Qualität, Umfang und Verbreitung aus? Je nachdem wie wichtig die waren, hätte das ja auch Auswirkungen auf die Berechtigung einer so gewaltigen Ehrerbietung, wie sie dem Übersetzungswerk Luthers dargebracht wird.
Wenn man nicht einmal mehr glauben kann, dass Menschen Heilige sein können, die ja Ebenbilder Gottes sind, wie soll man dann noch glauben, dass Orte, Gegenstände und Handlungen heilig sind und Ehrfurcht gebieten?

San Marco
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von San Marco »

http://de.wikipedia.org/wiki/Vorlutheri ... che_Bibeln


Neben der stark schwankenden Sprachqualität war das Fehlen des Buchdrucks ein wichtiger Faktor. Nicht ohne Grund gehen die Erfindung des Buchdrucks und dessen massive Verbreitung Anfang des 16. Jahrhunderts der Reformation voraus.

NiklasB.
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von NiklasB. »

Ich habe mich schon öfter gefragt, ob dann früher das Kirchenvolk im Glauben und in den Heiligen Schriften unterwiesen worden ist. Ich liebe die außerordentliche Form der Messe, aber muss auch sagen, dass ich den Wunsch nach Unterweisung und Schriftlesung in der eigenen Muttersprache sehr gut verstehen kann. Die Liturgie selbst spricht für sich, aber der christliche Glaube lebt denke ich doch auch davon, dass ich ein Wissen darum habe, was der Glaube eigentlich ist, wie er sich ausdrückt, welche Glaubenswahrheiten es gibt. Darin sehe ich auch durchaus ein legitimes Anliegen Luthers, auch wenn ich Luther im Allgemeinen als Häretiker und Kirchenspalter ablehne. Gab es zu Luthers Zeit und die Zeit davor keine oder nur geringe Katechese? Gab es da irgendwann einen Einbruch, einen Punkt, ab dem die Kirche sich der Katechese als ihrer Aufgabe entledigt hat? Wie sah das in der Ostkirche aus? (Immerhin gab es in der Ostkirche keine Reformation - war dort das Kirchenvolk einfach nicht zum "Aufstand" fähig, oder sah die Situation für das Volk einfach generell sehr viel besser aus?)
Wenn man nicht einmal mehr glauben kann, dass Menschen Heilige sein können, die ja Ebenbilder Gottes sind, wie soll man dann noch glauben, dass Orte, Gegenstände und Handlungen heilig sind und Ehrfurcht gebieten?

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Protasius
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von Protasius »

Es wird sicherlich Leute gegeben haben, die katechetisch in grauenhaftem Zustand waren. Immerhin gab es zur Zeit des Konzils von Trient allen Ernstes Theologen, die meinten man müsse bei der anstehenden Brevierreform so gefährliche Texte wie die Paulusbriefe aus dem Stundenbuch für den einfachen Klerus (!) herausnehmen.

Andererseits gab es damals ja auch die Biblia pauperum, die Bibel in einem knappen Dutzend Bildern dargestellt sozusagen, sowohl als Buch wie auch z.B. als Freskenzyklus. Überhaupt kann man ja vieles über die Bibel wie auch über die Heiligen aus alter Kunst lernen, was bei modernen Kunstwerken oftmals schwerfällt.

Zudem gab es damals selbstverständlich auch Predigten, die angesichts der großen Zahl gebotener Feiertage auch zahlreicher sein mußten als das heute der Fall ist. Eine gute Homilie erschließt die Schrift auf wunderbare Weise. Angesichts der Ermahnungen zur Einhaltung des Gebotes zum Predigen an den Sonn- und Feiertagen sowie den Werktagen der Fastenzeit ist dieser Idealzustand allerdings wohl nicht überall anzutreffen gewesen.

Ich gehe davon aus, dass Übersetzungen der Bibel in die Volkssprache für Predigtzwecke geschaffen wurden. Homiletische Codices des Mittelalters weisen nicht selten volkssprachliche Glossen auf.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Robert Ketelhohn
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Pit
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von Pit »

Nehmen wir einmal das Hochmittelalter in Europa.
Lesen und Schreiben konnten damals definitiv prozentual weniger Menschen als heute - Adelige und nicht wenige Angehörige des Niederen Klerus eingeschlossen- aber die Menschen merkten sich mehr als heute.
Was die Anzahl der Predigten betrifft,sehe ich es so wie Du,denn schon auf Grund der grösseren Zahl an Feiertagen wurde sicherlich erheblich öfter gepredigt als in der heutigen Zeit.
Und damals konnten die Menschen noch in einer Kirche "lesen"--also nicht in der Kirche Bücher lesen, sondern die Kirche "lesen",weil bereits die Architektur Verkündigung war---besonders ausgeprägt in der Gotik.
Protasius hat geschrieben: Andererseits gab es damals ja auch die Biblia pauperum, die Bibel in einem knappen Dutzend Bildern dargestellt sozusagen, sowohl als Buch wie auch z.B. als Freskenzyklus. Überhaupt kann man ja vieles über die Bibel wie auch über die Heiligen aus alter Kunst lernen, ....
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San Marco
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von San Marco »

Die Vorstellung, es sei an den vielen Feiertagen auch sehr viel gepredigt worden, ist leider falsch. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass im Mittelalter in Summe kaum nach heutigen Maßstäben gepredigt wurde. Grund war die in der Breite sehr niedrige Ausbildungsqualität der Kleriker. Dieser niedrige Stand der Predigt ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, weil wir Probleme haben, uns in die städtische und dörfliche Realität des Mittelalters überhaupt ansatzweise hineinzuversetzen.

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Robert Ketelhohn
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Re: Vorreformatorische Bibelübersetzungen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

San Marco hat geschrieben:Die Vorstellung, es sei an den vielen Feiertagen auch sehr viel gepredigt worden, ist leider falsch. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, daß im Mittelalter in Summe kaum nach heutigen Maßstäben gepredigt wurde. Grund war die in der Breite sehr niedrige Ausbildungsqualität der Kleriker. Dieser niedrige Stand der Predigt ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, weil wir Probleme haben, uns in die städtische und dörfliche Realität des Mittelalters überhaupt ansatzweise hineinzuversetzen.
Das ist, so pauschal gesagt, erst recht verkehrt. Auch was die Aussagen zum Ausbildungsstand betrifft. Der war sehr durchwachsen, pauschale Aussagen zum „Mittelalter“ an sich lassen sich da nicht treffen. Wo wir einen gehobenen Ausbildungsstand antreffen – gewiß nicht immer und überall –, da war er bis ins zwölfte Jahrhundert an den Kirchenvätern geschult – später zunehmend an der Scholastik – und damit gewiß heutiger Universitätstheologie überlegen. Zeiten und Gegenden insgesamt sehr dürftiger Ausbildung gab es aber auch, keine Frage.

Dabei muß man wissen, daß die Predigt oder Homilie zunächst in der lateinischen Kirche dem Bischof vorbehalten war. Dies Vorrecht des Bischofs wurde teils bis ins sogenannte „Frühmittelalter“ auch urgiert, andernorts wurden aber auch bereits Priester als Prediger ausdrücklich eingesetzt oder gar den Priester allgemeines Predigtrecht gewährt.

Es gibt eine sehr reiche Litteratur an Predigtsammlungen, als Musterpredigten, Vorbilder und dergleichen, viele davon im sogenannten „Mittelalter“ entstanden, zugleich aber auch die Sammlungen der Vätersermonen, die auch fortwährend abgeschrieben, tradiert und verbreitet wurden.

Einen neuerlichen Ausschwung nahm das Predigtwesen – inner- und außerhalb der Messe – dann besonders ab dem 13. Jht. mit den Bettelorden, von denen die Dominikaner nicht umsonst offiziell „Prediger“ heißen (ordo prædicatorum [OP]).

Übrigens, einer der berühmtesten und wortgewaltigsten Prediger seiner Zeit, ein gewisser Herr Tetzel, war dem doctori Martino Luther ja gerade wegen seiner Predigttätigkeit so verhaßt.
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