Gotteserfahrung

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mtoto
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Gotteserfahrung

Beitrag von mtoto »

Hallo zusammen

Was sind für Euch die Merkmale einer echten und tiefen Gotteserfahrung?
Ist es möglich sich zu täuschen?
Mal soviel als Einstieg ins Thema.

Liebe Grüße mtoto :)

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Angelika
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Beitrag von Angelika »

Hallo :)

das wichtigste Merkmal einer Gotteserfahrung ist für mich, dass sie (näher) zu Gott hin führt. Wenn das gegeben ist, dann täuscht man sich wohl nicht.

Gruß
Angelika

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Konkrete Fakten jedenfalls.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

anselm
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Beitrag von anselm »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Konkrete Fakten jedenfalls.
Was z.B. meinst du mit "konkreten Fakten"?
- Etwas, das subjektiv als Wunder verstanden werden kann?
- Eine Mischung aus psychischen Einflüssen und äußeren ?
- Rein psychische Einflüsse, die aber als umwälzend empfunden werden?
- Etwas ganz anderes:......

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Was sind für Euch die Merkmale einer echten und tiefen Gotteserfahrung?
Ist es möglich sich zu täuschen?
Die Erfahrungen sind so unterschiedlich ...

Aber eine ganz echte Gotteserfahrung für mich ist immer wieder die des Geführt-Werdens. Nicht unbedingt in einer bestimmten Situation oder Entwicklung, die da gerade im Gange ist. Aber hinterher. Du denkst darüber nach, was da in den letzten Tagen, Wochen oder Monaten gelaufen ist - und plötzlich erkennst du, dass zwar alles anders gekommen ist, als du erhofft und erbeten hast - aber wie gut das für dich war.

Ich denke, das ist das, was Robert mit den „konkreten Fakten" meint. Und da dürfte man sich auch schwerlich täuschen können.

Es gibt aber auch noch eine andere Erfahrung, und das ist die der Gegenwart Gottes. Ich nenne das für mich einen Lichtmoment. Mehr Sprache habe ich dafür nicht. Das sind Augenblicke, mit denen du nicht rechnest, die du nicht herbeibeten oder meditieren kannst, die dich komplett überraschen in Situationen, in denen du gar nicht daran denkst, z.B. am Bügelbrett.

Wenn so was losgeht, brauchst du ganz dringend geistliche Begleitung. Auch wegen der Gefahr der Täuschung. Ein Kriterium für die Echtheit dürfte sein, dass dein Leben danach nicht mehr das Selbe ist. Und dass dich diese Erfahrung irgendwie trägt.

Gewiß gibt es viele „Erfahrungen", die einen täuschen. Gerade bei Menschen mit einer hohen Imaginationskraft ...

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Marlene hat geschrieben: Und dass dich diese Erfahrung irgendwie trägt.
.
Ja, das halte ich für ein ganz wesentliches Kriterium. Spirituelle Höhenflüge kann man immer mal haben, die verblassen, so schön sie auch sind.

Geronimo

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Anselm hat geschrieben:»Was z.B. meinst du mit "konkreten Fakten"?
- Etwas, das subjektiv als Wunder verstanden werden kann?
- Eine Mischung aus psychischen Einflüssen und äußeren ?
- Rein psychische Einflüsse, die aber als umwälzend empfunden werden?
- Etwas ganz anderes:......«
Bitte entschuldige, daß ich gegenwärtig aus familiären Gründen keine Zeit zu individuellen Antworten habe. Darum zitiere ich bloß, was ich in ähnlichem Zusammenhang vor Jahren einmal in einem andern Forum geschrieben habe. Gültig ist es nach wie vor.
Ketelhohn hat geschrieben:»Wiewohl ich oben postuliert hatte, der Dissens der streitenden Parteien beziehe sich hauptsächlich auf die möglichen Gegenstände der Erkenntnis, ging die Diskussion doch eher über die Quellen oder Wege der Erkenntnis. Insbesondere wurde dabei der Begriff der Erfahrung verhandelt. Erst Iris hat mit ihrem bemerkenswerten Beitrag auch wieder zum Gegenstand der Erkenntnis zurückgelenkt. Ich stelle jedoch meine Anfrage an diesen Beitrag erst einmal zurück – bloß am Rande sei vermerkt, daß mir vieles trotz peripatetischen Etiketts recht platonisch erscheint, und nicht bloß „verfärbt“ – das also stelle ich erst einmal zurück, um eine Annäherung an den Erfahrungsbegriff zu versuchen.

Vorab sei der Begriff, wie er hier im religiösen Kontext verwendet wird, von ganz andersartigem Gebrauch in anderen Zusammenhängen geschieden. Wenn ich etwa von meinen „Erfahrungen“ im Beruf oder beim Bergsteigen rede, ist vor allem auf den damit verbundenen Erwerb von Fähigkeiten hingewiesen. Habe ich eben die letzten Neuigkeiten „erfahren“, so sind sie mir berichtet worden.

Die zweitgenannte Redeweise nähert allerdings schon dem Sinn des Begriffs, wie er in religiösem Zusammenhang gemeint ist: Denn wenn ich sage, ich hätte etwas „erfahren“, setze ich ja die Tatsächlichkeit des Erfahrenen voraus, ich „glaube“ also dem Gehörten.

Religiöse „Erfahrung“ geht darüber jedoch offensichtlich insofern hinaus, als die Möglichkeiten und Wege der Erfahrung sehr viel umfassender, damit freilich auch schwerer faßbar und nachvollziehbar sind. Um dennoch eine Definition zu versuchen, unterscheide ich zunächst zwei Elemente oder Schritte, aus denen mir solche Erfahrung zu bestehen scheint.

Der erste Schritt besteht in einer Wahrnehmung, der andere in deren Akzeptanz durch den Wahrnehmenden für sich selbst. Die Wahrnehmung kann von unterschiedlicher Art sein: sinnlich, „außersinnlich“ (um Ralfs Begriff zu verwenden), übersinnlich oder auch rational. Sie kann auch gleichsam historisch erfolgen, etwa durch eine Begegnung. Die Akzeptanz kann im rationalen Durchdringen und Nachvollziehen bestehen, sie kann aber auch auf einer tieferen Ebene des Selbst erfolgen – nennen wir sie das „Herz“; der Wahrnehmende nimmt sich also das Wahrgenommene „zu Herzen“.

Konkretisieren wir diese graue Theorie ein wenig. Visionen etwa sind im beschriebenen Sinne als übersinnliche Erfahrungen zu verstehen. In christlichem Kontext fallen darunter zum einen solche Visionen, die zum Glaubensschatz der Kirche zählen: die Visionen der Propheten – namentlich Ezechiels und Daniels – ebenso wie das „Damaskuserlebnis“ des Apostels oder die auf Patmus an Johannes ergangene Offenbarung.

Zum andern sind solche Visionen zu nennen, die der kirchliche Brauch „Privatoffenbarungen“ nennt: so etwa die Vision Catharinas von Siena, der über dem Sieneser Dom Christus erschien, oder die Marienerscheinungen der Kinder von Fatima, aber auch zahlreiche von der Kirche nicht beglaubigte Visionen, darunter nach meinem Dafürhalten glaubwürdige, aber auch ausgesprochen verdächtige.

Jedenfalls liegen in diesen Fällen die Fakten offen auf dem Tisch, und jedermann steht es frei, sie für glaubwürdig zu halten oder nicht. Nun sind solche Visionen freilich nicht die Glaubens-„Erfahrung“ des Durchschnittschristen. Was also könnte gemeint sein, wenn Otto Normalchrist von seiner religiösen „Erfahrung“ redet? Beispielsweise könnte er die Lossprechung nach der Beichte als eine besondere Befreiung empfunden haben. Oder er hat in der Anbetung des Allerheiligsten die Nähe Gottes besonders tief empfunden.

Solche Empfindungen sind freilich andern kaum zu vermitteln, wiewohl sie für den, der sie erlebt hat, sehr bedeutsam sein mögen. Freilich fehlt es dann oft an der rationalen Durchdringung, und die Frage, ob nicht eine Täuschung oder Einbildung vorliegt, ist mitunter nicht von der Hand zu weisen. Jedenfalls muß damit gerechnet werden, daß solche Empfindungen verschwinden, wie sie gekommen sind. Wer einmal im Gebet so etwas wie „Süßigkeit“ oder Gottesnähe empfunden hat, wie wird er damit fertig, wenn sein Beten plötzlich zur reinsten Wüste wird und lange Zeit bleibt?

Sicherer sind Erfahrungen, die auf konkreten, rational nachvollziehbaren Fakten beruhen. Das können Gebetserhörungen sein oder sonstige Erweise der Treue Gottes in der eigenen Geschichte. Um aber hier keine Erfahrungskasuistik auszubreiten, will ich eine konkrete „Erfahrung“ aus meiner eigenen Geschichte berichten.

Als voriges Jahr in der Osternacht unsere knapp acht Monate alte Tochter Larissa getauft wurde, da hatte mich in der vorausgegangenen Wortliturgie die zweite Lesung – vom Opfer Abrahams – in besonderer Weise angesprochen. Mir wurde klar, daß dies Wort in dieser Nacht sich direkt an mich richtete: »Robert, bring Mir, deinem Gott, dies Kind dar. Nicht dir gehört es, sondern deinem Herrn und Gott. Mein ist das Kind. Laß es los, mach keine Pläne. Ich habe schon vorgesorgt für dein Kind, ehe du geboren warst.«

Dies so zu verstehen – ganz rational – und auf das eigene Leben zu beziehen ist eine Sache. Die andre aber ist die Frage, was das nun konkret bedeute. Denn rein äußerlich schien sich ja nichts zu ändern. Doch das blieb nicht lange so. Wenige Tage nach Ostern flogen wir, wie lang geplant, nach Odessa, um meine Schwiegereltern zu besuchen. Larissa hatte die letzte Nacht in Berlin nahezu durchgeschrien – was nur in dieser extremen Form etwas ungewöhnlich war, aber nichts gänzlich Neues für meine Frau und mich –, doch kamen wir gar nicht dazu, uns weitere Sorgen oder Gedanken zu machen, denn um halb fünf hätten wir sowieso aufstehen müssen, um bis sechs am Flughafen zu sein.

Der Flug ging glatt, nach längerem Umsteigeaufenthalt in Wien waren wir nachmittags in Odessa. Larissa schien nichts Ernstes zu fehlen. Doch die erste Nacht in Odessa wurde wieder furchtbar. Sie schrie fast ununterbrochen mit immer heiserer werdender Stimme und ließ sich kaum irgend beruhigen, bis das Geschrei allmählich in Röcheln überging. Am Morgen riefen wir den Notarzt. Von meiner Begegnung mit dem ukrainischen Gesundheitswesen, die daraus erwuchs, habe ich kürzlich nebenan schon berichtet, aber darum geht es an dieser Stelle nicht.

Die Ärzte diagnostizierten eine schwere Laryngo-Tracheitis (Kehlkopf- und Luftröhrenentzündung), die sich bei Säuglingen plötzlich lebensbedrohlich entwickeln kann, wie mir die eilig telephonisch aus Berlin eingeholte medizinische Fachauskunft bestätigte. Kurz, Larissa wurde samt Mutter ins Krankenhaus eingewiesen. Dieser Tag und besonders die folgende Nacht waren für mich gekennzeichnet von Ungewißheit. Wie schwer war Larissas Erkrankung tatsächlich? Würde sie genesen? Was, wenn sie tatsächlich stürbe?

Während ich diese Nacht zum Gebet nutzte, erinnerte ich mich an die Osternacht, an die Taufe, an jenes Wort vom Opfer Abrahams. Und schlagartig wurde mir klar, daß das kein unverbindliches Spiel war. Was ich damals verstanden hatte – das Kind gehorsam Gott zu opfern, wie Abraham seinen Sohn Isaak –, das wurde nun zum sehr ernsten und konkreten Anruf an mich.

Aber konnte Gott das tatsächlich wollen, daß ein kleines, unschuldiges Kind stürbe? Vielleicht mußte ich aber anders fragen: Was kann einem Menschen eigentlich Besseres passieren, als gleich nach der Taufe, von allem Schmutz der Sünde befreit, in die Herrlichkeit Gottes aufgenommen zu werden? Und können Eltern einen besseren Fürsprecher im Himmel haben als ihr eigenes Kind? – Doch nicht ich hatte etwas zu entscheiden. Jesus Christus alles zu überlassen, darum ging es.

Mochte er Larissa gleich zu sich nehmen, mochte er noch ein langes Leben für sie vorgesehen haben: Daß ich dies frohen Herzens in Seine Hände legen konnte, war für mich die zentrale „Erfahrung“ dieser Nacht. Um so dankbarer konnte ich sein, als Larissas Zustand sich bald besserte und sie schließlich völlig genas.

Ich gebe freilich zu – um wieder zur Theorie zurückzulenken –, daß die geschilderte Erfahrung mir in dieser Weise nicht hätte zuteil werden können, hätte ich nicht schon vorher geglaubt. Ein Ungläubiger hätte ganz dieselben äußeren Ereignisse erleben können – Krankheit und Genesung der Tochter –, ohne irgendeinen religiösen Bezug herzustellen. Ob Larissa auch ohne die Gebete ihrer Eltern und Großeltern genesen wäre, kann keiner sagen; eine Wunderheilung war es gewiß nicht.

Diese Erfahrung beruht aber auf sichtbaren Fakten, sie ist rational nachvollziehbar, sie ist sozusagen „historisch“, das heißt, sie kann nicht dahinschwinden wie Gefühle und Empfindungen. Sie begründet meinen Glauben nicht, aber sie bekräftigt ihn, weil sie Gottes Gegenwart in meiner Geschichte erkennbar werden läßt, und wird so zu einem Stein, auf den ich weiter bauen kann.«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Marlene
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Beitrag von Marlene »

Geronimo hat geschrieben: Spirituelle Höhenflüge kann man immer mal haben, die verblassen, so schön sie auch sind.
Mein Begleiter, der mehrere Jahrzehnte Mönchsleben hiner sich hat, ist da knallhart, er nennt so was kurzerhand fromme Trips und Kicks. Was nicht heißen soll, dass diese Höhenflüge nicht dazugehörten - ich finde diese gefühligen Highlights schon wichtig und berechtigt. Aber man darf sie nicht unbedingt von vornherein mit echten Gotteserfahrungen gleich setzen.

Wenn sie verblassen, ohne etwas zu bewirken, ohne ihre Spuren in einem einzugraben, dann waren es eben wirklich nur subjektive, gefühlige Höhenflüge des eigenen Ichs ohne Begegnung mit Gott, die auch mal in einer ganz üblen Bruchlandung enden können.

Für eine echte Gotteserfahrung halte ich es auch, wenn du mitten - bildlich gesprochen - in einem Kugelhagel stehst, dir einiges auf Grundeis gehst - und du fängst an zu beten, und es kommen dir nur Worte des Dankes und der Liebe in den Sinn.

Marlene
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Registriert: Donnerstag 4. Dezember 2003, 15:03

Beitrag von Marlene »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Diese Erfahrung beruht aber auf sichtbaren Fakten, sie ist rational nachvollziehbar, sie ist sozusagen „historisch“, das heißt, sie kann nicht dahinschwinden wie Gefühle und Empfindungen. Sie begründet meinen Glauben nicht, aber sie bekräftigt ihn, weil sie Gottes Gegenwart in meiner Geschichte erkennbar werden läßt, und wird so zu einem Stein, auf den ich weiter bauen kann.«
Danke, Robert!
Das ist es. Hingabe - nicht gefühlig, sondern ganz konkret.

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Ermi
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Beitrag von Ermi »

In Eins mit dem Messias Jahwe! (Jerusalemer Bibel)

Ich konnte einmal mit dieser Bibelstelle in den Bergen, eine Tour glaubend erwandern. Nach ca. 6 Stunden Wanderung (schon einiges Müde) wurde mir intensiv bewusst, dieser Messias Jahwe, der geht jetzt auch mit mir, der ist mir nahe.
Ich bezeichne das einfach als Mystik im Alltag, wie es auch Robert mit seinem Beitrag beschrieben hat.
Gott ist mittendrin!

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