Heute eine (nach meinem Empfinden) etwas schwierigere Frage:
Ich beobachte in meiner streng pietistischen Gemeinde hin und wieder, dass heimlich ein Tauschgeschäft mit Gott gemacht wird:
Ich glaube an Gott und erfülle die religiösen Gebote und rechne dafür damit, dass Gott mich behütet.
Wenn dann doch einmal etwas Schlimmes passiert, dann gibt es folgende (alternative) Deutemuster:
a) Ich verstehe es zwar nicht, aber Gott wird schon wissen, wozu es gut ist.
b) Warum passiert das ausgerechnet mir? Womit habe ich das verdient? (Manchmal ahnt man dann einen Grund.)
c) Gott hält seine Verpflichtung nicht, also gibt es ihn nicht, bzw. lohnt sich der Glaube nicht.
Ist das typisch protestantisch, oder reagieren Katholiken (verallgemeinert) auch so?
Warum fallen Katholiken vom Glauben ab?
-
Raimund J.
- Beiträge: 6092
- Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33
Eine gute Frage, die jedoch meines Erachtens nach keine eindeutige Antwort ermöglicht. So einfach lässt sich das wohl nicht in ein paar Gruppen pauschalisieren. Es sind individuelle Lebenserfahrungen die auch bestimmte Glaubensentscheidungen beeinflussen. Da müsste man jeden Einzelnen dazu befragen. Erfahrungsgemäss erlöscht aber bei sehr vielen die sich von der Kirche abgewandt haben der christliche Glaube nicht vollständig. Kürzlich war im Radio ein Beitrag über Sterbehospize, dort wurde berichtet, daß viele angesichts eines nahen Todes wieder den Beistand eines Priesters wünschen. Bei Katholiken die gegenüber ihrer Religion gleichgültig und nachlässig geworden sind, ist im Hinterkopf oft auch noch die Möglichkeit durch eine rechtzeitige Beichte ja alles wieder ins Reine bringen zu können.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore
Nec laudibus, nec timore
1. Glaubensabfall ist ein Abfall von sich selbst.
Wir glauben ja nicht für andere.
Wir glauben, was wir selbst für richtig und wahr halten.
2. Glaubensabfall ist ein Ausdruck von mangelnder Bildung.
Was wir selbst für wörtlich genommen haben, haben Gebildetere nicht für wörtlich genommen und Gebildetere früherer Zeiten schon gar nicht. Es ist also nur natürlich, dass wir Schritt für Schritt eine Bildsprache als Bildsprache und damit Gott immer deutlicher verstehen.
Wir glauben ja nicht für andere.
Wir glauben, was wir selbst für richtig und wahr halten.
2. Glaubensabfall ist ein Ausdruck von mangelnder Bildung.
Was wir selbst für wörtlich genommen haben, haben Gebildetere nicht für wörtlich genommen und Gebildetere früherer Zeiten schon gar nicht. Es ist also nur natürlich, dass wir Schritt für Schritt eine Bildsprache als Bildsprache und damit Gott immer deutlicher verstehen.
- cantus planus
- Beiträge: 24273
- Registriert: Donnerstag 20. Juli 2006, 16:35
- Wohnort: Frankreich: Département Haut-Rhin; Erzbistum Straßburg
Overkott bringt hier einige wichtige Punkte ins Gespräch. Ist es überhaupt ein Glaubensabfall, oder eher ein Institutionsabfall? Wir erleben ja einen recht diffusen "Religiositätsboom" in den letzten Jahren. Allerdings profitiert bspw. die Kirche kaum davon. Vieles driftet eher in eine merkwürdige Esoterik ab.
Die nächste Frage: ist der Institutionsabfall ein echter Abfall, oder eher ein Zeichen der mangelnden Auseinandersetzung mit derselben? Was man liebt, pflegt man. Viele Menschen verpassen ihrem Glauben eine Behandlung, der man keiner Topfblume wünschen würde.
Die nächste Frage: ist der Institutionsabfall ein echter Abfall, oder eher ein Zeichen der mangelnden Auseinandersetzung mit derselben? Was man liebt, pflegt man. Viele Menschen verpassen ihrem Glauben eine Behandlung, der man keiner Topfblume wünschen würde.
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.
Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky
Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky
- cantus planus
- Beiträge: 24273
- Registriert: Donnerstag 20. Juli 2006, 16:35
- Wohnort: Frankreich: Département Haut-Rhin; Erzbistum Straßburg
Das ist erfreulich.overkott hat geschrieben:Overkott gibt sich manchmal Mühe.
Ist das wirklich so? Nach meiner Beobachtung geht die Religiosität immer stärker ins Private. Ja, es wird sogar jeder Institution pauschal abgesprochen, sich dieser Fragen annehmen zu können/zu dürfen.overkott hat geschrieben:Institutionsabfall erleben natürlich auch die Parteien und die Vereine. Das ist ein Ausdrück ideologischer Ernüchterung. Aber katholische Leute bemerken auch, dass wir wieder mehr Vernetzung brauchen für die Zukunft mit Gott, mit der Gemeinde, mit der Gesellschaft.
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.
Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky
Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky
Sicher fragen wir uns, ob Spiritualität immer öffentlicher wird, Religiosität aber zurückgeht.cantus planus hat geschrieben:Nach meiner Beobachtung geht die Religiosität immer stärker ins Private. Ja, es wird sogar jeder Institution pauschal abgesprochen, sich dieser Fragen annehmen zu können/zu dürfen.
Ich denke, dass Liturgie und Frömmigkeit wieder im Kommen sind.
Das hat auch etwas mit dem theologischen Verständnis zu tun. Die Leute sind heute gebildeter und verstehen die Bibel besser. Schon das Alte Testament war polytheistischer Religiosität gegenüber skeptisch, das Neue Testament auch gegenüber einer kultischen Religiosität und vertritt eher eine befreiende Theologie.
Wenn also Religiosität zurückgeht, kann das aus kirchlicher Sicht durchaus begrüßt werden.