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Warum fallen Katholiken vom Glauben ab?
Verfasst: Samstag 1. November 2008, 20:17
von Clemens
Heute eine (nach meinem Empfinden) etwas schwierigere Frage:
Ich beobachte in meiner streng pietistischen Gemeinde hin und wieder, dass heimlich ein Tauschgeschäft mit Gott gemacht wird:
Ich glaube an Gott und erfülle die religiösen Gebote und rechne dafür damit, dass Gott mich behütet.
Wenn dann doch einmal etwas Schlimmes passiert, dann gibt es folgende (alternative) Deutemuster:
a) Ich verstehe es zwar nicht, aber Gott wird schon wissen, wozu es gut ist.
b) Warum passiert das ausgerechnet mir? Womit habe ich das verdient? (Manchmal ahnt man dann einen Grund.)
c) Gott hält seine Verpflichtung nicht, also gibt es ihn nicht, bzw. lohnt sich der Glaube nicht.
Ist das typisch protestantisch, oder reagieren Katholiken (verallgemeinert) auch so?
Verfasst: Sonntag 2. November 2008, 00:52
von Esperanto
Ja, genauso. Und manchem Muslim und Juden mag es auch so gehen...
Verfasst: Sonntag 2. November 2008, 21:23
von Raimund J.
Eine gute Frage, die jedoch meines Erachtens nach keine eindeutige Antwort ermöglicht. So einfach lässt sich das wohl nicht in ein paar Gruppen pauschalisieren. Es sind individuelle Lebenserfahrungen die auch bestimmte Glaubensentscheidungen beeinflussen. Da müsste man jeden Einzelnen dazu befragen. Erfahrungsgemäss erlöscht aber bei sehr vielen die sich von der Kirche abgewandt haben der christliche Glaube nicht vollständig. Kürzlich war im Radio ein Beitrag über Sterbehospize, dort wurde berichtet, daß viele angesichts eines nahen Todes wieder den Beistand eines Priesters wünschen. Bei Katholiken die gegenüber ihrer Religion gleichgültig und nachlässig geworden sind, ist im Hinterkopf oft auch noch die Möglichkeit durch eine rechtzeitige Beichte ja alles wieder ins Reine bringen zu können.
Verfasst: Samstag 8. November 2008, 15:14
von overkott
1. Glaubensabfall ist ein Abfall von sich selbst.
Wir glauben ja nicht für andere.
Wir glauben, was wir selbst für richtig und wahr halten.
2. Glaubensabfall ist ein Ausdruck von mangelnder Bildung.
Was wir selbst für wörtlich genommen haben, haben Gebildetere nicht für wörtlich genommen und Gebildetere früherer Zeiten schon gar nicht. Es ist also nur natürlich, dass wir Schritt für Schritt eine Bildsprache als Bildsprache und damit Gott immer deutlicher verstehen.
Verfasst: Samstag 8. November 2008, 15:20
von cantus planus
Overkott bringt hier einige wichtige Punkte ins Gespräch. Ist es überhaupt ein Glaubensabfall, oder eher ein Institutionsabfall? Wir erleben ja einen recht diffusen "Religiositätsboom" in den letzten Jahren. Allerdings profitiert bspw. die Kirche kaum davon. Vieles driftet eher in eine merkwürdige Esoterik ab.
Die nächste Frage: ist der Institutionsabfall ein echter Abfall, oder eher ein Zeichen der mangelnden Auseinandersetzung mit derselben? Was man liebt, pflegt man. Viele Menschen verpassen ihrem Glauben eine Behandlung, der man keiner Topfblume wünschen würde.
Verfasst: Samstag 8. November 2008, 15:27
von overkott
Overkott gibt sich manchmal Mühe. Institutionsabfall erleben natürlich auch die Parteien und die Vereine. Das ist ein Ausdrück ideologischer Ernüchterung. Aber katholische Leute bemerken auch, dass wir wieder mehr Vernetzung brauchen für die Zukunft mit Gott, mit der Gemeinde, mit der Gesellschaft.
Verfasst: Samstag 8. November 2008, 15:30
von cantus planus
overkott hat geschrieben:Overkott gibt sich manchmal Mühe.
Das ist erfreulich.
overkott hat geschrieben:Institutionsabfall erleben natürlich auch die Parteien und die Vereine. Das ist ein Ausdrück ideologischer Ernüchterung. Aber katholische Leute bemerken auch, dass wir wieder mehr Vernetzung brauchen für die Zukunft mit Gott, mit der Gemeinde, mit der Gesellschaft.
Ist das wirklich so? Nach meiner Beobachtung geht die Religiosität immer stärker ins Private. Ja, es wird sogar jeder Institution pauschal abgesprochen, sich dieser Fragen annehmen zu können/zu dürfen.
Verfasst: Samstag 8. November 2008, 15:59
von overkott
cantus planus hat geschrieben:Nach meiner Beobachtung geht die Religiosität immer stärker ins Private. Ja, es wird sogar jeder Institution pauschal abgesprochen, sich dieser Fragen annehmen zu können/zu dürfen.
Sicher fragen wir uns, ob Spiritualität immer öffentlicher wird, Religiosität aber zurückgeht.
Ich denke, dass Liturgie und Frömmigkeit wieder im Kommen sind.
Das hat auch etwas mit dem theologischen Verständnis zu tun. Die Leute sind heute gebildeter und verstehen die Bibel besser. Schon das Alte Testament war polytheistischer Religiosität gegenüber skeptisch, das Neue Testament auch gegenüber einer kultischen Religiosität und vertritt eher eine befreiende Theologie.
Wenn also Religiosität zurückgeht, kann das aus kirchlicher Sicht durchaus begrüßt werden.