Der Sündenfall

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Enterich
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Der Sündenfall

Beitrag von Enterich »

Hallo,

persönlich betrachtete ich den Sündenfall bisher vor allem als Allegorie, welche verdeutlicht, dass Erkenntnis (welche einen die eigene Situation über das bloß Gegenwärtige hinaus überschauen lässt) Ungewissheit und Unruhe zur Folge hat (insbesondere, weil man seiner Endlichkeit bewusst wird). Der "paradiesische" Mensch wäre damit gewissermaßen Tier, durch die hinzugekommene Vernunft, durch die "Menschwerdung", wenn man so will, verliert er die Sicherheit des reinen Naturwesens, muss also das "Paradies" verlassen. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die Geschichte als ein sehr schönes Sinnbild.

Allerdings denke ich, dass diese Interpretation letztlich am Text vorbeigeht, da hier der wesentliche Aspekt der Schuld, mithin der bewussten Handlung, ausgeklammert und eine rein natürliche Folge quasi von außen beschrieben würde.
Nun zu meinem eigentlichen Problem: wenn man davon ausgeht, dass der Akt der Sünde zur Folge hat, dass der Mensch gut und böse unterscheiden kann, dann würde das doch genau genommen bedeuten, dass er zum Zeitpunkt, da er sich zur sündigen Handlung entschieden hat, keine Vorstellung davon haben konnte, dass er falsch handelt. Er war gewissermaßen unzurechnungsfähig. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund eine Strafe rechtfertigen? Müsste (und wird vielleicht?) also vielleicht doch eine Deutung, wie ich sie oben beschrieben habe (oder eine andere ergänzende), herangezogen werden, damit die Geschichte verstanden werden kann? Wie wird das Problem theologisch angegangen?

Gruß,

Enterich

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo Enterich

Du hast geschrieben:
...Sündenfall als Allegorie...welche verdeutlicht, dass Erkenntnis (...) Ungewissheit und Unruhe zur Folge hat (insbesondere, weil man seiner Endlichkeit bewusst wird).
Das ist eine Möglichkeit von vielen und abhängig vom Grad der Beschwertheit bzw. Unbeschwertheit, die eine Einsicht oder eine Handlung (über das Gegenwärtige hinaus oder eher über das momentan Bewußte?) zunächst mal verursacht.

Die Annahme, dass der 'paradiesische Mensch' gewissermaßen (noch) ein Tier gewesen sei und erst durch die durch den Sündenfall erlangte Vernunft Mensch geworden ist(Menschwerdung), ist nicht schlüssig.
Da der Mensch gottebenbildlich erschaffen worden ist, hat er auch die Vernunft erhalten und damit die Einsicht in die Dinge.

Gehen wir in der von Dir so genannten Allegorie noch etwas weiter zurück. Vor der Erschaffung des Menschen, wurden die Engel erschaffen, reine Geistwesen, die auch eine höhere Gotteserkenntnis besaßen. Diese Engel wurden von Gott einer Prüfung unterzogen. Ein Teil dieser Engel bestand diese Prüfung, weil sie sich dem Willen Gottes unterwarfen, ein anderer Teil bestand diese Prüfung nicht. Die jeweilige Entscheidung war die Entscheidung eines jeden einzelnen Engels, die Vernunft besaßen und sicher auch von Gott die Fähigkeit erhalten hatten, schöpfend tätig zu werden. Als der oberste Engel seinen Thron über den Thron Gottes errichten wollte, kam dieser Schöpfungswillen zum Ausdruck. Da er sich damit zugleich gegen den Willen Gottes stellte und er einen Teil der Engel auf seine Seite ziehen konnte, war damit erst die Gegenteiligkeit Gottes, die zuvor nicht existiert hatte, von den abtrünnigen Engel geschaffen worden. Die Gegenteiligkeit Gottes verkehrt alle Eigenschaften Gottes, die in Vollendung gegeben waren, ebenfalls ins Gegenteilige, sodass diese göttlichen Eigenschaften der Engel durch deren Ablehnung ebenfalls ins Gegenteil verzerrt wurden. Aus dem Guten entstand das Böse.
Trotz ihrer Vernunft und ihrer Einsicht in die Beschaffenheit der Dinge, hatten sich diese abgefallenen Engel gegen Gott entschieden.

In der von Dir so genannten Allegorie wurden die ersten Menschen durch einen abgefallenen Engel in Gestalt der Schlange versucht und zwar dahingehend, sich nicht an das Gebot Gottes zu halten, der ihnen gesagt hatte, dass sie von allen Früchten des Paradieses essen könnten, nur nicht von den Früchten dieses einen Baumes.
Stellen wir uns einfach vor, dass Gott es sich selbst vorbehalten hatte, nach bestandener Prüfung der ersten Menschen, diesen diese eine Erkenntnis selbst zu überbringen.

Adam und Eva waren zu diesem Zeitpunkt als Menschen vollkommen. In der Prüfung sollte es sich zeigen, ob die Menschen, die Gott als Herrscher über die geschaffene Welt eingesetzt hat, in allem den Willen Gottes erfüllen und ihn damit als ihren Schöpfer anerkennen. Deshalb waren sie mit Vernunft ausgestattet und mit der Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.
In der Prüfung widerstanden sie nicht den Eingebungen der Schlange und übertraten somit, durch die eigene frei Entscheidung, das Gebot Gottes. Dadurch erst erkannten die ersten Menschen die Konsequenz, gegen den Willen Gottes zu handeln. Sie hatten die Einsicht in das Böse, was sie vorher nicht hatten, da sie das Böse vorher nicht kannten. Zwar wurde dadurch das Gute, das Gottähnliche, im Menschen nicht zerstört, aber es kam damit die Unvollkommenheit über den Menschen und über die gesamte Schöpfung, was man als die eigentliche Ursschuld bezeichnet. Der Mensch mußte hinfort mit diesen Unvollkommenheit leben und es war ihm nicht möglich, diese Schuld wieder zu sühnen, wieder gutzumachen. Da war ein besonderes Opfer notwendig, das Opfer seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus, um die Menschen vor Gott wieder zu rechtfertigen.

Weiterhin hast Du geschrieben:
wenn man davon ausgeht, dass der Akt der Sünde zur Folge hat, dass der Mensch gut und böse unterscheiden kann, dann würde das doch genau genommen bedeuten, dass er zum Zeitpunkt, da er sich zur sündigen Handlung entschieden hat, keine Vorstellung davon haben konnte, dass er falsch handelt. Er war gewissermaßen unzurechnungsfähig. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund eine Strafe rechtfertigen?


Das ist der Punkt. Der Mensch kannte nur das Gute und er kannte die Entscheidungen Gottes. Hätten die Menschen vor der Prüfung die Konsequenzen ihrer Tat bedacht, und dies wäre nur möglich gewesen, wenn ihnen die Folgen in ihrer schlimmsten Auswirkung bekannt gewesen wären, wären sie dem Willen Gottes gefolgt, wohl weniger aus Liebe zu ihrem Schöpfer, schon eher wegen der Kenntnis der zu erwartenden Strafe im Falle der Zuwiderhandlung.
Und dann wäre dies keine Prüfung gewesen, sondern die Konsequenz der Logik, sich nicht in eine Grube zu stürzen, die bereits bekannt ist.

Für Gott war der freie Wille des Menschen maßgebend, unbeeinflußt von Für und Wider, sich grundsätzlich für Ihn zu entscheiden und seinen Willen als das Maß aller Dinge anzuerkennen.

So war die Konsequenz eben diese, dass die von den abgefallenen Engeln verursachte Störung in der Schöpfung durch das Versagen der Menschen auf diese übergriff und Leid und Tod verursachte.

Das ist nun nicht die Ansicht eines ausgebildeten Theologen, aber ich hoffe, dass sie in etwa deren Ansichten, soweit diese Theologen nicht den neueren Mainstreams anhängen, entsprechen.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Enterich
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Beitrag von Enterich »

Hallo ad_hoc,

zuerst einmal muss ich gestehen, dass ich die Geschichte vom Fall der Engel und den Prüfungen nicht genau kenne (ich habe ohnehin vor, die ganze Bibel erst einmal zu lesen, wobei sich sicher einiges von selbst erschließen wird).

Dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, bedeutet aber doch nicht, dass er zwangsläufig Vernunft besitzt. Es steht ja da, dass Gott nach dem Sündenfall sagt, dass der Mensch "geworden [ist] wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist" (1. Mose 3, 22). Das würde doch bedeuten, dass er vorher noch "nicht ganz" Ebenbild war (insbesondere hinsichtlich der Erkenntnis, die ich gewissermaßen mit "Vernunft" gleichsetzen würde). Denn er hat sich ja zu diesem Zeitpunkt verändert und in seiner Veränderung Gott angeglichen.

Deine sonstigen Einwände finde ich auf jeden Fall bedenkenswert, wobei ich mich frage, wie das Wissen um das Gute möglich sein kann, ohne dass gleichzeitig gewusst wird, was das Böse ist. Ich meine, das hängt notwendig zusammen (es ist ja auch die Rede von "gut und böse"). Außerdem würde ich das Böse nicht unbedingt mit dem "Unangenehmen", also mit einer negativen Konsequenz gleichsetzen.
Ich meine, dass das Bewusstsein, z.B. im Brechen eines Gebotes falsch zu handeln, voraussetzt, dass man über eine moralische Urteilsfähigkeit verfügt. Wenn Gott ein Gebot verkündet und der Mensch mit diesem Gebot etwas anfangen kann (was Voraussetzung dafür ist, dass das Gebot als Handlungsgrundlage nimmt und nicht nur gemäß dem Gebot lebt), dann setzt das doch voraus, dass der Mensch weiß, was er tun soll, mithin, dass er weiß, was die richtige Handlungsweise ist und somit, dass die ihr nicht entsprechende falsch ist.
Wäre dem nicht so, so hätte das Gebot Gottes im Bewusstsein des Menschen gar keinen Sinn, er würde es nicht verstehen und könnte damit auch nicht im eigentliche Sinne unrecht tun.

Gruß,

Enterich

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, bedeutet aber doch nicht, dass er zwangsläufig Vernunft besitzt.
Warum nicht?

Dass der Mensch weiß, was Gut und was Böse ist, ist doch nicht ursächlich für die Vernunft und schon gar nicht Maßstab einer solchen.

Gruß, ad_hoc

(P.S.: mich wundert überhaupt, dass man meine Meinung so unkommentiert durch andere User stehen läßt. Hat denn keiner Einwände oder Richtigstellungen?)
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Enterich
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Beitrag von Enterich »

ad_hoc hat geschrieben:
Dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, bedeutet aber doch nicht, dass er zwangsläufig Vernunft besitzt.
Warum nicht?

Dass der Mensch weiß, was Gut und was Böse ist, ist doch nicht ursächlich für die Vernunft und schon gar nicht Maßstab einer solchen.
Meine Formulierung war etwas missverständlich. Ich meinte nur, dass das, was als Ebenbildlichkeit Gottes beschrieben wird, meiner Ansicht nach nicht zwangsläufig Vernunft beinhalten muss, wenn bestimmte Fähigkeiten des Menschen erst im Nachhinein, also nicht mit dem Schöpfungsakt, aufgekommen sind. Vielleicht kann man nun sagen, dass die Möglichkeit immer schon vorhanden war, aber de facto blieb dem Menschen ja bis zum Sündenfall zumindest die Erkenntnis von Gut und Böse verschlossen. Dass diese nicht unbedingt mit der Vernunft zusammenfallen muss, mag stimmen. Aber immerhin ist die Deutung m.E. durch die Berufung auf die Ebenbildlichkeit nicht zwangsläufig auszuschließen.
Was die Vernunft selbst angeht, bin ich vielleicht in meiner Interpretation schon ein bisschen eingenommen gewesen durch meine Deutung der Paradiesvertreibung und meine hier etwas kantianische Vorstellung vom Guten.

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incarnata
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Beitrag von incarnata »

Die nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen hatten schon vor dem
Sündenfall insofern Kenntnis von Gut und Böse als sie wußten,daß es
gut ist ,Gottes Willen zu tun und böse,Sein Gebot zu übertreten
Sonst hätten sie sozusagen als Idioten Sein Verbot von dem einen
Baum(der Erkenntnis) zu essen gar nicht verstanden.Haben sie-rein intellektuell
aber durchaus !
.Der gefallene Engel in Form der Schlange aber sähte den Zweifel in ihr Herz ,ob es Gott mit seinem Gebot auch wirklich gut mit ihnen meinte.Daher strebten sie nach höherer Erkenntnis,um mit Gott auf ihre Weise auf Augenhöhe zu kommen.Das war die Ursünde: die Aufgabe des kindlichen Vertrauens in
Gottes Pläne und der daraus erwachsende Entschluß eigenmächtig zu handeln.

ps.Über den Engelssturz wirst Du in der Bibel nichts finden,allenfalls eine
Stelle in der Offenbarung des Johannes;(Offb.12,7-12)es ist aber uralte Überlieferung der Kirche und es gibt darüber Schrifttum bei den Kirchenvätern
das Dir unsere Theologen im Gang sicher gut zitieren können.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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incarnata
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Beitrag von incarnata »

Ps.Keine Einwände gegen ad hoc.Entsprechendes hört man allerdings fast nur
noch in Tradi-kreisen sowie auf radio horeb , während immer noch Bultmann-infizierte Theologieprofessoren(wie zb. Prof. Dr.Josef Hainz
"Bibelschule Königstein") umeinander reisen und verbreiten,den Teufel
gäb`s gar nicht.Noch trauen sich nur wenige Pfarrer über so was zu predigen
um nicht als "spinnert" zu gelten; dafür spriessen allerorten esoterische
Vorstellungen von Engeln und man rennt zu Pendlern und Wahrsagern.Nur
bei jungen Theologen scheint sich der Wind langsam zu drehen!
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Baerchen
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Registriert: Freitag 9. Februar 2007, 13:47

Beitrag von Baerchen »

Die Stellen in der Hl. Schrift:

Jesaja 14,12 ff
Hesekiel 28,14 ff
Lukas 10,18
Johannes 12,31

Offenbarung 20,2

sind in diesem Zusammenhang auch sehr interessant.

Und gerade noch rechtzeitig Folgendes gefunden. :)

Einen schönen Tag mit weniger Sonne und etwas Regen (am besten mehrere Stunden Landregen für die Vegetation) wünscht
Bärchen

Enterich
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Beitrag von Enterich »

incarnata hat geschrieben:Die nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen hatten schon vor dem
Sündenfall insofern Kenntnis von Gut und Böse als sie wußten,daß es
gut ist ,Gottes Willen zu tun und böse,Sein Gebot zu übertreten
Sonst hätten sie sozusagen als Idioten Sein Verbot von dem einen
Baum(der Erkenntnis) zu essen gar nicht verstanden.Haben sie-rein intellektuell
aber durchaus !
Gut, dann beruht mein Problem letztlich auf mangelnder Kenntnis. So einfach ist es dann eben doch nicht. ;)
Wie gesagt, ich habe ohnehin vor, mich mit der Materie erst einmal ausführlicher zu beschäftigen.

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overkott
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Re: Der Sündenfall

Beitrag von overkott »

Enterich hat geschrieben:Nun zu meinem eigentlichen Problem: wenn man davon ausgeht, dass der Akt der Sünde zur Folge hat, dass der Mensch gut und böse unterscheiden kann, dann würde das doch genau genommen bedeuten, dass er zum Zeitpunkt, da er sich zur sündigen Handlung entschieden hat, keine Vorstellung davon haben konnte, dass er falsch handelt.
Mit der Vernunft kam die Schuldfähigkeit. Der Pfirsich (pêche) war nur das äußere Zeichen für die Sünde (pêché). Der Mensch konnte bereits Gut und Böse unterscheiden, seit er Gottes Gebot kannte.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erſtaunlich. Im Italieniſchen riecht der Pfirſich mehr nach Fiſcherei denn nach Sünde.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die Franzosen betrachten die Sünde mehr von der Versuchung her, die Italiener mehr von der Reue: Peccato!

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