Auszug aus Kapitel XIII des Buches "Die letzte Freiheit."
Sie fuhren mit dem Bus nach Hause und Michaels Eltern sprachen kein Wort während der ganzen Fahrt. Seine Mutter hatte sich nicht mehr gefasst und weinte noch immer, so dass sein Vater sie im Arm hielt. Michael sah, wie sehr sie litten unter den Schmerzen seines Bruders, vor einem Jahr nun, auf den Tag genau, hatte Markus seinen Unfall gehabt.
Es war sein Geburtstag gewesen und sie hatten ihn schon früh am Morgen im Krankenhaus überrascht. Seine Mutter hatte eine Torte gebacken, auf die sie nicht 21, sondern eine Kerze gesteckt hatte. Sie meinte, es wäre nun ein Jahr her, seit Gott Markus ein zweites Leben geschenkt habe. Sie hatten für ihn gesungen und ihm einige Geschenke überreicht. Gegen Abend hatte Markus dann aufgehört zu lächeln und war still geworden. Eigentlich hatte er schon lange zuvor aufgehört zu lächeln. Schließlich hatte er darum gebeten, die Maschinen abzustellen.
Seine Eltern waren hilflos. Sein Vater war ein starker Mann und seine Mutter eine glückliche Frau. Ihr Glaube hatte ihnen immer geholfen, wo sie mit ihrer Kraft nicht weitergekommen waren, jetzt aber schwieg ihr Gott. Der Pfarrer hatte gesagt, dass es ein Geschenk Gottes sei, dass Markus noch lebe. Michael aber fragte sich, ob es nicht eher ein Fluch der Menschen war, die nicht loslassen konnten. Er hatte in den Büchern seines Bruders Gedichte gefunden, die dieser niedergeschrieben hatte. Sie alle waren traurig, wie er.
[...]
Markus war wach, aber er blickte ihn nicht an. Seine Augen waren leer und das feuchte Kissen verriet, dass er geweint hatte.
„Markus, weißt du was mein Name bedeutet? Markus weißt du es?“, schrie Michael und trat an das Bett seines Bruders. Dieser blieb stumm und blickte ihn nicht an.
„Er bedeutet ‚Wer ist wie Gott’ – hörst du?“ Markus drehte nun den Kopf zu ihm und sah ihn ausdruckslos an. Die Schmerzen hatten tiefe Kerben in sein Gesicht getrieben und die Tränen seine Augen stumpf gewaschen.
„Wer ist wie Gott, Markus? Welcher Gott auch immer, wer hat das Recht Leben zu nehmen und zu entscheiden, wann eines zuende ist? Ich habe das Recht nicht, Markus, und Mama und Papa haben es auch nicht... Sie dürfen nicht entscheiden, wann du endlich sterben darfst. Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben. Du bist mein Bruder und egal was passiert, das wird immer so sein. Ich brauche dich, aber ich weiß, dass dich hier nichts mehr hält. Ich sehe die Schmerzen, die du leidest und glaube mir, es zerreißt mir das Herz. Aber ‚Wer ist wie Gott’, Markus? Ich nicht. Ich kann nicht sagen, geh, stirb und sei endlich frei.“
Tränen liefen über sein Gesicht und auch Markus hatte wieder begonnen zu weinen. Michael hörte das Piepen der Maschinen und das schwere Atmen der Maschine; sonst aber war alles still. Sein Herz stach und schien zu bersten. Dann sah er das Lächeln auf den Lippen seines Bruders. Er nahm dessen Hand, küsste sie und sprach aus, was er so lange mit sich herumgetragen hatte.
„Ich bin nur ein Mensch, aber ich liebe dich! Ich weiß, Mama und Papa tun das auch und ich weiß, dass du uns liebst. Ich bin nicht Gott, Markus, ich habe nicht das Recht über Leben und Tod zu entscheiden, über Leid und Glück, Markus! Aber die Ärzte, sie haben es auch nicht...“
Aus der Widmung des Buches
Gewidmet meiner lieben Omi, die ich sehr vermisse, immer lieben werde und doch weiß, dass sie nun Erlösung gefunden hat; zu lange hat sie ohne Hoffnung in dieser Welt existieren und leiden müssen, weil das Sterben in unserer Zeit verboten ist.
Kleingläubig, wer sich gläubig nennt und doch nur seinen Unglauben beweist, indem er um seine Toten und Sterbenden weint und trauert. Ihr sprecht von Erlösung, sie aber haben diese gefunden und sind Gott näher als ihr es seid - so betrauert ihr eigentlich euch selbst!
For as long as I shall live I will testify to love
I'll be a witness in the silences Where words are not enough
With every breath I take I will give thanks to god above
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Ich wurde gerade auf deinen Threat aufmerksam gemacht. Kannst du mir mal näheres zu dem Buch sagen? Es würde mich interessieren. Habe selber zwar gegoogelt,aber nichts gefunden.
Das Buch ist nicht sehr bekannt. Es ist auch - glaube ich - nicht richtig verlegt worden, sondern in einem Jugendprojekt entstanden und wurde dort bei einem Wettbewerb auf Landesebene (Schleswig-Holstein) geehrt... Ich habe auch nur den Text als Datei und Ausdruck hier.
Kurz zum Inhalt (wobei zur Diskussion des Themas der obige Anstoß genügen sollte)
Es beschreibt ungefähr ein Jahr im "Leben" des Markus. Dieser hat an seinem Geburtstag einen schweren Autounfall und wird im Krankenhaus nach langer Operation und Wiederbelebung "stabilisiert" - am Leben gehalten. Zuvor hatte er nie über das Jenseits nachgedacht, doch als er wieder erwacht ist, verrät er eines Tages seinem kleinen Bruder Michael, dass er etwas gesehen hat - das da noch etwas ist nach dem Leben in dieser Welt!
Er beginnt - in den wenigen wachen Stunden - zum ersten Mal in der Bibel zu lesen und liest auch Bücher über andere Religionen. Kurze Ausschnitte verschiedener Jenseitsvorstellungen werden vorgestellt, wie er sie liest und er macht sich Gedanken dazu. Sein Zustand verschlechtert sich während dieser Zeit weiterhin.
Während seine Eltern weinen und versuchen Trost zu spenden, erreicht allein sein kleiner Bruder ihn noch wirklich und darf die Gedichte und Gedanken lesen, die er niederschreibt. So erfährt er, dass Markus sich zurück sehnt nach dem, was er erfahren hat... An seinem 1. (neuen) Geburtstag - also ein Jahr nach dem Unfall - bittet er seine Eltern, die Maschinen abzustellen ohne die er nicht mehr lebensfähig wäre. Inzwischen existiert er mehr, als dass er lebt.
Doch seine Eltern möchten, dass er lebt...
Was Markus nach dem Unfall erlebt wird im Buch nicht beschrieben - nach dem Kapitel mit dem Unfall beginnt ein Gedicht, dass endet, als er im Krankenhau wieder erwacht und am Ende des Buches (nach dem oben geposteten Kapitel) fortgesetzt wird.
Ich wollte das Buch hier mehr als Gedankenanstoß nehmen, zumal mich sehr interessiert, wie das Thema hier im Forum diskutiert wird (wenn denn) - Ich denke, die Meinungen diesbezüglich werden evtl. stark auseinandergehen...
Meinen Gruß!
Lacrima
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Schön,dass du darauf geantwortet hast. Wie ich auf deinen Thread gestossen bin? Ich sass gestern abend mit einer Bekannten zusammen,und erzählte ihr eine Geschichte,von einem Kind,dass völlig normal zur Welt gekommen war. Leider wurde es von seinen Eltern so schlimm misshandelt,dass es zwischenzeitlich durch eine Kopfverletzung bedingt, schwer behindert ist.
Das Kind ist inzwischen sechs Jahre alt,ist blind,taub,kann nicht sprechen,nicht laufen,bekommt das Essen über eine Sonde,und muss teilweise immer noch beatmet werden. Es leidet unter massiven epileptischen Anfällen. An diesem Zustand wird sich in seinem hiesigen Leben wohl auch nichts mehr ändern,da Teile seines Gehirns total zerstört sind.
Es ist in einem Pflegeheim untergebracht,und wird dort äusserst liebevoll gepflegt.
Wenn ich diese Geschichte erzähle,stosse ich manchmal auf Unverständniss.Da wird dann die Frage gestellt,ob dieses Leben Sinn macht? Warum Ärzte sich soviel Mühe gemacht haben,und anscheinend doch keinen Erfolg hatten?
Darauf kann ich dann meist so antworten: Nun ich kenne dieses Kind persönlich. Es lebt! Und es hat eine ganz eigene Persönlichkeit.Es lächelt,und ich kann dieses Lächeln nicht beschreiben. Aber jedes mal wenn es lächelt,bin ich zutiefst berührt.
Jetzt habe ich dir so viel dazu geschrieben,dass ich eigentlich vergessen habe,was ich dir ursprünglich antworten wollte.
@ Ich kenne diese Diskussionen auch im Hinblick auf schwerstbedürftige alte Menschen ... ich hatte gestern erst so ein Gespräch nach dem Motto "Was kostet das den Staat für unglaublich viel Geld! Die werden doch nur noch gedreht, gewindelt und durch eine Sonde ernährt! Die haben doch sowieso nichts mehr vom Leben!"
Dazu fällt mir inzwischen nichts mehr ein ... Ich treffe auch andererseits sooft alte Menschen, die mit Bewußtsein ins Siechtum verfallen und sich nichts sehnlicher wünschen, als das Gott sie heimhole möge. Und das auch ständig sagen. Ich kann sie gut verstehen.
Was ich dabei lerne, ist Demut. Das was der Mensch ist, zeigt sich nicht in den Gesunden, das habe ich die letzten Jahre gemerkt.
Dir Lea danke ich für die Beschreibung, denn es ist - bei solchen Diskussionen - oft das, was auch ich empfinde. Es ist auch ein Teil von "Richte nicht..." und vor allem, wenn man weiß, dass der Mensch nur das Äußere sieht. Der Schmerz der Menschen ist ganz unterschiedlich und vieles, was für andere unerträglich scheint, hat die betroffene Person leicht zu tragen gelernt. Und selbst wenn nicht, so gibt es doch genügend, die das Leben dennoch lieb behalten, denn auch in der größten Not gibt es immer glückliche, lebenswerte Momente.
Man denke auch z.B. an solche Berichte aus einem KZ - aus einem "Vernichtungslager" - auch dort gab es glückliche Momente und es darf nicht pervers erscheinen, wenn Leute, die es erlebt haben, dies neben (!) dem Grauen beschreiben, denn das eine hebt das andere nicht auf!
NIE würde ich auf die Gedanken kommen, einen Menschen und muss er noch so kostenintensiv gepflegt werden aufzurechnen à la Kosten/Nutzenrelation - Wer will bestimmen, wie viel ein solches Leben dennoch wert ist? Wer auf diese Idee kommt, hat wenig verstanden...
Ich denke der Gedanke der Geschichte ist aber ein anderer - und dennoch möchte ich alle Fälle mit euch diskutieren. In "Die letzte Freiheit." geht es um Markus, der selbst nicht mehr möchte, der das Leben nicht mehr als lebenswert sieht, so wie er "lebt" - Er selbst bittet darum, das abzustellen, was ihn ans Leben fesselt, denn ohne Maschinen und starke Medikamente (deren Nebenwirkungen überwiegen, die ihn vielleicht irgendwann zu jemand anderen als sich selbst machen), würde er jetzt an einem Ort sein, den er hat durchscheinen sehen. An einem besseren Ort (auf den wir doch auch hoffe) und doch hat man ihn von diesem Weg zurückgerissen.
Die Frage, die er sich stellt - er, der erwachsen ist und entschieden hat, dass er nicht mehr nur "existieren" möchte - die Frage ist: Warum halten sie mich fest, wenn sie sagen, sie glauben, dass nach dem Tod ein besseres, ewiges Leben wartet? - Seine Eltern glauben (?) daran. In ihrer Liebe können sie nicht loslassen, weil sie "ihn nicht verlieren wollen". Würden sie das denn? Beweinen sie nicht nur sich selbst, wenn sie daran glauben, dass Christus das ewige Leben teilt? Heißt Liebe nicht dann loslassen können, wenn nichts (außer dem Griff der Menschen) einen noch in dieser Welt hält? Beatmen die Maschinen aus Liebe? Wird er jedes mal wiederbelebt aus Liebe? Oder nur aus Kleinglaube...
Der Widmung ist eine große Frage zu entnehmen, die auch sehr schön in den Text "Zehn Ratschläge eines Sterbenden an seinen Begleiter" auftauchen: Die meisten Menschen verwechseln Ernst mit Traurigkeit! Wenn sie doch an ein ewiges Leben glauben, warum lassen sie denn nicht los, wenn der natürliche Weg enden würde?
Man könnte sagen, wir müssten es dann machen wie die Zeugen Jehovas - ich denke nicht... Solange Hoffnung besteht (die aber andere abwägen) sollten wir helfen!! Wenn dann aber nichts mehr hält, man nur noch "am Leben erhält", dann sollte unser Glaube so stark sein, dass man loslassen kann, akzeptieren kann, wirklich glauben kann! Erst recht, wenn dieser Mensch noch lichte Momente hat, in denen er darum bitten kann...
Man müsste noch soviel schreiben und ich denke, die Meinungen werden auseinander gehen -
Meinen Gruß!
Lacrima.
PS.
Kurz zur anderen letzten Freiheit (ich kenne auch noch andere, die so heißen) - dieses Buch schreibt sich mit Punkt: Die letzte Freiheit.
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Lacrima hat geschrieben:.....
Kleingläubig, wer sich gläubig nennt und doch nur seinen Unglauben beweist, indem er um seine Toten und Sterbenden weint und trauert. Ihr sprecht von Erlösung, sie aber haben diese gefunden und sind Gott näher als ihr es seid - so betrauert ihr eigentlich euch selbst!
Das ist eigentlich eine allgemein gültige Aussage, die auch dann Bestand hat, wenn man sie nicht auf den christlichen Glauben bezieht. Sie macht unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung Sinn.
Lacrima hat geschrieben:.....
Kleingläubig, wer sich gläubig nennt und doch nur seinen Unglauben beweist, indem er um seine Toten und Sterbenden weint und trauert. Ihr sprecht von Erlösung, sie aber haben diese gefunden und sind Gott näher als ihr es seid - so betrauert ihr eigentlich euch selbst!
Das ist eigentlich eine allgemein gültige Aussage, die auch dann Bestand hat, wenn man sie nicht auf den christlichen Glauben bezieht. Sie macht unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung Sinn.
Das mag sein - und es ist sicher Bestandteil des Trauerprozesses, dass man das Gefühl hat, "jemanden verloren zu haben" - aber wir als Christen (und darum geht es hier bei uns!) sollten den Unterschied kennen. Wir glauben doch und wollen in aller Liebe glauben, dass ein Christ in Jesu nicht verloren ist, sondern ewig leben wird. Schon die Apostel mahnen, dass wir das bedenken sollen...
Ich will keinem das Weinen absprechen, denn auch ich weine und es ist das Recht eines jeden, aber man muss unterscheiden zwischen Ernst, Traurigkeit mit und ohne Hoffnung... und was wir hoffen ist ein Großes! Wir sollten nach dem Weinen erkennen können, dass vermeindlich Verlorene eher ein Gefundener ist, der das erreicht hat, auf was wir hoffen -
Meinen Gruß!
Lacrima.
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Hallo, Lea,
ich hatte gestern mal wieder ein Gespräch über schwerstpflegedürftige alte Menschen, mit den bekannten Argumenten: "Ach, die werden doch nur gewindelt, gedreht und gefüttert! Was das den Staat kostet! Die haben doch gar nichts mehr vom Leben!"
Andererseits treffe ich häufig alte Menschen , die mit vollem Bewußtsein ins Siechtum übergleiten und sich nichts sehnlicher wünschen als von Gott heimgeholt zu werden und das auch täglich sagen.
Ich habe mir früher immer gedacht, mir käme schon mal irgendwann eine kluge Antwort, so nach ein paar Jahren Arbeit auf diesem Gebiet. Jetzt merke ich, dass das ein Trugschluss war. Ich habe weniger Antworten als je zuvor.
Das Einzige, was ich gelernt habe, ist Demut. Und dass Menschsein etwas ganz anders ist wie gesund sein.
Dann müsste man die Frage klären, was es bedeutet, Mensch zu sein. Menschsein - das hat auch Grenzen. Auch gesundheitliche... Und wenn ein Mensch dann möchte, dass man ihn losläßt, in die Arme Gottes loslassen kann, ohne alles zu tun, um ihn existent zu halten?
Versteh mich bitte nicht falsch! Es ist gerade so, dass ich nicht richte, wessen Leben noch lebenswert ist - viele Menschen erkennen das auch selbst nicht einmal, wie sollte ich, wo ich doch weiß und dennoch nicht komplett begreifen kann, wie wertvoll auch nur eines, ein Leben ist! Aber wenn ein Mensch nur noch an Maschinen und mit Medikamenten existiert, ohne sie sterben würde und dann seinen Willen noch äußern kann, man möge ihn lassen, dann finde ich, ist das ein Teil seines freien Willens.
Soviel zunächst...
Meinen Gruß!
Lacrima.
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Lacrima hat geschrieben:Aber wenn ein Mensch nur noch an Maschinen und mit Medikamenten existiert, ohne sie sterben würde und dann seinen Willen noch äußern kann, man möge ihn lassen, dann finde ich, ist das ein Teil seines freien Willens.
Diesen Konflikt hatte ich vor genau einem Jahr... als meine Oma im Sterben lag.... ich war übrigens sehr angenehm überascht, von der Weisheit des behandelnden Arztes. Ich meine die menschliche Weisheit....
Zehn Ratschläge eines Sterbenden an seinen Begleiter
1. Lass nicht zu, dass ich in den letzten Augenblicken entwürdigt werde. Dass heißt, lass mich, wenn es irgendwie einzurichten ist, in der vertrauten Umgebung sterben. Das ist schwerer, aber es wird dich bereichern, Sterbebegleiter zu sein.
2. Bleibe bei mir, wenn mich jetzt Zorn, Angst, Traurigkeit und Verzweiflung heimsuchen. Hilf mir zum Frieden hindurchzugelangen.
3. Denke dann nicht, wenn es soweit ist und du hier ratlos am Bett sitzt, dass ich tot sei. Das Leben dauert länger, als die Ärzte sagen. Der Übergang ist langwieriger, als wir bisher wussten. Ich höre alles was du sagst, auch wenn ich schweige und meine Augen gebrochen scheinen. Darum sage jetzt nicht irgendetwas sondern das Richtige. Du beleidigst nicht mich, sondern dich selbst, wenn du jetzt mit deinen Freunden belanglosen Trost erörterst und mir zeigst, dass du in Wahrheit nicht mich, sondern dich selbst betrauerst, wenn du zu trauern beginnst. So vieles, fast alles, ist jetzt nicht mehr wichtig.
4. Das Richtige, was du mir jetzt sagen möchtest, wenn ich dich darum auch nicht mehr bitten kann, wäre zum Ersten das, was es mir nicht schwerer, sondern leichter macht, mich zu trennen - denn das muss ich. Ich wusste es auch längst, bevor du oder der Arzt es mir mit euren verlegenen Worten eröffnet hattet. Also sag mir, dass ihr ohne mich fertig werdet. Zeig mir den Mut, der sich abfindet, nicht den haltlosen Schmerz. Mitleid ist nicht angebracht. Jetzt leide ich nicht mehr. Sag mir, dass du das und das mit den Kindern vorhast und wie du dein Leben ohne mich einrichten wirst. Glaub nicht, es sei herzlos, das jetzt zu erörtern. Es macht mich freier.
5. Das Richtige, was du mir jetzt sagen möchtest, wenn ich dich auch vielleicht nicht mehr darum bitten kann, wäre das Wort, aus dem ich gelebt habe. Wenn nichts bleibt vom Leben auf Erden, so sind es doch diese Worte. Und wenn sie nie Wort geworden wären in unserem Leben ,so musst du jetzt versuchen, sie zu finden. Hat es sie nicht gehabt, so hat unsere Liebe doch immer auf ihr Wort gehofft. Vielleicht war es ein einziger Bibelvers, aus dem wir lebten ein Leben lang, ein einziger, der unser Suchen jetzt zusammenfasst. Versuch ihn zu finden und mir ins Ohr zu sagen. Ich höre.
6. Ich höre, obwohl ich schweigen muss und nun auch schweigen will. Halte meine Hand. Ich will es mit der Hand sagen. Wisch mir den Schweiß von der Stirn. Streiche die Decke glatt. Bleib bei mir. Wir sind miteinander verbunden. Das ist das Sakrament des Sterbestands. Wenn nur noch die Zeichen sprechen können..., so lass sie sprechen.
7. Dann wird auch das Wort zum Zeichen. Jetzt hättest du mehr von mir zu lernen als ich von dir. Ich blicke schon durch die Tür. Jetzt, da ich davongehe, wünsche ich, dass du beten kannst, das heißt, dass du das Gute erkennst, das Gott uns jetzt schickt. Klage nicht an - es gibt keinen Grund. Sage Dank - ich werde Gott schauen. Und Dir wird es auch geschenkt werden.
8. Morgen, wenn sie dich nicht mehr allein lassen mit mir, sorge dafür, dass der Ton dieser Stunde zwischen uns nicht verloren geht. Lass die ehrenden Worte in der Anzeige, den Aufwand auf dem Friedhof. Das alles erreicht mich nicht mehr.
9. Und wenn dir mein Sterben ferner und ferner rückt, die letzten Kondolenzen beantwortet sind und du, wie es jedermann erwartet, in Trauer zurückfallen sollst, so wehre dich mit aller Kraft. Das viele Trauern in der Welt ist nur die andere Seite unseres Unglaubens, und das Schlimmste ist, dass gerade die meisten Christen Ernst mit Traurigkeit verwechseln und von der Sonne singen, ohne sie zu leben. Du sollst von mir nur wissen, dass ich der Auferstehung näher bin als du selbst.
10. Nimm mit dir mit, was wir selbst erlebt haben, als ein kostbares Vermächtnis. Lass mein Sterben dein Gewinn sein, wie das Sterben unseres Heilands unser Gewinn ist. Leb dein Leben fortan ein wenig bewusster als dein Leben vor dem Tod. Es wird schöner, reifer und tiefer, inniger und freudiger Leben sein als es zuvor war, vor meiner letzten Stunde, die meine erste ist.
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Ich habe mir früher immer gedacht, mir käme schon mal irgendwann eine kluge Antwort, so nach ein paar Jahren Arbeit auf diesem Gebiet. Jetzt merke ich, dass das ein Trugschluss war. Ich habe weniger Antworten als je zuvor.
Das Einzige, was ich gelernt habe, ist Demut. Und dass Menschsein etwas ganz anders ist wie gesund sein.
Geronimo
Hallo Geronimo
Ja,das hast du gut gesagt. Eine richtige Antwort wird es nicht darauf geben. Ich habe keine darauf. Aber ich denke mir,dass man Menschen zumindest in unserer Zeit wenigstens schmerzfrei halten kann. Und ein würdiges "Miteinander Umgehen".
Immer vor Augen,dass man das ja selber sein könnte.
Lea
PS: Ich bin momentan etwas unter Zeitdruck,werde aber später noch mal etwas dazu schreiben. Einige Gedanken habe ich noch dazu
Nun für mich gilt grundsätzlich: Ein Leben ist erst dann beendet,wenn es Gott beendet.
Ein anderer Aspekt wäre dann,wie weit dürfen wir es zulassen,dass Maschinen das Leben eines Menschen nicht nur verlängern,sondern oft auch noch qualvoll verlängern? Ich werde nicht darauf antworten können,denn ich weiss es nicht.
Früher war die Medizin ja nicht so weit,dass Leben um jeden Preis erhalten worden konnte. Da sind die Menschen dann zu Hause dahingestorben.Oft genauso qualvoll und langsam. Ich bin auch der Meinung,dass man es respektieren sollte,wenn ein Mensch in aussichtsloser Krankheitssituation,den Wunsch äussert,sterben zu wollen. Aber in einem Krankenhaus oder Pflegeheim ist das nicht möglich. Denn wer würde das tun? Schläuche abtrennen? Sauerstoff abstellen? Derjenige macht sich nun mal vor unserem Gesetz strafbar.
Eine gute Bekannte von mir lag im Endstatium eines unheilbaren Krebses. Sie äusserte sie ihrer Familie,dass sie jetzt genug habe von Behandlungen und nach Hause wolle. Die Familie nahm sie, gegen den Willen der Ärzte mit nach Hause. Dort verstarb sie nach ein paar Tagen. Ich vermute mal,dass im Krankenhaus diese Geschichte sich weit in die Länge gezogen hätte.
Im Grunde ist das eine Ermessensfrage,die von Fall zu Fall persönlich entschieden werden muss.
Au jeden Fall sollten wir alle, so lange wir noch geistig dazu in der Lage, eine Patientenverfügung erstellen, damit den Ärzten klar gesagt werden kann, was wir an Behandlung wünschen und was nicht.
Das beinhaltet dann auch den Wunsch nach Schmerzfreiheit durch Medikamente. Der qualvollen Verlängerung des Leidens(ohne Aussicht auf Heilung) durch die Intensivmedizin ist damit ein Riegel vor geschoben.
Ohne eine solche Verfügung sind den Ärzten die Hände gebunden.
Nun, ich werde ja in Kürze über so etwas, den Sterbeprozess und auch den Todeszeitpunkt, entscheiden müssen.
Ich kann Euch nur sagen: jeder Fall eines todkranken Menschen ist ein Einzelfall. Wir dürfen keinesfalls unsere Vorstellungen eines guten Todes verallgemeinern oder gar projizieren. Ja, es gibt wirklich auch die Menschen, die lieber im Krankenhaus als zuhause sterben, es gibt auch die Menschen, die einfach nicht in ein Hospiz wollen.
Ein "Sterben lassen" wie Sauerstoff abstellen ist übrigens nicht in jedem Fall, sogar in den selteneren Fällen, eine strafbare Handlung im Sinne der unterlassenen Hilfesleistung.
Was die Intensivstation angeht: auf der Intensivstation wird selten "lange" gelitten - das lange Sterben findet ganz woanders statt, auf der Normalstation oder besonders in den Heimen (Stichwort PEG).
Und was das mit-nach-Hause-mitnehmen angeht: macht es! Nehmt Eure Angehörigen mit, auch gegen den Willen der Ärzte! Nur erwartet dann eben nicht, dass andere die Verantwortung übernehmen! Wenn ich mal im fernsehen einen weinenden Menschen sehe, weil die bösen Ärzte seine Mutter nicht sterben lassen, dann bekomme ich die Krise! Gericht bemühen (der Kranke gilt ja per se nicht als nicht mehr einwilligungsfähig) und mitnehmen. Einfach ist das alles nicht, aber es geht ja auch um Leben und Tod.
Ralf hat geschrieben: jeder Fall eines todkranken Menschen ist ein Einzelfall. Wir dürfen keinesfalls unsere Vorstellungen eines guten Todes verallgemeinern oder gar projizieren.
Eben! Und deshalb finde ich es wichtig, beizeiten den persönlichen "Einzelfall" zu regeln, wie Geronimo schon geschrieben hat. Deshalb habe ich bereits vor ein paar Jahren eine Patientenverfügung geschrieben, in der ich die Ärzte dazu verpflichtet habe, dann, wenn ich selbst nicht mehr dazu in der Lage bin, eine gute Freundin von mir in die Entscheidung über Art und Dauer der Behandlung einzubeziehen: die kennt meine Einstellung zu Leben und Tod (der ist für mich keine Katastrophe; dennoch lehne ich aktive Sterbehilfe ab), kann als Ärztin in medizinischen Fragen qualifiziert urteilen - und lehnt das unsinnige Verlängern des Sterbeprozesses ebenso ab wie ich. Aber was unsinnig ist, kann wohl nur id der konkreten Situation entschieden werden.