Rechtfertigungslehre

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Juergen
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Juergen »

TillSchilling hat geschrieben:Ist es nicht das Bild von einem Gericht, in der die Schuldigen, die eine Verurteilung verdienen, begnadigt werden (sola gratia).
Ja, die Gnade reitet den Menschen wie einen störrischen Esel.
TillSchilling hat geschrieben:…und es bleibt den Freigesprochenen nichts übrig als diesen Freispruch dankend anzunehmen (sola fide).
Und wenn sie nicht freigesprochen werden wollen?
Gruß Jürgen

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Reinhard
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Reinhard »

TillSchilling hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben: Dagegen hilft die Auslegung im Sinne der Tradition.
Dann lege uns doch mal bitte, im Sinne der Tradition, die folgenden Verse aus dem 5. Kapitel des Römerbriefs aus: ...
Es ist eine gute Tradition, die uns verbietet, Steinbruch-Exegese zu betreiben, und nur einseitig diejenigen Abschnitte der Hl. Schrift zu "benutzen", die uns ins Konzept passen !

Gute Tradition ist es, die ganze Schrift im Blick zu haben, und das heißt in diesem Fall eine Zusammenschau des Römerbriefs:
Paulus in Röm. 5 hat geschrieben: 18 Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. 19 Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.
- zusammen mit den Ermahnungen des Jakobus:
Jakobus in Jak. 2 hat geschrieben:14 Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? ...
18 ... zeig mir deinen Glauben ohne die Werke und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke.
- erst diese beiden zusammen ergeben das ganze Bild.
Anders geht es nicht, wenn man aufrichtig sein will, alles andere wäre (interessengesteuerte ?) Steinbruchexegese.

Das "Sola" lässt sich einfach nicht halten, es bleibt übrig: sola fide !

TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Reinhard hat geschrieben: Es ist eine gute Tradition, die uns verbietet, Steinbruch-Exegese zu betreiben, und nur einseitig diejenigen Abschnitte der Hl. Schrift zu "benutzen", die uns ins Konzept passen !
Ach Mensch, Reinhard, was soll denn das jetzt? Natürlich muss jede Schriftstelle in ihrem Kontext betrachtet werden, ihrem Buch, ihrem direkten Kontext im Kapitel und auch dem Kontext der gesamten Schrift. Und? Du hast doch selber, die von mir zitierten Verse als "eine Zusammenschau des Römerbriefs" bezeichnet. Also sind sie für die Aussage des Briefes, aus dem ich sie "gerissen" habe, eher typisch.

Bei Jakobus geht es um das Leben des Christen. Es geht um die pastorale Warnung, dass die Früchte des Glaubens im Leben eines jeden Christen sichtbar werden müssen. Es geht nicht um Rechtfertigung und nicht darum was die Grundlage der Rechtfertigung des Menschen vor Gott ist. Es gibt da keinen Widerspruch zu Paulus.

Du misverstehst was sola fide bedeuten soll. Vom Sprechen von sola fide geht es wahrlich nicht um das Ablehnen von christlichen Werken. Sagt doch die CA ganz eindeutig (und völlig in Übereinstimmung mit Jakobus):
ARTIKEL 6: VOM NEUEN GEHORSAM
Auch wird gelehrt, daß dieser Glaube gute Früchte und gute Werke hervorbringen soll und daß man gute Werke tun muß, und zwar alle, die Gott geboten hat, um Gottes willen.
Bei sola fide geht es darum was die Rechtfertigung wirkt.
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel sagt.
Rechtfertigung im paulinischen Sinne ist Freisprechung von Sünde. Es ist forensische Rechtfertigung. So steht es in Römer 5. Wenn ich mich irre, zeigt mir wie die Worte des heiligen Paulus gemeint sind. Was wollte er den Römern sagen?

TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Juergen hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:…und es bleibt den Freigesprochenen nichts übrig als diesen Freispruch dankend anzunehmen (sola fide).
Und wenn sie nicht freigesprochen werden wollen?
Dann bleiben sie halt in ihrer Schuld. Gratia conversionis resistibilis est. Und was ist jetzt dein Punkt?

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

Zitat:
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel sagt.
Übertragen in das lutherische Verständnis: "Sündigt tapfer, aber betet viel."
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Fragesteller
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Fragesteller »

ad_hoc hat geschrieben:
Zitat:
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel sagt.
Übertragen in das lutherische Verständnis: "Sündigt tapfer, aber betet viel."
Wo steht das in dem von Dir zitierten Text?

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christian12
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von christian12 »

TillSchilling hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:…und es bleibt den Freigesprochenen nichts übrig als diesen Freispruch dankend anzunehmen (sola fide).
Und wenn sie nicht freigesprochen werden wollen?
Dann bleiben sie halt in ihrer Schuld. Gratia conversionis resistibilis est. Und was ist jetzt dein Punkt?
Moment, oben sagst Du noch "es bleibt den Freigesprochenen nichts übrig (Hervorhebung von mir) als diesen Freispruch dankend anzunehmen" und unten sagt du, dass ihr Wille freigesprochen zu werden nötig ist, damit sie aus ihrer Schuld herauskommen. Das widerspricht sich doch. Also bleibt den Freigesprochenen doch etwas anderes übrig als den Freispruch dankend anzunehmen: nämlich ihm gleichgültig gegenüber zu sein bzw. ihn willentlich abzulehnen. Vielleicht will Juergen darauf hinaus.

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Juergen
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Juergen »

TillSchilling hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:…und es bleibt den Freigesprochenen nichts übrig als diesen Freispruch dankend anzunehmen (sola fide).
Und wenn sie nicht freigesprochen werden wollen?
Dann bleiben sie halt in ihrer Schuld. Gratia conversionis resistibilis est…
Bekehrung nach dem Tode? :hmm:
TillSchilling hat geschrieben: Und was ist jetzt dein Punkt?
Daß Gott die Freiheit des Menschen nicht ernst nehmen würde, wenn der Mensch nicht anders kann, als die Gnade anzunehmen.
Gruß Jürgen

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ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

Fragesteller hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:
Zitat:
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel sagt.
Übertragen in das lutherische Verständnis: "Sündigt tapfer, aber betet viel."
Wo steht das in dem von Dir zitierten Text?
hier:
4) Martin Luther: Sündige tapfer, aber glaube tapferer!
"Sündige tapfer, aber glaube [noch] tapferer und freue dich in Christus, der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt!"
(Brief an Philipp Melanchthon (nach anderer Schreibweise: "Melanchton") vom 1.8.1521; WA, Briefwechsel 2, Nr. 424)
http://www.theologe.de/theologe3.htm
Genauer:
Luther schrieb an Melanchthon:
„Sei ein Sünder und sündige nur tapfer darauf los, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christo, welcher der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt. Man muss sündigen, so lange man lebt; es genügt aber, dass wir den Reichtum der Gnade und das Lamm erkennen (im Glauben), welches die Sünden der Welt trägt, von diesem kann man keine Seele trennen, wenn wir auch an einem Tage hunderttausend mal Unzucht treiben oder töten.“
(Luthers Briefe, De Wette, II, 37)
Zur gefälligen Beachtung:
Jesus: Dein Glaube hat dir geholfen. Sündige nicht mehr!
a) "Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen."
b) "Siehe du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr!"
(a) Lukas 17, 19; b) Johannes 5, 14)

http://www.theologe.de/theologe3.htm
Gruß, ad_hoc
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TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Juergen hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben: Und was ist jetzt dein Punkt?
Daß Gott die Freiheit des Menschen nicht ernst nehmen würde, wenn der Mensch nicht anders kann, als die Gnade anzunehmen.
Das habe ich nicht gemeint. Ich habe mich - mal wieder - schlecht ausgedrückt. Ich meinte - vergessen wir nicht, es ging ja um sola fide: es bleibt für den Menschen nichts anderes zu tun als den Freispruch anzunehmen. Der Mensch kann sich seine Rechtfertigung nicht verdienen. Sie wird ihm aus Gnade (sola gratia) geschenkt und indem der Mensch sich auf diese Gnade, die ihn freispricht, verlässt, kommt er in den Genuss des Freispruchs. Dieses "sich auf die Gnade Gottes verlassen" ist Glaube.

Die Frage, um die es mir eigentlich in meiner Aufforderung an Protasius ging, war die, der Tradition entsprechenden, Auslegung Römer 5, 18 und 19. Zugespitzt formuliert:

Was versteht der Apostel Paulus hier unter Rechtfertigung? Rechtmachung (Heiligung) des Sünders oder Freisprechung des Sünders von Sünden? Effektive Rechtfertigung oder forensische Rechtfertigung?

Zum besseren Verständnis meiner Anfrage hier ein Zitat von der 1. Seite des Threads:

Pelikan hat geschrieben: Streitpunkt ist bereits, worin Rechtfertigung eigentlich besteht. Für Luther ist die Rechtfertigung ein der Heiligung vorausgehender forensischer Vorgang. Gott erklärt den Sünder trotz seiner Sünden für gerecht, indem er ihm nicht seine eigenen Verdienste sondern die Verdienste Christi anrechnet. Glaube ist dann primär das Vertrauen in diesen Richterspruch.

Nach katholischem Verständnis dagegen sind rechtfertigende und heiligmachende Gnade identisch. Der Sünder wird gerecht gemacht, nicht nur für gerecht erklärt. Die Gnade verwandelt den Sünder und versetzt ihn wahrhaft in die Lage, die Gebote zu befolgen.
Was Pelikan hier als Lehre des Herrn Luthers beschreibt, kommt nicht von Luther sondern von Paulus. Das von Pelikan beschriebene katholische Verständnis widerspricht Paulus.

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Juergen
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Juergen »

Was ist an dem "gerecht gemacht" falsch, das Pelikan zitiert? …Da geht mir gerade Röm 8 durch den Kopf…
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Juergen hat geschrieben:Was ist an dem "gerecht gemacht" falsch, das Pelikan zitiert? …Da geht mir gerade Röm 8 durch den Kopf…
Daran ist nichts falsch. Und natürlich ist auch diese Lehre wichtig. Aber es ist nicht was der Apostel Paulus mit Rechtfertigung (δικαίωσις) meint in Vers 18 des 5.Kapitel. Die Gerechtmachung des Sünders ist nach Paulus nicht die Grundlage der Rechtfertigung des Sünders vor Gott. Gott erklärt den Sünder für gerecht, nicht den Gerechtgemachten.

Warum ist das wichtig? Ist das nicht furchtbar haarspalterisch? Ich denke nicht. Diese logische Unterscheidung von Rechtfertigung und Heiligung ist notwendig, um unserem Glauben Sicherheit zu geben. Um Christi willen sind wir vor Gott gerechtfertigt. Um seiner Gerechtigkeit willen. Nicht wegen etwas das in uns ist bzw. in uns sein sollte, aber das wir eben leider allzu oft gar nicht in uns sehen. Oder nur sehr wenig entwickelt sehen.

Es geht hier sicher nicht um einen Persilschein sich nicht anzustrengen die Sünde zu lassen und dem Heiland zu gefallen. Es geht hier darum, auf was unser Glaube baut: auf das was in uns ist, oder auf die Gerechtigkeit Christi, die uns zugesprochen wird und vor Gott als unsere Gerechtigkeit gilt. In der wir uns kleiden können wie Adam und Eva in den Fellkleidern, die Gott selber ihnen gemacht hat. Diese Fellkleider haben Adam und Eva nicht innerlich gerechtgemacht. Aber sie haben ihre Nacktheit bedeckt. So geht es uns mit der Gerechtigkeit Christi. Sie macht uns nicht innerlich gerecht. Zumindest nicht im 1.Schritt. Sondern wird uns zugesprochen. So wie unsere Ungerechtigkeit auf Christus geladen wurde und - ohne ihn innerlich ungerecht zu machen - damit zu seiner Ungerechtigkeit wurde, für die er die Strafe auf sich nahm.
21 Er hat den, der Sünde nicht kannte (= von keiner Sünde wußte), für uns zur Sünde (d.h. zum Sündenträger; vgl. Jes 53,6) gemacht, damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit würden.
2. Korinther 5

Pilgerer
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Pilgerer »

In meiner subjektiven Glaubenserfahrung habe ich gelernt, dass die eigene Person eigentlich ihr strengste Richter ist. In der Regel richten wir Menschen sowohl über unsere Mitmenschen als auch über uns selbst strenger als Gott. Die Art des Richtens über andere spiegelt unsere wahre Haltung gegenüber uns selbst wider. Wir werden über uns wesentlich härter richten, als Gott es tut. Im Jüngsten Gericht zeigt sich das darin, dass wir die Güte Gottes gegenüber uns (und anderen) nicht ertragen können.
Darum geht es darum, jetzt den gnädigen Gott mittels Jesus Christus kennen zu lernen und seine Gnade/Liebe auszuhalten, ja in sich immer stärker werden zu lassen. Je größer die Gnade (und Rechtfertigung) Gottes in uns wird, desto mehr verwandelt Er uns zugleich, macht uns zu besseren Menschen.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

San Marco
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von San Marco »

ad_hoc hat geschrieben:[
Genauer:
Luther schrieb an Melanchthon:
„Sei ein Sünder und sündige nur tapfer darauf los, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christo, welcher der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt. Man muss sündigen, so lange man lebt; es genügt aber, dass wir den Reichtum der Gnade und das Lamm erkennen (im Glauben), welches die Sünden der Welt trägt, von diesem kann man keine Seele trennen, wenn wir auch an einem Tage hunderttausend mal Unzucht treiben oder töten.“
(Luthers Briefe, De Wette, II, 37)
Zur gefälligen Beachtung:
Jesus: Dein Glaube hat dir geholfen. Sündige nicht mehr!
a) "Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen."
b) "Siehe du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr!"
(a) Lukas 17, 19; b) Johannes 5, 14)

http://www.theologe.de/theologe3.htm
Gruß, ad_hoc

Was ich hier dabei nicht verstehe ist z.B. der Fall eines Freundes, der zwar gläubig und vertrauend ist aber einfach nicht von seiner quasi animalischen Triebseite lassen kann.
Er gesteht mir ein, dass es ihn alle paar Monate einfach überkommt und er Geld verzockt und Prostituierte besucht. Er ist verheiratet, bereut das immer und kann nicht lassen. Ich konnte ihm als Nichtfachmann natürlich nicht helfen.

TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Pilgerer hat geschrieben:Je größer die Gnade (und Rechtfertigung) Gottes in uns wird, desto mehr verwandelt Er uns zugleich, macht uns zu besseren Menschen.

Das Wort “gerechtfertigt“ hat keine Steigerungsform. Es gibt nicht gerechtfertigter oder am gerechtfertigsten. Es gibt nur gerechtfertigt.

P.S. Ich empfehle dir dich weniger mit deiner “subjektiven Glaubenserfahrung“ zu beschäftigen und mehr über den im bilischen Zeugnis gegründeten christlichen Glauben, den die evangelische Kirche bekennt, zu lernen. Nichts für ungut aber wenn interessieren deine -oder meine - subjektiven Gedanken und Spekulationen.

Lacrimosa
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Lacrimosa »

Pilgerer hat geschrieben:Darum geht es darum, jetzt den gnädigen Gott mittels Jesus Christus kennen zu lernen und seine Gnade/Liebe auszuhalten, ja in sich immer stärker werden zu lassen. Je größer die Gnade (und Rechtfertigung) Gottes in uns wird, desto mehr verwandelt Er uns zugleich, macht uns zu besseren Menschen.
Ja, darum geht es.
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

San Marco hat geschrieben:
Was ich hier dabei nicht verstehe ist z.B. der Fall eines Freundes, der zwar gläubig und vertrauend ist aber einfach nicht von seiner quasi animalischen Triebseite lassen kann.
Er gesteht mir ein, dass es ihn alle paar Monate einfach überkommt und er Geld verzockt und Prostituierte besucht. Er ist verheiratet, bereut das immer und kann nicht lassen. Ich konnte ihm als Nichtfachmann natürlich nicht helfen.
Auch Luther hatte seine Probleme. So schrieb er einmal, dass er nicht anders können, als beim Beten zu fluchen.
(wenn es jemandem wichtig ist, suche ich auch diese Stelle heraus, auch wenn es etwas mühselig ist).

Da ich persönlich davon überzeugt bin, dass es Fälle von Besessenheit und Umsessenheit gibt, kann ich darauf nur antworten, dass es sich im Falle Deines Freundes womöglich um eine Art von Umsessenheit handeln könnte, auch wenn natürlich andere Ursachen für ein solches Verhalten möglich sind.

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Fragesteller
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Fragesteller »

ad_hoc hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:
Zitat:
ARTIKEL 4: VON DER RECHTFERTIGUNG
Weiter wird gelehrt, daß wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung erlangen können, sondem daß wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben, nämlich wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten hat und daß uns um seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird. Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, ansehen und zurechnen, wie der Hl. Paulus zu den Römern im 3. und 4. Kapitel sagt.
Übertragen in das lutherische Verständnis: "Sündigt tapfer, aber betet viel."
Wo steht das in dem von Dir zitierten Text?
hier:
4) Martin Luther: Sündige tapfer, aber glaube tapferer!
"Sündige tapfer, aber glaube [noch] tapferer und freue dich in Christus, der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt!"
(Brief an Philipp Melanchthon (nach anderer Schreibweise: "Melanchton") vom 1.8.1521; WA, Briefwechsel 2, Nr. 424)
http://www.theologe.de/theologe3.htm
Genauer:
Luther schrieb an Melanchthon:
„Sei ein Sünder und sündige nur tapfer darauf los, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christo, welcher der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt. Man muss sündigen, so lange man lebt; es genügt aber, dass wir den Reichtum der Gnade und das Lamm erkennen (im Glauben), welches die Sünden der Welt trägt, von diesem kann man keine Seele trennen, wenn wir auch an einem Tage hunderttausend mal Unzucht treiben oder töten.“
(Luthers Briefe, De Wette, II, 37)
Zur gefälligen Beachtung:
Jesus: Dein Glaube hat dir geholfen. Sündige nicht mehr!
a) "Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen."
b) "Siehe du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr!"
(a) Lukas 17, 19; b) Johannes 5, 14)

http://www.theologe.de/theologe3.htm
Gruß, ad_hoc
Ich fragte danach, wo das in dem von Dir zunächst zitierten Text steht. Dass Luther dergleichen Dinge privat gesagt hat, ist schon klar. Wenn er das in dieser Schärfe als lehrmäßige Aussage hätte verstanden wissen wollen, hätte er es in den Bekenntnisschriften durchgedrückt.

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

In seinen Reden und Briefen ist er extrem grob, aber in den Bekenntnisschriften sagt er inhaltlich dasselbe aus, wenn auch nicht in grober Art und Weise.

Gruß, ad_hoc
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Fragesteller
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Fragesteller »

ad_hoc hat geschrieben:In seinen Reden und Briefen ist er extrem grob, aber in den Bekenntnisschriften sagt er inhaltlich dasselbe aus, wenn auch nicht in grober Art und Weise.

Gruß, ad_hoc
Das bitte ich Dich gerade, nachzuweisen: in dem von Dir zuerst gebrachten CA-Zitat oder an anderer Stelle. -- Man muss ja nicht annehmen, dass die Aussagen widersprüchlich gemeint sind. Aber man kann Luthers inoffizielle Aussagen im Licht der präziseren offiziellen Ausssagen lesen; das scheint sinnvoller als der von Dir beschrittene umgekehrte Weg.(Die CA und ihre Apologie sind von Melanchthon und nicht von Luther selbst. Deshalb schrieb ich auch "durchgedrückt".

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

Das kann ich nicht, und das will ich nicht. Weißt Du, was für ein gewaltiges Schriftenwerk dieser Luther bei seinem Versuch hinterlassen hat, sich sein stetes schlechtes Gewissen wegzuschreiben und trotzdem vor Gott bestehen zu wollen?
Was er in seinen saugroben Bemerkungen in seinen Reden und Briefen verewigte, soll Deiner Auffassung zufolge nicht das sein, was er wirklich dachte, annahm und in den Bekenntnisschriften (dank der nachfolgenden Korrektoren in einer annehmbareren Sprache) ebenfalls verewigte? Ja, war Luther den schizophren? Hat er eine gespaltene Persönlichkeit besessen?
In der Sache kompetentere Menschen als ich haben sich mit Luthers unterschiedlichen 'Darstellungsmethoden' beschäftigt und sind zu einer entsprechender Gesamtsicht des Verständnisses der Inhalte gelangt. Nachzulesen in ihren Büchern. Und vergesse auch nicht die zeitgenössischen Äußerungen von Personen, deren Briefe erhalten geblieben sind und ein entsprechendes Licht auf Luther und seine gesamten Werke werfen.

Dir empfehle ich zunächst mal:
"Das Ich im Glauben von Martin Luther", von Paul Hacker, Verlag nova & vetera, Bonn, ISBN: 3-936741-10-7
Beachte bitte auch das Vorwort in diesem Buch, verfasst vom damaligen Kardinal Josef Ratzinger.

Gruß, ad_hoc

Nachtrag:
Aber vielleicht möchtest Du selbst suchen?
Ich habe vor mir:
"Martin Luther, Gesammelte Werke, herausgegeben von Kurt Aland, 7.927 S.
Nachteil: Die kritische Gesamtausgabe umfasst mehr als hundert Bände.
Die von mir o. g. Ausgabe der Gesammelten Werke umfasst die zehnbändige Auswahlausgabe "Luther Deutsch" von Kurt Aland.

Frohes Lesen. Mir tue ich das nicht an, da ich Luther als einen häretischen glaubensvernichtenden Verführer sehe, der auch gerne mal mit dem Teufel diskutiert (Wartburg) und mir seine "Botschaften" missfallen.
Andere haben sich mit diesen Werken beschäftigt und diese aus katholischer Sicht gewürdigt. Diese Quellen genügen mir.
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Raphael

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Raphael »

Die Bücher von Theobald Beer sind in diesem Kontext auch sehr erhellend! :daumen-rauf:

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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Fragesteller »

ad_hoc hat geschrieben:Das kann ich nicht, und das will ich nicht. Weißt Du, was für ein gewaltiges Schriftenwerk dieser Luther bei seinem Versuch hinterlassen hat, sich sein stetes schlechtes Gewissen wegzuschreiben und trotzdem vor Gott bestehen zu wollen?
Ich fragte nicht nach Deiner Gesamtinterpretation der Werke Luthers, sondern danach, wie sich Deine Interpretation eines kurzen Zitats aus Melanchthons Confessio Augustana stützen lässt, aus diesem Zitat selbst oder einem anderen der (wenigen) bekenntnisrelevanten Texte. Dafür ist keien umfassende Werkkenntnis vonnöten.
ad_hoc hat geschrieben:Was er in seinen saugroben Bemerkungen in seinen Reden und Briefen verewigte, soll Deiner Auffassung zufolge nicht das sein, was er wirklich dachte, annahm und in den Bekenntnisschriften (dank der nachfolgenden Korrektoren in einer annehmbareren Sprache) ebenfalls verewigte? Ja, war Luther den schizophren? Hat er eine gespaltene Persönlichkeit besessen?
Also ein Widerspruch besteht da auf den ersten Blick durchaus>
ad_hoc hat geschrieben: Luther schrieb an Melanchthon:
„Sei ein Sünder und sündige nur tapfer darauf los, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christo, welcher der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt. Man muss sündigen, so lange man lebt; es genügt aber, dass wir den Reichtum der Gnade und das Lamm erkennen (im Glauben), welches die Sünden der Welt trägt, von diesem kann man keine Seele trennen, wenn wir auch an einem Tage hunderttausend mal Unzucht treiben oder töten.“
(Luthers Briefe, De Wette, II, 37)
Confessio Augustana hat geschrieben:6. Auch wird gelehrt, daß solcher Glaube gute Früchte und gute Werke bringen soll, und daß man müsse gute Werke tun, alles, was Gott geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf solche Werke zu vertrauen, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. [...]
20. Den Unseren wird mit Unwahrheit aufgelegt, daß sie gute Werke verbieten. Denn ihre Schriften über die Zehn Gebote und andere beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken einen guten nützlichen Bericht und Ermahnung hinterlassen haben,davon man vor dieser Zeit wenig gelehrt hat, [...] Ferner wird gelehrt, daß gute Werke geschehen sollen und müssen, aber nicht, daß man
darauf vertraue, durch sie Gnade zu verdienen, sondern um Gottes willen und zu Gottes Lob. [...] Deshalb ist diese Lehre vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werke verbiete, sondern vielmehr zu rühmen, daß sie lehre, gute Werke zu tun, und Hilfe anbiete, wie man zu guten Werken kommen möge. Denn außer dem Glauben und außerhalb von Christus sind menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach,
gute Werke zu tun, Gott anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden usw. Solche hohen und rechten Werke können nicht geschehen ohne die Hilfe Christi, wie er selbst sagt Joh 15: "Ohne mich könnt ihr nichts tun."
(Das zweite Zitat, nicht das erste, folgt dem CA-Text, den Du oben zitiert hast, und ist damit dessen authentische Interpretation, was die Konsequenz zu den Werken angeht.)
Die Differenz zwischen beiden Zitaten ist mehr als nur die einer "annehmbaren Sprache" (es wäre vielleicht auch ganz angemessen, die Bewertung eines Menschen und Theologen nicht an der Sprache festzumachen). Der zweite Text gebietet ganz offensichtlich nicht, "tapfer zu sündigen", sondern macht klar, dass gute Werke geschehen sollen. Die eine Deutungsmöglichkeit dieser Differenz besteht darin, dass Luther schizophren gewesen sei und dass der Luther, der die CA gebilligt und im Kleinen Katechismus selbst die Zehn Gebote ausgelegt hat, ein anderer gewesen sei als der, der da an Melanchthon geschrieben und Tischreden geführt hat; das scheinst Du selbst für absurd zu halten. Die andere Möglichkeit besteht darin, eines der beiden Zitate im Lichte des anderen auszulegen. Die wählst Du selbst. Liest man nun das zweite Zitat im Lichte des ersten, müsste man die Hälfte des Textes streichen und annehmen, dass die klaren Formulierungen zugunsten guter Werke alle nicht so ernst gemeint seien. Liest man das erste Zitat im Lichte des zweiten, so ist klar, dass Luther eigentlich - nämlich da, wo er oder seine Mitstreiter sich dogmatisch präzise ausdrücken - nicht der Meinung ist, dass man "tapfer sündigen" solle, im Gegenteil, dass aber das sittlich richtige Verhalten aufgrund der Gnadenlehre eine so untergeordnete Rolle spielt, dass es da, wo man sich nicht dogmatisch exakt ausdrückt, schon einmal zu übertriebenen und in dieser Schärfe schlicht falschen Äußerungen kommen kann. Präzise ausgedrückt, hätte Luther in dem Brief wohl schreiben müssen, Melanchthon solle in seinen (leider) unweigerlich eintretenden Sünden dennoch um Christi Willen tapfer und unverzagt sein. -- Diese zweite Deutung scheint doch eher plausibel und auch sachlich eher richtig. Man kann ja Kritik üben, aber mit einem Satz aus einem Brief gleich Dinge über die lutherische Gnadenlehre beweisen zu wollen, über die in der CA (also bekenntismäßig verbindlich) das glatte Gegenteil ausgesagt wird, das geht zu weit und ist undifferenziert, unredlich und bösartig. Und dass Ratzinger in seinem Vorwort zu dem Hacker-Buch (das mich vielleicht doch dazu bewegen könnte, mir das Buch anzusehen) sich in dieser Art geäußert haben soll, halte ich für unvorstellbar.

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

Hallo Fragesteller
Ich wußte doch gleich, dass Du noch etwas in der Hinterhand hast, um auf Eventualitäten entsprechend vorbereitet zu sein. ;)
Es ändert aber nichts daran, dass Luther, laut seiner eigenen Zeit- und Tischgenossen ein Mensch war , der unbeherrscht, cholerisch, rechthaberisch, unmäßig in in allen Dingen, in sich selbst widersprüchlich und vor allem starken Stimmungsschwankungen unterworfen war.
Es ist wichtig, nicht nur die Werke eines Menschen zu kennen, sondern vor allem dessen Biographie, denn ohne deren Kenntnis sind die Werke eines solchen kaum richtig zu beurteilen und einzuordnen.
Mit zunehmendem Alter ist er schärfer in seinen Äußerungen und Schriften geworden. In wie weit diese von gutwilligen Freunden möglicherweise entschärft worden sind, weiß man nicht. Ein Anhänger Luthers aus späterer Zeit, May hieß er, wenn ich mich recht entsinne, war sich nicht zu schade, bestimmte Äußerungen sowie Entgleisungen Luthers, obwohl eindeutig belegbar, schlichtweg zu leugnen.

Es bringt Dich nicht weiter, wenn Du die Schriften Luthers für Dich derart miteinander in Einklang interpretieren willst, um Dir die Achtung und den Respekt vor diesem Mann bewahren zu können. Dass Luther auch Gutes schrieb, steht außer Zweifel. Dass er Schlechtes schrieb, steht auch außer Zweifel und ebenso, dass er zeitlebens gegen die römisch-katholische Kirche und insbesondere gegen den Papst bis unmittelbar vor dem eigenen Tode kämpfte und fluchte. Führende Protestanten aus heutiger Zeit sind da schon weiter. Auf Luther berufen sie sich nicht mehr sonderlich, sondern eher auf die Selbstauslegung der Bibel. Als Gründer ihrer Kirche können sie ihn nicht einfach auf die Seite stellen. Damit stellten sie ja ihre eigene Kirche in Frage. Sie sagen auch klar, dass die protestantische Kirche nicht mehr diejenige Kirche ist, wie sie Luther gesehen hat; sie hat sich weiter entwickelt. (hierfür kann ich bedauerlicherweise derzeit keine Quellen angeben)

Entscheidend ist die Tatsache, dass Luther eine mündliche Ausdrucksweise gebrauchte, die selbst unter damaligen Verhältnissen als unsäglich primitiv galt. Dass er auch schön schreiben konnte, steht, wie erwähnt, außer Zweifel. Bei dem Versuch, beides miteinander zu vereinbaren, kommt man zu dem Schluss, dass Luther zeitweise nicht zurechnungsfähig gewesen sein konnte. Was soll ich also mit seinen Schriften mich noch beschäftigen, wenn ich weiß, was für ein Mensch er gewesen war?
Aber genug davon. Im Übrigen gibt es für Luther einen eigenen Thread, soviel ich weiß.

Gruß, ad_hoc
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TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

@ ad_hoc

Hast du auch etwas zum Thema selber zu sagen? Wie zum Bespiel eine Darstellung der biblischen Lehre von der Rechtfertigung? Oder eine Antwort auf meine Behauptung dass der Apostel Paulus ein forensisches Verständnis des Rechtfertigungsbegriffs hatte.

Nein? Dachte ich es mir doch. In dem Fall ist es natürlich viel einfacher abzuschweifen und Psychopathologische Analysen zu betreiben. Da fühlt sich man schnell und einfach bestätigt und muss die eigenen Ansichten nicht hinterfragen.

Fragesteller
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Fragesteller »

ad_hoc hat geschrieben:Was soll ich also mit seinen Schriften mich noch beschäftigen, wenn ich weiß, was für ein Mensch er gewesen war?
Naja, es gab und gibt unter "den Lutheranern" große inhaltliche Einigkeit einerseits, sehr unterschiedliche Temperamente andererseits. Das zeigt doch schon eine gewisse Unabhängigkeit der inhaltlichen Position vom menschlichen Charakter, sodass mit dem Hinweis auf Luthers Charakter (so unsympathisch finde ich die Schimpfereien übrigens auch nicht ...) die inhaltlichen Fragen (wie sie Till oben aufgeworfen hat) keineswegs erledigt sind. -- Aber man kann sich nicht mit allem beschäftigen.

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

Aber man kann sich nicht mit allem beschäftigen.
Danke für Dein Verständnis, Fragesteller. :)
Wenn Du Luthers Schimpfereien noch sympathisch finden kannst, dann kennst Du diese nicht alle. :)

Und an TillSchilling:
Selbstverständlich habe ich nicht mehr die Lust wie noch vor Jahren, mich nochmals eingehend mit Luther und seinen Äußerungen zu beschäftigen. Wozu auch? Luther ist Häretiker gewesen und hat sich selbst aus der katholischen Kirche entfernt. Was soll der Ungute denn geschrieben haben, was diese seine ureigenste Entscheidung wieder rückgängig machen und ihn tatsächlich vor Gott, wie er es zeitlebens erhoffte, rechtfertigen würde? Seine Schriften gehören allesamt auf den Kehrrichthaufen der Geschichte. Wenn Lutheraner zur eigenen Idenditätsfindung und-bestätigung sich damit weiterhin beschäftigen, ebenso wie einige eifrig beflissene Pfarrer und Bischöfe der katholischen Kirche (weil sie sich innerlich wohl in der katholischen Kirche nicht doch so heimisch fühlen, wie sie es eigentlich sollten) - gut sollen sie. Ich aber bleibe draußen vor.
Wenn ich meine Auffassung zu Luther hier geschrieben habe, dann allein deshalb, dass protestantische Aussagen und Überzeugungen zu Luther nicht unerwidert stehen bleiben und damit möglicherweise bei einigen Lesern den Eindruck erwecken, sie könnten evtl. richtig und sogar unbestritten sein.

Und bitte richtig verstehen: Ich richte mich nicht gegen Protestanten, sondern gegen Luther und seine obskure Lehre.

Gruß, ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von umusungu »

ad_hoc hat geschrieben:Wenn Lutheraner zur eigenen Idenditätsfindung und-bestätigung sich damit weiterhin beschäftigen, ebenso wie einige eifrig beflissene Pfarrer und Bischöfe der katholischen Kirche (weil sie sich innerlich wohl in der katholischen Kirche nicht doch so heimisch fühlen, wie sie es eigentlich sollten) - gut sollen sie. Ich aber bleibe draußen vor.
die heilige Inquisition war nichts dagegen!

Raphael

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Raphael »

Fragesteller hat geschrieben:Das zeigt doch schon eine gewisse Unabhängigkeit der inhaltlichen Position vom menschlichen Charakter, sodass mit dem Hinweis auf Luthers Charakter (so unsympathisch finde ich die Schimpfereien übrigens auch nicht ...) die inhaltlichen Fragen (wie sie Till oben aufgeworfen hat) keineswegs erledigt sind. -- Aber man kann sich nicht mit allem beschäftigen.
Die von Dir euphemisierten "Schimpfereien" waren überaus grobianistisch, selbst wenn man sie nach den damalig gültigen Höflichkeitskriterien beurteilt. :daumen-runter:

Raphael

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von Raphael »

umusungu hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:Wenn Lutheraner zur eigenen Idenditätsfindung und-bestätigung sich damit weiterhin beschäftigen, ebenso wie einige eifrig beflissene Pfarrer und Bischöfe der katholischen Kirche (weil sie sich innerlich wohl in der katholischen Kirche nicht doch so heimisch fühlen, wie sie es eigentlich sollten) - gut sollen sie. Ich aber bleibe draußen vor.
die heilige Inquisition war nichts dagegen!
Anhand welcher Kriterien beurteilst Du die Tätigkeit der Heiligen Inquisition? :detektiv:

ad_hoc
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Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von ad_hoc »

umusungu hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:Wenn Lutheraner zur eigenen Idenditätsfindung und-bestätigung sich damit weiterhin beschäftigen, ebenso wie einige eifrig beflissene Pfarrer und Bischöfe der katholischen Kirche (weil sie sich innerlich wohl in der katholischen Kirche nicht doch so heimisch fühlen, wie sie es eigentlich sollten) - gut sollen sie. Ich aber bleibe draußen vor.
die heilige Inquisition war nichts dagegen!
Mit Ihrer Aussage belegen Sie, dass Sie über die Hl. Inquisition nichts wissen, als das, was Kirchenfeinde und Uninformierte zu wissen glauben.
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TillSchilling

Re: Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

@ adhoc

Du möchtest nicht über Luther oder Aussagen Luthers diskutieren. Gut! Ich auch nicht!

Können wir uns dann jetzt über das Rechtfertigungsverständnis des Apostels Paulus austauschen? Oder bist du dazu nicht willens bzw. nicht interessiert?

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