Staatsformen und Christentum

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Uwe Schmidt
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Staatsformen und Christentum

Beitrag von Uwe Schmidt »

(Der Thread wurde aus dem Zeitgeist/Gotteszeitthread abgesplittet; er wurde nicht von Uwe Schmidt eröffnet. Stefan)
anselm hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben:Es gab auch mal einen guten Zeitgeist: in der Spätantike, als sich sogar die Senatoren auf dem Forum romanum mit der Idee einer christlichen Staatsreligion anzufreunden begannen....oder über große Strecken des Mittelalters hinweg....naja, seit der Renaissance ist der Zeitgeist, also die Stimmung innerhalb der Bevölkerung, meistens von einem Ressentiment gegen die Gottesherrschaft geprägt. Der künftige Zeitgeist wird aber mit Sicherheit wieder gottgefällig sein, davon bin ich überzeugt.
Meinst du das Ernst? Oder ist es eine Satire? :hmm:


Das ist natürlich mein voller Ernst, ich persönlich finde ja, dass wir zurück ins Mittelalter müssen, denn da wurde die Idee der CIVITAS DEI des Hl. Augustin ja in die Tat umgesetzt.......klar, natürlich mit vielen Einbrüchen und Mängeln, aber das Prinzip halte ich im Moment für OK. Wir denkt ihr eigentlich über die Staatstheorien des Hl. Augustin (also das Gottesgnadentum/Monarchie)?

anselm
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Beitrag von anselm »

Uwe Schmidt hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben:Es gab auch mal einen guten Zeitgeist: in der Spätantike, als sich sogar die Senatoren auf dem Forum romanum mit der Idee einer christlichen Staatsreligion anzufreunden begannen....oder über große Strecken des Mittelalters hinweg....naja, seit der Renaissance ist der Zeitgeist, also die Stimmung innerhalb der Bevölkerung, meistens von einem Ressentiment gegen die Gottesherrschaft geprägt. Der künftige Zeitgeist wird aber mit Sicherheit wieder gottgefällig sein, davon bin ich überzeugt.
Meinst du das Ernst? Oder ist es eine Satire? :hmm:


Das ist natürlich mein voller Ernst, ich persönlich finde ja, dass wir zurück ins Mittelalter müssen, denn da wurde die Idee der CIVITAS DEI des Hl. Augustin ja in die Tat umgesetzt.......klar, natürlich mit vielen Einbrüchen und Mängeln, aber das Prinzip halte ich im Moment für OK. Wir denkt ihr eigentlich über die Staatstheorien des Hl. Augustin (also das Gottesgnadentum/Monarchie)?
Erlaube mir bitte eine etwas polemische Antwort:

Ich würde es sehr begrüssen, wenn wir wieder eine Monarchie hätten. Dann hätte ich etwas, das ich aus ganzem Herzen bekämpfen könnte und Politik würde wieder richtig spannend werden. :shock:

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben: Erlaube mir bitte eine etwas polemische Antwort:

Ich würde es sehr begrüssen, wenn wir wieder eine Monarchie hätten. Dann hätte ich etwas, das ich aus ganzem Herzen bekämpfen könnte und Politik würde wieder richtig spannend werden. :shock:
Warum würdest Du denn die Monarchie bekämpfen?
Und was hat das mit der Civitas Dei zu tun?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Uwe hat geschrieben:»Das ist natürlich mein voller Ernst, ich persönlich finde ja, dass wir zurück ins Mittelalter müssen, denn da wurde die Idee der CIVITAS DEI des Hl. Augustin ja in die Tat umgesetzt.......klar, natürlich mit vielen Einbrüchen und Mängeln, aber das Prinzip halte ich im Moment für OK. Wir denkt ihr eigentlich über die Staatstheorien des Hl. Augustin (also das Gottesgnadentum/Monarchie)?«
Da liegt mindestens ein grundsätzliches Mißverständnis Augustins von. Vermutlich noch weitere. (Bitte um Geduld, melde mich später.)
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anselm
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Beitrag von anselm »

Stefan hat geschrieben:
anselm hat geschrieben: Erlaube mir bitte eine etwas polemische Antwort:

Ich würde es sehr begrüssen, wenn wir wieder eine Monarchie hätten. Dann hätte ich etwas, das ich aus ganzem Herzen bekämpfen könnte und Politik würde wieder richtig spannend werden. :shock:
Warum würdest Du denn die Monarchie bekämpfen?
Und was hat das mit der Civitas Dei zu tun?
Ich halte aus vielen Gründen nichts von Monarchie. Zum Beispiel weil sie schwer vereinbar ist mit der Vorstellung einer liberalen Gesellschaft (ok, sie wäre in bestimmten Formen mit Wirtschaftsliberalismus vereinbar). Weil sie typischerweise mit einer Bevorzugung der Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen einher geht (Adel,...). Weil sie leicht in Diktatur ausarten kann. Weil der Monarch ein Depp sein kann, der sein Land ins Verderben führt, ohne dass es eine einfache Möglichkeit gibt, einen schlechten Monarchen abzusetzen.

Mal ganz davon abgesehen, dass eine Monarchie an gesellschaftl. Strukturen (Adel, Feudalismus als Stichworte) gebunden ist, die es nicht mehr gibt und die auch nicht wiederbelebt werden können (hoffe ich jedenfalls).

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:Ich halte aus vielen Gründen nichts von Monarchie. Zum Beispiel weil sie schwer vereinbar ist mit der Vorstellung einer liberalen Gesellschaft (ok, sie wäre in bestimmten Formen mit Wirtschaftsliberalismus vereinbar). Weil sie typischerweise mit einer Bevorzugung der Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen einher geht (Adel,...). Weil sie leicht in Diktatur ausarten kann. Weil der Monarch ein Depp sein kann, der sein Land ins Verderben führt, ohne dass es eine einfache Möglichkeit gibt, einen schlechten Monarchen abzusetzen.

Mal ganz davon abgesehen, dass eine Monarchie an gesellschaftl. Strukturen (Adel, Feudalismus als Stichworte) gebunden ist, die es nicht mehr gibt und die auch nicht wiederbelebt werden können (hoffe ich jedenfalls).
(wenn ich Lust habe, splitte ich das Thema ab)

allerdings treffen alle Beschreibungen auch auf die Demokratie zu:
Die Weimarer gebar Hitler, und einen Deppen als Kanzler haben wird auch (andere meinen: hatten).

Und es gab hervorragende Monarchien, die blühende Gesellschaften hervorgebracht haben. Der Alte Fritz war z.B. kein schlechter Monarch. Andere Beispiele gibt es zu Hauf.

anselm
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Beitrag von anselm »

Stefan hat geschrieben: allerdings treffen alle Beschreibungen auch auf die Demokratie zu:
Die Weimarer gebar Hitler, und einen Deppen als Kanzler haben wird auch (andere meinen: hatten).

Und es gab hervorragende Monarchien, die blühende Gesellschaften hervorgebracht haben. Der Alte Fritz war z.B. kein schlechter Monarch. Andere Beispiele gibt es zu Hauf.
Mal davon abgesehen, dass sich die Regierungsform der Monarche (vermutlich endgültig) historisch überlebt hat:

die Demokratie bietet (neben dem zentralen Werten der freien Meinungsäußerung, politischen Mitbestimmung, Abbildung einer Mehrheitsmeinung im Parlament und in der Regierung, .. ) eine Art Risikoabsicherung gegen schlechte Regierungen, die es in einer Monarchie schon prinzipiell nicht geben kann.

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:
Stefan hat geschrieben: allerdings treffen alle Beschreibungen auch auf die Demokratie zu:
Die Weimarer gebar Hitler, und einen Deppen als Kanzler haben wird auch (andere meinen: hatten).

Und es gab hervorragende Monarchien, die blühende Gesellschaften hervorgebracht haben. Der Alte Fritz war z.B. kein schlechter Monarch. Andere Beispiele gibt es zu Hauf.
Mal davon abgesehen, dass sich die Regierungsform der Monarche (vermutlich endgültig) historisch überlebt hat:

die Demokratie bietet (neben dem zentralen Werten der freien Meinungsäußerung, politischen Mitbestimmung, Abbildung einer Mehrheitsmeinung im Parlament und in der Regierung, .. ) eine Art Risikoabsicherung gegen schlechte Regierungen, die es in einer Monarchie schon prinzipiell nicht geben kann.
Fragt sich nur noch, wie man sich gegen eine schlechte Mehrheit schützen kann... :roll:

anselm
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Beitrag von anselm »

Stefan hat geschrieben: Fragt sich nur noch, wie man sich gegen eine schlechte Mehrheit schützen kann... :roll:
Es ist dann letztlich eine Abwägung von Vor- und Nachteilen. Natürlich kann man sich gegen eine schlechte Mehrheit nicht richtig schützen (ausser durch Auswanderung, etc.). Aber immerhin werden in Demokratien die Rechte der Minderheit in der Regel sehr umfassend geschützt, während ein Monarch das nur dann tut, wenn es ihm gerade passt. Nicht zufällig geht die Stärkung der Menschenrechte auch mit dem allmählichen Niedergang der Monarchien einher.

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:
Stefan hat geschrieben: Fragt sich nur noch, wie man sich gegen eine schlechte Mehrheit schützen kann... :roll:
Es ist dann letztlich eine Abwägung von Vor- und Nachteilen
Sehe ich nicht so. Es ist letztlich eine Frage der ethischen Verfaßtheit des Herrschenden - egal ob eines Monarchen oder eines Volkes.

Generationen, die ein Terrorregime kennengelernt haben, wissen den Wert einer liberalen Demokratie eher zu schätzen als eine dekadente Gesellschaft, die hedonistisch geprägt ist.
Und auch ein Monarch, der sich nicht als Absolutist, sondern als Verantwortlicher für das Wohlergehen seines Volkes versteht, wird Gutes hervorbringen. Die äußere Form eines staatlichen Gesellschaft birgt immer nur soviele Vorteile, wie in der konkreten geschichtlichen Situation opportun ist. In einem anderen Kontext wendet sich das Blatt. Daß Demokratien Minderheiten schützen ist im übrigen auch keine Frage der Herrschaftsform, sondern eine Frage der weltanschaulichen Mehrheitsverhältnisse. Noch wird Europa vom Schwungrad christlicher Ethik angetrieben - aber wie wird es in 100 Jahren aussehen? Sobald erst einmal atheistische Ideologen die Mehrheit hinter sich gebracht haben, wird es vorbei sein mit dem (christlich geprägten) Schutz der Minderheiten.

Ich richte mich also nicht gegen die Demokratie, sondern gegen die Auffassung, die Staatsform alleine entscheide über menschenwürdige Verhältnisse.

anselm
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Beitrag von anselm »

Stefan hat geschrieben:
Ich richte mich also nicht gegen die Demokratie, sondern gegen die Auffassung, die Staatsform alleine entscheide über menschenwürdige Verhältnisse.
So allgemein formuliert ist das sicher richtig.

Ich frage mich allerdings gerade, wie es z.B. einer christlichen Minderheit unter einem anti-christlichen Monarchen erginge. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dir eine solche Situation gefallen würde und ob du dann nicht eine nicht-christliche Demokratie (mit entsprechenden Rechten für Minderheiten) bevorzugen würdest. :hmm:

Die Frage nach der "guten Regierung" ist dann vielleicht besser umzuformulieren in "unter welcher Regierungsform ist der geringste Nachteil zu erwarten (z.B. für die Opposition)".

Ich finde es im übringen auch nicht richtig, eine ideale Monarchie (guter Monarch, der nur zum Wohle seiner Untertanen da ist) mit dem Zerrbild einer Demokratie (Unterdrückung von Minderheiten, etc.) zu vergleichen. Sondern entweder vergleichen wir die Idealbilder verschiedener Regierungsformen oder die jeweiligen durchschnittlichen historischen Ausprägungen.

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben: Ich frage mich allerdings gerade, wie es z.B. einer christlichen Minderheit unter einem anti-christlichen Monarchen erginge. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dir eine solche Situation gefallen würde und ob du dann nicht eine nicht-christliche Demokratie (mit entsprechenden Rechten für Minderheiten) bevorzugen würdest. :hmm:
Aus christlicher Perspektive antworte ich:
Selbstverständlich wünsche ich mir eine solche Regierung nicht. Aber solche Verhältnisse sind eigentlich diejenigen, unter denen das Christentum seine Kraft am besten zur Geltung bringen kann. Schließlich verbrachte es die ersten 4 Jahrhunderte unter diesen Bedingungen und Christus selber traf genau auf diese Umstände.

Aus weltanschaulicher Sicht sehe ich weniger das Problem in einer nicht-christlichen Demokratie. Es ist eher ein Infragestellen der Möglichkeiten der Demokratie. Solange Minderheiten nicht verfolgt werden mag es ja angehen - allein ich sehe diesen Vorzug immer weiter schwinden. Es ist nämlich die Meinung der Mehrheit, was als Minderheit zu schützen ist und was nicht. Ferner sehe ich eine zunehmende Manipulation der Bevölkerung mit immer ausgefeilteren Methoden, um das demokratische Votum zu einem Scheinvotum zu machen. Die Lösung für diese Frage liegt - glaube ich - nicht in der Staatsform, sondern in der persönlichen Ethik des Einzelnen.
Die Frage nach der "guten Regierung" ist dann vielleicht besser umzuformulieren in "unter welcher Regierungsform ist der geringste Nachteil zu erwarten (z.B. für die Opposition)".
Die Vorteil/Nachteil - basierende Bewertung von Entscheidungen halte ich nicht für geeignet. Unser Grundgesetz enthält eine Menge guter Prinzipien, die im Nachkriegsdeutschland eine sehr gutes staatliches Gefüge hervorgebracht haben. Aber ich sehe den "Geist der Gründer des Grundgesetzes" zunehmend unterminiert durch einen unguten Geist der Vorteilsnahme.

Ich finde es im übringen auch nicht richtig, eine ideale Monarchie (guter Monarch, der nur zum Wohle seiner Untertanen da ist) mit dem Zerrbild einer Demokratie (Unterdrückung von Minderheiten, etc.) zu vergleichen. Sondern entweder vergleichen wir die Idealbilder verschiedener Regierungsformen oder die jeweiligen durchschnittlichen historischen Ausprägungen.
Nun, meine Aussagen sind in der Tat theoretischer Natur. Allerdings vermag ich noch nicht einmal die notwendigen Kriterien einer Staatsform zu nennen, die zu ihrem Gütesiegel notwendig wäre. Wie vergleiche ich eine Demokratie mit einer Monarchie? Das Bruttosozialprodukt kann es nicht sein - zumindest nicht unter dem Aspekt der Maximierung.
Aber vielleicht hast Du ja Daten zum Vergleich der durchschnittlichen historischen Ausprägungen.

anselm
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Beitrag von anselm »

Hallo Stefan,

den umfassenden Vergleich der Staatsformen Monarchie und Demokratie (in den letzten 3000 Jahren :shock: ) kann ich dir auf die Schnelle leider nicht liefern. Das wäre eher ein Thema für eine politikwissenschaftl. oder historische Dissertation (wahrscheinlich ist sie schon längst geschrieben, aber ich kenne sie leider nicht, sorry :|).

Nur noch ein Punkt zu deiner Anmerkung, dass es vor allem auf die Ethik des Einzelnen ankomme. Du solltest aber auch die Bedeutung von Institutionen und Strukturen nicht ganz gering schätzen. Gesellschaftliche und (wirtschafts-)politisch geschaffene Strukturen bestimmen zu einem ganz erheblichen Teil das individuelle Verhalten.

Nur mit Individualethik kommt man vermutlich genauso wenig weiter wie mit einer einseitigen Betonung der Strukturen. Es kommt halt, wie so oft, auf eine ausgewogene Mischung an.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Danke euch, Anselm und Stefan, für eure Beiträge (und Robert wollte doch auch noch schreiben).
Was ich an der gegenwärtigen Demokratie auszusetzen habe, ist die hauptsächlich deutsche Idee des reines RECHTSSTAATS, an dessen Spitze nicht Gott oder menschliche Autoritäten, sondern allein die angeblich "gerechte" Rechtsnorm (GEORG JELLINEK, gestorben 1911) steht. In Wahrheit stehen hinter diesem Rechtsstaat aber dann doch wieder Autoritäten, Mächtige, und zwar falsche Autoritäten, Oligarchen, sog. "Genies", die aber im Hintergrund bleiben. Diesen finanziell und intellektuell Mächtigen geht es vor allem darum, dass das Recht nicht von der Moral diktiert wird (deswegen hat ja auch BUTTIGLIONE wohlweislich immer wieder betont, dass er Rechtsnorm und Moral scharf trennen will); nein, nach der geplanten EU-Verfassung soll es umgekehrt sein: Das von Menschen geschaffene Recht soll die öffentliche Moral bestimmen!
Die EU stellt das INDIVIDUUM ins Zentrum, wohingegen Ehe, Familie, Volk und Staat nur im Hintergrund bleiben sollen. So kommen wir zu der absurden Situation, dass ein einziger (!) Schüler, der sich durch das Kreuz im Schulzimmer gestört oder beleidigt fühlt, verlangen kann, dass es entfernt werden muss, obwohl in den meisten Landesverfassungen das Christentum als ein wesentliches Hauptziel der Erziehung festgeschrieben wurde - also ganz im Widerspruch zum Mehrheitsprinzip: 20 Schüler sind für das Kreuz, 1 dagegen, dennoch muss es abgehängt werden.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

anselm hat geschrieben:
Stefan hat geschrieben:
anselm hat geschrieben: Erlaube mir bitte eine etwas polemische Antwort:

Ich würde es sehr begrüssen, wenn wir wieder eine Monarchie hätten. Dann hätte ich etwas, das ich aus ganzem Herzen bekämpfen könnte und Politik würde wieder richtig spannend werden. :shock:
Warum würdest Du denn die Monarchie bekämpfen?
Und was hat das mit der Civitas Dei zu tun?
Ich halte aus vielen Gründen nichts von Monarchie. Zum Beispiel weil sie schwer vereinbar ist mit der Vorstellung einer liberalen Gesellschaft (ok, sie wäre in bestimmten Formen mit Wirtschaftsliberalismus vereinbar). Weil sie typischerweise mit einer Bevorzugung der Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen einher geht (Adel,...). Weil sie leicht in Diktatur ausarten kann. Weil der Monarch ein Depp sein kann, der sein Land ins Verderben führt, ohne dass es eine einfache Möglichkeit gibt, einen schlechten Monarchen abzusetzen.

Mal ganz davon abgesehen, dass eine Monarchie an gesellschaftl. Strukturen (Adel, Feudalismus als Stichworte) gebunden ist, die es nicht mehr gibt und die auch nicht wiederbelebt werden können (hoffe ich jedenfalls).

Anselm, liberale Gesellschaft heißt doch, dass man frei ist, auch Böses zu tun, solange man nicht gerichtlich dafür belangt werden kann. Das passt zwar gut zu der christlichen Vorstellung, dass wir hier auf Erden sind, um uns für Gut oder Böse, Gott oder Teufel zu entscheiden, aber es ist doch - finde ich - für das Seelenheil des Einzelnen besser, wenn wenigstens das Gute von den Autoritäten als Norm und Erstrebenswertes verkörpert und verkündet wird. So etwas wäre bei dem Gottesgnadentum jedenfalls gegeben. Die jetzige liberale Demokratie ist in Wirklichkeit gar keine Volksherrschaft, sondern wird von den Wirtschaftsmagnaten und ihren Fernsehsendern gelenkt - und deren "Ideale" sind eher satanisch (noch nicht einmal luziferisch....gut, vielleicht im Kulturprogramm) als gut...schalte doch mal den Fernseher ein.

anselm
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Beitrag von anselm »

Uwe Schmidt hat geschrieben: es ist doch - finde ich - für das Seelenheil des Einzelnen besser, wenn wenigstens das Gute von den Autoritäten als Norm und Erstrebenswertes verkörpert und verkündet wird. So etwas wäre bei dem Gottesgnadentum jedenfalls gegeben.
Tja, da passt dann auch der Spruch, dass "gut gemeint" und "gut" nicht immer dasselbe sein müssen (oder vielleicht sogar entgegen gesetzt sind?)

- Schau dir doch einmal an, was "Gottesherrschaften" auf Erden so alles angerichtet haben. Ein "schönes" Beispiel wäre die christliche Diktatur der Calvinisten in Genf.

- Und ausserdem: Wer würde denn in einem solchen Staat überhaupt leben wollen. Am Schluss blieben noch der Monarch und alle, die nicht fliehen konnten.

Also ich finde, dass jeder Einzelne häufig (nicht immer!) am besten weiss, was für ihn gut ist und dass deshalb paternalistisches Eingreifen (z.B. des Staates, der Kirche, ...) nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll sein kann. z.B. zur Verbesserung der Bildung (und insgesamt der Infrastruktur), um eine selbständige und gut fundierte Entscheidung der Individuen möglich zu machen.

Dass dabei die Einflüsse "des Fernsehens" und "der Medien" nicht unbedingt hilfreich sind sehe ich allerdings auch.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ anselm
anselm hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben: es ist doch - finde ich - für das Seelenheil des Einzelnen besser, wenn wenigstens das Gute von den Autoritäten als Norm und Erstrebenswertes verkörpert und verkündet wird. So etwas wäre bei dem Gottesgnadentum jedenfalls gegeben.
Tja, da passt dann auch der Spruch, dass "gut gemeint" und "gut" nicht immer dasselbe sein müssen (oder vielleicht sogar entgegen gesetzt sind?)

- Schau dir doch einmal an, was "Gottesherrschaften" auf Erden so alles angerichtet haben. Ein "schönes" Beispiel wäre die christliche Diktatur der Calvinisten in Genf.

- Und ausserdem: Wer würde denn in einem solchen Staat überhaupt leben wollen. Am Schluss blieben noch der Monarch und alle, die nicht fliehen konnten.

Also ich finde, dass jeder Einzelne häufig (nicht immer!) am besten weiss, was für ihn gut ist und dass deshalb paternalistisches Eingreifen (z.B. des Staates, der Kirche, ...) nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll sein kann. z.B. zur Verbesserung der Bildung (und insgesamt der Infrastruktur), um eine selbständige und gut fundierte Entscheidung der Individuen möglich zu machen.

Dass dabei die Einflüsse "des Fernsehens" und "der Medien" nicht unbedingt hilfreich sind sehe ich allerdings auch.
Dann informiere Dich doch 'mal über die inneren Strukturen des Jesuitenstaates in Südamerika. Dieser kam IMHO den von Uwe Schmidt dargestellten Idealen ziemlich nahe, bevor er aufgrund von politischen Querelen zwischen Spanien und Portugal zerstört wurde. Von dieser Missionsleistung zehrt die katholische Kirche in Südamerika heute noch ....

GsJC
Raphael

P.S. Hier habe ich noch einen interessanten Link gefunden: Der Jesuitenstaat!

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

anselm hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben: es ist doch - finde ich - für das Seelenheil des Einzelnen besser, wenn wenigstens das Gute von den Autoritäten als Norm und Erstrebenswertes verkörpert und verkündet wird. So etwas wäre bei dem Gottesgnadentum jedenfalls gegeben.
Tja, da passt dann auch der Spruch, dass "gut gemeint" und "gut" nicht immer dasselbe sein müssen (oder vielleicht sogar entgegen gesetzt sind?)

- Schau dir doch einmal an, was "Gottesherrschaften" auf Erden so alles angerichtet haben. Ein "schönes" Beispiel wäre die christliche Diktatur der Calvinisten in Genf.

- Und ausserdem: Wer würde denn in einem solchen Staat überhaupt leben wollen. Am Schluss blieben noch der Monarch und alle, die nicht fliehen konnten.

Also ich finde, dass jeder Einzelne häufig (nicht immer!) am besten weiss, was für ihn gut ist und dass deshalb paternalistisches Eingreifen (z.B. des Staates, der Kirche, ...) nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll sein kann. z.B. zur Verbesserung der Bildung (und insgesamt der Infrastruktur), um eine selbständige und gut fundierte Entscheidung der Individuen möglich zu machen.

Dass dabei die Einflüsse "des Fernsehens" und "der Medien" nicht unbedingt hilfreich sind sehe ich allerdings auch.


Da muss ich dir teilweise Recht geben, Anselm: Der Genfer Gottesstaat ist auch für mich ein abschreckendes Beispiel - da wurde man doch von der Polizei in die Kirche geschleift! Aber Genf war ja auch keine katholische Monarchie, im Mittelalter wurde keiner gezwungen, in die Kirche zu gehen und es gab auch genug Freiheiten.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Im Titel ist immer noch von »Augustins "Civitas Dei" und andere‹n› Staatsformen« die Rede. Die Diskussion dreht sich tatsächlich um politische Staatsformen, was jedoch mit dem augustinischen Begriff der civitas Dei auch nicht entfernt zu tun hat. Ich will die Diskussion nicht unterbrechen; darum weise ich zur Klärung auf meine andernorts veröffentlichte Arbeit zum Thema civitas Dei hin.

Vielleicht fällt einem von euch ein passenderer Titel für diesen Strang ein.
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Stefan

Beitrag von Stefan »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Vielleicht fällt einem von euch ein passenderer Titel für diesen Strang ein.
Bis es soweit ist, habe ich das Wörtchen "andere" aus dem Titel genommen.

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spectator
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Beitrag von spectator »

anselm hat geschrieben:Ich frage mich allerdings gerade, wie es z.B. einer christlichen Minderheit unter einem anti-christlichen Monarchen erginge. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dir eine solche Situation gefallen würde und ob du dann nicht eine nicht-christliche Demokratie (mit entsprechenden Rechten für Minderheiten) bevorzugen würdest. :hmm:
als Beispiel kann dir der ehemalige Kommunismus und die heutige Demokratie dienen.
Im Kommunismus blühte die Kirche entweder offiziell oder im „Untergrund“.
In der heutigen, schwulenfreundlichen Demokratie, die jedem Religionsfreiheit garantiert, möchte man die Kirche in einen rein karitativ orientierten Käfig einsperren, damit sie aus Liebe zu dem Menschen ihren Geist aufgibt und Gott vergisst.

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Bruno-Maria Schulz
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DIE PFORTEN DER HÖLLE

Beitrag von Bruno-Maria Schulz »

spectator hat geschrieben:die Kirche in einen rein caritativ orientierten Käfig einsperren, damit sie aus Liebe zu dem Menschen ihren Geist aufgibt und Gott vergisst.
Das tut unsere Radikaldemokratie schon nach Kräften, aber auch sie wird erkennen müssen das Wort Jesu

UND DIE PFORTEN DER HÖLLE WERDEN SIE NIE ÜBERWINDEN

diese Leutchen, die die Kirche und Christentum auf eine kleine Vereinsebene zurückdrängen möchten, mögen sich bewusst sein, mit wem die gemeinsame Sache machen. Die Pforten der Hölle sind ein überaus gefährlicher Partner, der sein wahres Gesicht erst zeigt, wenn es zu spät ist für Umkehr und die genannten Pforten sich bereits hinter dem Menschen schlossen.

Bruno-Maria Schulz

anselm
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Beitrag von anselm »

spectator hat geschrieben:als Beispiel kann dir der ehemalige Kommunismus und die heutige Demokratie dienen.
Im Kommunismus blühte die Kirche entweder offiziell oder im „Untergrund“.
Einverstanden, im Kampf gegen (äußere) Widerstände kann man (kann die Kirche) stark wachsen, an innerem Zusammenhalt und äußerer Attraktivität gewinnen.

Aber dein Beispiel gefällt mir trotzdem nicht so gut.

Ich glaube, es ist eher die Nachlässigkeit/Faulheit/Arroganz,..., die aus lang andauerndem Erfolg entsteht, die hinderlich ist. Siehe auch die vielen erfolgreichen Ordensreformen (Cluny, OCist,...), die dann nach einigen Jahrzehnten wieder die alten Probleme von vor der Reform hatten.

Oder anders gesagt, es scheint mir eher ein Motivationsproblem zu sein, und nicht eines das von z.B. Demokratie etc. verursacht wird, sondern es schient mir eher innere Ursachen zu haben. Ein äußerer "Feind" mag zeitweise ganz gut sein, um neu zu motivieren, aber der ideale Motivator, den man sich gerne wünscht, ist das doch wohl nicht.

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:Ein äußerer "Feind" mag zeitweise ganz gut sein, um neu zu motivieren, aber der ideale Motivator, den man sich gerne wünscht, ist das doch wohl nicht.
Ohne (äußeren) Feind wäre das Christentum hinfällig. Darum geht es doch genau im Christentum! Wir sind schließlich nicht in einem Kulturclub, der nur durch Motivation am leben gehalten werden kann - es geht ums Ganze, und insbesondere darum, dem Bösen zu widersagen.

anselm
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Beitrag von anselm »

Stefan hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Ein äußerer "Feind" mag zeitweise ganz gut sein, um neu zu motivieren, aber der ideale Motivator, den man sich gerne wünscht, ist das doch wohl nicht.
Ohne (äußeren) Feind wäre das Christentum hinfällig. Darum geht es doch genau im Christentum! Wir sind schließlich nicht in einem Kulturclub, der nur durch Motivation am leben gehalten werden kann - es geht ums Ganze, und insbesondere darum, dem Bösen zu widersagen.
Das leuchtet ein. Aber warum reicht das denn nicht aus zur Motivation? Weil dieser "äußere Feind" = "das Böse" von den Gläubigen nicht mehr Ernst genommen wird?

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:Weil dieser "äußere Feind" = "das Böse" von den Gläubigen nicht mehr Ernst genommen wird?
Vielleicht nicht mehr wahrgenommen. Letztlich verwandelt sich ja auch der Freiheitsdrang einer freien Gesellschaft in allgemeine Müdigkeit. Tatsache ist, daß in einer Wohlstandsgesellschaft weder Not noch "das Böse" wahrgenommen werden.

Nun, der Rückschluß, daß man nun möglichst viel Böses schaffen muß, um dem Christentum wieder Geltung zu verschaffen, ist natürlich auch verquer, um dem gleich zuvorzukommen.

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spectator
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Beitrag von spectator »

Stefan hat geschrieben:Nun, der Rückschluß, daß man nun möglichst viel Böses schaffen muß, um dem Christentum wieder Geltung zu verschaffen, ist natürlich auch verquer, um dem gleich zuvorzukommen.
das ist richtig, Stefan, die aufkommende Demokratie in den Ländern, wo es keine kommunistische Alleinherrschaft vorher gab, hat den gemeinsamen Feind verschwinden lassen (scheinbar zumindest). In manchen Ländern jedoch gab es vor dem Kommunismus keine Demokratie – d.h. aus der Monarchie direkt ins Kommunismus – der „gemeinsame Feind“ war also immer da und wurde nie „künstlich“ eingeführt, um dem Christentum Geltung zu verschaffen. Das Böse also, der Feind, war von Anfang an da und war auch das Kennzeichen der von Paulus im Röm12:2 erwähnten Welt.

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