Liebeslieder als Theologie

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Peduli
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Liebeslieder als Theologie

Beitrag von Peduli »

Folgendes Lied hörte ich heute im Radio:
My First, My Last, My Everything

Barry White singt dort folgendes:
Du bist an erster Stelle, an letzter Stelle, mein Ein und Alles
Die Antwort auf all meine Träume
Du bist meine Sonne für mich, mein Mond, mein Leitstern
Alles Wundervolle für mich, das bist Du

Ich weiß, es gibt nur eine wie Dich
Es kann Dich nicht noch einmal geben
Du bist alles, wofür ich lebe
Deine Liebe behalte ich für immer
Du bist an erster Stelle, an letzter Stelle, mein Ein und Alles

Durch Dich habe ich so vieles gefunden
Eine neue Liebe, die nur Du in mir erwecken konntest
Siehst Du nicht, dass Du
diese Gefühle in mir weckst
Du bist wie der frische Morgentau an einem neuen Tag

Ich sehe so viele verschiedene Wege
auf die ich Dich lieben kann bis zu dem Tag, an dem ich sterbe
Du bist meine Wirklichkeit,
doch ich bin verloren in einem Traum.
Du bist an erster Stelle, an letzter Stelle, mein Ein und Alles

Ich weiß, es gibt nur eine wie Dich
Es kann Dich nicht noch einmal geben
Du bist meine Wirklichkeit,
doch ich bin verloren in einem Traum.
Du bist an erster Stelle, an letzter Stelle, mein Ein und Alles
(Quelle)

Auch wenn Barry Whtie dort die Liebe zu (s)einer Frau besingt, könnte es genauso gut das Lied eines Gläubigen an den einen und dreifaltigen Gott sein, oder? :emil: :emil: :emil:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Der LOGOS bestimmt das Sein!
Das Sein definiert das Nicht-Sein!

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Protasius
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Re: Liebeslieder als Theologie

Beitrag von Protasius »

Da ist durchaus etwas dran. Einige bekannte geistliche Lieder sind ja praktisch Liebeslieder: "Ich will dich lieben, meine Stärke"; "Mein schönste Zier und Kleinod bist", ... und in der heiligen Schrift haben wir ja im "Canticum canticorum", dem Hohelied oder wörtlich nach dem Lateinischen und Griechischen das "Lied der Lieder" ein Beispiel eines Textes, der einerseits als liebende Zwiesprache zwischen dem göttlichen Heiland und der gläubigen Seele gelesen werden kann, andererseits aber auch zumindest teilweise Passagen enthält, die man recht irdisch-erotisch deuten kann. (Die rabbinische Tradition hat m.W. von der Lektüre dieses Buches für junge Menschen unter 30 deshalb abgeraten.)
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

kukHofnarr
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Re: Liebeslieder als Theologie

Beitrag von kukHofnarr »

Peduli hat geschrieben:
Dienstag 22. Oktober 2024, 17:45

(...)

(Quelle)

Auch wenn Barry Whtie dort die Liebe zu (s)einer Frau besingt, könnte es genauso gut das Lied eines Gläubigen an den einen und dreifaltigen Gott sein, oder? :emil: :emil: :emil:
! DANKE !

Ich glaube im Mittelalter der schönen Liebe, Minne genannt, war es nicht so dringend nötig wie heute, diesen intrinsischen Sachverhalt zu thematisieren.
Walther von der Vogelweide in L. 99,6-100,2 hat geschrieben:
DÂ MITE SIHE ICH DUR MÛRE

Sumer unde winter beide sint
guotes mannes trôst, der trôstes gert:
er ist rehter fröide gar ein kint,
der ir niht von wîbe wirt gewert.
dâ von sol man wizzen daz,
daz man elliu wîp sol êren,
und iedoch die besten baz.

Sît daz nieman âne fröide touc,
sô wolte ouch ich vil gerne fröide hân
von der mir mîn herze nie gelouc,
ezn sagte mir ir güete ie sunder wân.
swenn ez dougen sante dar,
seht, sô brâhtens im diu mære,
daz ez fuor in sprüngen gar.

In weiz niht wol wiez dar umbe sî:
sin gesach mîn ouge lange nie:
sint ir mînes herzen ougen bî,
sô daz ich ân ougen sihe sie?
da ist doch ein wunder an geschehen:
wer gap im daz sunder ougen,
deiz si zaller zît mac sehen?

Welt ir wizzen waz diu ougen sîn,
dâ mit ich si sihe dur elliu lant?
ez sint die gedanke des herzen mîn:
dâ mite sihe ich dur mûre und ouch dur want.
nû hüeten swie si dunke guot:
sô sehent si doch mit vollen ougen
herze wille und al der muot.

Wirde ich iemer ein sô sælic man,
daz si mich ân ougen sehen sol?
siht si mich in ir gedanken an,
sô vergiltet si mir mîne wol.
mînen willen gelte mir,
sende mir ir guoten willen:
mînen den habe iemer ir.

Ich habe dieses Lied mit meiner weiter als nur einen Balkon entfernten Liebsten vor Augen so übersetzt:

+

DAMIT SEHE ICH DURCH MAUERN

Sommerlust und des Winters Sehnen
beide sind jenes Mannes Trost, der Trostes wert:
doch ohne wahre Freud‘ bleibt er das Kind,
das ihm bislang vom Weibe ward verwehrt!
Davon soll wissen jeder Mann von Ehr‘:
alle Frauen soll man achten,
und die besten umso mehr!

Man sagt: kein Mann taugt ohne diese Freude,
so auch ich gern viel von ihr besäße,
von der mein Herz mir bisher nichts erzählte.
Manchmal scheint’s, ihre Huld nur Wahn mir wäre,
jedoch, als es seine Augen zu ihr sandte,
seht, solche Kunde sie zurück ihm brachten
dass es in Freudensprüngen entbrannte.

Ihm war nicht klar, was da geschah:
solch‘ Sprechen sah sein Aug‘ noch nie:
„Sind meines Herzens Augen denn in ihr da,
so, daß ich ganz ohn‘ Aug‘ erkenne sie?“
Wohl durch ein Wunder ist’s geschehen:
wer gab’s ihm, dass ganz ohne Augen
er sie zu aller Zeit kann sehen?

Wisst ihr, was sollen die Augen sein,
womit ich SIE seh‘ im ganzen Land?
Es sind die Gedanken des Herzens mein:
damit sehe ich durch Mauern und Felsenwand.
Wenn du sie verwahrst im Dunklen gut,
durchforschen sie in klarer Schau
Herzenssehnen und alles Gemüt.

Werd‘ ich je sein ein so glücklicher Mann,
dass sie ohn‘ Aug‘ mich erkennet klar?
Dann blickt sie mich in Gedanken an,
und vergilt damit meine ganz und gar,
erwidern wird sie meines Herzens Fragen.
Möge doch senden sie ihr Innerstes mir:
das meine bleib‘ ihr an allen Tagen.


(Walter von der Vogelweide 99,6-100,2)

+

Was ist der Beweggrund der Minne, bzw. was wollten Frauen im Mittelalter, bzw. was konnten Frauen im Mittelalter maximal erwarten?

Die Antwort auf diese Frage, kann vielleicht nur jemand verstehen, der wie ich die Zigarette als mobiles Lagerfeuer interpretiert, also als Anlass, in Kommunikation mit jemandem zu treten, jenseits virtueller Realität also DIESSEITS, was nicht bedeutet, dass ich Raucher bin, sondern dass ich die Gelegenheit zur Nähe nicht blockiere durch Abweisung.

Frauen suchen heute - ganz besonders heute - eine Gelegenheit zur Nähe - aber die Berührung selbst ist schon zu viel ...

Wenn jedoch Frau und Mann in die Dauer "aufs Ganze" gehen wollen, dann - so meine ich - lohnt es sich für beide, die Ereignisse von Gründonnerstagabends bis Ostermorgens "aufs Ganze" ihrer ehelichen Beziehung zu deuten.
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Peduli
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Re: Liebeslieder als Theologie

Beitrag von Peduli »

Protasius hat geschrieben:
Dienstag 22. Oktober 2024, 18:29
Da ist durchaus etwas dran. Einige bekannte geistliche Lieder sind ja praktisch Liebeslieder: "Ich will dich lieben, meine Stärke"; "Mein schönste Zier und Kleinod bist", ... und in der heiligen Schrift haben wir ja im "Canticum canticorum", dem Hohelied oder wörtlich nach dem Lateinischen und Griechischen das "Lied der Lieder" ein Beispiel eines Textes, der einerseits als liebende Zwiesprache zwischen dem göttlichen Heiland und der gläubigen Seele gelesen werden kann, andererseits aber auch zumindest teilweise Passagen enthält, die man recht irdisch-erotisch deuten kann. (Die rabbinische Tradition hat m.W. von der Lektüre dieses Buches für junge Menschen unter 30 deshalb abgeraten.)
Die Texte in der Hl. Schrift führen selbstredend direkt zu dem von der Kirche seit Anbeginn vertretenen Anti-Gnostizismus. :)

Und im Hinterkopf sollte man auch behalten, daß Jesus Christus inkarnierte; mithin Fleisch annahm, er wurde Leib* ! :ja: :ja: :ja:

Die rabbinische Tradition führt demgegenüber in die Irre, denn auch durch die von Dir angesprochenen Texte kann die Entscheidung für die Ganzhingabe an Jesus Christus - vulgo: Berufung zur Priesterschaft - durchaus positiv beeinflußt werden.



* und nicht nur Körper! :doktor:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Der LOGOS bestimmt das Sein!
Das Sein definiert das Nicht-Sein!

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