Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Kilianus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Kilianus »

Bernado hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben: Indem die Worte Christi als "Einsetzungsbericht" fast auf den Rang einer historischen Fußnote herabgestuft werden und somit das handelnde Subjekt weniger deutlich erkennbar ist als in der klassischen Form, kann es hier leichter zu Missdeutungen der Art kommen, wonach nicht der Priester als Alter Christus, sondern "die Versammlung" (alte Institutio § 7!) agiert.
Der Begriff des "alter Christus" kann durchaus auch zu Mißdeutungen führen. Hinter manch modernem Mißgriff steckt ein klerikalistisches Denken, das von daher inspiriert ist. Zum Beispiel der Hang, die Gemeinde allüberall mitsprechen zu lassen - erklärbar ja nur, wenn sich der Priester überhaupt nicht mehr als Teil der Gemeinde, sondern nur noch als ihr Gegenüber sieht. Die Rede vom Handeln in persona Christi capitis ecclesiae scheint mir die liturgische Rolle des Priesters am ausgewogensten zu umschreiben.
(Insbesondere, wenn er so am Altar steht, wie es die Tradition vorsieht.)

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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

Florianklaus hat geschrieben:Fraglich ist doch schon, ob man diese Entscheidung der gesamten Orthodoxie anlasten kann. Weiß jemand, auf welcher hierarchischen Ebene diese Verschlimmbesserung vorgenommen wurde?
Soweit ich weiß auf der Ebene des Patriarchats von Antiochien. Und ebenfalls soweit ich weiß wurde das aus Rücksicht auf die orthodoxe Grundstimmung gemacht, die stets geneigt ist, die Unterschiede zur Kirche des Westens zu betonen. Aus dem gleichen Grund wurde auch groß herausgestellt, daß das "filioque" aus dem Credo getilgt wurde - obwohl es bei den in Gemeinschaft mit dem Papst stehenden Kirchen (zumindest byzantinischer Tradition) ja auch nicht explizit drinsteht.

In dem Zusammenhang würde mich interessieren, was eigentlich mit dem Teigitur geschehen ist - da waren ja wohl auch Umformulierungen nötig. Vielleicht aber auch nicht, denn der weitaus größte Teil der mit Antiochien "unierten" Lateiner sind ehemalige Anglikaner
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Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Bernado hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Fraglich ist doch schon, ob man diese Entscheidung der gesamten Orthodoxie anlasten kann. Weiß jemand, auf welcher hierarchischen Ebene diese Verschlimmbesserung vorgenommen wurde?
Soweit ich weiß auf der Ebene des Patriarchats von Antiochien. Und ebenfalls soweit ich weiß wurde das aus Rücksicht auf die orthodoxe Grundstimmung gemacht, die stets geneigt ist, die Unterschiede zur Kirche des Westens zu betonen. Aus dem gleichen Grund wurde auch groß herausgestellt, daß das "filioque" aus dem Credo getilgt wurde - obwohl es bei den in Gemeinschaft mit dem Papst stehenden Kirchen (zumindest byzantinischer Tradition) ja auch nicht explizit drinsteht.

In dem Zusammenhang würde mich interessieren, was eigentlich mit dem Teigitur geschehen ist - da waren ja wohl auch Umformulierungen nötig. Vielleicht aber auch nicht, denn der weitaus größte Teil der mit Antiochien "unierten" Lateiner sind ehemalige Anglikaner
Aber dies bedeutet ja, dass der römische Messkanon früher nicht beanstandet wurde. Umgekehrt ist mir nicht bekannt, dass die römische Kirche an dieser Stelle an der Ostkirche eine Kritik geübt hätte. Übrigens ist mir auch nicht bekannt, dass die römische Kirche an den Reformationskirchen diesbezüglich eine Kritik geübt hätte, dass ihr Hochgebet für die fehlende Realpräsenz verantwortlich wäre. Sondern es ist das Problem des fehlenden Weiheamtes in apostolischer Sukzession. Der lutherische Eucharistiegottesdienst wäre gültig, wenn das geweihte Amt vorhanden wäre.

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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Übrigens ist mir auch nicht bekannt, dass die römische Kirche an den Reformationskirchen diesbezüglich eine Kritik geübt hätte, dass ihr Hochgebet für die fehlende Realpräsenz verantwortlich wäre. Sondern es ist das Problem des fehlenden Weiheamtes in apostolischer Sukzession. Der lutherische Eucharistiegottesdienst wäre gültig, wenn das geweihte Amt vorhanden wäre.
Die Kirche kennt keine Konsekration außerhalb des Eucharistiegebetes. Ob eine Gebetsfolge, die aus Dialog - Präfation - Sanctus - Einsetzungsbericht - Vater unser und Agnus Dei besteht, ein hinreichender Ersatz ist, möchte ich eher bezweifeln.

Wenn sich bis dato keine römische Kongregation oder Kommission damit beschäftigt hat, heißt das ja nicht, daß eine Eucharistie, die nach der alten lutherischen Agende von einem (gültig geweihten) Priester gefeiert wird, per se eine legitime ist.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Fraglich ist doch schon, ob man diese Entscheidung der gesamten Orthodoxie anlasten kann. Weiß jemand, auf welcher hierarchischen Ebene diese Verschlimmbesserung vorgenommen wurde?
Soweit ich weiß auf der Ebene des Patriarchats von Antiochien.
Auch das Moskauer Patriarchat (Hl. Synod 197), die Auslandskirche etc.
Siehe hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Western_Rite_Orthodoxy
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: wobei die eigentiche Darbringung im römischen Ritus ja dann beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." geschieht.
Wie kommst du darauf?
Interessiert mich wirklich.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

ad-fontes hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:Nach dem Wort "Leib" und nach dem Wort "Blut".
Ohne daß der Nebensatz zu Ende gesprochen ist? Das würde aber im Gegensatz zum Fettdruck der Missalien stehen.
Das ebenfalls.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:Einer der übelsten Eingriffe der Reformer in die organisch gewachsene römische Liturgie war ja die Ersetzung (geplant war ersatzlose Abschaffung) der altehrtwürdigen Offertoriumsgebete. Und warum sollten die getilgt werden? Weil sie stellenweise so klingen, als ob bereits die verwandelten Gaben auf dem Altar lägen: "Heilige Dreifaltigkeit, nimm diese Opfergabe an, die wir Dir darbringen zum Andenken an das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt unsres Hern Jesus Christus...".

War die Kirche 2000 Jahre lang zu blöd, um das zu bemerken? Bugnini und Co. haben genau das angenommen und gingen mit ihrer ingenieurmäßigen Denke (darin den verachteten Scholastikern gar nicht so unähnlich) daran, den "Fehler" zu reparieren.
Eher 1000 Jahre. Der "Fehler" wurde ja nicht repariert, sondern verschlimmbessert.

Bei der Frage nach einem Reformparadigma, so denke ich, fällt die Antwort je nach "Konfession" anders aus.

Für einen römischen Katholiken, davon ausgehend daß die eigene Kirche die Vollverwirklichung der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche ist, kann das, was vor erst 1000 oder weniger Jahren rezipiert wurde, nicht falsch sein.

Für einen Lutheraner kann etwas unabhängig vom Alter falsch sein, wenn es nicht evangeliumsgemäß ist. Zudem sah Luther den Kanon nicht als Ganzes, sondern verstand ihn - als Kind seiner Zeit - als eine Abfolge von Bitt- und Opferungsgebeten. Das Ad-fontes Prinzip führte hier zum strengen Eliminieren.

Für einen Altkatholiken auf der Grundlage der Utrechter Erklärung ist die alte, ungeteilte Kirche die Norm, nach der Reformen die Wiederherstellung des Zustandes ante Schisma zum Ziel haben. Dabei wird vorausgesetzt, daß durch den Verlust der Einheit und des unveränderten Glaubens Mißbräuche oder Fehlentwicklungen in die Westkirche Eingang gefunden haben. Allerdings ist bei diesem Konzept die Gefahr des gleichen Irrwegs gegeben wie bei den Lutheranern*, denn die Tradition ist nicht allein in einem Buch zu finden und die alte Kirche ist nicht eine untergegange, eine bloße historische Reverenzgröße, sondern sie existiert dort fort, wo Gläubige um rechtmäßige Bischöfe, die dem Wort der Wahrheit folgen, versammelt sind. Da, wo bei Altkatholiken die Bezugnahme zur Orthodoxie als Korrektiv fehlt, ist der Weg in die Nichtkirchlichkeit vorgezeichnet. Diese existientielle Orientierung - wahre Ökumene - muß nicht zur Adaption ostkirchlicher Bräuche führen, wie es die Schweizer Altkatholiken getan haben, indem sie eine Geistepiklese in die Übersetzung des römischen Kanon aufgenommen haben oder die postbaptismale Salbung zur Firmsalbung gemacht haben. Im Hinblick auf die Eucharistie heißt das: die Offertoriumsgebete (außer der Sekret) sind verzichtbar, der Kanon nicht. Der Kanon ist, so wie er ist, vollgenügsam, aber bei einer Übertragung ins Deutsche kann - wie an einem Diamanten - weiter geschliffen werden. Dies muß äußerst behutsam und mit großer Sachkenntnis erfolgen, sonst springt der Stein.

*Ad-fontes als romantische Sehnsucht nach Wiederherstellung der Urkirche in freier Anwandlung an die Zustände der Gegenwart (alt-katholisch = zeitgemäß katholisch). Hier vermischt sich dann bunt Selbstgestricktes mit Versatzstücken von hier und dort. Die heutigen Protagonisten der AKK setzen leider auf dieses Pferd. So ist aber die Utrechter Erklärung in meinen Augen nicht zu verstehen.
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Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

ad-fontes hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: wobei die eigentiche Darbringung im römischen Ritus ja dann beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." geschieht.
Wie kommst du darauf?
Interessiert mich wirklich.
So wurde es mir einmal von einem Liturgiker gesagt. Eine Quelle kann ich im Moment nicht nennen. Was aber auffällt:

1. Innerhalb des eucharistischen Geschehens (Gabenbereitung, Eucharistiegebet) erfolgt eine Reihe von Elevationen, die immer auch Darbringungsgesten sind (darauf gingen wir in diesem Thread ja auch schon ein). Gerade die Elevation bei der Schlussdoxologie kann eben nicht als Zeigegestus hin zur Gemeinde verstanden werden im Unterschied zu den je einzelnen Elevationen nach Brotwort und Kelchwort! Das abschließende "Durch ihn..." wird dadurch deutlich zur abschließenden, den Höhepunkt markierenden Darbringung.

2. Beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." sprechen bzw. singen, wenn mehrere Priester zelebrieren, alle gemeinsam, wie auch bei den Einsetzungsworten. Hierdurch wird, wie bei den Einsetzungsworten, die Gemeinschaft im priesterlichen Amt herausgestellt, das Gott das eucharistische Opfer darbringt. Auch dadurch wird der abschließende priesterliche Akt der Darbringung deutlich hervorgehoben.

Das war jetzt ein bisschen "aus dem Bauch heraus" formuliert. Ich bin hochkirchlicher Lutheraner und deshalb kein wirklicher Experte für die römische Liturgik.

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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:1. Innerhalb des eucharistischen Geschehens (Gabenbereitung, Eucharistiegebet) erfolgt eine Reihe von Elevationen, die immer auch Darbringungsgesten sind (darauf gingen wir in diesem Thread ja auch schon ein). Gerade die Elevation bei der Schlussdoxologie kann eben nicht als Zeigegestus hin zur Gemeinde verstanden werden im Unterschied zu den je einzelnen Elevationen nach Brotwort und Kelchwort! Das abschließende "Durch ihn..." wird dadurch deutlich zur abschließenden, den Höhepunkt markierenden Darbringung.
Nach Jungmann ist die "kleine Elevation" in der Tat kein Zeigegestus, sondern sie unterstreicht den Charakter des Per ipsum als abschließende klassische Doxologie. Sie ist insoweit nicht der Höhepunkt, aber die abschließende Zusammenfassung des Kanongebetes im Lobpreis Gottes. Deshalb zu Recht auch die Bekräftigung durch das Amen der Gemeinde.
2. Beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." sprechen bzw. singen, wenn mehrere Priester zelebrieren, alle gemeinsam, wie auch bei den Einsetzungsworten. Hierdurch wird, wie bei den Einsetzungsworten, die Gemeinschaft im priesterlichen Amt herausgestellt, das Gott das eucharistische Opfer darbringt. Auch dadurch wird der abschließende priesterliche Akt der Darbringung deutlich hervorgehoben.
Das mag als moderne Deutung für den Novus Ordo zutreffen. Da die Tradition, soweit uns erreichbar, keine Konzelebration kennt (Ausnahme Priesterweihe), trägt diese Überlegung zur Erhellung der traditionellen Gestalt wenig bei.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Das abschließende "Durch ihn..." wird dadurch deutlich zur abschließenden, den Höhepunkt markierenden Darbringung.
Ich würde dies auf der Text- nicht auf der Rubrikenebene verorten wollen und zwar beim offerimus ("wir bringen dar"). Das Scharnier fast aller Eucharistiegebete zwischen Anamnese und Epiklese.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." sprechen bzw. singen, wenn mehrere Priester zelebrieren, alle gemeinsam, wie auch bei den Einsetzungsworten. Hierdurch wird, wie bei den Einsetzungsworten, die Gemeinschaft im priesterlichen Amt herausgestellt, das Gott das eucharistische Opfer darbringt. Auch dadurch wird der abschließende priesterliche Akt der Darbringung deutlich hervorgehoben.
Interessante Beobachtung. Überträgt man diese Deutung auf die Praxis der deutschen altkath. Kirche, wo laut Rubriken die Doxologie von allen gesungen oder gesprochen wird, hieße das, daß hier das allgemeine Priestertum der Gläübigen als liturgiefähiges Subjekt zum Ausdruck gebracht wird.

Auch die römisch-katholischen Universitätstheologen werden ja nicht müde zu sagen: "Das Subjekt der Darbringung ist die Gemeinde".

Wer ist das "wir", das im offerimus spricht?
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

ad-fontes hat geschrieben: Auch die römisch-katholischen Universitätstheologen werden ja nicht müde zu sagen: "Das Subjekt der Darbringung ist die Gemeinde".
Oder pronouncierter: "Die Zelebrantin der Liturgie ist die Gemeinde".
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Aber dies bedeutet ja, dass der römische Messkanon früher nicht beanstandet wurde.
Von Luther schon. Wegen der ihm grauenvollen Vorstellung, Christus werde in der Messe erneut geopfert.

Fixiert man die Wandlung jedoch nicht bei den bzw. durch die Herrenworte, ändert sich auch das Objekt der Darbringung: nicht Leib und Blut Christi, sondern die ausgesonderten Gaben von Brot und Wein, die zwar schon im Hinblick auf ihre Verwandlung als "Brot des ewigen Lebens" und "Kelch des immerwährenden Heiles" epithetisch vorausbenannt werden, werden dargebracht.

Luthers Ablehnung trifft nicht den Kanon auf seiner Textebene, vorausgesetzt man läßt Dogmatik und Rubriken beiseite. Dazu bedarf es liturgievergleichener Kenntnisse, die ihm fehlten.

Durch die Verkürzung auf die Herrenworte (als Konsekrationsworte) blieb Luther ganz im mittelalterlichen Denken verhaftet, selbst in der Ablehnung dieser "vermaledeiten Abgötterei".
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Germanus »

... aber, wenn ich hier manche Einwürfe richtig mitgelesen habe, dann sind es im Mittelalter gerade noch nicht einzelne Wörter, die konsekratorisch wirken, sondern der Vollzug der Liturgie!? Erst das Bedürfnis nach Absicherung und vermeintlicher Klärung hat doch zum "Missbrauch" der liturgischen Vollzüge geführt, die eingeengt wurden, um das außerhalb der zeitlichen Grenzen stehende Geschehen nun auch noch punktgenau fixieren zu können ( :patsch: )... Noch im 12. Jahrhundert (ich hatte es irgendwo schon mal gebracht) gibt es Textzeugen, die die Opfergaben schon zu Beginn der Eucharistiefeier als "benedicta" bezeichnen, allein durch ihre Herausgehobenheit hinsichtlich der Liturgie.
Gruß, Germanus
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." sprechen bzw. singen, wenn mehrere Priester zelebrieren, alle gemeinsam, wie auch bei den Einsetzungsworten. Hierdurch wird, wie bei den Einsetzungsworten, die Gemeinschaft im priesterlichen Amt herausgestellt, das Gott das eucharistische Opfer darbringt. Auch dadurch wird der abschließende priesterliche Akt der Darbringung deutlich hervorgehoben.
Interessante Beobachtung. Überträgt man diese Deutung auf die Praxis der deutschen altkath. Kirche, wo laut Rubriken die Doxologie von allen gesungen oder gesprochen wird, hieße das, daß hier das allgemeine Priestertum der Gläübigen als liturgiefähiges Subjekt zum Ausdruck gebracht wird.

Auch die römisch-katholischen Universitätstheologen werden ja nicht müde zu sagen: "Das Subjekt der Darbringung ist die Gemeinde".

Wer ist das "wir", das im offerimus spricht?
Und genau deshalb ist das gemeinsame Sprechen der Doxologie, wie Redemptionis Sacramentum ausdrücklich einschärft, auch im Novus Ordo nicht zulässig.

Das "Wir" ist der Papst mit den ihn umgebenden Priestern und Diakonen. Das ist der gleiche Kreis, der im "orate, fratres" angesprochen wird. Aber während es im offerimus undifferenziert bleibt, wird es im orate fratres ausdrücklich auseinandergenommen: meum ac vestrum sacrificium. Mit Silbenzählerei kommt man da letztlich nicht weiter. Der Römische Kanon ist nicht das Produkt des modernen analytischen Geistes, der ihn heute gerne analysieren und verstehen möchte.

Und der Gedanke, ihn dadurch verständlicher zu machen, daß man ihn in 300 Volkssprachen übersetzt, ist von so rührender Naivität, daß man eigentlich gar nichts mehr dazu sagen kann.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben: Aber während es im offerimus undifferenziert bleibt, wird es im orate fratres ausdrücklich auseinandergenommen: meum ac vestrum sacrificium.
Unde et memores, Domine, nos servi tui, sed et plebs tua sancta [...] offerimus praeclarae maiestati tuae de tuis donis ac datis
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben: Aber während es im offerimus undifferenziert bleibt, wird es im orate fratres ausdrücklich auseinandergenommen: meum ac vestrum sacrificium.
Unde et memores, Domine, nos servi tui, sed et plebs tua sancta [...] offerimus praeclarae maiestati tuae de tuis donis ac datis
Ich muß aufpassen, daß jetzt nicht wieder was falsch wird - ich mache hier gerade drei Sachen gleichzeitig. Ich habe von irgendwo her im Kopf, daß es zwei verschiedene Dinge sind. Ich glaube im offerimus sind die servi der Altardienst mit dem Zelebranten und das plebs das Volk, während im suscipiat "meus" den Zelebranten und "vestrum" nicht das Volk, sondern den restlichen Altardienst bezeichnet.

Erst in der neueren Deutung wird das vestrum auf das Volk bezogen - und zwar unter dem Einfluss der praxis der Stillmesse, in der es ja sonst nicht allzuviel "vestrum" gab.

Geht jetzt raus ohne Garantie und ohne Nachgucken.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Stimmt wohl so.

(Wobei das sacrificium im Orate, fratres sicherlich die Oblationen meint, so daß ich meine, daß das Volk bei vestrum inkludiert war, ohne daß dies in der Antwort zum Ausdruck kommen mußte.)
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Petur »

ad-fontes hat geschrieben: *Ad-fontes als romantische Sehnsucht nach Wiederherstellung der Urkirche in freier Anwandlung an die Zustände der Gegenwart (alt-katholisch = zeitgemäß katholisch).
Die Kirche Christi soll tatsächlich immer zeitgemäß sein, in dem Sinne, dass sie in jedem Zeitalter die besten Mittel und Methoden der Verkündigung des Evangeliums suchen und finden soll.

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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:Die Kirche kennt auch Kniebeugen vor hölzernen Kreuzen. Ohne ihnen Realpräsenz zuzuschreiben.
Noch einmal für die, die es immer noch nicht kapiert haben: Kniebeuge, Elevation und Schellen. Das ist doch schon etwas viel "Brimborrium" für eine noch fehlende Realpräsenz (bitte entschuldigt den betont ironischhen Begriff "Brimborium"; Ihr wisst, wie ich's meine...). :unbeteiligttu:

Und was die Kniebeuge vor dem Kruzifix angeht, ist das ganz konform mit dem 7. Ökumenischen Konzil, wonach die Verehrung, die wir dem Abbild entgegenbringen, auf das Urbild übergeht, also Christus selbst.
Berolinensis hat geschrieben:Hier ist ja übers Wochenende eine ganze Menge geschrieben worden, was ich jetzt nur überfliegen konnte, deshalb bitte ich um Nachsicht, wenn das, was ich jetzt sage, schon mal irgendwo gebracht wurde.

Ich wollte nur auf die Frage eingehen, ob mit den Wandlungsworten über das Brot die Wandlung des Brotes bereits abgeschlossen ist, und was es mit der Elevation und Kniebeuge danach auf sich hat: Diese Elevation wurde (und zwar als erste Elevation, und eindeutig zum Zeigen, nicht als Darbringungsgeste; auch die Rubriken sagen eindeutig: "elevat in altum Hostiam, et intentis in eam oculis (...) populo reverenter ostendit adorandam", Ritus servandus VIII, 5) eigens eingeführt, um die Irrlehre des Petrus Cantor (Wndlung erst durch Wandlung des Kelchs) zurückzuweisen. Das ganze hier aufbereitet als Comic: http://the-hermeneutic-of-continuity.bl ... ldren.html
Gewißheit darüber, daß die Wandlung abgeschlossen ist, kann man bei Verwendung des römischen Kanon - so man denn der allgemein verbreiten altkirchliche Auffassung folgt, die als orthodox gilt - erst haben, wenn der Priester am Ende der dritten Strophe nach dem Einsetzungsbericht die Worte gesprochen hat: omni benedictione caelesti et gratia repleamur.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Das Kreuz bezeichnet ja die Segenshandlung. Und durch das segnende Sprechen der Einsetzungsworte werden nach der Konkordienformel die Elemente gewandelt.
Du hattest irgendwo nach der Geschichte der Kreuzzeichen gefragt. Das Kreuzzeichen ist sowohl Segens- als auch Hinweisgestus: es markiert, sondert aus, weiht es, übereignet es Gott.

Die Kreuzzeichen während der Herrenworte gehören jedoch zur jüngsten Schicht von Kreuzzeichen, die dem Kanon hinzugewachsen sind. Möglicherweise stehen sie im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Nachkommungsgesten (Aufblicken in den Himmel und leichtes Erheben des Brotes und des Kelches durch den Priester) oder haben diese ventiliert (11./12. Jh.). Darüber hinaus ist zu beachten, daß sie (außer an obiger Stelle bei benedixit) nie einzeln erfolgen, sondern stets in der Mehrzahl, zweifach, dreifach.., ein Widerschein der Rhythmik des Sprachgeschehens.
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Die Anaphora von Addai und Mari

Beitrag von cantus planus »

Seit der Erlaubnis, dass unierte Chaldäer unter bestimmten Bedingungen die hl. Kommunion in der nicht unierten „Assyrischen Kirche des Ostens“ zu empfangen können, reisst die Diskussion um die Anaphora von Addai und Mari nicht ab: unter bestimmten Bedingungen die hl. Kommunion in der nicht unierten „Assyrischen Kirche des Ostens“ zu empfangen

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