Berolinensis hat geschrieben:Ich hatte - wie wohl auch Marion - unter der Weitergabe der Sünde des Adam durch Fortpflanzung (transfusum propagatione, wie Trient lehrt) auch verstanden, daß der menschlichen Natur selbst aufgrund der Erbschuld ein Mangel anhaftet; so liest es sich auch im Weltkatechismus Nr. 404 (ich weiß, daß du von dem eh nicht viel hältst; vielleicht könnte man an anderer Stelle einmal erörtern, wie du dessen Verbindlichkeit einschätzt). Jetzt verstehe ich dich so, daß auch dieser Mangel (Tod und körperliche Strafen) darauf beruht, daß die jedem eingehauchte Seele nicht mehr über die Gaben der Integrität verfügt, also auch an der Seele hängt. Die physische Natur wäre demnach von der Erbsünde nicht beeinträchtigt, und die Weitergabe durch Fortpflanzung nur indirekt?
Ich habe zunächst ein Weilchen gebraucht, um den Einwand zu verstehen und vielleicht ist es mir immer noch nicht gelungen, wenn ich also am Problem vorbei antworte ist es nicht Absicht, einfach Bescheid geben.
Ich versuche mit einigen (Begriffs-)Klärungen zu antworten, aus denen sich entweder die Lösung des Einwandes ergibt oder sich eine präzise Nachfrage stellen läßt. (Um einem etwaigen Verdacht vorzubeugen, ich würde eigene, möglicherweise irrige Thesen verbreiten, füge ich gleich hinzu, daß ich im weiteren die Ausführungen in den Dogmatiken von Diekamp und Ott zusammenfasse).
1. Worin besteht das Wesen der Erbsünde?
Das Wesen der Erbsünde besteht im schuldbaren Mangel der urständlichen Gerechtigkeit („iustitia originalis“).
2. Worin bestehen die Folgen der Erbsünde?
a) Beraubung der übernatürlichen Gaben* und der Seligkeit des Himmels
* Das heißt der hlgm. Gnade & Gaben der Integrität. => Durch Letztere wurden die "normalen" Gebrechen der Menschennatur (Tod, Krankheit, Begierlichkeit,...) ferngehalten. Durch den Wegfall dieser Gaben stellten sich diese Gebrechen jetzt wieder ein.
b) Verwundung der erbsündigen Natur
Sie besteht in einer Schwächung und Verschlechterung der natürlichen Kräfte des Leibes wie der Seele. Der Grund für diese Verschlechterung liegt im Verlust der übernatürlichen Gaben des Urzustandes.
Es gibt 2 Wunden des Leibes (Leidensfähigkeit & Sterblichkeit), deren Ursache im Verlust der präternaturalen Gaben der Leidlosigkeit und Unsterblichkeit liegt.
Es gibt 4 Wunden der Seele (Unwissenheit, Bosheit, Schwachheit, Begierlichkeit), deren Ursache im Verlust der präternaturalen Gabe der Freiheit von der Konkupiszenz liegt.
3. Die Ausführungen im KKK
KKK 404 hat geschrieben: Wieso ist die Sünde Adams zur Sünde aller seiner Nachkommen geworden? Das ganze Menschengeschlecht ist in Adam "wie der eine Leib eines einzelnen Menschen" (Thomas v. A., mal. 4,1). Wegen dieser "Einheit des Menschengeschlechtes" sind alle Menschen in die Sünde Adams verstrickt, so wie alle in die Gerechtigkeit Christi einbezogen sind. Die Weitergabe der Erbsünde ist jedoch ein Geheimnis, das wir nicht völlig verstehen können. Durch die Offenbarung wissen wir aber, daß Adam die ursprüngliche Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht für sich allein erhalten hatte, sondern für die ganze Menschennatur. Indem Adam und Eva dem Versucher nachgeben, begehen sie eine persönliche Sünde, aber diese Sünde trifft die Menschennatur, die sie in der Folge im gefallenen Zustand weitergeben. Sie ist eine Sünde, die durch Fortpflanzung an die ganze Menschheit weitergegeben wird, nämlich durch die Weitergabe einer menschlichen Natur, die der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelt. Deswegen ist die Erbsünde "Sünde" in einem übertragenen Sinn: Sie ist eine Sünde, die man "miterhalten", nicht aber begangen hat, ein Zustand, keine Tat.
4. Fazit
Der Mangel von dem Nr. 404 KKK richtigerweise spricht, ist jener, den ich oben unter Punkt 1 angegeben habe bzw. der im Zitat des KKK unterstrichen ist, wobei Du in Deinem Beitrag darunter irrtümlicherweise bereits die Folgen dieses Mangels (oben Punkt 2 bzw. Nr. 405 KKK) zu verstehen scheinst.
Wie Du weiters oben Punkt 2b entnehmen kannst, sind die einzelnen Folgen dieses Mangels, tatsächlich eine Auswirkung des Fehlens der Gaben der Integrität.
Was Deine Frage nach der Beeinträchtigung der physischen Natur durch die Erbsünde betrifft, so verstehe ich Dich so, daß Du danach fragst, ob die Verwundung der Natur ausschließlich im Verlust der präternaturalen Gaben besteht oder ob die menschliche Natur darüber hinaus geschwächt wurde? --- Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Der hl. Thomas, dem ich mich anschließe, vertritt die erste Ansicht, also bloßer Verlust der Gaben und keine weitere Schwächung der natürlichen Kräfte.
Wenn ich etwas vergessen habe, einfach melden.