Aus der Natur folgt kein Sollen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Juergen hat geschrieben: Dann kann man z.B. als Maxime wählen "suum cuique" (jedem das seine).
Kann man, Jürgen, kann man. Leider! Beispiele führst Du selbst an.

John-Paul
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Registriert: Sonntag 12. September 2004, 20:10

Re: Aus der Natur folgt kein Sollen

Beitrag von John-Paul »

Juergen hat geschrieben:Ein These:

Unter rein atheistischen (meinetwegen auch naturalistischen) Vorstellungen gilt folgendes:
- aus der Natur folgt kein Sollen.


Wenn das stimmt, kann man auch daraus folgern:
-> keine Moral ohne Gott
Interessante Frage (die ich erst jetzt entdeckt habe).

Nach Humes Satz (analog G.E. Moore) gilt genau, daß aus einem Seinssatz kein Sollenssatz folgen kann; denn das wäre ein sog. naturalistischer Fehlschluß.

Ich glaube jedoch nicht, daß - wie Du schreibst - dies impliziert, daß es ohne Gott keine Moral geben könne. Vielmehr folgt daraus, daß selbst dann, wenn Gott existiert (Seinssatz), daraus nicht gefolgert werden kann, daß die Menschen seine moralischen Gebote halten sollen (Sollenssatz).

Das Thema finde ich deshalb sehr interessant, da ich mich schon länger frage, ob der Vorwurf eines naturalistischen Fehlschlusses überhaupt relevant sein kann, wenn man unterstellt, daß Gott der eine Ursprung allen Seins und Sollens ist. Dann kann es strikt getrennte Sphären der Seins- und der Sollenssätze doch eigentlich gar nicht geben.

Mit anderen Worten: Der naturalistische Fehlschluß scheint mir eine subjektivistische (nicht-theonome) Moralbegründung vorauszusetzen, nach der eine Norm nur dann gilt, wenn sie vom jeweiligen Normadressaten persönlich akzeptiert wird. Für objektivistische Normbegründungstheorien (insbesondere die christliche Sozialethik) kann dieser Vorwurf nicht gelten, weil Normsätze hier selbst Tatsachensätze darstellen.

Wenn das aber so ist, dann frage ich mich, warum gerade in der katholischen Naturrechtsethik so viele Autoren den Wunsch verspüren, darauf hinzuweisen, daß, wer mit der "Natur des Menschen" als Zielvorstellung argumentiere, gar keinen naturalistischen Fehlschluß begehe, da ebendiese "Natur" ein Sollenssatz sei (eine Vorstellung davon, wie der Mensch sein soll) und nicht ein tatsächliche Eigenschaft des Menschen (Sein) darstelle.

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Erstmal: Das Humesche Gesetz trifft übrigens die Relativisten mindestens genauso stark. Wenn von der Vielzahl weltweit und quer durch die Geschichte vorhandener unterschiedlicher Moralvorstellungen, also deskriptivem Merkmalen darauf geschlossen wird, dass es ein allgemeinverbindliches moralisches Sollen nicht geben kann.

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Wird denn die in veritatis splendor vorgelegte Moraltheologie überhaupt vom Humeschem Gesetz erfasst?
Wie ist es denn überhaupt zu verstehen, dass christliche Moraltheologie stets daran festgehalten hat, dass das Handeln dem Sein folgt? Ist damit ein primitiver Schluss von der Natur auf das Sollen gemeint, oder nicht vielmehr vom neuen Sein in Christus aufs Sollen als dessen natürlichen Ausfluss? Schließt denn der Christ überhaupt vom Sein aufs Sollen, oder ist sein moralisches Handeln nicht vielmehr Entfaltung seines Seins in Christus, hätte also gar nichts mit Sollen zu tun. Wenn Christus in seiner irdischen Existenz sein ewiges Sohnsein in aktiven Sohnesdienst auseinandergefaltet hat, ist dann seine Liebe als Sollen wirklich aus deskriptiven Aussagen abgeleitet, oder ist es nicht organische Entfaltung? Kann man denn eine Spaltung zwischen deskriptiven und normativen Aussagen in Gott hineintragen, der doch der Gott der Liebe ist? Ist nicht Augustinus zufolge in Gott der Wille der Vernunft vorgelagert, mit der Konsequenz, dass das Sollen nicht aus den logisch späteren Beschreibungen kann, die Gegenstand der Vernunft wären, sondern seine eigentliche Wurzel im Willen finden müsste?

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Da habe ich mich verschrieben.
Nicht:"Ist nicht Augustinus zufolge in Gott der Wille der Vernunft vorgelagert, mit der Konsequenz, dass das Sollen nicht aus den logisch späteren Beschreibungen kann, die Gegenstand der Vernunft wären, sondern seine eigentliche Wurzel im Willen finden müsste?", sondern:
Ist nicht Augustinus zufolge in Gott der Wille der Vernunft vorgelagert, mit der Konsequenz, dass das Sollen nicht aus den logisch späteren Beschreibungen (deskriptiven Merkmalen) abgeleitet werden kann, die Gegenstand der Vernunft wären, sondern seine eigentliche Wurzel im Willen finden müsste?

anselm
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Beitrag von anselm »

Ewald Mrnka hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Quelle des Rechts ist der Wille ( -- Das ganze dann mit parlamentarischem Mehrheitsbeschluß....
Das ist in gottlosen Demokratien immer zu befürchten. Ohne Gott ist eben alles erlaubt.
Ein entschiedene Jain zu deiner Aussage "Ohne Gott ist alles erlaubt":
Ja, denn es gibt dann keine für alle verbindlichen "ewigen" Normen,
Nein, denn es gibt so etwas wie einen Ausgleich von Macht , Interessen, etc.

Gesetze eines "gottlosen demokratischen Staates" sind zwar nicht letztverbindlich, aber sie sind für die darin lebenen Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt verbindlich.

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