Der Zisterzienser Bernardin Schellenberger hat in einem seiner Bücher, in dem er die Predigten des Hl. Bernhard von Clairvaux zum "Hohen Lied der Liebe" neu herausgegeben hat, darauf hingewiesen, daß es zur ersten Jahrtausendwende auch einen Epochenwandel in der Theologie gegeben hat.Uwe Schmidt hat geschrieben:Danke, Raphael, für deine erhellenden Worte! Ich sehe jetzt schon klarer: die Nominalisten stehen also den Realisten/Illuministen entgegen.
Während im ersten Jahrtausend die Theologie sehr theozentriert gewesen war, beginnt sie am Anfang des zweiten Jahrtausends den Menschen mehr in den Mittelpunkt ihres Interesses zu stellen. Der von Tacitus eingangs erwähnte Petrus Abaelard war einer der ersten Protagonisten dieser "anthropozentrischen Wende". Diese "anthropozentrische Wende" wird in der Scholastik weiterentwickelt; u.a. durch die Einbindung des Aristotelianismus in die Theologie durch Thomas von Aquin. Der Aristotelianismus geht nun davon aus, daß der Geist quasi in der Materie "gebunden" ist (Stichwort: Entelechie), während der Platonismus davon ausgeht, daß sich der Geist auf die Materie "herabsenkt". Letzteres ist mit dem biblischen Reden vom "Geist Gottes" eher in Übereinstimmung zu bringen ........
Die moderne Naturwissenschaft entwickelte sich nun unter den entelechetischen Vorgaben der neuen Philosophien, von denen eine der Nominalismus war/ist. Die Welt wird nun - von manchen ausschließlich - vom Menschen aus gedacht, wie z.B. bei Rene Descartes (Ich denke, also bin ich!) oder Laplace (Gott? Ich habe keinen Bedarf an einer solchen Hypothese!). Die Fortsetzung findet sich dann bei Feuerbach, Marx und Nietzsche .........
Die aristotelische Entelechie wird übrigens in der modernen Systemtheorie, die theoretische Grundlage jeder Physik ist, unter den Stichwörtern Emergenz und/oder Fulguration "weiterbearbeitet". Man sieht, daß sich die Begriffe wandeln, das damit Bezeichnete sich jedoch nicht wesentlich verändert. Die Gefahr der Entmenschlichung durch derartige Denkhaltungen ist IMHO offensichtlich: Der Mensch schafft sich selber ab, indem er sich nur mehr als ein "Systembestandteil" begreift!

GsJC
Raphael