Creatio ex nihilo

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Bei der von Dir präferierten creatio ex ipso besteht aus meiner Sicht die Gefahr, die Schöpfung mit der zweiten Person der Trinität zu identifizieren, wie dies bspw. bei Teilhard de Chardin und seinem "kosmischen Christus" der Fall ist. TdC's Position ist zwar noch kein Pantheismus im engeren Sinne, aber ein grobes Mißverständnis des christlichen Trinitätsglaubens.
Man kann nicht bestreiten, dass du zurecht die Gefahr im letzten Punkt deiner Argumentation siehst. Denn wenn Gott sich aus sich selbst als verbum hervorbringt (ich denk mal, dass Bonaventura das als Lateiner, Italiener und Römer so sah), dann ist dieses verbum das ungeschaffene, inkarnierte und gehauchte. Wir dürfen aber die erste Ursache nicht mit der Wirkung verwechseln. Denn der Vater und der Sohn sind zwei, auch wenn sie im Geist eins sind. So sind auch der Schöpfer und die Schöpfung zwei, wenn auch das ungeschaffene verbum darin Gestalt geworden ist durch die Inspiration des verbums.

Um Teilhard zu diskutieren, müssten wir ihn nicht nur gemeinsam oder jeder für sich lesen, sondern ihn auch darstellen, um festzustellen, ob in seiner Theologie vom kosmischen Christus Gott als die Liebe des dreifaltigen Logos zum Ausdruck kommt und das Paradoxon erhalten bleibt oder es einseitig aufgelöst und damit zerstört wird.

Soweit Gott aber nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor seiner Schöpfung ist, kann alles, was geworden ist, nicht ohne ihn geworden sein. Da das göttliche Wort die eigentliche, weil erwirkende Wirklichkeit ist, ist auch die Schöpfung aus dem Stoff, der durch das Wort ins Dasein gerufen wurde. Weil das die Schöpfung bildende Wort im Anfang war und bei Gott war und Gott war, bildete Gott die Schöpfung "ex ipso".
Das IV. Konzil im Lateran lehrt da etwas anderes:
Wir glauben fest und bekennen aufrichtig, daß nur einer der wahre, ewige, unermeßliche und unveränderliche, unbegreifliche, allmächtige und unaussprechliche Gott ist, der Vater, Sohn, und Heilige Geist: zwar drei Personen, aber eine Wesenheit, Substanz oder gänzlich einfache Natur: der Vater <ist> von keinem, der Sohn allein vom Vater und der Heilige Geist in gleicher Weise von beiden: ohne Anfang, immerwährend und ohne Ende: der Vater zeugt, der Sohn wird geboren und der Heilige Geist geht hervor: wesensgleich, gleichartig, gleich allmächtig und gleich ewig: ein Anfang von allem: der Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, des Geistigen und des Körperlichen: er schuf in seiner allmächtigen Kraft vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht. Der Teufel nämlich und die anderen Dämonen wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber selbst durch sich böse. Der Mensch aber sündigte aufgrund der Eingebung des Teufels.
(zitiert nach Denzinger/Hünermann 800, Hervorhebung von mir)

Die Allerheiligste Trinität ist ja als Trinität schon präexistent. Deshalb ist Gott auch vor sich selber schon vor der Schöpfung, weil der Vater vor dem Sohn und dem Heiligen Geist besteht; und jeweils umgekehrt. Dieses "vor" ist jedoch nicht zeitlich zu verstehen, weil die Zeit ja erst mit der Schöpfung erschaffen wurde, wie man auch bspw. in den Confessiones des Aurelius Augustinus nachlesen kann.

Im Übrigen kann ich mit Deiner Formulierung "ist auch die Schöpfung aus dem Stoff, der durch das Wort ins Dasein gerufen wurde" einverstanden sein, denn der Stoff, aus dem die Schöpfung ist, wurde aus Nichts (sic!) ins Dasein gerufen ...........

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:Die Allerheiligste Trinität ist ja als Trinität schon präexistent. Deshalb ist Gott auch vor sich selber schon vor der Schöpfung, weil der Vater vor dem Sohn und dem Heiligen Geist besteht; und jeweils umgekehrt. Dieses "vor" ist jedoch nicht zeitlich zu verstehen, weil die Zeit ja erst mit der Schöpfung erschaffen wurde, wie man auch bspw. in den Confessiones des Aurelius Augustinus nachlesen kann.

Im Übrigen kann ich mit Deiner Formulierung "ist auch die Schöpfung aus dem Stoff, der durch das Wort ins Dasein gerufen wurde" einverstanden sein, denn der Stoff, aus dem die Schöpfung ist, wurde aus Nichts (sic!) ins Dasein gerufen ...........
Wie ich gestern schon ausgeführt habe, hat Bonaventura richtig dargestellt, dass Gott die Welt durch sein Wort schuf und dadurch "ex ipso" schuf. Nach 26 Semester Studium wusste er freilich, dass man Gegenargumente sammeln muss und integrieren kann.

Aber du hast die eigentlichen Fragen noch nicht berührt: Was ist das Nichts? Wo ist das Nichts? Ist es die weiteste Entfernung von Gott? Sünde? Hölle? Ewiger Tod? Und was ist dann der Mensch?

Müssen wir nicht gegen eine falsche Schöpfungsfeindlichkeit hervorheben und betonen, dass Gott die Schöpfung durch Christus ins Dasein rief? Und bedeutet "ex ipso" nicht, dass der Vater seine ewige Idee von der Schöpfung realisierte, weil ER die Liebe ist?

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Wie ich gestern schon ausgeführt habe, hat Bonaventura richtig dargestellt, dass Gott die Welt durch sein Wort schuf und dadurch "ex ipso" schuf. Nach 26 Semester Studium wusste er freilich, dass man Gegenargumente sammeln muss und integrieren kann.
Es wurde nicht behauptet, daß die creatio ex ipso die Idee eines Dummen gewesen wäre .....................
Nur kann ich aus den bisher von Dir gebrachten Texten des Bonaventura noch keine Integration irgendwelcher Gegenargumente erkennen.
overkott hat geschrieben:Aber du hast die eigentlichen Fragen noch nicht berührt: Was ist das Nichts? Wo ist das Nichts?
Was findest Du am Nichts so anziehend, daß Du wiederholt nachfragst?
overkott hat geschrieben:Ist es die weiteste Entfernung von Gott? Sünde? Hölle? Ewiger Tod? Und was ist dann der Mensch?
Das sind Fragen, auf die man sich stürzen kann, wenn die Frage der rechten Schöpfungstheologie als geklärt betrachtet werden kann.
overkott hat geschrieben:Müssen wir nicht gegen eine falsche Schöpfungsfeindlichkeit hervorheben und betonen, dass Gott die Schöpfung durch Christus ins Dasein rief? Und bedeutet "ex ipso" nicht, dass der Vater seine ewige Idee von der Schöpfung realisierte, weil ER die Liebe ist?
Das Christentum unterscheidet sich vom Gnostizismus unter anderem dadurch, daß es den Schöpfungsakt, d.h. die Schaffung von nichtgöttlichem Sein, als positiv ansieht. Demzufolge ist der exitus der Schöpfung aus dem Göttlichen heraus im Christlichen auf den reditus hin ausgerichtet.

Es gibt also im Christentum keine "falsche Schöpfungsfeindlichkeit". Dies kann man schon bei den Kirchenvätern sehen, die einerseits platonisch philosophieren konnten und andererseits intensive Reliquienverehrer waren.

Dennoch ist göttliches Sein vom geschaffenen Sein zu unterscheiden, ohne das jetzt ein - wie auch immer definierter - Seinsbegriff Gott selber übersteigen könnte.
Die innertrinitarische Relation der Liebe hat sich in der Schöpfung ein "Gegenüber" geschaffen, weil die Liebe aus sich selbst heraus überfließende Eigenschaften besitzt.
Aus und in diesem Überfluß lebt man als katholischer Christ!

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Wie ich gestern schon ausgeführt habe, hat Bonaventura richtig dargestellt, dass Gott die Welt durch sein Wort schuf und dadurch "ex ipso" schuf. Nach 26 Semester Studium wusste er freilich, dass man Gegenargumente sammeln muss und integrieren kann.
Es wurde nicht behauptet, daß die creatio ex ipso die Idee eines Dummen gewesen wäre .....................
Nur kann ich aus den bisher von Dir gebrachten Texten des Bonaventura noch keine Integration irgendwelcher Gegenargumente erkennen.
overkott hat geschrieben:Müssen wir nicht gegen eine falsche Schöpfungsfeindlichkeit hervorheben und betonen, dass Gott die Schöpfung durch Christus ins Dasein rief? Und bedeutet "ex ipso" nicht, dass der Vater seine ewige Idee von der Schöpfung realisierte, weil ER die Liebe ist?
Das Christentum unterscheidet sich vom Gnostizismus unter anderem dadurch, daß es den Schöpfungsakt, d.h. die Schaffung von nichtgöttlichem Sein, als positiv ansieht. Demzufolge ist der exitus der Schöpfung aus dem Göttlichen heraus im Christlichen auf den reditus hin ausgerichtet.

Es gibt also im Christentum keine "falsche Schöpfungsfeindlichkeit". Dies kann man schon bei den Kirchenvätern sehen, die einerseits platonisch philosophieren konnten und andererseits intensive Reliquienverehrer waren.

Dennoch ist göttliches Sein vom geschaffenen Sein zu unterscheiden, ohne das jetzt ein - wie auch immer definierter - Seinsbegriff Gott selber übersteigen könnte.
Die innertrinitarische Relation der Liebe hat sich in der Schöpfung ein "Gegenüber" geschaffen, weil die Liebe aus sich selbst heraus überfließende Eigenschaften besitzt.
Aus und in diesem Überfluß lebt man als katholischer Christ!
Ich hatte wichtige Dinge bei Bonaventura ja bereits farblich gekennzeichnet.

Da ich sehe, dass du vieles so siehst wie er, will ich dein Wort einfach mal stehen lassen.

Eins will ich dennoch herausgreifen: den Gedanken der Reliquienverehrung.

Sicher ist die Reliquienverehrung nicht nur ein Ausdruck der Hochschätzung der Schöpfung und des Leibes, sondern auch des Bleibenden.

Die eigentliche Reliquie unseres Glaubens aber ist das inkarnierte Wort im Brot: die Hostie. Sie ist das wirkliche Zeichen bleibender Gegenwart.

Die Himmelfahrt Christi heißt nicht, dass er nicht mehr da ist, sondern dass sein Leib für immer verklärt ist. Das aber verstanden die Jünger erst nach Pfingsten. Und doch wird uns damit der innere Zusammenhang von Himmelfahrt und Fronleichnam deutlich. Fronleichnam ist das Spiegelbild und der Schlüssel für das Verständnis von Verklärung.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Aus gegebenem Anlaß komme ich auf die von Dir zitierte Stelle im Hexameron zurück, die Du durch farbliche Markierung als wichtig gekennzeichnet hattest.
Das Problem, welches sich aus diesem Zitat ergibt, resultiert aus der undifferenzierten Nebeneinanderstellung dieser drei grundsätzlich unterschiedlichen Schöpfungskonzepte, die Bonaventura dort darstellt.

1. Schöpfungskonzept: „als den von sich her hervorbringenden Grund"
Dieses Konzept ist wohl mit der creatio ex ipso im engeren Sinne zu bezeichnen, wobei noch weiter zu klären wäre, inwieweit sich hier eine Emanation von der Kreation abgrenzt.
Diese Abgrenzung ist jedoch von überragender Bedeutung! Denn wenn die Schöpfung eine Emanation sein sollte, würde dieses Konzept notwendigerweise zu pantheistischen (und damit heidnischen) Gottesvorstellungen führen, während eine Schöpfung als Kreation mit den christlichen Gottesvorstellungen kompatibel bleibt.

2. Schöpfungskonzept: „als einen aus dem Nichts hervorbringenden Grund“
Dies ist das im KKK genannte und damit das offiziell kirchlich unterstützte Schöpfungskonzept der creatio ex nihilo!

Das einzige Problem, daß ich hier sehe, ist, daß jemand zu der Ansicht kommen könnte, Nichts sei ein Gegengott (Stichwort: Nietzscheaner!); mithin eine Art Demiurg, der göttliche Qualitäten besäße und als notwendig erachtet werden muß, um überhaupt die Schöpfung bewirken zu können. Im Kern also eine Art manichäische Verirrung (Das Böse als Gegengott des Guten!), wie sie schon von Aurelius Augustinus verworfen wurde.
Diese Verwirrung kann wohl nur entstehen, wenn man streng nominalistisch vorgeht. Die Erkenntnisse der dem Nominalismus im Universalienstreit entgegengesetzten Position, die des Realismus, dürfen jedoch niemals außer Acht gelassen werden.

3. Schöpfungskonzept: „als einen aus vorliegendem Stoff hervorbringenden Grund“
Auch hier bleibt die Frage, ob dieser „vorliegende Stoff“ selbst göttliche Qualitäten hat. Aus meiner Sicht werden hier alte naturphilosophische Vorstellungen transportiert, die bei konsequentem Durchdenken in einen mehr oder weniger strengen Materialismus münden müssen.

Wenn nun Bonaventura die Ansicht vertritt, daß diese drei Schöpfungskonzepte gleichberechtigt nebeneinander existieren können, vertritt er eine dreifach paradoxe Schöpfungstheorie. :hmm:
Dann jedoch stellt sich die Frage: Warum so kompliziert, wenn sich doch die Kirche zur creatio ex nihilo durchgerungen hat?

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overkott
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Beitrag von overkott »

Man kann natürlich fragen: Was steht im Katechismus?, es bei dieser Frage belassen und aufhören zu denken.

Man kann aber auch versuchen zu verstehen. Ein Ansatz dazu wäre die Frage nach der Creatio ex ipso. Dieser Ansatz ließe sich mit der These von der Creatio ex nihilo harmonisieren durch die Erweiterung zur Creatio ex nihilo nisi Deo.

Wie das Hexaemeron zu dieser Frage steht, müsste noch einmal genau untersucht werden. In der Tat scheint die Schöpfungstheorie darin paradox zu sein, was nicht heißen muss, dass sie falsch ist. Das Paradoxe scheint durch Collatio IV, 15 noch einmal unterstrichen zu werden:

"In hoc conveniunt sapientes, quod non possit aliquid fieri de nihilo... Deus nihil potest facere de nihilo. Sed absit, quod potentia Dei fulciatur fundamento materiae. - Haec igitur sunt fundamenta fidei, quae omnia examinat."

"Darin stimmen die Weisen überein, dass nicht etwas aus nichts gemacht werden kann... Gott kann nichts von nichts machen. Aber fern sei, dass die Macht Gottes sich auf das Fundament der Materie stützt. - Dies also sind die Fundamente des Glaubens, der alles prüft."

Fest steht, dass im Hexaemeron die Kritik an Aristoteles sich gegen seinen Ansatz richtet, die Materie bestehe von Ewigkeit her, und gegen sein entsprechendes Gottesbild, nicht aber gegen seine Tugendlehre.

Darüber hinaus ist im Hexaemeron der Begriff der "emanatio" zu untersuchen.

Ebenso die Spiegelung von Christus und Antichristus in Collatio XV.

Die Schöpfungsgeschichte scheint im Hexaemeron als Kampf zwischen Christus und dem Antichristus, zwischen Gut und Böse verstanden zu werden.

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Man kann natürlich fragen: Was steht im Katechismus?, es bei dieser Frage belassen und aufhören zu denken.
Diese Antwort ist nicht ganz nachvollziehbar, schließlich ist Derartiges weder getan noch gefordert worden. :hmm:

Im Übrigen ist schon das Beenden des Denkens für einen Gläubigen äußerst schwierig, schließlich schärft der Glaube das Bewußtsein auf eine Weise, die ihn - wie es Aurelius Augustinus in den Confessiones ausdrückt - die Welt mit den „Augen Gottes“ sehen läßt.
overkott hat geschrieben:Man kann aber auch versuchen zu verstehen.
Dies scheint mir in der Tat der richtige Weg zu sein, wobei - um wieder mit Aurelius Augustinus zu sprechen - drei Dinge den Zugang erleichtern:
1. Die Einsicht in das Geschaffensein der Dinge
2. Die Glückseligkeit des Gläubigen
3. Die Autorität der katholischen Kirche
overkott hat geschrieben:Ein Ansatz dazu wäre die Frage nach der Creatio ex ipso. Dieser Ansatz ließe sich mit der These von der Creatio ex nihilo harmonisieren durch die Erweiterung zur Creatio ex nihilo nisi Deo.
Diese Erweiterung verdeutlicht das Ungeschaffensein Gottes und damit die grundsätzliche Unverfügbarkeit seiner Majestät für den Menschen.
Die Hinwendung zum Ungeschaffenen verwirklicht sich in der Metanoia des Gläubigen am Anfang seines Glaubenslebens.

Gleichzeitig verstärkt diese Formulierung die durch, mit und in Jesus Christus erbaute Brücke zum Vater allen Seins, bei deren Beschreiten sich die Gotteskindschaft immer klarer herausschält.
overkott hat geschrieben:Wie das Hexaemeron zu dieser Frage steht, müsste noch einmal genau untersucht werden. In der Tat scheint die Schöpfungstheorie darin paradox zu sein, was nicht heißen muss, dass sie falsch ist. Das Paradoxe scheint durch Collatio IV, 15 noch einmal unterstrichen zu werden:

"In hoc conveniunt sapientes, quod non possit aliquid fieri de nihilo... Deus nihil potest facere de nihilo. Sed absit, quod potentia Dei fulciatur fundamento materiae. - Haec igitur sunt fundamenta fidei, quae omnia examinat."

"Darin stimmen die Weisen überein, dass nicht etwas aus nichts gemacht werden kann... Gott kann nichts von nichts machen. Aber fern sei, dass die Macht Gottes sich auf das Fundament der Materie stützt. - Dies also sind die Fundamente des Glaubens, der alles prüft."
Schon diese Ansicht der Weisen ist - mir zumindest - nicht unmittelbar einsichtig; oder anders ausgedrückt: In Jesus Christus hat Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht. (1 Korinther 1, 20)
overkott hat geschrieben:Fest steht, dass im Hexaemeron die Kritik an Aristoteles sich gegen seinen Ansatz richtet, die Materie bestehe von Ewigkeit her, und gegen sein entsprechendes Gottesbild, nicht aber gegen seine Tugendlehre.

Die Philosophie des Aristoteles erleichtert den Zugang zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen, wenn nicht sogar die Einbindung seines philosophischen Werkes in die kirchliche Lehre durch Thomas von Aquin den „Startschuß“ für die in den folgenden Jahrhunderten erreichten naturwissenschaftlichen Erfolge setzte.
overkott hat geschrieben:Darüber hinaus ist im Hexaemeron der Begriff der "emanatio" zu untersuchen.
Gibt es denn irgendwo in Bonaventuras Werk eine ausdrückliche Distanzierung von der Vorstellung einer Schöpfung als Emanation?
overkott hat geschrieben:Ebenso die Spiegelung von Christus und Antichristus in Collatio XV.

Die Schöpfungsgeschichte scheint im Hexaemeron als Kampf zwischen Christus und dem Antichristus, zwischen Gut und Böse verstanden zu werden.
Wobei die creatio continua seit der Fleischwerdung Gottes eine neue Richtung bekommen hat und das Böse in der Form des Todes bereits besiegt ist! :)

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Und die Moral von der Geschichte: Ein Thread, der mit der Fehlübersetzung einer schwammigen Formulierung des 2. Vatikanums beginnt, kann nur in freischwebender Phantasie enden.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Pelikan hat geschrieben:Und die Moral von der Geschichte: Ein Thread, der mit der Fehlübersetzung einer schwammigen Formulierung des 2. Vatikanums beginnt, kann nur in freischwebender Phantasie enden.
Dieser tiefschürfende Kommentar befreit allerdings von allen möglichen Schwebezuständen! 8)

Raphael

Beitrag von Raphael »

In der heutigen FAZ wurde folgender Leserbrief veröffentlicht:
Materialismus in Nöten

In seinem Artikel "Formen des Nichtwissens" (F.A.Z. vom 9. Juli) weist Stefan Dietrich zu Recht darauf hin, dass der vordergründige "Biologismus nichts anderes als ein Kreationismus mit umgekehrten Vorzeichen ist". Die tragende Säule des Materialismus, der die empirische Welt allein aus der Materie beziehungsweise deren Elementarteilen erklären will (Monismus), war der schon von Karl Marx formulierte Glaubenssatz: "Die Materie ist ewig und unerschaffen."

Nun wurde diese dogmatische Behauptung im 20. Jahrhundert durch die moderne Astro- und Atomphysik endgültig zerstört. Es steht seitdem fest, dass dieses Universum zu einem Zeitpunkt X entstanden ist. Schon die Frage der "erstmaligen Entstehung" (Stegmüller) kann der monistische Materialismus nicht widerspruchsfrei erklären, da er notwendig zumindest für ein "Uratom" die Eigenschaft der Überzeitlichkeit, das heißt Ewigkeit, behaupten muss. In noch größere Nöte gerät der Materialismus, wenn erklärt werden muss, wie und warum aus der Zusammensetzung unbelebter Elementarteile in Form einer "creatio ex nihilo" Leben entstehen konnte. Dieser "materialistische Kreationismus" ist ein schierer antinomischer Wunderglaube, der seine "unzureichende Ursache" durch Scheinbegriffe wie "Zufall" zu tarnen versucht. Demgegenüber haben die Erklärungsmodelle des Deismus beziehungsweise Theismus mit einer transzendenten, universalen, belebten, intelligenten Kraft (Gott) als einer "zureichenden Ursache" keine Erklärungsprobleme. Die Eigenschaft der "Ewigkeit" bereitet als Prädikat eines transzendenten Wesens (Gott) kein immanentes Erklärungsproblem. Auch die Entstehung eines von mathematisch beschreibbaren Gesetzen beherrschten Kosmos und die erstmalige Entstehung von Eigenschaften wie Leben oder Denken bereitet kein Problem.

Die Eigenschaften der transzendenten, universalen Kraft Gottes wie Leben und Denken könnten sich in Form einer Wechselwirkung widerspruchsfrei an geeigneten Materiestrukturen konkretisieren beziehungsweise individualisieren. Erst nachdem die "erstmalige Entstehung" erfolgt ist, kann hingegen die Evolutionstheorie schlüssige Erklärungen für die Entwicklung eines jeweils schon Vorhandenen liefern.
Autor: Henning von Wahl, Friedrichsruh

(Quelle)

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Robert Ketelhohn
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Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Tatsächlich haben wir die Frage creatio ex ipso / creatio ex nihilo schon ausführlich diskutiert.

Die Kirche sagt beides …
Wo?
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Robert Ketelhohn
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Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Das Konzil lehrt: ''Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts'' (GS 36).
  1. „Das“ hier gemeinte Konzil ist das Vaticanum II.
  2. Es „lehrt“ an dieser Stelle gar nichts, denn der zitierte Satz wird als zusätzliche Begründung einer vorherigen Argumentation nachgeschoben, als sei es etwas Selbstverständliches.
  3. So, wie er dasteht, ist der Satz unsinnig und falsch. Denn erstens ist die gedachte Voraussetzung „ohne Schöpfer“ unmöglich, und zweitens sinkt nichts Geschaffenes „ins Nichts“.
  4. Ferner ist der Satz falsch übersetzt. Im Original heißt es: Creatura enim sine Creatore evanescit. Evanescit heißt nicht: „sinkt ins Nichts“. Und zwar darum nicht, weil diese Übersetzung zu konkret ist. Evanescit ist ein schwammiges Waberwort. „Entleert sich, verliert sich, vergeht, verschwindet“, aber auch: „nimmt ab, schwächt sich ab“, oder: „verliert an Geltung“, dagegen wiederum auch: „verliert die Geltung, kommt außer Gebrauch, tritt außer Kraft“. Was der Autor von Gaudium et spes tatsächlich gemeint habe, darüber kann man trefflich streiten. Im Kontext handelt es sich wohl am ehesten um eine sprachlogisch gemeinte Floskel: „Ein Geschöpf wird ohne Schöpfer inhaltsleer.“
  5. Eigentlich ist das aber einerlei, denn Gaudium et spes ist von vorn bis hinten derartiger intellektueller Schrott, das man nur traurig das Haupt schütteln mag.
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Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von ad_hoc »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Das Konzil lehrt: ''Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts'' (GS 36).
  1. „Das“ hier gemeinte Konzil ist das Vaticanum II.
  2. Es „lehrt“ an dieser Stelle gar nichts, denn der zitierte Satz wird als zusätzliche Begründung einer vorherigen Argumentation nachgeschoben, als sei es etwas Selbstverständliches.
  3. So, wie er dasteht, ist der Satz unsinnig und falsch. Denn erstens ist die gedachte Voraussetzung „ohne Schöpfer“ unmöglich, und zweitens sinkt nichts Geschaffenes „ins Nichts“.
  4. Ferner ist der Satz falsch übersetzt. Im Original heißt es: Creatura enim sine Creatore evanescit. Evanescit heißt nicht: „sinkt ins Nichts“. Und zwar darum nicht, weil diese Übersetzung zu konkret ist. Evanescit ist ein schwammiges Waberwort. „Entleert sich, verliert sich, vergeht, verschwindet“, aber auch: „nimmt ab, schwächt sich ab“, oder: „verliert an Geltung“, dagegen wiederum auch: „verliert die Geltung, kommt außer Gebrauch, tritt außer Kraft“. Was der Autor von Gaudium et spes tatsächlich gemeint habe, darüber kann man trefflich streiten. Im Kontext handelt es sich wohl am ehesten um eine sprachlogisch gemeinte Floskel: „Ein Geschöpf wird ohne Schöpfer inhaltsleer.“
  5. Eigentlich ist das aber einerlei, denn Gaudium et spes ist von vorn bis hinten derartiger intellektueller Schrott, das man nur traurig das Haupt schütteln mag.
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Ich denke ebenso.
Das Geschöpf, vom Schöpfer einmal als Mensch mit Leib und Seele geschaffen, kann nicht mehr ins Nichts versinken, da es durch die Seele die Unsterblichkeit besitzt. Der Körper vergeht, wird aber am Ende aller Tage wieder mit der unsterblichen Seele vereint werden. Auch die materielle Schöpfung wird nicht mehr vergehen; sie wird wieder in den Urzustand versetzt werden, den Zustand also, den Gott als "gut" angesehen hatte, bevor durch die Ursünde sowohl der Mensch als auch die Schöfung in Unordnung geriet.
Am Anfang gab es nur Gott, den Schöpfer. Wie man sich das Nichts vorstellen muß?
Infolge der einmaligen Schöpfung gibt es das Nichts nicht mehr. So ist weder der Tod, noch die weiteste Entfernung von Gott, weder die Sünde, noch die Hölle, mit dem Nichts gleichzusetzen.

Würde Gott von ihm Geschaffenes in Nicht-mehr-Existierendes, ins Nichts verwerfen, müßte man ihn als willkürlichen Gott, als Gott, der sich selbst korrigieren muß, der heute so und morgen anders agiert, ansehen.
Gott aber ist die absolute Vollendung in allem.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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monsieur moi
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Re:

Beitrag von monsieur moi »

overkott hat geschrieben: Dieser christliche Glaube wird religionswissenschaftlich auch als "schwacher" Pantheismus bezeichnet im Gegensatz zum "starken" Pantheismus der Emanationslehre, die eine Identität von Gott und Universum sieht.
Bevor ich jetzt irgendwas durcheinander bekomme:
Finden wir diesen Gedanken des "schwachen Pantheismus" (oder Parallelen dazu) nicht auch beim heiligen Franziskus von Assisi, der alles Geschaffene als beseelt zum Lob Gottes betrachtete oder habe ich ihn an der Stelle falsch verstanden? Was sagt ihr?
Haschem ro'i lo echzar.

Raphael

Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Das Konzil lehrt: ''Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts'' (GS 36).
  1. „Das“ hier gemeinte Konzil ist das Vaticanum II.
  2. Es „lehrt“ an dieser Stelle gar nichts, denn der zitierte Satz wird als zusätzliche Begründung einer vorherigen Argumentation nachgeschoben, als sei es etwas Selbstverständliches.
  3. So, wie er dasteht, ist der Satz unsinnig und falsch. Denn erstens ist die gedachte Voraussetzung „ohne Schöpfer“ unmöglich, und zweitens sinkt nichts Geschaffenes „ins Nichts“.
  4. Ferner ist der Satz falsch übersetzt. Im Original heißt es: Creatura enim sine Creatore evanescit. Evanescit heißt nicht: „sinkt ins Nichts“. Und zwar darum nicht, weil diese Übersetzung zu konkret ist. Evanescit ist ein schwammiges Waberwort. „Entleert sich, verliert sich, vergeht, verschwindet“, aber auch: „nimmt ab, schwächt sich ab“, oder: „verliert an Geltung“, dagegen wiederum auch: „verliert die Geltung, kommt außer Gebrauch, tritt außer Kraft“. Was der Autor von Gaudium et spes tatsächlich gemeint habe, darüber kann man trefflich streiten. Im Kontext handelt es sich wohl am ehesten um eine sprachlogisch gemeinte Floskel: „Ein Geschöpf wird ohne Schöpfer inhaltsleer.“
  5. Eigentlich ist das aber einerlei, denn Gaudium et spes ist von vorn bis hinten derartiger intellektueller Schrott, das man nur traurig das Haupt schütteln mag.
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Ich glaub, damit hast Du den overkott verschreckt! :engel:

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overkott
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Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Das Konzil lehrt: ''Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts'' (GS 36).
  1. „Das“ hier gemeinte Konzil ist das Vaticanum II.
  2. Es „lehrt“ an dieser Stelle gar nichts, denn der zitierte Satz wird als zusätzliche Begründung einer vorherigen Argumentation nachgeschoben, als sei es etwas Selbstverständliches.
  3. So, wie er dasteht, ist der Satz unsinnig und falsch. Denn erstens ist die gedachte Voraussetzung „ohne Schöpfer“ unmöglich, und zweitens sinkt nichts Geschaffenes „ins Nichts“.
  4. Ferner ist der Satz falsch übersetzt. Im Original heißt es: Creatura enim sine Creatore evanescit. Evanescit heißt nicht: „sinkt ins Nichts“. Und zwar darum nicht, weil diese Übersetzung zu konkret ist. Evanescit ist ein schwammiges Waberwort. „Entleert sich, verliert sich, vergeht, verschwindet“, aber auch: „nimmt ab, schwächt sich ab“, oder: „verliert an Geltung“, dagegen wiederum auch: „verliert die Geltung, kommt außer Gebrauch, tritt außer Kraft“. Was der Autor von Gaudium et spes tatsächlich gemeint habe, darüber kann man trefflich streiten. Im Kontext handelt es sich wohl am ehesten um eine sprachlogisch gemeinte Floskel: „Ein Geschöpf wird ohne Schöpfer inhaltsleer.“
  5. Eigentlich ist das aber einerlei, denn Gaudium et spes ist von vorn bis hinten derartiger intellektueller Schrott, das man nur traurig das Haupt schütteln mag.
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Ich glaub, damit hast Du den overkott verschreckt! :engel:
Gar nicht. Denn der Satz kann so stehen bleiben, wie er ist. Wer in Gott lebt, lebt. Wer an nichts glaubt, ist nicht.

Raphael

Re: Creatio ex nihilo

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Wer an nichts glaubt, ist nicht.
Diese Deine Umformulierung gibt jedoch den Satz aus GS nicht authentisch wieder! :hae?:

Genau genommen ist das, was Du da tust, noch nicht einmal eine Umformulierung, sondern die Wiedergabe eines anderen Sinngehaltes.

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