Katholische Entwicklungslehren

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Bernado
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Bernado »

overkott hat geschrieben:Wenn man sich mit der Schöpfungsgeschichte und Evolutionstheorien beschäftigt, ist der traditionelle Unterschied zwischen wörtlichem und bildlichem Verständnis zu beachten.

Wichtig dabei ist zu bedenken, dass zunächst einmal jede Geschichte und Theorie wörtlich genommen wird, wenn auch nicht als wörtliches Abbild der Wirklichkeit. Wörtlich fragen wir also zunächst: Was steht da? Bildlich fragen wir: Was bedeutet das?

Im Hinblick auf die Ursünde und Erbschuld kann man zunächst feststellen, dass bei Freunden traditioneller Theologie heute nicht selten eine begriffliche Konfusion besteht. Tatsächlich spricht Augustinus nicht von einer Erbsünde. Was sollte das auch sein? Eine Sünde ist ein freies Abweichen von der Regel. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob originatum mit der Vorsilbe Erb- geschickt übersetzt ist. Während Erbschuld eindeutig als rechtlicher Begriff erkennbar ist, haben früher manche Dogmatiker in eine biologistische Richtung gedacht. Der falsche Begriff der Erbsünde legte die Vorstellung eines genetischen Defekts nahe und die Seelenlehre ließ die Seele als Organ vermuten. Die absichtlich oder versehentlich provozierten Missverständnisse führten zu Spannungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft, die durch die traditionell bildliche Lesung der Bibel erheblich gemindert werden. Als theologisch-weisheitliche Erzählung interpretiert, ist die Schöpfungsgeschichte über die Kindheit der Welt und des Menschen alles andere als naiv, sondern zeugt von einem hohen Reflexionsniveau, das Grundwahrheiten zeitlos gültig zum Ausdruck bringt.
Ja - aber nur so lange, wie man der Versuchung widersteht, daraus "Fakten" heraus zu destillieren, die dann in logischen Ketten vermeintlich widerspruchsfrei weiterverarbeitet und zur Grundlage überkomplizierter Begriffssysteme und neuer "Fakten" gemacht werden.

Da kann der Westen, wenn schon nicht mehr für die Vergangenheit, so doch für die Zukunft, einiges von dem ganz anderen Denkansatz der Kirchen des Ostens lernen. Aber das ist ein alter Streit, der sich durch die ganze Kirchengeschichte zieht.

Als meinen abschließenden Beitrag zur Diskussion über die katholischen Entwicklungslehren zitiere ich hier den Hymnus des Breviers zur Vesper am Donnerstag, den die Tradition keinem Geringeren zuschreibt als dem heiligen Papst Gregor. Unser Thema betreffen in erster Linie die beiden ersten Strophen, aber inhaltlich bildet das ganze natürlich eine Einheit:
O Gott, in deiner großen Macht
hast du, was aus den Wassern kam,
teils in die Flut zurückgesandt,
teils hoch erhoben in die Luft.

Die Fische tauchtest du ins Meer,
die Vögel warfst du hoch ins Blau,
und was dem gleichen Schoß entsprang,
ist nun getrennt nach Art und Ort.

O Herr, wir sind in Jesu Tod
wie in die Flut hineingetaucht:
Steh gnädig deinen Dienern bei,
die Wasser tauft und Blut entsühnt.

Gib, dass uns Kleinmut nicht erdrückt,
nicht Hochmut überheblich macht.
Zerbrich nicht das gebeugte Herz,
das stolze schütze vor dem Sturz.

Dies schenk uns, Vater voller Macht,
und du, sein Sohn und Ebenbild,
die ihr in Einheit mit dem Geist
die Schöpfung zur Vollendung führt
Das ist die einigermaßen brauchbare offizielle Übersetzung nach dem deutschen Brevier. Die lateinische Urfassung (mit den angemerkten Änderungen der Kommission Urbans VIII.) hat preces-latinae.

Bemerkenswert ist an den beiden ersten Strophen, wie zwanglos sie eine (wie wir heute sagen würden) "evolutionistische" Anschauung (qui ex aquis ortum genus) mit dem "kreationistischen" direkten Eingriff Gottes (partim remittis gurgiti, partim levas in aera) verbinden, ohne darin einen Widerspruch zu sehen.

Noch bemerkenswerter finde ich freilich die Übereinstimmung mit der landläufigen Evolutionsvorstellung, für die das Leben aus dem Meer hervorgeht und sich dann in getrennten Zweigen über und unter der Wasseroberfläche weiterentwickelt. Zwölfhundert Jahre vor Darwin für Gregor kein Problem: Wer zutiefst davon überzeugt ist, daß die Schöpfung von Anfang an Gottes Plan und Werk ist, muß nicht unentwegt seinen Scharfsinn bemühen, um die Einzelheiten dieser Enwicklung , die uns doch in keiner Weise geoffenbart sind und deren Offenbarung auch definitiv nicht der Zweck des Schöpfungsberichtes war (hier bin ich mit Overkott voll einig) wissenschaftsgestützt oder wissenschaftskritisch mit dem biblischen Bericht zu korrelieren.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Sempre
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Sempre »

Bernado hat geschrieben:Wer zutiefst davon überzeugt ist, daß die Schöpfung von Anfang an Gottes Plan und Werk ist, muß nicht unentwegt seinen Scharfsinn bemühen, um die Einzelheiten dieser Enwicklung , die uns doch in keiner Weise geoffenbart sind und deren Offenbarung auch definitiv nicht der Zweck des Schöpfungsberichtes war (hier bin ich mit Overkott voll einig) wissenschaftsgestützt oder wissenschaftskritisch mit dem biblischen Bericht zu korrelieren.
Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.

Nein, natürlich muss sich niemand dafür interessieren, ob Tatsachen, die die Kirche lehrt, mit herrschenden Meinungen in der Wissenschaft kollidieren oder nicht.

Bernado hat geschrieben:Bemerkenswert ist an den beiden ersten Strophen, wie zwanglos sie eine (wie wir heute sagen würden) "evolutionistische" Anschauung (qui ex aquis ortum genus) mit dem "kreationistischen" direkten Eingriff Gottes (partim remittis gurgiti, partim levas in aera) verbinden, ohne darin einen Widerspruch zu sehen.
Genau darum geht es hier ja. Die Naturwissenschaft nötigt sich selbst, materialistische Erklärungen zu liefern, weshalb sie für eine Evolution, die sie vermeintlich oder tatsächlich beobachtet, keine Erklärung liefern kann. Dies ärgert den Evolutionisten während dem realistischen Philosophen und dem Christen klar ist, dass es keine materialistische Erklärung geben kann.

Gruß
Sempre


P.S.:
Bernado hat geschrieben:Da kann der Westen, wenn schon nicht mehr für die Vergangenheit, so doch für die Zukunft, einiges von dem ganz anderen Denkansatz der Kirchen des Ostens lernen. Aber das ist ein alter Streit, der sich durch die ganze Kirchengeschichte zieht.
Zur Zeit sieht es in Russland so aus:

reuters.com (2010) hat geschrieben:"The time has come for the monopoly of Darwinism and the deceptive idea that science in general contradicts religion. These ideas should be left in the past," senior Russian Orthodox Archbishop Hilarion said at a lecture in Moscow.
[...]
Hilarion said the theory that one species could evolve into another had never been proved. Children "should know about the religious picture, the creation of the world, which is common to all the monotheistic religions," he said.
focus.de (2007) hat geschrieben:„Wer glauben will, dass er vom Affen abstammt, soll das ruhig tun. Aber er darf diese Ansichten niemand anderem aufzwingen“, sagte Alexi II., das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, bei einem Vortrag.
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overkott
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:Wer zutiefst davon überzeugt ist, daß die Schöpfung von Anfang an Gottes Plan und Werk ist, muß nicht unentwegt seinen Scharfsinn bemühen, um die Einzelheiten dieser Enwicklung , die uns doch in keiner Weise geoffenbart sind und deren Offenbarung auch definitiv nicht der Zweck des Schöpfungsberichtes war (hier bin ich mit Overkott voll einig) wissenschaftsgestützt oder wissenschaftskritisch mit dem biblischen Bericht zu korrelieren.
Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.

Nein, natürlich muss sich niemand dafür interessieren, ob Tatsachen, die die Kirche lehrt, mit herrschenden Meinungen in der Wissenschaft kollidieren oder nicht.
Ich glaube, dass die Franziskaner seit Bonaventura und Duns Scotus für das Konzil gute Vorarbeit geleistet haben bezüglich der Anerkennung der relativen Autonomie der Kultursachbereiche.

Zurecht hat die Schöpfungsgeschichte im Hinblick auf den Nutzen der Schöpfung und die Benennung aller Dinge die Wertschätzung der Wissenschaften bereits angesprochen, wobei das Bild des Baumes der Erkenntnis von gut und böse eine Mahnung ist, stets das Gute im Auge zu behalten. Die Kirche sollte natürlich offen Anteil nehmen, an den Ergebnissen der Forschung und einen lebhaften Austausch der Disziplinen mit den Theologen anregen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und zu pflegen. Niemand sollte den tumben Traditionalisten spielen müssen - weder auf naturwissenschaftlicher, noch auf theologischer Seite.

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Sempre
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Sempre »

overkott hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.

Nein, natürlich muss sich niemand dafür interessieren, ob Tatsachen, die die Kirche lehrt, mit herrschenden Meinungen in der Wissenschaft kollidieren oder nicht.
Ich glaube, dass die Franziskaner seit Bonaventura und Duns Scotus für das Konzil gute Vorarbeit geleistet haben bezüglich der Anerkennung der relativen Autonomie der Kultursachbereiche.
Ja, dasjenige jüngere Konzil, das überhaupt verbindliche Glaubenslehren vorlegt hat, hat auch die Relativität der Autonomie der Kultursachbereiche fixiert.

overkott hat geschrieben:Zurecht hat die Schöpfungsgeschichte im Hinblick auf den Nutzen der Schöpfung und die Benennung aller Dinge die Wertschätzung der Wissenschaften bereits angesprochen, wobei das Bild des Baumes der Erkenntnis von gut und böse eine Mahnung ist, stets das Gute im Auge zu behalten.
Stimmt, die Schöpfungsgeschichte ist ja gleichermaßen Ursprungswissenschaft.

overkott hat geschrieben:Niemand sollte den tumben Traditionalisten spielen müssen - weder auf naturwissenschaftlicher, noch auf theologischer Seite.
Der modernde Modernist versucht sich in Alliteration.

Was die Naturwissenschaft angeht, ist es wirklich schade, dass sie sich weitestgehend zur Ochlokratie entwickelt hat. Inklusive explizitem Bekenntnis zur Wahrheitsunfähigkeit. Dereinst genoss die Naturphilosophie noch höchstes Ansehen. Heutzutage kommen und gehen naturwissenschaftliche Erkenntnisse wie die Meldungen der Paparazzi aus City of Westminster und aus Hollywood.

overkott hat geschrieben:Die Kirche sollte natürlich offen Anteil nehmen, an den Ergebnissen der Forschung und einen lebhaften Austausch der Disziplinen mit den Theologen anregen, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und zu pflegen.
Genau. Das ist hier Strangthema. Würdest Du das bitte genauer ausführen!?


Gruß
Sempre
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Raphael

Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Raphael »

Sempre hat geschrieben:Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.
Dann leg doch 'mal Deine Auffassung der Trennlinie zwischen der übernatürlichen Offenbarungswahrheit einerseits und den alleine durch die menschliche Vernunft erreichbaren Erkenntnissen andererseits dar.

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Sempre
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Sempre »

Raphael hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.
Dann leg doch 'mal Deine Auffassung der Trennlinie zwischen der übernatürlichen Offenbarungswahrheit einerseits und den alleine durch die menschliche Vernunft erreichbaren Erkenntnissen andererseits dar.
Es ging um die Frage: Gab es einen einzigen ersten Menschen oder mehrere? War Adam ein Individuum oder eine Sippe?

Diese Frage wurde bisher mit natürlichen Mitteln nicht beantwortet. Ob das immer so bleiben wird, sei dahingestellt. Einstweilen kennen wir die Antwort durch den Glauben, der übernatürlich, Gnade ist.

Zu einer Trennlinie zwischen der übernatürlichen Offenbarungswahrheit und natürlich erkennbaren Wahrheiten kann ich nichts sagen. Wir wissen weder, was alles bereits natürlich erkannt wurde, noch, was in Zukunft noch so alles erkannt werden mag. Uns ist bestenfalls der überlieferte Teil der natürlichen Erkenntnis bekannt. Auch wissen wir z.B. nicht, welche Erkenntnisse Mosis natürliche Erkenntnisse waren und welche übernatürliche Offenbarungswahrheit. Kann man z.B. ausschließen, dass Adam als Zeitzeuge wusste, dass er ein Individuum und keine Sippe ist? Wusste Moses vielleicht durch Überlieferung davon?

Gruß
Sempre
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overkott
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Wenn es um die Frage geht, was geoffenbart ist und was nicht, dann halte ich mich -verzeiht, Bernado und overkott- lieber an die Kirche.
Dann leg doch 'mal Deine Auffassung der Trennlinie zwischen der übernatürlichen Offenbarungswahrheit einerseits und den alleine durch die menschliche Vernunft erreichbaren Erkenntnissen andererseits dar.
Es ging um die Frage: Gab es einen einzigen ersten Menschen oder mehrere? War Adam ein Individuum oder eine Sippe?
Da die Schöpfungsgeschichte keine Reportage und auch kein modernes Biologiebuch darstellt, hat Adam eine mehrfache Bedeutung:

1. Er ist theoretisch der erste Mensch.
2. Er ist pars pro toto ein Gattungsbegriff als Bild für alle Menschen.

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Sempre
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Sempre »

overkott hat geschrieben:Da die Schöpfungsgeschichte keine Reportage und auch kein modernes Biologiebuch darstellt, hat Adam eine mehrfache Bedeutung:

1. Er ist theoretisch der erste Mensch.
2. Er ist pars pro toto ein Gattungsbegriff als Bild für alle Menschen.
Hier geht es um katholische Entwicklungslehren. In diesem Kontext ist Adam ein Individuum, der eine erste Mensch, so wie die Kirche Gottes es lehrt.

Gruß
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overkott
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Da die Schöpfungsgeschichte keine Reportage und auch kein modernes Biologiebuch darstellt, hat Adam eine mehrfache Bedeutung:

1. Er ist theoretisch der erste Mensch.
2. Er ist pars pro toto ein Gattungsbegriff als Bild für alle Menschen.
Hier geht es um katholische Entwicklungslehren. In diesem Kontext ist Adam ein Individuum, der eine erste Mensch, so wie die Kirche Gottes es lehrt.

Gruß
Sempre
Da schau dir noch mal genau an, was der hl. Paulus den Korinthern über den ersten und den zweiten Menschen geschrieben hat.

Miserere Nobis Domine
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Es wurde im Verlauf dieser Diskussion mehrfach geäussert, die Erbsünde werde durch die Zeugung übertragen. Könnte das bitte jemand näher erläutern? (In der Orthodoxen Kirche ist mir eine solche Lehre nicht bekannt.) Vielleicht gibt es auch schon einen eigenen Strang dazu, den ich aber leider nicht gefunden habe.

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Sempre
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Sempre »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Es wurde im Verlauf dieser Diskussion mehrfach geäussert, die Erbsünde werde durch die Zeugung übertragen. Könnte das bitte jemand näher erläutern? (In der Orthodoxen Kirche ist mir eine solche Lehre nicht bekannt.) Vielleicht gibt es auch schon einen eigenen Strang dazu, den ich aber leider nicht gefunden habe.
Ja, das Konzil von Trient lehrt, dass die Erbsünde durch Fortpflanzung und nicht durch Nachahmung übertragen wird. Kinder erben sie von ihren Eltern.

Die Kirche empfiehlt, Details zum Thema Fortpflanzung ggf. bei den eigenen Eltern zu erfragen. :tuete:

Gruß
Sempre
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Raphael

Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Raphael »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Es wurde im Verlauf dieser Diskussion mehrfach geäussert, die Erbsünde werde durch die Zeugung übertragen. Könnte das bitte jemand näher erläutern? (In der Orthodoxen Kirche ist mir eine solche Lehre nicht bekannt.) Vielleicht gibt es auch schon einen eigenen Strang dazu, den ich aber leider nicht gefunden habe.
Leo Kardinal Scheffczyk führt zu dem Thema folgendes aus:
Bezüglich des von einer personalistischen Deutung der Sünde angegriffenen Begriffes des „Erbes" ist zu sagen, daß er zunächst nicht im augustinischen Sinne mit einer libidinösen Fortpflanzung zu verbinden, aber auch nicht univok als biologische oder juridische Vererbung zu verstehen ist. Vielmehr ist „Erbe" ein analoger Ausdruck für die Teilhabe jedes Menschen an der „Adamseinheit", welche die Voraussetzung für die erlöserische „Christuseinheit" darstellt.
Der religiös-theologische Sinn der Erbsündenlehre in der Spannung von Sündenfall und Erlösung liegt im dramatischen Charakter der Heilsgeschichte, in dem der Mensch unter Eingehen in das Heilswerk Christi (Taufe) und dem Einschluß seines Mitwirkens mit der Gnade in kämpferischem Einsatz gegen das Böse wirken soll.
(Quelle: "Entschiedener Glaube - Befreiende Wahrheit", Seite 103 f.)

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Robert Ketelhohn
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Es wurde im Verlauf dieser Diskussion mehrfach geäussert, die Erbsünde werde durch die Zeugung übertragen. Könnte das bitte jemand näher erläutern? (In der Orthodoxen Kirche ist mir eine solche Lehre nicht bekannt.) Vielleicht gibt es auch schon einen eigenen Strang dazu, den ich aber leider nicht gefunden habe.
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Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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overkott
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Re: Katholische Entwicklungslehren

Beitrag von overkott »

Der anfängliche Schöpfungsoptimismus "Alles ist gut." verkehrt sich mit der Erbsündenlehre in ein realistischeres Bild. Der Mensch ist nicht nur zum Guten, sondern auch zum Bösen fähig. Die Erbsündenlehre bringt also die Schattenseite der Freiheit zum Ausdruck. Erbsünde ist Begehrlichkeit in allen körperlichen Variationen von Hunger und Durst bis hin zu sexuellen Gelüsten. Dies kann nach dem positiven Schöpfungsauftrag "Seid fruchtbar und mehret euch." in Leibfeindlichkeit umschlagen. Das theologisch-theoretische Problem der Erbsünde ist, dass der Mensch zwar abstrakt Schuld dafür trägt, aber nicht konkret. Das Fest der unschuldigen Kinder bringt den anfänglichen Schöpfungsoptimismus zum Ausdruck.

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