ad_hoc hat geschrieben:Beten lernen vollzieht sich ganz anders, conscientia. Nämlich in der, zugegebenermaßen, mittlerweile zur Sonderform mutierten römisch-katholischen Familie, da also, wo es den Eltern noch wichtig ist, wie schon in vielen Jahrhunderten zuvor, die Kinder mit Gott vertraut zu machen. [...] zweckmäßigkeitshalber nach dem alten grünen Schul-Katechismus. [...] Theoretischen Humbug, der dann auch noch in pseudopraktischen, experimentellen Aktionismus ausartet, finde ich ganz einfach zum Kotzen.
Herzlichen Dank, dass ich endlich erfahre, wie Beten lernen geht. Immerhin scheint eine gewisse Einigkeit darüber zu bestehen, dass es nicht der Eucharistischen Andacht und der faktischen Weitervermittlung eines eher falschen Verständnisses von eucharistischer Realpräsenz bedarf, um Beten zu lernen. Was der letzte Satz in dem Zusammenhang soll, weiß ich nicht. Die Eucharistische Andacht für Erstkommunionkinder in dem von mir skizzierten Zusammenhang - 40 Jahre keine Übung in Eucharistischer Anbetung gehabt - empfinde ich auch als "[t]heoretischen Humbug, der dann" etc. etc.
Vor dem grünen Schulkatechismus von 1955 kann ich allerdings nur warnen, denn er ist bereits von des Gedankens Blässe angekränkelt, sprich: von der Liturgischen und auch der Kerygmatischen Erneuerungsbewegung des deutschsprachigen Katholizismus. P. Josef A. Jungmann, ein Innsbrucker Jesuit, hat 1936 "Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung" publiziert, ein Werk, dessen Verkauf umgehend verboten wurde, 1948 die zwei Bände von "Missarum Sollemnia. Historisch-genetische Erklärung der römischen Messe", ein Werk, nach dessen Erscheinen niemand mehr behaupten hat können, die römische Messe in der Form des Missale von 1570 sei schlechthin irreformabel und bereits vom Heiland selbst in Form der "Hochheiligen tridentinischen Opfermesse" mit Pontifikalhandschuhen und allem, was dazu gehört, eingesetzt worden. - Also Vorsicht vor dem grünen Katechismus!
ad_hoc hat geschrieben:Du hast zum Schluß geschrieben:
Zitat:
,Ich selbst empfinde es immer wieder als geistliche Herausforderung, der Gegenwart Gottes des Herrn beim gemeinschaftlichen und privaten Gebet gewärtig zu sein.'
Wie äußert sich denn diese geistliche Herausforderung? Wie macht sich diese bemerkbar?
Ich habe, offen gesagt, Mühe, an eine solche Aussage zu glauben.
Du wirst Verständnis dafür haben, dass ich vor dem Hintergrund des Tons, den Du in der ersten Hälfte Deines Postings angeschlagen habe, nicht gewillt bin, hier Gebetserfahrungen zu beschreiben, wie sie sind.
@ incarnata: Die sinnliche Erfahrung, die mir den Unterschied zwischen Brot und Wein und den eucharistischen Gestalten begreifen hilft, ist die hl. Kommunion selbst: eine reelle Vereinigung, die eben Körper und Geist betrifft.
@ Chiara
Chiara hat geschrieben:Leute, die behaupten, dass aus einer durchbohrten konsekrierten Hostie Blut fließen würde, mit anderen Worten dass sie ein Stück lebendes Menschenfleisch (das anders aussieht) vor sich haben, sind mir mein Leben lang noch nicht begegnet
Mir auch nicht. Ich bin aber schon genügend begegnet, die mit Genuss von den diversen Heilig-Blut-Wundern des Spätmittelalters erzählt haben oder jene Legende von der hl. Katharina von Siena, die, als die Muselmanen schon zum Sturm auf die Stadt ansetzten und auf Leitern die Stadtmauer hinaufstiegen, mit dem in einer Monstranz ausgesetzten Allerheiligsten zwischen den Zinnen erschien, worauf die Muselmani geblendet vom Glanz der Wahrheit hinterrücks von ihrer Leiter herunterfielen und Siena gerettet war. -- Warum werden den solche Geschichten erzählt? Da geht es doch nicht um die Freude an spätmittelalterlichen Kuriositäten, eher um die Botschaft: Hört mal her, eucharistische Realpräsenz ist so toll, die kann sogar den Muselmanensturm auf Siena abwehren! (Vielleicht sollten Angie Merkel und der Herr Beckstein auch einmal mit dem ausgesetztem Allerheiligsten an der EU-Außengrenze zur Türkei hin auftauchen, damit die Türken... (man darf solche Gedanken gar nicht zu Ende denken, so bizarr sind die).) -- Für meine Begriffe liegt da ein falsches Verständnis eucharistischer Realpräsenz vor - mindestens eine durchsichtige Verzweckung des richtigen.
Leider bin ich in meinem obigen Posting nicht umhingekommen, ganze Hochgebete zu ziteren, weil ich auf Anfragen eines anderen einigermaßen sachgerecht eingehen und gleichzeitig halbwegs verständlich schreiben wollte.
Dass Paulus 1 Kor 11,23-25 den wesentlichen, feststehenden Kern eines damals bereits verwendeten Hochgebets zitiert, ist eine interessante These. Ich habe sie bisher weder gehört noch gelesen. Die oben zitierte Anaphora aus der Traditio apostolica des hl. Hippolyt, die wohl vom Beginn des 3. Jhs. stammt, ist, so weit ich gelernt habe, die früheste, in der es eine Stiftungsanamnese gibt. (Es mag sein, dass zu neutestamentlicher Zeit die Erzählung vom Letzten Mahl Jesu bereits in liturgischem Gebrauch verbreitet war, deshalb ist sie so formelhaft überliefert, allerdings ist diese Vermutung keine Aussage darüber, dass die Erzählung im Rahmen des eucharistischen Tischsegens gebraucht worden ist.)
Mein literarkritischer Nachweis ist gar nicht als solcher gewollt oder zu verstehen. Wer sich von literarkritischen Nachweisen überzeugen lassen will, um die Ursprungssprache eines Textes sinnvoll beherrschen, in unserem Falle ginge es um Altgriechisch und Altsyrisch. Na Mahlzeit!
Mir geht es lediglich darum, darauf hinzuweisen, wie sich ein Text verändert, wenn man etwas weglässt. Und aus der von mir zitierten Hippolyt-Anaphora kannst Du einfach nicht alle Sätze herausnehmen, ohne die Logik zu brechen. Wenn Du die ersten Absätze weglässt, fehlt die Christus-Anamnese im Allgemeinen, wenn du den zweitletzten Absatz weglässt, die Darbringungsformel (da sind dann alle Verfechter des Verständnisses der Messfeier als reales Opfer ganz traurig und rufen: "er sei im Banne"), wenn du den letzten Absatz weglässt, fehlt die Herabrufung des Heiligen Geistes auf Opfermahlgaben und Kommunikanten.
Berger, Neues Pastoralliturgisches Handlexikon, p. 114, hat geschrieben: [...] fehlt in den Handschriften regelmäßig der Einsetzungsbericht; es ist kontrovers, ob er nur aus Ehrfurcht nicht niedergeschrieben wurde oder ob er in diesem Hochgebet nicht vorgesehen war.
Das ist das Äußerste, was zu sagen sinnvoll ist.
Traditio apostolica des hl. Hippolyt, n. 9, Übersetzung: Geerlings, FC 1, p. 239, hat geschrieben:Der Bischof sage Dank, so wie wir es oben gesagt haben. Es ist keineswegs nötig, dass er bei der Danksagung dieselben Worte verwendet, die wir gebraucht haben, so als hätte er sie auswendig gelernt. Vielmehr soll ein jeder seinen Fähigkeiten entsprechend beten.
Ich selbst habe eine andere Story zur Entstehung des Eucharistiegebetes. Christus der Herr hat im Rahmen des Letzten Mahlhaltens mit seinen Schülern etwas getan, was völlig neu war: Er hat nach dem Segensgebet ("sagte Lob und Dank") über das zu brechende Brot den Brotfladen auseinandergerissen und eine neue Darreichungsformel gewählt: "Das ist mein Leib, der für euch gebrochen." - Und das gleiche tat er auch nach dem Segensgebet über den Kelch. Er wählte eine neue Darreichungsformel: "Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für die Vielen vergossen wird zur Vergebung der Sünden" usw. Jeweils danach teilten die Mahlhaltenden Brot und Kelch.
Also es dürfte wohl klar sein, das Christus der Herr beim Letzten Mahl nicht gleich den Römischen Messkanon verwendet hat. Die ersten Eucharistiegebete, die verwendet worden sind, hatten noch sehr starke Ähnlichkeit mit den Segensgebeten des seinerzeitigen jüdischen Mahlrituals. Diese Texte sind dann, weil es ja noch gängig war, die Texte selbst zu formulieren - s. das obige Hippolyt-Zitat -, mehr und mehr im Sinne hellenistischer Denkwelt und von zunehmender christologischer Reflexion her verändert worden. Eines der Ergebnisse dieses Prozesses ist das andernorts zitierte Eucharistiegebet des Hippolyt. Paulus brauchte in seinen Briefen keins zitieren (er hatte auch noch nicht 2000 Jahre Entwicklung des Eucharistiegebets hinter sich); ich vermute, weil die jeweils in den Gemeinden tätigen Vorsteher sich der jüdischen Mahlgebete bedienten, die ja bisweilen einen messianischen Akzent haben; vielleicht hat man damals als Darreichungs-, als Spendeformel die Herrenworte "Das ist mein Leib" und "Das ist der Kelch" usw. benutzt, um die Identität der Feier klarzumachen.
Dass der Einsetzungsbericht unserer Hochgebete und auch die darin gesagten Herrenworte Gebet der Kirche sind, erhellt schon daraus, dass die Einsetzungsberichte und die Herrenworte nicht identisch sind mit einer der vier im NT gegebenen Erzählungen vom Letzten Mahl Jesu, die nicht vom Himmel gefallen sind, sondern aus der Tradition der damals noch jungen Kirche stammten.
Chiara hat geschrieben:mit welchem Recht wird dann gerade das Wort weggelassen oder ersetzt?
Diese Frage hättest Du bei Zeiten stellen sollen - vielleicht schon die hll. Apostel und Evangelisten, spätestens die Jungs in der Alten Kirche, denn es gibt von der Stiftungsanamnese im Hochgebet mehrere hundert Wortlaute, jeweils in den Ursprachen nachvollziehbar. Auch dieses Thema hat schon einen fleißigen Bearbeiter gefunden. Chapeau! (Ich fand's uninteressant, ich habe mir darum die Titel nicht notiert.)
Die einzige Ausnahme - die im ostsyrischen Ritus verwendete Anaphora der Apostel Addai und Mari - wird, wenn ich recht sehe, jetzt so aufgeblasen, weil Ende der 1990er der Hl. Stuhl mit einem Teil der Kirche, die diese Anaphora verwendet, so etwas wie eine Sakramentengemeinschaft und gegenseitige Anerkennung der Ämter vereinbart hat. Die Glaubenskongregation unter dem Vorsitz eines gewissen Ratzinger J. muss es ja genehmigt haben. So nach und nach sind dann besonders traditionalistische Kreise aus der römischen Kirche aus dem Halbschlaf erwacht, weil die Entscheidung des Vatikans, die Anaphora als legitimes Beten der Eucharistiefeier anzuerkennen, auf den ersten Blick der klassischen, hier mit viel Leidenschaft verteidigten westkirchlichen Eucharistielehre widerspricht. Ein P. Martin Lugmayer von der Petrusbruderschaft hat dazu geschrieben.
Nun denn. Mich lehrt die ganze Debatte, dass der Wortlaut und die bloße Existenz der Stiftungsanamnese im Eucharistiegebet nicht so sehr entscheidend sein dürfen für die von mir gepflegte Frömmigkeit des Eucharistiefeierns. Mir sind die allgemein anamnetischen und die epikletischen Bestandteile des Eucharistiegebets mittlerweile wichtiger geworden. Mein Lieblings-Hochgebet ist das Vierte. Den Römischen Kanon mag ich wegen seines archaischen Klangs, muss ihn aber nicht jeden Sonntag haben.