Origenes: Apokatastasislehre et al.

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Ralf

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Genau.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Na, seht ihr. Ihr seid euch ja einig. ;)

(Mit Origenes scheint es schwieriger zu sein. Ich will’s aber gleich noch mal versuchen.)
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:»Ist Dir aufgefallen, daß DU zur Sache nichts entgegnet hast? Statt dessen versuchst Du, Origenes über seine Seelenlehre zu diskreditieren. Es ist aber nicht Gegenstand dieses Threads, was Origenes zur christlichen Seelenlehre beigetragen hat, sondern inwieweit die Lehre von der Apokatastasis tatsächlich auf Origenes zurückzuführen oder ob er dort möglicherweise falsch verstanden worden sei. Hierzu bringt Henri de Lubac diverse Textstellen und biblische Belege, das dem so sein könnte.«
Nochmals nein, Raphael. Du hast noch nicht verstanden, worum es geht. – »Zur christlichen Seelenlehre beigetragen« hat Origenes nichts. Seine Apokatastasis-Lehre ist jedoch nur als Teil seiner (platonischen) Seelenlehre verständlich. Deshalb rede ich davon.

Daß nicht sofort, wenn bei einem der Begriff der restitutio omnium oder ἀποκατάστασις πάντων fällt, gleich „origeneische“ Allwiederherstellungslehre zu vermuten ist, habe ich oben am Beispiel der „Cappadocier“ selber darzulegen versucht und gezeigt, daß Basilius der Große und Gregor von Nazianz strafendes (ewiges) Feuer und reinigendes (zeitliches) Feuer sehr wohl unterscheiden, daß mithin Aussagen, anhand derer man sie zu Zeugen der origeneischen Allwiederherstellungslehre machen will, offenkundig anders zu verstehen sind.

Nun willst du, unter Berufung auf Hans Urs von Balthasar und Henri de Lubac, dasselbe für Origenes selbst durchführen. Er habe es gar nicht so gemeint. Das ist jedoch falsch. Die Allwiederherstellungslehre ist integraler Bestandteil und logische Konsequenz aus des Origenes Seelenlehre, wie ich oben bereits ausgeführt habe.

Das wird übrigens bereits deutlich, wenn du noch einmal das erste gegen Origenes oder die Origenisten gerichtete ἀνάϑεμα des Constantinopolitanum von 553 anschaust: Die Lehre von der Präexistenz der Seelen und die Allwiederherstellungslehre werden dort in einem Atemzug verurteilt. Und zwar nicht von ungefähr.

Laß es mich noch einmal verdeutlichen. Für Origenes, ganz wie für den Platonismus, stehen am Anfang reine Geistwesen, die allmählich durch eigene Schuld abwärts tendieren, also zur Materie hin, dabei zu „Seelen“ und – als eine Art Bestrafung – mit materiellen Leibern bekleidet werden. Daraus gelte es sich zu befreien und – durch eine Vielzahl von Inkarnationen hindurch – wieder aufzusteigen, sich der materiellen Leiber zu entledigen und zur Einheit mit und in Gott zurückzukehren.

Die Leiber werden dabei je nach Verdienst zugewiesen. Es besteht für Origenes auch kein prinzipieller Unterschied zwischen Engeln und Menschenseelen. Die Engel sind entweder nicht so weit gesunken, oder aber bereits weiter fortgeschritten auf dem Rückweg aufwärts. Als Vollendung dieser Rückkehr sieht Origenes jene allgemeine Wiederherstellung, die ἀποκατάστασις πάντων.

Er nimmt auch Jesus davon nicht aus. Dessen Inkarnation ist für Origenes eine Art Beschmutzung aufgrund einer Schuld. Jesu Tod spielt aus dieser Sicht – so sehr Origenes anderswo auch traditionelle Begriffe verwendet – für unsere Erlösung keine Rolle. Die Erlösung der gefallenen Seelen vollzieht sich in zahlreichen Inkarnationen kraft eigenen Verdienstes. In diesem Licht ist auch des Origenes extreme Aszese zu sehen, einschließlich seiner Selbstkastration.

Ich kann nicht erkennen, wie solche Vorstellungen, zu denen die für ἀποκατάστασις als ein Detail gehört, auch nur entfernt mit dem Glauben der Kirche vereinbar wären.
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Unter Kaiser Maximinus Thrax (seine Regierungszeit ist 235 - 238) bricht ei­ne neue Christenverfolgung aus, in der die Schrift „Über das Martyrium" entsteht, die ORIGENES einigen Glaubensbrüdern widmet, die in konkre­ter Gefahr sind. Das Werk erinnert uns an seine frühe Jugend, als er den Brief an den Vater im Gefängnis schrieb. ORIGENES, der für sich das Mar­tyrium ersehnt hatte, wird dessen nicht gewürdigt. Doch unter Kaiser Decius (249 - 251) wird auch er verhaftet und schwer gefoltert. EUSEBIOS zählt auf:

" ...seine vielen harten Leiden um der Lehre Christi willen, seine Einkerke­rung und seine körperlichen Qualen, seine Schmerzen in den eisernen Ket­ten und in den Winkeln des Verlieses, die vieltägige Ausspannung seiner Füße. bis zum vierten Loche des Folterblockes, die Bedrohungen mit dem Feuertode, das geduldige Ertragen aller anderen von den Feinden ihm zuge­fügten Drangsale, den Abschluß des gegen ihn eingeschlagenen Verfahrens, wobei der Richter eifrigst mit allen Mitteln darnach strebte, ihn ja am Leben zu erhalten, ferner die von ihm sodann noch abgefaßten und hinterlassenen Schriften, welche für Trostbedürftige von großem Nutzen sind".

Die Absicht der Christentumsgegner, ORIGENES über Kerker und Folter zur Apostasie zu verleiten, scheiterte; der Abfall hätte unter den jungen Christen eine große Wirkung" gehabt. Andererseits suchte man auch nicht seinen Tod, weil man die Propagandawirkung des Martyriums fürchtete. ORIGENES aber starb, wohl auch infolge der erlittenen Quälereien, - so nimmt man an - zwischen 251 und 254. Sein Grab wurde noch im Mittelal­ter in Tyros gezeigt. EUSEBIOS kennt das genaue Datum nicht, vermerkt aber zur zeitlichen Einordnung dies:

"Als [Kaiser] Decius, ohne ganze zwei Jahre regiert zu haben, zugleich mit seinen Söhnen ermordet wurde, folgte Gallus. Um diese Zeit starb Origenes im Alter von 69 Jahren."
Quelle

Origenes "de principiis II 6, 2":
" ... Aber von all dem Wunderbaren und Großen bei ihm geht doch dies über die Bewunderung des menschlichen Geistes hinaus, und die Schwäche des sterblichen Verstandes hat keinen Weg gefunden, es zu denken und zu be­greifen: daß diese große Macht der göttlichen Majestät, eben dieses Wort des Vaters und Gottes Weisheit selbst, in welcher ,alles geschaffen ist, das Sicht­bare und das Unsichtbare', in den engen Grenzen jenes Menschen, der in Judäa erschien, anwesend war, wie der Glaube sagt; daß Gottes Weisheit in den Schoß einer Frau einging, als Kind geboren wurde und weinte wie alle kleinen Kinder; ferner daß er beim Sterben in Angst war, wie es berichtet wird und er selbst es bekannte, als er sagte: .Meine Seele ist betrübt bis an den Tod'; und schließlich, daß er den Tod erlitt, der unter den Menschen als größte Entehrung gilt, wenngleich er am dritten Tag wieder auferstand. Wir finden also manches bei ihm, das so menschlich ist, daß er sich nicht von der allgemeinen Gebrechlichkeit der Sterblichen unterscheidet, und an­deres, das so göttlich ist, daß es einzig zu dem ersten und unaussprechli­chen Wesen der Gottheit paßt. Da stockt der beschränkte menschliche Ver­stand und weiß, von Staunen ergriffen, nicht, wozu er sich neigen, was er festhalten, wohin er sich wenden soll. Wenn er Gott denkt, sieht er einen Sterblichen; wenn er einen Menschen annimmt, erblickt er einen Sieger über das Reich des Todes, der mit der Beute aus dem Totenreich zurück­kehrt ...".
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Worauf willst du eigentlich hinaus, Erich? Willst du Origenes für rechtgläubig hinstellen? – Solch schönklingende Zitate wie jenes, das du oben bringst, wirst du oft finden. Das ist kein Geheimnis. Des Origenes Geheimnis dagegen bleibt, wie solche aus traditioneller Begrifflichkeit sich speisende Redeweise mit seinen philosophischen Aussagen übereinklingen soll, wie ich einige oben skizziert habe.

Was also willst du, Erich? Daß des Origenes Bücher de principiis in wesentlichen Punkten heterodox sind, darüber bestand eigentlich noch nie irgendein Zweifel. Willst du hier das Gegenteil suggerieren? Mein Lieber, das ist absurd.

Weshalb aufs neue die Zitate aus Euseb? Willst uns etwa diesen Arianer und tückischen Verräter des Athanasius als Leumundszeugen für kirchliche Orthodoxie hinstellen? – Hättest es bei dem belassen sollen, was ich oben schon zu Euseb angemerkt habe.

Mehr Zeit habe ich heute früh nicht. Ich wollte dir spontan schon raten, de principiis erst mal ganz zu lesen – wenn du die Ausgabe von Görgemanns und Karpp schon zu Hause hast –, anstatt einzelne, gefällig klingende Brocken herauszugreifen. Doch nein. Origenes tut dir nicht gut. Im Ernst: Du hast auf ein falsches Pferd gesetzt. Laß es, bitte, bleiben. Und hör um Gottes willen auf, dein Herz derart an den Mann zu hängen.
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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Robert, sei nicht so verbiestert ...Ich mag Origenes auch und es hat meiner treukatholischen Überzeugung überhaupt nichts geschadet. Oder gibt es da geheime Denkverbote, die mir noch nicht zu Ohren gekommen sind :kratz:

Natürlich bringt das sich gegenseitig Zitate vorlegen, nicht viel. Man kann ja vieles dem anderen nicht nahebringen - und warum auch? Lesen kann man selber und uns entscheiden, was wir mit dem Gelesenen anfangen.

Ich hab allerdings eine tiefe Abneigung gegen dieses Verleumdergerede ingesamt; die Geschichte der Ketzer ist auch christliche Geschichte. Man mus diesen Leuten zugestehen, dass sie meistens nur konsequent etwas zu Ende gedacht haben.
Ich darf mal eine kleine Geschichte zum besten geben:

Die Benediktinernonne Elisabeth von Schönau, ein zartes Persönchen, wurde im Mittelalter vn dem Gedanken gepeinigt, ob der große Lehrer der Kirche, Origenes, wohl gerettet sei oder nicht. In einer Vision empfing sie die Antwort: "Du sollst aber wissen, dass die Irrung des Origenes nicht aus Bosheit entstand, sondern aus dem allzu großen Eifer, mit dem er seinen Sinn in die Tiefen seiner geliebten Heiligen Schrift und in die göttlichen Geheimnisse versenkte, die er allzusehr ergründen wollte. Deshalb ist auch die Strafe nicht schwer, in der er sich befindet."

Ist dem was hinzuzufügen? ;)

Geronimo

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Ist Dir aufgefallen, daß DU zur Sache nichts entgegnet hast? Statt dessen versuchst Du, Origenes über seine Seelenlehre zu diskreditieren. Es ist aber nicht Gegenstand dieses Threads, was Origenes zur christlichen Seelenlehre beigetragen hat, sondern inwieweit die Lehre von der Apokatastasis tatsächlich auf Origenes zurückzuführen oder ob er dort möglicherweise falsch verstanden worden sei. Hierzu bringt Henri de Lubac diverse Textstellen und biblische Belege, das dem so sein könnte.«
Nochmals nein, Raphael. Du hast noch nicht verstanden, worum es geht. – »Zur christlichen Seelenlehre beigetragen« hat Origenes nichts. Seine Apokatastasis-Lehre ist jedoch nur als Teil seiner (platonischen) Seelenlehre verständlich. Deshalb rede ich davon.

Daß nicht sofort, wenn bei einem der Begriff der restitutio omnium oder ἀποκατάστασις πάντων fällt, gleich „origeneische“ Allwiederherstellungslehre zu vermuten ist, habe ich oben am Beispiel der „Cappadocier“ selber darzulegen versucht und gezeigt, daß Basilius der Große und Gregor von Nazianz strafendes (ewiges) Feuer und reinigendes (zeitliches) Feuer sehr wohl unterscheiden, daß mithin Aussagen, anhand derer man sie zu Zeugen der origeneischen Allwiederherstellungslehre machen will, offenkundig anders zu verstehen sind.

Nun willst du, unter Berufung auf Hans Urs von Balthasar und Henri de Lubac, dasselbe für Origenes selbst durchführen. Er habe es gar nicht so gemeint. Das ist jedoch falsch. Die Allwiederherstellungslehre ist integraler Bestandteil und logische Konsequenz aus des Origenes Seelenlehre, wie ich oben bereits ausgeführt habe.

Das wird übrigens bereits deutlich, wenn du noch einmal das erste gegen Origenes oder die Origenisten gerichtete ἀνάϑεμα des Constantinopolitanum von 553 anschaust: Die Lehre von der Präexistenz der Seelen und die Allwiederherstellungslehre werden dort in einem Atemzug verurteilt. Und zwar nicht von ungefähr.

Laß es mich noch einmal verdeutlichen. Für Origenes, ganz wie für den Platonismus, stehen am Anfang reine Geistwesen, die allmählich durch eigene Schuld abwärts tendieren, also zur Materie hin, dabei zu „Seelen“ und – als eine Art Bestrafung – mit materiellen Leibern bekleidet werden. Daraus gelte es sich zu befreien und – durch eine Vielzahl von Inkarnationen hindurch – wieder aufzusteigen, sich der materiellen Leiber zu entledigen und zur Einheit mit und in Gott zurückzukehren.

Die Leiber werden dabei je nach Verdienst zugewiesen. Es besteht für Origenes auch kein prinzipieller Unterschied zwischen Engeln und Menschenseelen. Die Engel sind entweder nicht so weit gesunken, oder aber bereits weiter fortgeschritten auf dem Rückweg aufwärts. Als Vollendung dieser Rückkehr sieht Origenes jene allgemeine Wiederherstellung, die ἀποκατάστασις πάντων.

Er nimmt auch Jesus davon nicht aus. Dessen Inkarnation ist für Origenes eine Art Beschmutzung aufgrund einer Schuld. Jesu Tod spielt aus dieser Sicht – so sehr Origenes anderswo auch traditionelle Begriffe verwendet – für unsere Erlösung keine Rolle. Die Erlösung der gefallenen Seelen vollzieht sich in zahlreichen Inkarnationen kraft eigenen Verdienstes. In diesem Licht ist auch des Origenes extreme Aszese zu sehen, einschließlich seiner Selbstkastration.

Ich kann nicht erkennen, wie solche Vorstellungen, zu denen die für ἀποκατάστασις als ein Detail gehört, auch nur entfernt mit dem Glauben der Kirche vereinbar wären.
Deine Provokation des „nicht verstanden haben“ lasse ich einmal links liegen, um den Blick auf das Wesentliche zu konzentrieren:

Auffällig ist, daß Du den Heiden Porphyrius als Zeugen gegen Origenes benennst und im nächsten Atemzug den von Erich Dumfarth als Zeugen für Origenes benannten Arianer Eusebios, mithin ein dem Christentum nahestehender Heide, verwirfst. Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen!

Dieser „schmutzige“ Abstieg der Seele in die Materialität, wie sie in der origenesischen Seelenlehre postuliert wird, ist wohl mehr allegorisch zu verstehen und weniger wörtlich zu nehmen. Und das Platon’s Ideenlehre die christliche Seelenlehre bis hinein in die Begrifflichkeit befruchtet hat, ist IMHO nicht zu bestreiten. Deswegen Origenes „Panscherei“ vorzuwerfen ist pagane Polemik, der Du „leider auf den Leim kriechst“.

Die Seele des Menschen als eine Idee GOTTES, die dem Menschen im Zeugungsakt einbeschaffen wird, kann ich mit meinem katholischen Glauben sehr wohl in Übereinstimmung bringen.

Noch kurz ein paar Worte zur Lehre von der Apokatastasis:
Die Schöpfung GOTTES in einem Buchstaben symbolisiert, würde zum Buchstaben „Y“ führen. Sie kommt von unten von dem einen und dreifaltigen Schöpfer und verzweigt sich nachher in Himmel und Hölle. Interessanterweise ist das „Y“ aber der vorletzte Buchstabe im Alphabet und GOTT ist das Α und das Ω; mithin das „A“ und das „Z“. Dem „Y“ fehlt also noch etwas zu seiner Vollendung im „Z“.
Diese Vollendung ist auch nicht durch die Inkarnation der zweiten Person GOTTES erreicht, sondern „nur“ vorbereitet und wird erst bei SEINER Wiederkunft endgültig geschafft. Bis dahin gestalten die Kirche als der in das diesseitig-endliche verlängerte Leib von JESUS CHRISTUS als Mitschöpfer, mithin nicht deistisch, unter dem Beistand des HEILIGEN GEIST diese Schöpfung.

GsJC
Raphael

florian3
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Beitrag von florian3 »

Für Origenes, ganz wie für den Platonismus, stehen am Anfang reine Geistwesen, die allmählich durch eigene Schuld abwärts tendieren, also zur Materie hin, dabei zu „Seelen“ und – als eine Art Bestrafung – mit materiellen Leibern bekleidet werden. Daraus gelte es sich zu befreien und – durch eine Vielzahl von Inkarnationen hindurch – wieder aufzusteigen, sich der materiellen Leiber zu entledigen und zur Einheit mit und in Gott zurückzukehren.
Hier würde ich nur anmerken, für den Neuplatonismus ganz bestimmt, für Platon selbst und die weitere Entwicklung der platonischen Akademie nicht unbedingt. Der Aufstieg zum Einen ist immer schon zentrales Motiv des Platonismus, allerdings noch ohne Abfall und Strafe, die notwendig auf eine Erlösung aller Seelen angewiesen ist. Bei Platon selbst ist dieser Aufstieg zum Einen klar den Dialektikern, Philosophenherrschern, also einer klar oligarchischen Gruppe vorbehalten, nicht den "Vielen". Mit dem Neuplatonismus ändert sich das natürlich.

Übrigens, Ist die Abwertung der Materie, die ganzen Zwischenstufen, die für eine Rückkehr zum einen notwendig sind, nicht ein Motiv der Gnosis?

Ich muß außerdem gestehen, noch nichts von Origines gelesen zu haben, weiß also dementsprechend nicht, wo genau er einzuordnen ist.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Geronimo hat geschrieben:»Robert, sei nicht so verbiestert ...Ich mag Origenes auch und es hat meiner treukatholischen Überzeugung überhaupt nichts geschadet. Oder gibt es da geheime Denkverbote, die mir noch nicht zu Ohren gekommen sind?
Natürlich bringt das sich gegenseitig Zitate vorlegen, nicht viel. Man kann ja vieles dem anderen nicht nahebringen - und warum auch? Lesen kann man selber und uns entscheiden, was wir mit dem Gelesenen anfangen.
Ich hab allerdings eine tiefe Abneigung gegen dieses Verleumdergerede ingesamt; die Geschichte der Ketzer ist auch christliche Geschichte. Man mus diesen Leuten zugestehen, daß sie meistens nur konsequent etwas zu Ende gedacht haben.
Ich darf mal eine kleine Geschichte zum besten geben:
Die Benediktinernonne Elisabeth von Schönau, ein zartes Persönchen, wurde im Mittelalter vn dem Gedanken gepeinigt, ob der große Lehrer der Kirche, Origenes, wohl gerettet sei oder nicht. In einer Vision empfing sie die Antwort: "Du sollst aber wissen, dass die Irrung des Origenes nicht aus Bosheit entstand, sondern aus dem allzu großen Eifer, mit dem er seinen Sinn in die Tiefen seiner geliebten Heiligen Schrift und in die göttlichen Geheimnisse versenkte, die er allzusehr ergründen wollte. Deshalb ist auch die Strafe nicht schwer, in der er sich befindet."
Ist dem was hinzuzufügen?«
Ja. Erstens bin ich, ehrlich gesagt, völlig geplättet ob des verbissenen Eifers, mit dem Origenes hier verteidigt wird. Die partielle Leseschwäche der Apologeten macht mich zugleich einigermaßen ratlos.

Zweitens geht es nicht um die Frage, ob Origenes gerettet ist oder nicht. Die Privatoffenbarungen eines neugierigen Nönnchens sind dabei gänzlich irrelevant. Lediglich gegen immer wieder unternommene hagiographische Versuche am untauglichem Objekt muß deutlich gesagt werden: Es ist keinem Christen erlaubt, den Origenes als Heiligen, Märtyrer, Bekenner oder dergleichen zu verehren.

Drittens ist das eigentliche Thema dieser Diskussion die Frage, ob Origenes gläubigen Lesern zur Lektüre taugt. Die Antwort steht ebenfalls von vornherein fest, und sie lautet: nein. Denn Origenes ist von einem Ökumenischen Konzil mit diversen seiner Lehren verurteilt worden. Es ist darum nicht erlaubt, Origenes einen »großen Lehrer der Kirche« zu nennen.

Viertens trifft obige Aussage, »lesen« könne »man selber«, offenbar nicht in jedem Fall zu. Denen, die sich haben blenden lassen, habe ich oben helfen wollen, die origenistischen Fallstricke zu erkennen; vergeblich offenbar. Es wird konsequent und vollständig alles ignoriert, was die Heterodoxie des Origenes ausmacht.

Ich versuche es noch einmal und frage euch, jeden einzelnen der Origenesjünger:

1. Glaubst du, daß deine Seele bereits existierte, bevor sie mit deinem Leib vereinigt wurde?
2. Glaubst du, daß deine Seele in mehrfachen Inkarnationen durch verschiedene Leiber wandert?
3. Glaubst du, daß deine Erlösung darin besteht, daß deine Seele sich durch Aszese und Abstehen von allem Materiellen reinigt?
4. Glaubst du, daß deine Seele, wenn sie sich hinreichend gereinigt hat, keinen materiellen Leib mehr erhält, sondern einen ätherischen, und daß sie schließlich sogar zu einem Engel wird?

Ich bitte um klare Antworten auf diese vier Fragen. Deine Rede sei »ja« oder »nein«.
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Lucia

Beitrag von Lucia »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Drittens ist das eigentliche Thema dieser Diskussion die Frage, ob Origenes gläubigen Lesern zur Lektüre taugt. Die Antwort steht ebenfalls von vornherein fest, und sie lautet: nein.
Robert, der Index wurde schon vor Deiner Geburt abgeschafft.

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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:Auffällig ist, daß Du den Heiden Porphyrius als Zeugen gegen Origenes benennst und im nächsten Atemzug den von Erich Dumfarth als Zeugen für Origenes benannten Arianer Eusebios, mithin ein dem Christentum nahestehender Heide, verwirfst. Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen!«
Siehste wohl, ich bin immer für Überraschungen gut. Und ein ehrlicher Heide ist mir allemal lieber als ein Arianer, das ist wahr. Hier ging es mir aber primär um den gesunden Menschenverstand.
Raphael hat geschrieben:»Dieser „schmutzige“ Abstieg der Seele in die Materialität, wie sie in der origenesischen Seelenlehre postuliert wird, ist wohl mehr allegorisch zu verstehen und weniger wörtlich zu nehmen.«
Nein, das ist falsch. Allegorisch versteht Origenes die heiligen Schriften. Die Seelenlehre, wie ich sie skizziert habe, gehört in den Bereich der Physik, wenn ich das mal mit dem Begriff der Alten bezeichnen darf. Da redet Origenes über die Dinge, wie sie – nach seiner Meinung – tatsächlich sind. Die allegorische Interpretation, für die er ja berühmt ist (und die er von der Homer-Interpretation der Platoniker übernommen hat), gehört bei ihm in die Schrift-Exegese.
Raphael hat geschrieben:»Und das Platon’s Ideenlehre die christliche Seelenlehre bis hinein in die Begrifflichkeit befruchtet hat, ist IMHO nicht zu bestreiten. Deswegen Origenes „Panscherei“ vorzuwerfen ist pagane Polemik, der Du „leider auf den Leim kriechst“.«
Unfug. Ich bin gar kein Anti-Platoniker. Ich schätze Plato weit höher als Aristoteles. Einschließlich der Ideenlehre. Diese betrifft aber in praxi vorwiegend die Erkenntnislehre, nicht die Seelenlehre. Obgleich auch die christliche Lehre von der Seele als der Form des Leibes ohne das Werkzeug, das Plato bereitgestellt hat, kaum denkbar ist. Das will ich nicht bestreiten. Platos Auffassung von der Seele hat die Kirche sich aber nie zu eigen gemacht.Erst recht nicht diejenige der Neuplatoniker.
Raphael hat geschrieben:»Die Seele des Menschen als eine Idee GOTTES, die dem Menschen im Zeugungsakt einbeschaffen wird, kann ich mit meinem katholischen Glauben sehr wohl in Übereinstimmung bringen.«
Das würde ich anders ausdrücken – siehe oben: Seele als Form des Leibes, also nicht »dem Menschen einbeschaffen«, sondern selber, samt dem Leib, Mensch –, aber prinzipiell stimme ich zu. Bloß ist das ja nicht die Auffassung des Origenes. Origenes lehrt die Präexistenz der Seelen. Hast du das überhaupt verstanden?
Raphael hat geschrieben:»Noch kurz ein paar Worte zur Lehre von der Apokatastasis: Die Schöpfung GOTTES in einem Buchstaben symbolisiert, würde zum Buchstaben „Y“ führen. Sie kommt von unten von dem einen und dreifaltigen Schöpfer und verzweigt sich nachher in Himmel und Hölle. Interessanterweise ist das „Y“ aber der vorletzte Buchstabe im Alphabet und GOTT ist das A und das O; mithin das „A“ und das „Z“. Dem „Y“ fehlt also noch etwas zu seiner Vollendung im „Z“.«
Das ist gnostisierende Buchstabenrätselei. Bitte, laß es bleiben. Bringt dir gar nichts.
Raphael hat geschrieben:»Diese Vollendung ist auch nicht durch die Inkarnation der zweiten Person GOTTES erreicht, sondern „nur“ vorbereitet und wird erst bei SEINER Wiederkunft endgültig geschafft. Bis dahin gestalten die Kirche als der in das diesseitig-endliche verlängerte Leib von JESUS CHRISTUS als Mitschöpfer, mithin nicht deistisch, unter dem Beistand des HEILIGEN GEIST diese Schöpfung. «
Schwarmgeisterei. Laß es. Und wir leben in der Endzeit. Seit der Einfleischung des Herrn.
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lucia hat geschrieben:»Robert, der Index wurde schon vor Deiner Geburt abgeschafft.«
Darf ich das übersetzen?

»Nein, ich laß mir keine Vorschriften machen.«

Stell dich mal nicht immer gleich auf die Hinterbeine. Du wirst gewinnen und nicht verlieren.
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

florian3 hat geschrieben:»Hier würde ich nur anmerken, für den Neuplatonismus ganz bestimmt, für Platon selbst und die weitere Entwicklung der platonischen Akademie nicht unbedingt. Der Aufstieg zum Einen ist immer schon zentrales Motiv des Platonismus, allerdings noch ohne Abfall und Strafe, die notwendig auf eine Erlösung aller Seelen angewiesen ist. Bei Platon selbst ist dieser Aufstieg zum Einen klar den Dialektikern, Philosophenherrschern, also einer klar oligarchischen Gruppe vorbehalten, nicht den "Vielen". Mit dem Neuplatonismus ändert sich das natürlich.«
Es geht ja hier auch um den Neuplatonismus. Die Schule des Ammonius von Alexandrien. Elitär ist allerdings auch der Neuplatonismus noch. Eventuell ändert sich das bei Jamblich ein wenig, aber nicht eher und nicht grundsätzlich.
florian3 hat geschrieben:»Übrigens, Ist die Abwertung der Materie, die ganzen Zwischenstufen, die für eine Rückkehr zum einen notwendig sind, nicht ein Motiv der Gnosis?«
Ja.
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

1) war Origenes kein Häretiker. Nach dem katholischen Lexikon der christlichen Moral:

"1. Die teilweise Verweigerung des Glaubens an den von der Kirche ausdrückl. als geoffenbart vorgelegten Glaubensinhalt wird H. genannt. Der Glaube kann durch positiven Glaubenszweifel od. durch positiven Unglauben werweigert werden (CICc. 1325 §2).

Der Begriff der H. trifft nicht eigentl. auf den gutgläubigen Irrtum zu (materiale H.; die Kirche spricht jetzt lieber von "getrennten Brüdern", vgl. 2. Vat. Konz., UR 3 4), sondern auf die Verweigerung der Glaubenszustimmung trotz Einsicht (formale H.)."
Was Origenes zu seinen Lebzeiten (von ca. 185 bis 253/54) dachte und schrieb, nun, das war zuerst einmal Theologie in einen zu seiner Zeit lehramtlich noch nicht abgesteckten Bereich. Einiges davon wurde rund 300 Jahre später auf dem Konzil von Konstantinopel von 543 verworfen (es werden 9 Gründe genannt). Das berechtigt, diese Teile seiner Lehre als irrig - häretisch - zu bezeichnen, nicht aber den Origenes als Häretiker oder Ketzer, da er gutgläubig irrte, und nicht im Widerstand gegen die kirchliche Lehre.

2) Wenn jemand schreibt
Man könnte sogar böswillig den Verdacht in die Welt setzen, der Umstand, daß Origenes nicht – wie viele andere – in der Gefangenschaft umkam, sondern freigelassen wurde, liege daran, daß er – vermutlich unter der Folter – abgeschworen habe. Eusebs auffällige Behauptung, der Richter habe sich eifrigst bemüht, Origenes trotz Folter nicht sterben zu lassen, wäre dann sozusagen der Versuch einer Rechtfertigung oder vorsorglichen Reinwaschung. Wohl gemerkt: Man könnte solch einen Verdacht aufbringen. Ich will dies aber nicht tun, denn er wäre ebenso wenig zu belegen wie die Behauptung eines Martyriums.
also mit "man könnte böswillig den Verdacht in die Welt setzen ..." einleitet, diesen Verdacht dann ausführt, um schließlich mit "Ich will dies aber nicht tun ..." zu enden, dann halte ich dies für einen schäbigen rhetorischen Trick, mit dem man eben jenen bösen Verdacht in die Welt setzt, von dem man vorgibt, ihn nicht in die Welt setzen zu wollen. Ich kenne solche Tricks, weil ich sie selber schon gelegentlich zur Anwendung brachte, mir zur Unehre gesagt.

Es geht also nicht darum jene Thesen des Origenes zu verteidigen, die die Kirche verwarf. Nur wäre es Dummheit mit dem Irrigen auch das Gute zu verwerfen. Im Urteil über Origenes und die Allversöhnungslehre halte ich mich an Hans Urs von Balthasar und Raymund Schwager. Und mit Schwager schließe ich:

475 Die Lehre v. Balthasars bezüglich der universalen Heilshoffnung wird heute von vielen Theologen geteilt (z.B. K. Rahner, W. Kasper, Greshake, Ratzinger, J. Brantschen etc). Sie kann in der akademischen Theologie fast als 'sententia communis' gelten. Sie wird allerdings nirgends so ausführlich begründet wie bei Balthasar. Viele Autoren scheinen sie eher aufzugreifen, weil sie 'im Zug der Zeit' liegt.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Auffällig ist, daß Du den Heiden Porphyrius als Zeugen gegen Origenes benennst und im nächsten Atemzug den von Erich Dumfarth als Zeugen für Origenes benannten Arianer Eusebios, mithin ein dem Christentum nahestehender Heide, verwirfst. Da wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen!«
Siehste wohl, ich bin immer für Überraschungen gut. Und ein ehrlicher Heide ist mir allemal lieber als ein Arianer, das ist wahr. Hier ging es mir aber primär um den gesunden Menschenverstand.
Du hast recht, negative Überraschungen sind auch Überraschungen.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Dieser „schmutzige“ Abstieg der Seele in die Materialität, wie sie in der origenesischen Seelenlehre postuliert wird, ist wohl mehr allegorisch zu verstehen und weniger wörtlich zu nehmen.«
Nein, das ist falsch. Allegorisch versteht Origenes die heiligen Schriften. Die Seelenlehre, wie ich sie skizziert habe, gehört in den Bereich der Physik, wenn ich das mal mit dem Begriff der Alten bezeichnen darf. Da redet Origenes über die Dinge, wie sie – nach seiner Meinung – tatsächlich sind. Die allegorische Interpretation, für die er ja berühmt ist (und die er von der Homer-Interpretation der Platoniker übernommen hat), gehört bei ihm in die Schrift-Exegese.
Origenes entwickelt die dreifache Schriftauslegung, mithin versteht er sie bei weitem nicht nur allegorisch, sondern ist einer der Väter der vierfachen Schriftlauslegung. Henri de Lubac vertritt sogar die These, daß diese vierfache Schriftauslegung bei Origenes schon grundgelegt sei, da er zwei unterschiedlich strukturierte dreifache Schemen nutzt: Einmal das dreifache Schema für die Homilien in Analogie zum Menschenbild (Körper, Psyche, Geist) und einmal das dreifache Schema für die Bibelexegese (Buchstabe, Geist, Moral = Geschichte, Glaube, Handeln).
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Und das Platon’s Ideenlehre die christliche Seelenlehre bis hinein in die Begrifflichkeit befruchtet hat, ist IMHO nicht zu bestreiten. Deswegen Origenes „Panscherei“ vorzuwerfen ist pagane Polemik, der Du „leider auf den Leim kriechst“.«
Unfug. Ich bin gar kein Anti-Platoniker. Ich schätze Plato weit höher als Aristoteles. Einschließlich der Ideenlehre. Diese betrifft aber in praxi vorwiegend die Erkenntnislehre, nicht die Seelenlehre. Obgleich auch die christliche Lehre von der Seele als der Form des Leibes ohne das Werkzeug, das Plato bereitgestellt hat, kaum denkbar ist. Das will ich nicht bestreiten. Platos Auffassung von der Seele hat die Kirche sich aber nie zu eigen gemacht.Erst recht nicht diejenige der Neuplatoniker.
Wo habe ich behauptet, daß die christliche Seelenlehre mit der platonischen Seelenlehre oder mit ihrer origenesischen Spezifikation identisch ist?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Die Seele des Menschen als eine Idee GOTTES, die dem Menschen im Zeugungsakt einbeschaffen wird, kann ich mit meinem katholischen Glauben sehr wohl in Übereinstimmung bringen.«
Das würde ich anders ausdrücken – siehe oben: Seele als Form des Leibes, also nicht »dem Menschen einbeschaffen«, sondern selber, samt dem Leib, Mensch –, aber prinzipiell stimme ich zu. Bloß ist das ja nicht die Auffassung des Origenes. Origenes lehrt die Präexistenz der Seelen. Hast du das überhaupt verstanden?
Der Zeugungsakt ist als Ganzes zu betrachten, daher ist eine Präexistenz der Seele mit meiner obigen Aussage nicht abgedeckt.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Noch kurz ein paar Worte zur Lehre von der Apokatastasis: Die Schöpfung GOTTES in einem Buchstaben symbolisiert, würde zum Buchstaben „Y“ führen. Sie kommt von unten von dem einen und dreifaltigen Schöpfer und verzweigt sich nachher in Himmel und Hölle. Interessanterweise ist das „Y“ aber der vorletzte Buchstabe im Alphabet und GOTT ist das A und das O; mithin das „A“ und das „Z“. Dem „Y“ fehlt also noch etwas zu seiner Vollendung im „Z“.«
Das ist gnostisierende Buchstabenrätselei. Bitte, laß es bleiben. Bringt dir gar nichts.
Nein, das ist eine komplexitätsreduzierende Symbolisierung von Schöpfungstheologie, um die wesentlichen Bestandteile zu verdeutlichen.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Diese Vollendung ist auch nicht durch die Inkarnation der zweiten Person GOTTES erreicht, sondern „nur“ vorbereitet und wird erst bei SEINER Wiederkunft endgültig geschafft. Bis dahin gestalten die Kirche als der in das diesseitig-endliche verlängerte Leib von JESUS CHRISTUS als Mitschöpfer, mithin nicht deistisch, unter dem Beistand des HEILIGEN GEIST diese Schöpfung. «
Schwarmgeisterei. Laß es. Und wir leben in der Endzeit. Seit der Einfleischung des Herrn.
Es würde Dir weiterhelfen, wenn Du die persönlichen Herabsetzungen der Gesprächspartner unterlassen würdest. Das ist sektiererisches Gehabe, welches man bei umfassender Bildung nicht nötig hat!

GsJC
Raphael

P.S. Was die Ausführungen von Erich Dumfarth zu dem Häretiker-Status von Origenes angeht, schließe ich mich seiner Meinung vollumfänglich an. Die Kirche hat aus guten Gründen immer nur Lehren als häretisch verworfen, aber niemals den Menschen, der sich derlei Irrungen erdacht hatte.

mk

Beitrag von mk »

Die breit und lebhaft geführte Diskussion ist m. E. ein Hinweis darauf, daß wir hier an einem ganz zentralen Punkt unseres christlichen Glaubens sind - viel zentraler als "Papst und Pille" usw....warum werden SOLCHE Diskussionen (wenn natürlich vom Niveau her entsprechend heruntergebrochen) nicht mal in der Öffentlichkeit geführt? Das wäre sicher mal ne gute Sache für das Renomée des Christenutms...
Um nochmal auf Balthasar - den ich im allgemeinen sehr schätze - zurückzukommen:
Erich Dumfarth hat geschrieben: Zugleich folgt v.Balthasar aber jener universalen Heilshoffnung, wie sie sich bei Origenes und K.Barth findet.

[...]
471 Damit ergibt sich für den Christen eine Doppelhaltung: Im Blick auf jenen Sohn Gottes, der den Sündern bis in die extreme Einsamkeit nachgeht, dürfen wir hoffen, daß alle Menschen gerettet werden, und daß der universale Heilswille Gottes sich auch tatsächlich durchsetzt (157)

Die Lehre v. Balthasars bezüglich der universalen Heilshoffnung wird heute von vielen Theologen geteilt (z.B. K. Rahner, W. Kasper, Greshake, Ratzinger, J. Brantschen etc). Sie kann in der akademischen Theologie fast als 'sententia communis' gelten. Sie wird allerdings nirgends so ausführlich begründet wie bei Balthasar. Viele Autoren scheinen sie eher aufzugreifen, weil sie 'im Zug der Zeit' liegt. [/color]
Hierzu möchte ich nur mal einen Satz in den Raum stellen, den ich mal in einer Hausarbeit zum Thema "Communio" geschrieben habe (und der natürlich etwas für das Gemüt des Professors formuliert war... ;) ):
"...folgender - verurteilter - Satz aus dem „Syllabus“ Pius` IX.: „17. Saltem bene sperandum est de aeterna illorum omnium salute, qui in vera Christi Ecclesia nequaquam versantur.” (DENZINGER, Henricus, Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Feiburg i. Br. 18-201932, Nr. 1717), vgl. dagegen Balthasar: „Und wenn wir nicht ‚wissen’, daß schließlich alle Menschen von der göttlichen Gnade in die endgültig göttlich-menschliche Communio hineingeholt werden, so haben wir doch als Christen das Recht und die Pflicht, es mit einer ‚göttlichen’, gottgewollten und gottgeschenkten Hoffnung zu erhoffen.“ (BALTHASAR, Communio, 10).

Lehramtlich fand sich also für eine Apokathastasis-Lehre nicht gerade begeisterte Zustimmung... ;)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erich, zum wievielten Mal hast du diese Zitate nun wiederholt? Meine Fragen dagegen hast du nicht beantwortet. Vielleicht kannst du das noch nachholen. Und sei es auch nur im stillen Kämmerlein – es geht nicht darum, meine Neugier zu befriedigen. Was ich andererseits gern wüßte, das ist, womit eigentlich ich dich – längst vor der gegenwärtigen Diskussion – persönlich beleidigt habe.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»1) war Origenes kein Häretiker. Nach dem katholischen Lexikon der christlichen Moral: […]«
Wer hat hier eigentlich Origenes einen Häretiker genannt? Ich nicht. Weshalb reitest du immer wieder darauf herum?

Wenn du darauf bestehst, dann weiche ich auch in diesem Punkt nicht mehr aus. Wisse also, daß zum Beispiel Augustin in seinem Häretikerkatalog de hæreses selbstverständlich auch Origenes nennt, ja sogar relativ ausführlich behandelt und für weiteres auf seine Bücher de civitate Dei verweist (vgl. dort vor allem XXI,17). Andere Häretikerkataloge halten es ähnlich. Das Constantinopolitanum II von 553, das von Ost- und Westkirche einmütig als unfehlbar anerkannte Ökumenische Konzil, nennt Origenes ausdrücklich einen Häretiker.

Damit will keiner ein Urteil darüber fällen, ob Origenes nun der ewigen Seligkeit teilhaftig sei oder nicht. Ist das so schwer zu begreifen? Es geht nicht um eine Verdammung der Person. Diese Person hat jedoch schwer Irrtümer, also Häresien, gelehrt – und lehrt sie, wie wir sehen, durch ihre Schriften noch. Vor dieser Gefahr sind die Gläubigen zu schützen, und darum kann und muß jedermann wissen, daß jegliche Verehrung dieses häretischen Lehrers unzulässig ist.

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Wenn jemand schreibt […] also mit "man könnte böswillig den Verdacht in die Welt setzen ..." einleitet, diesen Verdacht dann ausführt, um schließlich mit "Ich will dies aber nicht tun ..." zu enden, dann halte ich dies für einen schäbigen rhetorischen Trick, mit dem man eben jenen bösen Verdacht in die Welt setzt, von dem man vorgibt, ihn nicht in die Welt setzen zu wollen. Ich kenne solche Tricks, weil ich sie selber schon gelegentlich zur Anwendung brachte, mir zur Unehre gesagt.«
Für einen Trick, lieber Erich, war das ja allzu offenkundig. Gewiß konstruiere ich zunächst jenen Verdacht. Gewiß auch wäre die anschließende Distanzierung heuchlerisch – wenn nicht, ja wenn nicht mein Konstrukt nur das Gegenbild zum positiven Konstrukt vom angeblichen Märtyrer Origenes wäre. Über beides kann man mit gleichem Recht spekulieren, nachzuweisen ist jedoch gar nichts. Dies Beweisziel meiner Argumentation war so deutlich erkennbar, daß ich dir den Vorwurf der Schäbigkeit zurückgeben könnte.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Im Urteil über Origenes und die Allversöhnungslehre halte ich mich an Hans Urs von Balthasar und Raymund Schwager.«
Balthasar und Schwager verkennen gleichmaßen, daß jene „universale Heilshoffnung“, von welcher da die Rede ist und die meines Erachtens zwar anfechtbar, aber jedenfalls auch diskussionswürdig ist, mit des Origenes Allwiederherstellungslehre nicht zu tun hat. Wie oft soll ich denn noch jenes neuplatonische Schema vom Fall und Wiederaufstieg der Seele erläutern, aus dem das stammt?

Nein, ich wiederhole es nun nicht mehr, aber ich setze statt dessen noch eins drauf: Wir haben uns bislang nämlich nur in „diesem Æon“ bewegt. Wenn alles zurückgekehrt sei in die Einheit mit Gott – so Origenes –, alles also reiner Geist sei, die Materie in nichts zurückgefallen: dann beginne ein neuer Æon, dann gehe alles von vorn los. Sobald eine Seele wieder sündige, entstehe auch Materie, und so weiter. Origenes weist in diesem Zusammenhang die (vor allem stoische) These von der ewigen Wiederkehr des immer selben zurück. Unendliche Kreisläufe lehrt er jedoch auch, bloß könne die Geschichte jedesmal ein wenig anders ausfallen. Christi Inkarnation und Kreuzestod mag aber immer wieder dabei sein.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wer hat hier eigentlich Origenes einen Häretiker genannt? Ich nicht. Weshalb reitest du immer wieder darauf herum?
Nicht ganz so vorlaut, bitte!
Zitat von Robert Ketelhohn in diesem Forum vom 7.3.2004 um 18:09 Uhr:
Anhänger haben ihn als Lehrer verehrt, die Kirche hat ihn verurteilt. Punkt.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:»Origenes entwickelt die dreifache Schriftauslegung, mithin versteht er sie bei weitem nicht nur allegorisch, sondern ist einer der Väter der vierfachen Schriftlauslegung. Henri de Lubac vertritt sogar die These, daß diese vierfache Schriftauslegung bei Origenes schon grundgelegt sei, da er zwei unterschiedlich strukturierte dreifache Schemen nutzt: Einmal das dreifache Schema für die Homilien in Analogie zum Menschenbild (Körper, Psyche, Geist) und einmal das dreifache Schema für die Bibelexegese (Buchstabe, Geist, Moral = Geschichte, Glaube, Handeln).«
Warum weicht ihr ständig auf Nebenkriegsschauplätze aus? Ich habe gar nicht behauptet, Origenes interpretiere die Schrift nur allegorisch. Ich schrieb lediglich, er wende die allegorische Methode bei der Schriftexegese an und nicht, wie du gemeint hattest, bei der Beschreibung des Weltbaus.

Nun hat Origenes in der Tat viel zur Entwicklung der traditionellen exegetischen Methode der Kirche beigetragen, indem er vom Mittelplatonismus die allegorische Dichter-Interpretation übernommen und auf die Schrift angewandt hat. Aber finden wir bei ihm tatsächlich bereits die Lehre vom drei- oder vierfachen Schriftsinn ausgebildet?

Für das erste von dir genannte Schema kommt, soweit ich sehe, als Quelle vor allem de principiis (περὶ ἀρχῶν) IV,2,4-6 in Betracht. Dort redet Origenes unter allegorisierender Auslegung von Prv 22,20 (juxta LXX) von dreifachem Schriftsinn. Sein dreifacher Sinn ist jedoch etwas ganz anderes als derjenige der Tradition. Denn für Origenes hat durchaus nicht jeder dieser „Sinne“ für jeden Gläubigen eine Bewandtnis: Der erste, wörtliche Sinn – der „fleischliche“ in origeneïscher Diktion – gilt den „Anfängern“, dem einfachen Volk. Der zweite, „seelische“ ist für die „Fortgeschrittenen“, der dritte, „geistige“ Sinn aber allein für die vollkommenen Geister.

Mit dieser Unterscheidung fällt Origenes aus dem Rahmen der kirchlichen Tradition, er steht vielmehr in direkter Nachfolge des jüdisch-gnostischen Platonikers Philo von Alexandrien. Zwar findet sich das Modell der drei (oder vier) Verstehensweisen der Schrift im Sinne eines Fortschreitens in der Erkenntnis und im Glauben als eine Nebentradition bei einzelnen rechtgläubigen Autoren das ganze „Mittelalter“ hindurch, doch ist da der Fortschritt immer individuell gemeint. So wird die Metapher von Fleisch, Seele und Geist, wie sie Origenes bringt, auch ergänzt oder ersetzt durch ein Lebensalter-Schema oder durch die architektonische Metapher vom aus Fundament, Wänden und Dach zu errichtenden Bau. Anders dagegen die Dreiteilung des Origenes: Sie ist elitär gemeint.

Das andere Schema – Dreiteilung in sensus litteralis, allegoricus und moralis – kann ich bei Origenes nicht wirklich finden; vielleicht kannst du mir auf die Sprünge helfen. Mir scheint aber, daß Origenes praktisch fast immer nur zwei Schriftsinne unterscheidet, einen wörtlichen und einen allegorischen, wobei die Bedeutung des wörtlichen Sinns hinter dem allegorischen bis zum völligen Verschwinden zurücktritt. Sofern Origenes biblischen Berichten ihre historische Geltung überhaupt läßt, nähert sich ihre Relevanz asymptotisch der Null, während ihm alles auf die geistige Bedeutung ankommt, die sich allein den vollkommenen Geistern offenbare.

Raphael hat geschrieben:»Wo habe ich behauptet, daß die christliche Seelenlehre mit der platonischen Seelenlehre oder mit ihrer origeneischen Spezifikation identisch ist?«
Wo habe ich behauptet, du habest das behauptet???
Raphael hat geschrieben:»Der Zeugungsakt ist als Ganzes zu betrachten, daher ist eine Präexistenz der Seele mit meiner obigen Aussage nicht abgedeckt«
Die Präexistenz der Seele lehrt nun aber Origenes. Wenn das noch ein paar Tage so weitergeht, darfst du mich Gebetsmühle nennen, oder meinetwegen Brummtriesel.

Im übrigen solltest du, wo es um die Erschaffung der individuellen menschlichen Seele geht, nicht allein vom Zeugungsakt reden. Die Seele ist ja keine Funktion des Leibes.

Raphael hat geschrieben:»Nein, das ist eine komplexitätsreduzierende Symbolisierung von Schöpfungstheologie, um die wesentlichen Bestandteile zu verdeutlichen.«
Einfachen Geistern wie mir verdeutlichst du mit solchen Waberworten gar nichts.
Raphael hat geschrieben:»Es würde Dir weiterhelfen, wenn Du die persönlichen Herabsetzungen der Gesprächspartner unterlassen würdest.«
Wo konkret habe ich dich denn herabgesetzt?
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wer hat hier eigentlich Origenes einen Häretiker genannt? Ich nicht. Weshalb reitest du immer wieder darauf herum?
Nicht ganz so vorlaut, bitte!
Zitat von Robert Ketelhohn in diesem Forum vom 7.3.2004 um 18:09 Uhr:
Anhänger haben ihn als Lehrer verehrt, die Kirche hat ihn verurteilt. Punkt.
SCNR
Raphael
Lieber Raphael, ich hatte bislang den Begriff des „Häretikers“, wie du durch dein Zitat aus meinem früheren Beitrag ja selber unterstreichst, strikt gemieden – obgleich ich, wenn ich ihn verwendete, das kirchliche Lehramt auf meiner Seite hätte, wie eben gezeigt.

Warum mied ich den Begriff? Exakt darum, daß ich Erich nicht unnötig provozieren und auf einen Nebenkriegsschauplatz abgleiten lassen wollte – nachdem ich nämlich gemerkt hatte, wie er auf dem Häresietatbestand des aktuellen kanonischen Rechts herumreitet.
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hans Urs von Balthasar hat geschrieben:»Und wenn wir nicht „wissen“, daß schließlich alle Menschen von der göttlichen Gnade in die endgültig göttlich-menschliche Communio hineingeholt werden, so haben wir doch als Christen das Recht und die Pflicht, es mit einer „göttlichen“, gottgewollten und gottgeschenkten Hoffnung zu erhoffen«
Augustinus (civ. Dei XXI,17) hat geschrieben:»tanto invenitur errare deformius et contra recta Dei verba perversius, quanto sibi videtur sentire clementius – Je häßlicher und je stärker von den klaren Worten Gottes abgekehrt man einen irren sieht, für desto mitleidiger scheint er sich zu halten.«
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mk

Beitrag von mk »

Hmmm... :kratz: Robert, ich verstehe nicht ganz, wie diese beiden Zitate jetzt zusammenhängen ...?

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

mk hat geschrieben:Hmmm... :kratz: Robert, ich verstehe nicht ganz, wie diese beiden Zitate jetzt zusammenhängen ...?
Damit will Robert andeuten, dass Balthasars "Protest" gegen einen Gott, der von Ewigkeit her manche Menschen, auch Christen, zur Verdammung bestimmt, eine hässliche Abkehr vom Worte Gottes sei.

Wieder nach Raymund Schwager zitiert:
461 Im Westen wurde bis Augustinus vielfach gelehrt (Hieronymus, Ambrosius etc.), daß alle Christen gerettet werden (vgl.Mk 16,16; 1 Kor 3,10-15). Für die große Mehrzahl der Heiden rechnete man aber mit der ewigen Höllenstrafe. Tertullian, der Rigorist war und deshalb zum Montanismus übertrat, vertrat, daß auch die lauen Christen in die Hölle kommen. Von Augustinus an wurde aber seine Lehre für die westliche Theologie entscheidend.

462 Der Bischof von Hippo verwarf ausdrücklich den Gedanken, daß alle Christen gerettet werden. Nach ihm werden vielmehr nur jene gerettet, die Gott von Ewigkeit her dazu erwählt (prädestiniert) hat. Diese werden mit Sicherheit gerettet; alle anderen bleiben, weil sie in Adam gesündigt haben, in der Masse der Verworfenen (massa damnata) und kommen in die Hölle. Zu den Prädestinierten dürften viele Christen und einige Heiden zählen, zu den Nicht-Prädestinierten die meisten Heiden und einige Christen. Die Zahl der Verworfenen ist wahrscheinlich größer als die der Geretteten, und die Hölle dauert ewig.
Ich persönlich halte eine solche Verdammungslehre - zumindest ihr Extrem - für irrig, häretisch. Da kann ich nur sagen: lieber mit Hans Urs von Balthasar recht haben, als mit Augustinus irren ;D .
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ mk
mk hat geschrieben:Hmmm... :kratz: Robert, ich verstehe nicht ganz, wie diese beiden Zitate jetzt zusammenhängen ...?
Dies ist reine Diskussionsprophylaxe! 8)
Es wird versucht, die diskursiven Gegner in die Ecke derjenigen zu stellen, die auf der Mitleidswelle reiten.
Der Diskussionsstil, der von ihm gepflegt wird, kann mit folgendem amerikanischen Sprichwort verdeutlicht werden: „If You can’t stand the heat, get out of the kitchen!“ 8)

GsJC
Raphael

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wer hat hier eigentlich Origenes einen Häretiker genannt? Ich nicht. Weshalb reitest du immer wieder darauf herum?
Nicht ganz so vorlaut, bitte!
Zitat von Robert Ketelhohn in diesem Forum vom 7.3.2004 um 18:09 Uhr:
Anhänger haben ihn als Lehrer verehrt, die Kirche hat ihn verurteilt. Punkt.
SCNR
Raphael
Lieber Raphael, ich hatte bislang den Begriff des „Häretikers“, wie du durch dein Zitat aus meinem früheren Beitrag ja selber unterstreichst, strikt gemieden – obgleich ich, wenn ich ihn verwendete, das kirchliche Lehramt auf meiner Seite hätte, wie eben gezeigt.

Warum mied ich den Begriff? Exakt darum, daß ich Erich nicht unnötig provozieren und auf einen Nebenkriegsschauplatz abgleiten lassen wollte – nachdem ich nämlich gemerkt hatte, wie er auf dem Häresietatbestand des aktuellen kanonischen Rechts herumreitet.
*schwurbelschwurbelschwurbel* :P

GsJC
Raphael

Josef Steininger
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Beitrag von Josef Steininger »

Dank an Robert für seine gute Erklärung der Lehren des Origenes !

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Origenes entwickelt die dreifache Schriftauslegung, mithin versteht er sie bei weitem nicht nur allegorisch, sondern ist einer der Väter der vierfachen Schriftlauslegung. Henri de Lubac vertritt sogar die These, daß diese vierfache Schriftauslegung bei Origenes schon grundgelegt sei, da er zwei unterschiedlich strukturierte dreifache Schemen nutzt: Einmal das dreifache Schema für die Homilien in Analogie zum Menschenbild (Körper, Psyche, Geist) und einmal das dreifache Schema für die Bibelexegese (Buchstabe, Geist, Moral = Geschichte, Glaube, Handeln).«
Warum weicht ihr ständig auf Nebenkriegsschauplätze aus? Ich habe gar nicht behauptet, Origenes interpretiere die Schrift nur allegorisch. Ich schrieb lediglich, er wende die allegorische Methode bei der Schriftexegese an und nicht, wie du gemeint hattest, bei der Beschreibung des Weltbaus.

Nun hat Origenes in der Tat viel zur Entwicklung der traditionellen exegetischen Methode der Kirche beigetragen, indem er vom Mittelplatonismus die allegorische Dichter-Interpretation übernommen und auf die Schrift angewandt hat. Aber finden wir bei ihm tatsächlich bereits die Lehre vom drei- oder vierfachen Schriftsinn ausgebildet?

Für das erste von dir genannte Schema kommt, soweit ich sehe, als Quelle vor allem de principiis (περὶ ἀρχῶν) IV,2,4-6 in Betracht. Dort redet Origenes unter allegorisierender Auslegung von Prv 22,20 (juxta LXX) von dreifachem Schriftsinn. Sein dreifacher Sinn ist jedoch etwas ganz anderes als derjenige der Tradition. Denn für Origenes hat durchaus nicht jeder dieser „Sinne“ für jeden Gläubigen eine Bewandtnis: Der erste, wörtliche Sinn – der „fleischliche“ in origeneïscher Diktion – gilt den „Anfängern“, dem einfachen Volk. Der zweite, „seelische“ ist für die „Fortgeschrittenen“, der dritte, „geistige“ Sinn aber allein für die vollkommenen Geister.

Mit dieser Unterscheidung fällt Origenes aus dem Rahmen der kirchlichen Tradition, er steht vielmehr in direkter Nachfolge des jüdisch-gnostischen Platonikers Philo von Alexandrien. Zwar findet sich das Modell der drei (oder vier) Verstehensweisen der Schrift im Sinne eines Fortschreitens in der Erkenntnis und im Glauben als eine Nebentradition bei einzelnen rechtgläubigen Autoren das ganze „Mittelalter“ hindurch, doch ist da der Fortschritt immer individuell gemeint. So wird die Metapher von Fleisch, Seele und Geist, wie sie Origenes bringt, auch ergänzt oder ersetzt durch ein Lebensalter-Schema oder durch die architektonische Metapher vom aus Fundament, Wänden und Dach zu errichtenden Bau. Anders dagegen die Dreiteilung des Origenes: Sie ist elitär gemeint.

Das andere Schema – Dreiteilung in sensus litteralis, allegoricus und moralis – kann ich bei Origenes nicht wirklich finden; vielleicht kannst du mir auf die Sprünge helfen. Mir scheint aber, daß Origenes praktisch fast immer nur zwei Schriftsinne unterscheidet, einen wörtlichen und einen allegorischen, wobei die Bedeutung des wörtlichen Sinns hinter dem allegorischen bis zum völligen Verschwinden zurücktritt. Sofern Origenes biblischen Berichten ihre historische Geltung überhaupt läßt, nähert sich ihre Relevanz asymptotisch der Null, während ihm alles auf die geistige Bedeutung ankommt, die sich allein den vollkommenen Geistern offenbare.
Zur Entwicklung des vierfachen Schriftsinnes aus der origeneistischen Systematisierung der Bibelexegese:
Eine genaue Textstelle kann ich Dir mangels eigener Primärliteratur nicht angeben. Details stehen sicherlich in dem Buch Lubac’s „Geist aus der Geschichte“; bei tieferem Interesse zu beziehen über den Johannes Verlag (http://www.johannes-verlag.de/1607.htm).
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Wo habe ich behauptet, daß die christliche Seelenlehre mit der platonischen Seelenlehre oder mit ihrer origeneischen Spezifikation identisch ist?«
Wo habe ich behauptet, du habest das behauptet???
Augenscheinlich bist Du der Ansicht, mich darüber belehren zu müssen, daß es Unterschiede zwischen der platonischen und der christlichen Seelenlehre gibt. Dies macht man gemeinhin nur, wenn man höchstselbst der Ansicht ist, der Gegenüber wisse es tatsächlich nicht oder würde es ignorieren. Zwischen den Zeilen wird also dem Gegenüber entweder mangelnde Bildung, Dummheit oder Ignoranz in unterschiedlichen Schweregraden unterstellt.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Der Zeugungsakt ist als Ganzes zu betrachten, daher ist eine Präexistenz der Seele mit meiner obigen Aussage nicht abgedeckt«
Die Präexistenz der Seele lehrt nun aber Origenes. Wenn das noch ein paar Tage so weitergeht, darfst du mich Gebetsmühle nennen, oder meinetwegen Brummtriesel.

Im übrigen solltest du, wo es um die Erschaffung der individuellen menschlichen Seele geht, nicht allein vom Zeugungsakt reden. Die Seele ist ja keine Funktion des Leibes.
Auch hier versuchst Du mir Positionen unterzuschieben, die ich nirgendwo vertreten habe!

Mit Wittgenstein bin ich der Ansicht, daß man nur über die Dinge reden kann, für die man Worte hat. Hat man diese nicht, sollte man besser schweigen.
Darüber hinaus ist es auch im katholischen erlaubt, bei Gesprächen über den Glauben eine eigene subjektiv gefärbte Terminologie zu nutzen, die durchaus zu Nachfragen anregen darf/kann und damit der Klärung des eigenen bzw. des anderen Standpunktes dient.

"Einbeschaffen" ist für den Zeugungsakt der Seele ein völlig angemessener Begriff.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Nein, das ist eine komplexitätsreduzierende Symbolisierung von Schöpfungstheologie, um die wesentlichen Bestandteile zu verdeutlichen.«
Einfachen Geistern wie mir verdeutlichst du mit solchen Waberworten gar nichts.
Nach der Lektüre Deiner Texte hier im Forum erscheinst Du eher ein komplizierter Geist zu sein, der manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr erkennt. 8)
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»Es würde Dir weiterhelfen, wenn Du die persönlichen Herabsetzungen der Gesprächspartner unterlassen würdest.«
Wo konkret habe ich dich denn herabgesetzt?
Soll ich dem Elephanten auch noch zeigen, wo im Laden das Porzellan gestanden hat? ;)

GsJC
Raphael

P.S. Meta-Diskussionen sind mir im Regelfalle ein Greuel, bei Dir mache ich jedoch ’mal eine Ausnahme!
Zuletzt geändert von Raphael am Freitag 12. März 2004, 19:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Robert Ketelhohn »

mk hat geschrieben:»Hmmm... Robert, ich verstehe nicht ganz, wie diese beiden Zitate jetzt zusammenhängen ...?«
Der Schlußsatz Augustins in Kapitel XII,17 der civitas Dei, wo es exakt um jene Lehren des Origenes geht. Ich will damit vor der irrigen Vorstellung warnen, der große »Verdammte-aller-Länder-seid-umschlungen«- und »Wir-kommen-alle-alle-in-den-Himmel«-Mitleidsgestus sei ein sicherer Anker zur Erkenntnis der göttlichen Gerechtigkeit und zur Gewißheit über die Richtigkeit der eigenen Position.
Erich Dumfarth hat geschrieben:»Damit will Robert andeuten, daß Balthasars "Protest" gegen einen Gott, der von Ewigkeit her manche Menschen, auch Christen, zur Verdammung bestimmt, eine häßliche Abkehr vom Worte Gottes sei.«
Erich, ich finde deine Unterstellungen mittlerweile ein wenig ärgerlich. Daß Gott „von Ewigkeit her manche Menschen […]zur Verdammung bestimmt“ habe – also die sogenannte Lehre von der „doppelten Prädestination“, ist bekanntermaßen eine von der Kirche verurteilte Irrlehre. Wer soll derlei vertreten haben? Augustin? Ich? Nee, mein Lieber.

Wohl aber lehrt die Kirche eine „einfache Prädestination“, also die Erwählung Gottes zum Heil. Am besten formuliert hat das meines Erachtens die Synode von Quierzy, die sich mit den Irrlehren des Mönchs Gottschalk auseinanderzusetzen hatte.

Raymund Schwager (zitiert von Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Im Westen wurde bis Augustinus vielfach gelehrt (Hieronymus, Ambrosius etc.), daß alle Christen gerettet werden«
Das ist schlichtweg falsch. Ich wüßte gern, auf welche Stellen sich Schwager hierfür berufen zu können meint. (Natürlich kommt es auch darauf an, wie man den Begriff Christ definiert. Versteht man unter Christen die Heiligen, die Geretteten – ja, dann sind eben die Christen die Geretteten. Natürlich nicht bloß für Hieronymus und Ambrosius, sondern auch für Augustin und alle späteren. Aber hier sind doch alle alle Getauften gemeint, oder alle äußerlich der Kirche Angehörenden. Daß damit schon Heilsgewißheit gegeben sei, das hat kein Ambrosius und kein Hieronymus je behauptet.)
Raymund Schwager (zitiert von Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Tertullian, der Rigorist war und deshalb zum Montanismus übertrat, vertrat, daß auch die lauen Christen in die Hölle kommen. Von Augustinus an wurde aber seine Lehre für die westliche Theologie entscheidend.«
Weder Augustin noch sonst die Kirche hat Tertullians Rigorismus übernommen, im Gegenteil: Die Kirche insgesamt – also die Orthodoxie, nicht der Montanismus – war zu Tertullians Zeit „rigoristischer“ als etwas später zur Zeit Augustins und der andern Kirchenväter. Meine Güte, ich hatte bisher gedacht, Schwager sei halbwegs verläßlich. Und ausgerechnet jetzt, so kurz nach seinem Tode, muß ich das Gegenteil erfahren. Eine schmerzhafte Erfahrung.
Raymund Schwager (zitiert von Erich Dumfarth) hat geschrieben:»Der Bischof von Hippo verwarf ausdrücklich den Gedanken, daß alle Christen gerettet werden. Nach ihm werden vielmehr nur jene gerettet, die Gott von Ewigkeit her dazu erwählt (prädestiniert) hat. Diese werden mit Sicherheit gerettet; alle anderen bleiben, weil sie in Adam gesündigt haben, in der Masse der Verworfenen (massa damnata) und kommen in die Hölle. Zu den Prädestinierten dürften viele Christen und einige Heiden zählen, zu den Nicht-Prädestinierten die meisten Heiden und einige Christen. Die Zahl der Verworfenen ist wahrscheinlich größer als die der Geretteten, und die Hölle dauert ewig.«

Die vertiefte Reflexion über die Prädestination zum Heil ist in der Tat Augustins Verdienst. Die Konsequenz aus den kirchlichen Lehren über Gottes Vorsehung und Gottes Gnade. Voraussetzungen und Ergebnis von Augustins Prädestinationsreflexion sind aber nichts Neues, sondern tradionelles Gemeingut des kirchlichen Glauben – auch bereits vor Augustin.

Spekulationen über die Anzahl von Geretten oder Verdammten hat dagegen niemals jemand in der Kirche zum Lehrinhalt gemacht. Was die von Schwager Augustin in den Mund gelegten Spekulationen dieser Art betrifft – die vielleicht Augustins Einschätzung treffen mögen, wenngleich ich nicht weiß, wo er das so direkt ausgesprochen hat –, hätte mancher Spätere wohl für optimistisch gehalten. Doch wie gesagt: kein Gegenstand der Glaubenslehre.

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Ich persönlich halte eine solche Verdammungslehre - zumindest ihr Extrem - für irrig, häretisch. Da kann ich nur sagen: lieber mit Hans Urs von Balthasar recht haben, als mit Augustinus irren«
Ich finde da keine Verdammungslehre. Was meinst du denn? Nur du selber hast oben von einer Vorherbestimmung zur Verdammnis geredet. Bau doch keine Potjomkinschen Dörfer auf, bloß um was zum drauf Feuern zu haben.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:»Dies ist reine Diskussionsprophylaxe! Es wird versucht, die diskursiven Gegner in die Ecke derjenigen zu stellen, die auf der Mitleidswelle reiten. Der Diskussionsstil, der von ihm gepflegt wird, kann mit folgendem amerikanischen Sprichwort verdeutlicht werden: „If You can’t stand the heat, get out of the kitchen!“«
Da lese ich leider bloß argumentenfreien Metadiskurs nebst Dribbelkunststückchen vor dem eignen Tor.

»Spieglein, Spieglein an der Wand …«

Raphael hat geschrieben:»schwurbelschwurbelschwurbel«
O ja! Weshalb bin ich da nicht selber drauf gekommen?
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Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert Ketelhohn
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:»schwurbelschwurbelschwurbel«
O ja! Weshalb bin ich da nicht selber drauf gekommen?
Weil es Dir schwerfällt, eigene Fehler einzugestehen! 8)

GsJC
Raphael

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Aber finden wir bei ihm tatsächlich bereits die Lehre vom drei- oder vierfachen Schriftsinn ausgebildet?

Für das erste von dir genannte Schema kommt, soweit ich sehe, als Quelle vor allem de principiis (περὶ ἀρχῶν) IV,2,4-6 in Betracht. Dort redet Origenes unter allegorisierender Auslegung von Prv 22,20 (juxta LXX) von dreifachem Schriftsinn. Sein dreifacher Sinn ist jedoch etwas ganz anderes als derjenige der Tradition. Denn für Origenes hat durchaus nicht jeder dieser „Sinne“ für jeden Gläubigen eine Bewandtnis: Der erste, wörtliche Sinn – der „fleischliche“ in origeneïscher Diktion – gilt den „Anfängern“, dem einfachen Volk. Der zweite, „seelische“ ist für die „Fortgeschrittenen“, der dritte, „geistige“ Sinn aber allein für die vollkommenen Geister.
...
Zwar findet sich das Modell der drei (oder vier) Verstehensweisen der Schrift im Sinne eines Fortschreitens in der Erkenntnis und im Glauben als eine Nebentradition bei einzelnen rechtgläubigen Autoren das ganze „Mittelalter“ hindurch, doch ist da der Fortschritt immer individuell gemeint. So wird die Metapher von Fleisch, Seele und Geist, wie sie Origenes bringt, auch ergänzt oder ersetzt durch ein Lebensalter-Schema oder durch die architektonische Metapher vom aus Fundament, Wänden und Dach zu errichtenden Bau. Anders dagegen die Dreiteilung des Origenes: Sie ist elitär gemeint.

Das andere Schema – Dreiteilung in sensus litteralis, allegoricus und moralis – kann ich bei Origenes nicht wirklich finden; vielleicht kannst du mir auf die Sprünge helfen. Mir scheint aber, daß Origenes praktisch fast immer nur zwei Schriftsinne unterscheidet, einen wörtlichen und einen allegorischen, wobei die Bedeutung des wörtlichen Sinns hinter dem allegorischen bis zum völligen Verschwinden zurücktritt. Sofern Origenes biblischen Berichten ihre historische Geltung überhaupt läßt, nähert sich ihre Relevanz asymptotisch der Null, während ihm alles auf die geistige Bedeutung ankommt, die sich allein den vollkommenen Geistern offenbare.
Nun, ich kann Primärliteratur zu des Origenes Schriftauslegung liefern, nämlich einen Aufsatz aus der Feder von Sandra M. Schneiders, "Heilige Schrift und Spiritualität", abgedruckt im ersten Band der "Geschichte der christlichen Spiritualität". Aus dieser Arbeit zitiert:

... Der bedeutendste Schüler des Klemens und sicherlich der bedeutendste christliche Exeget der Antike war Origenes (ca. 185 - ca. 254); er entwickelte die in der Kirche bis zum Mittelalter vorherrschenden Theorien der biblischen Interpretation und wandte sie in einer umfangreichen Sammlung von Bibelkommentaren und theologischen Reflexionen über die Heilige Schrift an. Seine Hexapla Bibel (ca. 240) war eine erstaunliche wissenschaftliche Leistung, die zur Genüge beweist, welch großes Interesse Origenes dem wörtlichen, dem Literalsinn der Heiligen Schrift, wie es moderne Exegeten ausdrücken würden, entgegenbrachte. ...
Origenes entwickelte in seinem Buch "De prinipiis" (Über erste Grundsätze, Buch 4) eine Theorie über den dreifachen Sinn der Heiligen Schrift, der zum Vorläufer der Theorie ihres vierfachen Sinnes, der Norm mittelalterlichen Exegese wurde. Diese dreifache Teilung entsprach dem dreiteiligen Aufbau des Menschen (Körper, Seele, Geist) in den Augen der griechischen Väter. Der Literalsinn (Körper) war der geschichtliche Sinn; der typologische Sinn (Seele) war die moralische Anwendung auf das Individuum; der pneumatische Sinn (Geist) war die Vorahnung des Neuen Testaments im Alten. In der konkreten Anwendung ging Origenes häufig nach einer anderen Methode vor; er unterschied Literalsinn und pneumatischen Sinn und bezog letzteren dann oft auf die individuelle christliche Seele. Sein Kommentar über das Hohelied ("In Canticum Canticorum", ca. 240) interpretiert er die Liebe der Braut als Beziehung der Kirche zu Christus und der christlichen Seele zum göttlichen Wort. (Wie die Tradition verstand Origenes das Hohelied als das Hochzeitslied Saloms). Es ist dies die vielleicht wichtigste und inspirierendste Anwendung seiner Methode.
Origenes fand in Alexandrien eine Anzahl bedeutender Nachfolger, wie Dionysius (ca. 190 - ca. 264), Athanasius (296 - 372), Didymus den Blinden (313 - 398) und Kyrill (376 - 444); keiner von ihnen kam ihm jedoch an Gelehrsamkeit oder Kreativität gleich. Der Einfluß der alexandrinischen Exegese war überall im christlichen Westen spürbar; sie behauptete ihre Vorrangstellung durch das Mittelalter hindurch.


Hervorhebungen in Fettdruck zur Kennzeichnung der Unterschiede.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Zweitens geht es nicht um die Frage, ob Origenes gerettet ist oder nicht. Die Privatoffenbarungen eines neugierigen Nönnchens sind dabei gänzlich irrelevant. Lediglich gegen immer wieder unternommene hagiographische Versuche am untauglichem Objekt muß deutlich gesagt werden: Es ist keinem Christen erlaubt, den Origenes als Heiligen, Märtyrer, Bekenner oder dergleichen zu verehren

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Ts, ts ... Die heilige Elisabeth wird sich aber freuen, von dir ein neugieriges Nönnchen genannt zu werden :D


Geronimo

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