2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Definition:

Gott ist das höchste / ( in jeder Hinsicht, also auch in zeitlicher und räumlicher Hinsicht ) unbegrenzte Wesen / Sein, das alles in sich birgt, das alles durchdringt. (Gen 1,1, Ps 139, Apg 17,28, Röm 9,1, 1Kor 6,19)

Folgerungen:

Soweit Form / Körper die Grenze eines Wesens / Sein ist, ist Gott formlos / körperlos / rein geistig. (Joh 4,24)

Prima causa muss als principium verstanden werden. Anders als ein erstes (vergängliches) Kettenglied ist das principium die anfängliche und bleibende (unvergängliche) Substanz, die Identität eines Wesens.

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Sempre
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

bogolismus hat geschrieben:Bestätigt. Zumindest nehme ich das an. Daher wiederhole ich mit eigenen Worten, wie ich meine, daß ich Dich verstanden habe, damit Du überprüfen kannst, ob dem so ist:

1. Das Kausalitätsprinzip gilt.
2. Wenn eine Reihe von Elementen in Kausalbeziehung steht und die Reihe ist endlich, dann muß dennoch auch das erste Element eine Ursache haben.
3. Diese Ur-Ursache kann keine eigene Ursache haben, sondern steht außerhalb des Kausalitätsprinzips und muß daher transzendent sein.
4. Die vollständige Induktion zeigt, daß 3. auch dann gilt, wenn die Reihe unendlich ist.
Du hattest Dich ja ursprünglich auf meinen Beitrag von Seite 1 unten bezogen. Dort geht es um Beweger. Am anschaulichsten wird die Sache, wenn man als Beispiel an eine Reihe von Dominosteinen denkt. Jeder einzelne Dominosteine kann nur durch einen äußeren Anstoß in Bewegung versetzt werden. Ist er in Bewegung, so versetzt er einen weiteren Dominostein in Bewegung. Die ganze Reihe gerät nicht von selbst in Bewegung. Nur wenn einer der Dominosteine angestoßen wird, geraten er und dann in Folge alle weiteren Dominosteine in Bewegung. Die gesamte Reihe kann also durch keinen der einzelnen Dominosteine, aus denen die Reihe besteht, in Bewegung versetzt werden. Sehen wir dennoch die Reihe in Bewegung, dann können wir daraus folgern, dass die Reihe angestoßen wurde, und zwar von irgendjemandem oder von irgendetwas jenseits der Reihe - und nicht etwa von einem der Dominosteine innerhalb der Reihe.

Daher trifft Punkt 3 in Deiner Liste nicht umfänglich zu. Die Ursache dafür, dass die Reihe in Bewegung geraten ist, ist zwar transzendent in dem Sinne, dass sie selbst nicht Teil der Reihe ist, (sowie in dem Sinne, dass uns ihre Existenz bloß durch Schlußfolgerung bekannt ist), ihre Existenz steht aber nicht außerhalb des Kausalitätsprinzips, sondern ist im Gegenteil eine notwendige Konsequenz aus dem Kausalitätsprinzip. Das Kausalitätsprinzip impliziert, dass es (entweder) mindestens eine unverursachte Ursache gibt (oder dass alternativ erst gar nichts passiert).

bogolismus hat geschrieben:Was 4. betrifft, so lehne ich das nicht ab, sondern verstehe es schlicht nicht. Meine Einwände waren:

a) Paßt die Methode? Die vollständige Induktion ist ein mathematischer Beweis, der zeigt, daß wenn eine Aussage für eine Zahl m bewiesen werden kann, sie auch für alle Zahlen n+1 gilt, wenn ich die Aussage auch für eine Zahl n > m bewiesen habe. Du wendest die vollständige Induktion nun auf die physikalische Welt an (zumindest sieht das für mich so aus, korrigiere mich bitte, wenn ich das falsch verstanden habe).
Im Fall des Beweises aus der Bewegung, bei dem der unendliche Regress in analoger Weise ausgeschlossen wird wie beim Kontingenzbeweis und beim kausalen Beweis, sowie speziell beim Dominosteinbeispiel geht es um Physik. Die Methode passt aus zweierlei Gründen: Erstens benutzt die Physik formale Systeme und Mathematik zur Beschreibung der Natur. Zweitens ist die Vollständige Induktion zwar ein mathematischer Beweis, die Mathematik ist aber ja im Grunde genommen nichts anderes als die Verlängerung unserer Sprache mit anderen Mitteln.

bogolismus hat geschrieben:Die Physik verwendet meines Wissens aber keine vollständige Induktion, sondern setzt für ihre Aussagen schlicht das Axiom voraus, daß ein erkannter Zusammenhang von Zeit und Ort unabhängig ist. Beispiel: wenn ich erkannt habe, daß sich Erde und Mond mit einer Gravitationskraft gegenseitig anziehen, die proportional zum Produkt ihrer Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes sind, dann setze ich als Axiom voraus, daß genau die gleiche Beziehung auch in einem Doppelsternsystem gilt, daß 30 Lichtjahre entfernt ist. Sollte ich darin irren, bitte ich ebenfalls um Korrektur.
Es trifft zu, dass die Physiker annehmen, dass die physikalischen Gesetze überall im Universum in gleicher Weise gelten. Jemand, der z.B. bestreitet, dass eine Reihe von 20 Dominosteinen auf dem Mars eines äußeren Anstoßes bedürfen, um in Bewegung zu geraten, der wird den Gottesbeweis aus der Bewegung ablehnen. (Den Beweisgang wird er vernünftigerweise akzeptieren, die Voraussetzung aber ablehnen. D.h. er akzeptiert, dass der Beweis beweist, was unter gegebenen Voraussetzungen zu beweisen ist, akzeptiert aber nicht, dass die Voraussetzungen gegeben sind.)

Immanuel Kant z.B. bestreitet, dass in der Wirklichkeit das Kausalitätsprinzip gilt. Er vertritt die Auffassung, dass die Kausalität eine Konstruktion unseres Oberstübchens sei.

bogolismus hat geschrieben:Wende ich die vollständige Induktion auf eine unendliche Reihe an, dann heißt doch die Aussage: jede Wirkung hat eine Ursache, auch die im Unendlichen. Damit wäre doch im Gegenteil unterstrichen, daß eine unendliche Reihe keine ursachenlose Ursache benötigt.
Erst nocheinmal zum Ausschluss des infiniten Regress per Vollständiger Induktion, dann zur unendlichen Reihe.

Voraussetzung ist hier: Eine Reihe von Dominosteinen der Länge N = 1 oder N = 2 oder N = 3 gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Folgerung per Vollständiger Induktion: Eine Reihe von Dominosteinen beliebiger endlicher oder unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.

Eine erste Antwort auf Deinen Einwand lautet damit: Hiermit ist bereits bewiesen, dass auch eine unendliche Reihe eines Anstoßes von außen bedarf.

Wir betrachten die Sache trotzdem noch genauer: Es gibt mehrer Arten von unendlichen Reihen von Dominosteinen: a) mit Anfang aber ohne Ende; b) ohne Anfang aber mit Ende; c) ohne Anfang und ohne Ende.

Angenommen, jemand hätte eine Reihe von Dominosteinen des Typs b) oder c) aufgebaut. Eine solche Reihe könnte nicht vollständig abgeräumt werden, da kein Dominostein der erste in der Reihe ist. Es kann also der Anfangsstein der Reihe nicht in Bewegung versetzt werden, weil es ihn schlicht nicht gibt. Eine Reihe des Typs b) oder c) ist folglich immer in Ruhe. (Wir schließen o.B.d.A. Anstöße irgendwo mitten in der Reihe aus und reden nur von Anstößen am Anfang der Reihe.)

Angenommen, jemand hätte eine Reihe von Dominosteinen des Typs a) aufgebaut. Eine solche Reihe könnte vollständig abgeräumt werden; dazu muss nur der erste Stein in Bewegung versetzt werden.

Eine zweite Antwort auf Deinen Einwand lautet damit: Eine unendliche Reihe von Dominosteinen ohne Anfang kann nicht in Bewegung versetzt werden. Es kann lediglich ein Abschnitt der Reihe ab irgendeinem bestimmten Glied in Bewegung versetzt werden. Die Dominosteine davor bleiben dabei in Ruhe. Jedenfalls setzt sich die Reihe nicht von selbst in Bewegung, sie muss angestoßen werden.

bogolismus hat geschrieben:Ich habe nichts dagegen, statt "das Nichts" einfach "schlicht nichts" zu sagen. Das ist doch lediglich ein formaler Einwand aus der Semantik. Aber aus bloßer Begrifflichkeit oder gar Grammatik Seiendes oder Nicht-Seiendes ableiten zu wollen, ist doch nicht zwingend. Wenn ich Dich recht verstehe, ist Dein Einwand: da wir nur mit den Mitteln des Etwas über nichts reden können, muß auch das nichts etwas sein. Aber wir leben, sind und denken nunmal im Etwas, es ist uns daher verwehrt Aussagen zu machen, die aus "nichts" bestehen.
Nein, mein Einwand ist einfach: Wenn man von "dem Nichts" redet, dann löst das unzulässige Assoziationen aus, die geeignet sind, Verwirrung zu stiften. Was nicht ist, kann nichts verursachen und schon gar nicht alles verursachen.

Gruß
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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Die Gottesbeweise des Hl. Thomas sind nicht deshalb schlecht, weil sich Gott etwa nicht beweisen ließe, sondern weil sie 1. nicht biblisch sind und 2. anders als die Bibel nicht mit einer Definition beginnen.

Gott bezeichnet das Sein, also ist er da.

Als Geist ist Gott körperlos / überkörperlich / metaphysisch. Damit ist Gott auch transzendent / übernatürlich / übermenschlich / überpersonal.

Seine Beschreibung als denkende, sprechende und formende Person ( Philosoph, Herrscher, Künstler, Schöpfer, Vater ) ist allegorisch.

Die Allegorie des Vaters bringt Gott als Prinzip des Lebens und Zusammenlebens zum Ausdruck. Gott als himmlischen Vater zu verehren, bringt die persönliche Beziehung und das grundlegende Vertrauen in das ewige Leben und die ständige Veränderung besonders zum Ausdruck.

Gott als primum verbum zu verehren, betont sein Wirken.

Gott als prima causa zu denken, grenzt an ein Missverständnis.

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ChrisCross
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von ChrisCross »

overkott hat geschrieben:Die Gottesbeweise des Hl. Thomas sind nicht deshalb schlecht, weil sich Gott etwa nicht beweisen ließe, sondern weil sie 1. nicht biblisch sind und 2. anders als die Bibel nicht mit einer Definition beginnen.

Gott bezeichnet das Sein, also ist er da.

Als Geist ist Gott körperlos / überkörperlich / metaphysisch. Damit ist Gott auch transzendent / übernatürlich / übermenschlich / überpersonal.

Seine Beschreibung als denkende, sprechende und formende Person ( Philosoph, Herrscher, Künstler, Schöpfer, Vater ) ist allegorisch.

Die Allegorie des Vaters bringt Gott als Prinzip des Lebens und Zusammenlebens zum Ausdruck. Gott als himmlischen Vater zu verehren, bringt die persönliche Beziehung und das grundlegende Vertrauen in das ewige Leben und die ständige Veränderung besonders zum Ausdruck.

Gott als primum verbum zu verehren, betont sein Wirken.

Gott als prima causa zu denken, grenzt an ein Missverständnis.
Bibel und Gottesbeweis wollen aber auch andere Dinge. Die Bibel ist schriftliches Zeugnisse der Offenbarung und Gottes Wirken in der Welt. Sie setzt von Anfanf an Gott voraus. Das ist zwar sehr schön, wenn man schon an Gott glaubt, bringt einen Atheisten oder Agnostiker allerdings kein bischen weiter. Man könnte sich ja alles ausgedacht haben, wird mna sich in solch einer Rolle denken.

Der Gottesbeweis will etwas dagegen tun: Er setzt Gott noch nicht voraus, sondern beweist erst seine Existenz dem zweifelnden, damit dieser die Offenbarung besser annehmen und glauben kann. Er dient also der Bibel, was wohl kaum unbiblisch ist. Zudem finden wir schon bei Paulus zum einen den Hinweis auf die Beweisbarkeit Gottes und zum anderen auch seine Rede in Athen, in der er den christlichen Gott mit dem Gott der Philosophen gleichsetzt.

Gott als prima causa ist auch keinesfalls beinahe ein Missverständnis, sondern das Bewusstsein, dass wir es hier wirklich mit dem Schöpfer aller Dinge und Lebewesen zu tun haben und nicht bloß mit jemandem, der etwas vorgefunden und bearbeitet hat.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Johaennschen »

Sempre hat geschrieben:Voraussetzung ist hier: Eine Reihe von Dominosteinen der Länge N = 1 oder N = 2 oder N = 3 gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Folgerung per Vollständiger Induktion: Eine Reihe von Dominosteinen beliebiger endlicher [...] Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
So mags stimmen. Aber das hier definitiv nicht:
Eine Reihe von Dominosteinen [...] unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Der Einwand bogolismi, daß die vollständige Induktion etwas für beliebige Zahlen beweise, war schon berechtigt, denke ich.
Wir betrachten die Sache trotzdem noch genauer: Es gibt mehrer Arten von unendlichen Reihen von Dominosteinen: a) mit Anfang aber ohne Ende; b) ohne Anfang aber mit Ende; c) ohne Anfang und ohne Ende.

Angenommen, jemand hätte eine Reihe von Dominosteinen des Typs b) oder c) aufgebaut. Eine solche Reihe könnte nicht vollständig abgeräumt werden, da kein Dominostein der erste in der Reihe ist. Es kann also der Anfangsstein der Reihe nicht in Bewegung versetzt werden, weil es ihn schlicht nicht gibt. Eine Reihe des Typs b) oder c) ist folglich immer in Ruhe. (Wir schließen o.B.d.A. Anstöße irgendwo mitten in der Reihe aus und reden nur von Anstößen am Anfang der Reihe.)
Nun ja, es gibt doch den Anfang der Reihe aber genau nicht (siehe b) und c)). :hae?: Da wird die Allgemeinheit doch etwas mehr wie beschränkt, oder? :hmm:
Eine zweite Antwort auf Deinen Einwand lautet damit: Eine unendliche Reihe von Dominosteinen ohne Anfang kann nicht in Bewegung versetzt werden.
Das ist trivial. Genau deswegen hatte bogolismus sie doch angeführt, weil sie schon immer in Bewegung war. Unangestoßen. Das ist freilich unanschaulich und kontraintuitiv aber es bleibt doch eine alternative Möglichkeit.
Anschaulicher wirds vielleicht, wenn man sich einen Kreis aus Dominosteinen vorzustellen versucht. Die Dominosteine müßten halt wieder aufstehen oder so, daher paßt es nicht so recht. Man hätte dann quasi eine Art "La Ola"-Welle von Dominosteinen, die schon immer in Bewegung gewesen sein könnte.
Warum soll das vernunftwidrig sein? :achselzuck:
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Johaennschen hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Voraussetzung ist hier: Eine Reihe von Dominosteinen der Länge N = 1 oder N = 2 oder N = 3 gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Folgerung per Vollständiger Induktion: Eine Reihe von Dominosteinen beliebiger endlicher [...] Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
So mags stimmen.
Nein, Johaennschen, auch eine Reihe von Dominosteinen unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung. Siehe dazu den ersten Abschnitt meines Beitrages hier und lies ggf. den dort verlinkten Text. Wenn Dir das nicht hilft, dann vielleicht dieses Beispiel:

Wenn man eine Anzahl N von Häusern ohne Fenster hat, und diesen ein weiteres Haus ohne Fenster hinzufügt, dann kann man aus keinem der nun N + 1 Häuser aus dem Fenster schauen. Hat man ein Haus ohne Fenster, dann kann man nicht hineingehen und aus dem Fenster schauen. Fügt man ein weiteres solches Haus hinzu, dann kann man nicht in eines der Häuser gehen und aus dem Fenster schauen. Hat man eine Million Häuser ohne Fenster, dann kann man nicht in eines der Häuser gehen und aus dem Fenster schauen. Fügt man der Million Häuser ohne Fenster ein weiteres Haus ohne Fenster hinzu, dann kann man nicht in eines der Häuser gehen und aus dem Fenster schauen. Hat man nun unendlich viele Häuser ohne Fenster, dann kann man nicht in eines der Häuser gehen und aus dem Fenster schauen. Fügt man nun zu den unendlich vielen Häusern ohne Fenster ein weiteres hinzu, dann kann man immer noch nicht in eines der Häuser gehen und aus dem Fenster schauen.

Ebenso verhält es sich mit einer Reihe von Dominosteinen. Nicht ein Dominostein, nicht 5 Dominosteine, nicht 1000000 Dominosteine, nicht unendlich viele Dominosteine, nicht unendlich viele plus ein Dominostein, nicht 5 mal unendlich viele Dominosteine, nicht unendlich hoch unendlich viele Dominosteine etc. pp. fallen um, ohne dass sie angestoßen werden.

Johaennschen hat geschrieben:Aber das hier definitiv nicht:
Sempre hat geschrieben:Eine Reihe von Dominosteinen [...] unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Der Einwand bogolismi, daß die vollständige Induktion etwas für beliebige Zahlen beweise, war schon berechtigt, denke ich.
Die Vollständige Induktion beweist, dass die Anzahl an Dominosteinen jede beliebige Zahl aus den natürlichen Zahlen sein kann - immer wird ein Anstoß von außen benötigt, um die Reihe in Bewegung zu versetzen. Was Du sagst ist also kein Einwand, sondern eine Bestätigung, Zustimmung.

Johaennschen hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Wir betrachten die Sache trotzdem noch genauer: Es gibt mehrer Arten von unendlichen Reihen von Dominosteinen: a) mit Anfang aber ohne Ende; b) ohne Anfang aber mit Ende; c) ohne Anfang und ohne Ende.

Angenommen, jemand hätte eine Reihe von Dominosteinen des Typs b) oder c) aufgebaut. Eine solche Reihe könnte nicht vollständig abgeräumt werden, da kein Dominostein der erste in der Reihe ist. Es kann also der Anfangsstein der Reihe nicht in Bewegung versetzt werden, weil es ihn schlicht nicht gibt. Eine Reihe des Typs b) oder c) ist folglich immer in Ruhe. (Wir schließen o.B.d.A. Anstöße irgendwo mitten in der Reihe aus und reden nur von Anstößen am Anfang der Reihe.)
Nun ja, es gibt doch den Anfang der Reihe aber genau nicht (siehe b) und c)). :hae?: Da wird die Allgemeinheit doch etwas mehr wie beschränkt, oder? :hmm:
Die drei Varianten a), b), und c) decken alle möglichen unendlichen Dominosteinreihen ab. Betrachtet man nur solche Anstöße, die den jeweils ersten Stein der Reihe (so es ihn gibt) beteffen, dann wird die Allgemeinheit aus folgenden Gründen nicht eingeschränkt: Ließe man Stöße an beliebiger Stelle zu, dann würde aus Typ a) wiederum ein Typ a), aus Typ b) würde eine endliche Reihe und aus Typ c) würde ein Typ a).

Johaennschen hat geschrieben:
Eine zweite Antwort auf Deinen Einwand lautet damit: Eine unendliche Reihe von Dominosteinen ohne Anfang kann nicht in Bewegung versetzt werden.
Das ist trivial. Genau deswegen hatte bogolismus sie doch angeführt, weil sie schon immer in Bewegung war.
Wir reden hier von Reihen von Dominosteinen. Solche Reihen müssen angestoßen werden, um in Bewegung zu geraten. Voraussetzung ist, dass ein Dominostein nicht von selbst in Bewegung gerät. Eine Reihe mit zwei Dominosteinen ebenfalls nicht und eine Reihe mit drei Dominosteinen ebenfalls nicht. Der Induktionsbeweis beweist nun, dass auch Reihen mit unendlich vielen Dominosteinen nicht von selbst in Bewegung geraten. Aus diesem Grund kann es bewiesenermaßen keine unendliche Reihe von Dominosteinen ohne Anfang geben, die schon immer in Bewegung gewesen wäre.

Das kannst Du natürlich erst dann anerkennen, wenn Du den Induktionsbeweis nachvollzogen und verstanden hast.

Johaennschen hat geschrieben:Anschaulicher wirds vielleicht, wenn man sich einen Kreis aus Dominosteinen vorzustellen versucht. Die Dominosteine müßten halt wieder aufstehen oder so, daher paßt es nicht so recht. Man hätte dann quasi eine Art "La Ola"-Welle von Dominosteinen, die schon immer in Bewegung gewesen sein könnte.
Warum soll das vernunftwidrig sein? :achselzuck:
Du kannst gerne auch Dominosteine im Kreis aufbauen. Einen, zwei, drei, hundert, eine Million, unendlich viele oder unendlich mal unendlich viele. Damit sich da etwas bewegt, muss mindestens einer davon angestoßen werden. Warum? Weil sich voraussetzungsgemäß nichts von selbst bewegt. Dominosteine sind nunmal so. Hätten wir Dominosteine, die sich von selbst bewegen, gäbe es keine Kernkraftdebatte und Strom, Heizung und Transport wären billiger und "nachhaltig".

Gruß
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Zuletzt geändert von Sempre am Freitag 15. Juli 2011, 05:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Sempre
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Ergänzend dazu noch:
Sempre hat geschrieben:
bogolismus hat geschrieben:Ich habe nichts dagegen, statt "das Nichts" einfach "schlicht nichts" zu sagen. Das ist doch lediglich ein formaler Einwand aus der Semantik. Aber aus bloßer Begrifflichkeit oder gar Grammatik Seiendes oder Nicht-Seiendes ableiten zu wollen, ist doch nicht zwingend. Wenn ich Dich recht verstehe, ist Dein Einwand: da wir nur mit den Mitteln des Etwas über nichts reden können, muß auch das nichts etwas sein. Aber wir leben, sind und denken nunmal im Etwas, es ist uns daher verwehrt Aussagen zu machen, die aus "nichts" bestehen.
Nein, mein Einwand ist einfach: Wenn man von "dem Nichts" redet, dann löst das unzulässige Assoziationen aus, die geeignet sind, Verwirrung zu stiften. Was nicht ist, kann nichts verursachen und schon gar nicht alles verursachen.
Wenn die Rede von einer unverursachten Erstursache ist, dann ist damit eine Ursache gemeint, die selbst nicht verursacht ist. Redete man hingegen von einer durch "das Nichts" verursachten Erstursache, dann klänge das so, als sei die Erstursache doch verursacht, nämlich durch "das Nichts". Sie ist aber nicht durch etwas verursacht. Selbst, wenn man sagt, sie sei durch nichts verursacht, ist das noch eine möglicherweise zur Irreführung geeignete Aussage. Am deutlichsten ist die Formulierung: Sie ist nicht verursacht.

Was nicht verursacht ist, ist nicht durch etwas verursacht, ist nicht durch "das Nichts" verursacht, ist nicht einmal durch nichts verursacht. Es ist einfach nicht verursacht.

Gruß
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Zuletzt geändert von Sempre am Freitag 15. Juli 2011, 08:09, insgesamt 1-mal geändert.
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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

ChrisCross hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Die Gottesbeweise des Hl. Thomas sind nicht deshalb schlecht, weil sich Gott etwa nicht beweisen ließe, sondern weil sie 1. nicht biblisch sind und 2. anders als die Bibel nicht mit einer Definition beginnen.

Gott bezeichnet das Sein, also ist er da.

Als Geist ist Gott körperlos / überkörperlich / metaphysisch. Damit ist Gott auch transzendent / übernatürlich / übermenschlich / überpersonal.

Seine Beschreibung als denkende, sprechende und formende Person ( Philosoph, Herrscher, Künstler, Schöpfer, Vater ) ist allegorisch.

Die Allegorie des Vaters bringt Gott als Prinzip des Lebens und Zusammenlebens zum Ausdruck. Gott als himmlischen Vater zu verehren, bringt die persönliche Beziehung und das grundlegende Vertrauen in das ewige Leben und die ständige Veränderung besonders zum Ausdruck.

Gott als primum verbum zu verehren, betont sein Wirken.

Gott als prima causa zu denken, grenzt an ein Missverständnis.
Bibel und Gottesbeweis wollen aber auch andere Dinge. Die Bibel ist schriftliches Zeugnisse der Offenbarung und Gottes Wirken in der Welt. Sie setzt von Anfanf an Gott voraus. Das ist zwar sehr schön, wenn man schon an Gott glaubt, bringt einen Atheisten oder Agnostiker allerdings kein bischen weiter. Man könnte sich ja alles ausgedacht haben, wird mna sich in solch einer Rolle denken.

Der Gottesbeweis will etwas dagegen tun: Er setzt Gott noch nicht voraus, sondern beweist erst seine Existenz dem zweifelnden, damit dieser die Offenbarung besser annehmen und glauben kann. Er dient also der Bibel, was wohl kaum unbiblisch ist. Zudem finden wir schon bei Paulus zum einen den Hinweis auf die Beweisbarkeit Gottes und zum anderen auch seine Rede in Athen, in der er den christlichen Gott mit dem Gott der Philosophen gleichsetzt.

Gott als prima causa ist auch keinesfalls beinahe ein Missverständnis, sondern das Bewusstsein, dass wir es hier wirklich mit dem Schöpfer aller Dinge und Lebewesen zu tun haben und nicht bloß mit jemandem, der etwas vorgefunden und bearbeitet hat.
Die Bibel ist eine universale Deutung der Welt von Gott her. Gott ist das personalisierte Gute. Gott ist in der Bibel persona, nicht causa, aktiv, nicht passiv, Subjekt, nicht Objekt.

Das entspricht auch der Definition Gottes als unbewegter Beweger. Bei diesem Ausdruck handelt es sich vordergründig um ein Paradoxon. Tatsächlich aber ist er eine Tautologie wie ein weißer Schimmel. Warum?

Beweger kennzeichnet Gott als Person, als Handelnden (aktiv), als Subjekt. Bewegt ist dagegen grammatikalisch PPP. Als passives Partizip kennzeichnet es eine Sache, etwas Passives, ein Objekt. Unbewegt besagt: Keine Sache. Unbewegter Beweger ist das Selbe wie bewegender Beweger.

Statt sich in die versteckte Tautologie zu flüchten, wäre es klarer, vom Selbst zu sprechen. Gott ist das Selbst. Er ist von selbst. Das kennzeichnet ihn als Subjekt.

Eine andere Bezeichnung für Selbstbeweger ist Automobil. Wir sehen daran, dass das Denken Gottes als Beweger in eine seltsame Richtung führt.

Besser erscheint es uns, Gott als Lebenspender zu denken. Den Lebenspender aber nennen wir Vater.

Johaennschen
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Johaennschen »

Nein Sempre,

den unendlich entfernten Dominostein kann man nicht anstoßen, weil er gar nicht greifbar (stoßbar) ist. Die unendliche Kette würde sich schon immer bewegt haben. Ich kann ja nicht zum Anfang guccken und sagen: davor war sie aber unbewwegt. Damit machte ich sie ja endlich, was sie aber nicht sein soll.
Unendlich ist eben keine Zahl, die einen Vorgänger oder einen Nachfolger hätte, weswegen sie auch von der vollständigen Induktion nicht berührt wird.
Der infinite Regreß ist schon eine zweite Antwortmöglichkeit, wenn auch eine mit unserer Kosmologie unvereinbare.
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
Nicolás Gómez Dávila

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Sempre
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Entschuldige bitte Johaennschen, aber mein Beispiel mit dem Haus ohne Fenster war nun wirklich für Blöde. Kannst Du Dir nicht bitte die Mühe machen, das inklusive der hier relevanten Konsequenzen klar zu machen, bevor Du mit denselben Einwänden fortfährst, die nur zeigen, dass Du gar nicht liest, bzw. Dir nicht die Mühe machst, den Gedankengängen zu folgen?

Solange Du Dich nicht mit dem Beweis beschäftigst, und immer nur Einwände bringst, die den Beweis einfach ignorieren, kannst Du nur weiter herumirren. Ich gebe mir wirklich alle Mühe, detailliert darzulegen, warum der Beweis stichhaltig ist. Du hingegen rennst gegen eine Argumentation an, die der größte Gottesbeweiskritiker, Immanuel Kant, nicht einmal für nötig ansieht. Was hier bewiesen wird, ist auch ohne Beweis unmittelbar einsichtig.

Such Dir bitte einen Mathe-Nachhilfelehre, der sich um Dich kümmert, und bezahle ihn anständig.

Tschau
Sempre
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bogolismus
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von bogolismus »

Hallo Sempre!
Sempre hat geschrieben:Daher trifft Punkt 3 in Deiner Liste nicht umfänglich zu. Die Ursache dafür, dass die Reihe in Bewegung geraten ist, ist zwar transzendent in dem Sinne, dass sie selbst nicht Teil der Reihe ist, (sowie in dem Sinne, dass uns ihre Existenz bloß durch Schlußfolgerung bekannt ist), ihre Existenz steht aber nicht außerhalb des Kausalitätsprinzips, sondern ist im Gegenteil eine notwendige Konsequenz aus dem Kausalitätsprinzip. Das Kausalitätsprinzip impliziert, dass es (entweder) mindestens eine unverursachte Ursache gibt (oder dass alternativ erst gar nichts passiert).
Das heißt aber: ich benötige die Herleitung durch vollständige Induktion überhaupt nicht. Mmh. Das ist jetzt wirklich harter Tobak...
Sempre hat geschrieben:Immanuel Kant z.B. bestreitet, dass in der Wirklichkeit das Kausalitätsprinzip gilt. Er vertritt die Auffassung, dass die Kausalität eine Konstruktion unseres Oberstübchens sei.
Dann ist aber auch wieder einsichtig, warum er Bestreitern des Aquinschen Gottesbeweises als Argument dient. Denn wenn der menschliche Geist das Kausalitätsprinzip lediglich konstruiert, könnte die Wirklichkeit, das "Ding an sich" tatsächlich nach anderen Regeln funktionieren.
Sempre hat geschrieben:Voraussetzung ist hier: Eine Reihe von Dominosteinen der Länge N = 1 oder N = 2 oder N = 3 gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Folgerung per Vollständiger Induktion: Eine Reihe von Dominosteinen beliebiger endlicher oder unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung sondern bedarf dazu eines Anstoßes von außen.
Danke, Sempre! In der Darstellung ist es mir verständlich! Das löst eine echte Denkblockade!

Gruß, Bogol

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Jeder Satz ist eine Kette aus Dominosteinen:

Wort - Wort - Wort

Bei näherer Betrachtung stehen die Dominosteine in einer Beziehung:

Subjekt - Prädikat - Objekt

Der Subjekt-Dominostein steht am Anfang. Er ist ohne weitere Voraussetzung. Er ist das Prinzip. Er ist der Vater.

Der Objekt-Dominostein steht am Ende. Er ist ohne weitere Nachfolge. Er ist die Konsequenz. Er ist der Sohn.

Der Prädikat-Dominostein ist unsichtbar. Er ist der Mittler, der die Beziehung herstellt und die Richtung angibt. Er ist der Geist.

Das Subjekt erweist sich als Herkunft des Prädikats, dessen Ziel das Objekt ist.

Von vorne gelesen ergibt sich: Subjekt -> Prädikat -> Objekt

Von hinten gelesen ist das Objekt die Folge des Prädikats des Subjekts. Das Objekt ist im Prädikat mit dem Subjekt eins.

Von hinten gelesen ergibt sich: Subjekt <- Prädikat <- Objekt

Grammatik ist die Anatomie des Denkens. Ihr Regelwerk bestimmt das Skelett der Logik.

Auch die Dreifaltigkeitstheologie folgt diesem Regelwerk.

Gott erscheint in der Dreifaltigkeitstheologie abstrakt.

Allerdings ist jede Theorie mehr oder weniger abstrakt, losgelöst, erhöht. Eine Theorie ist ein (gedachtes, unsichtbares) Bild der Wirklichkeit. Als Bild verschafft sie einen Überblick über die Wirklichkeit. Dieser Überblick erfolgt (in der Theorie) von einem erhöhten (gedachten) Punkt wie von einem Berg über einer Ebene oder wie vom Himmel auf die Erde.

Gott ist (in der Theologie) der höchste (gedachte) Punkt, von dem aus sich der Überblick über alles ergibt: über alles Sein, über alle Zeit, über allen Raum. Wie Gott für alles Sein ist auch der Mensch in der Theorie eine Abstraktion, ein Bild, eine Allegorie für jeden einzelnen Menschen.

Gott oder den Menschen auf einen Dominostein zu versachlichen und zu verkleinern, wird der Höhe und Größe Gottes und des Menschen nicht gerecht.

bogolismus
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von bogolismus »

overkott hat geschrieben:Unbewegter Beweger ist das Selbe wie bewegender Beweger.
Jein. Der unbewegte Beweger ist natürlich auch ein bewegender Beweger (und das ist eine Tautologie). Der unbewegte Beweger steht aber im Gegensatz zum bewegten Beweger. "Unbewegter Beweger" ist keine Tautologie.
overkott hat geschrieben:Eine andere Bezeichnung für Selbstbeweger ist Automobil. Wir sehen daran, dass das Denken Gottes als Beweger in eine seltsame Richtung führt.
:D In der Tat wäre "Automobil" eine passende Bezeichnung für Gott. Der Witz ist ja, daß Autos im Grunde gar nicht automobil sind: sie benötigen extern zugeführte Energie. Ist der Tank leer, ist's vorbei mit der Selbstbewegung. Nein, ChrisCross hat oben schon schön erläutert, was Sinn und Zweck der Gottesbeweise ist (die man vielleicht besser "Transzendenzbeweise" nennen sollte). Es geht eben nicht darum, Gott als Dominiostein zu definieren.

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

bogolismus hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Unbewegter Beweger ist das Selbe wie bewegender Beweger.
Jein. Der unbewegte Beweger ist natürlich auch ein bewegender Beweger (und das ist eine Tautologie). Der unbewegte Beweger steht aber im Gegensatz zum bewegten Beweger. "Unbewegter Beweger" ist keine Tautologie.
overkott hat geschrieben:Eine andere Bezeichnung für Selbstbeweger ist Automobil. Wir sehen daran, dass das Denken Gottes als Beweger in eine seltsame Richtung führt.
:D In der Tat wäre "Automobil" eine passende Bezeichnung für Gott. Der Witz ist ja, daß Autos im Grunde gar nicht automobil sind: sie benötigen extern zugeführte Energie. Ist der Tank leer, ist's vorbei mit der Selbstbewegung. Nein, ChrisCross hat oben schon schön erläutert, was Sinn und Zweck der Gottesbeweise ist (die man vielleicht besser "Transzendenzbeweise" nennen sollte). Es geht eben nicht darum, Gott als Dominiostein zu definieren.
Bewegter Beweger wäre ein Paradox. Unbewegter Beweger ist eine (versteckte) Tautologie. Man kann die Verneinung des Attributs schlicht fallen lassen.

Abstrakt kann man sagen: Gott ist Beweger (Subjekt), als solcher äußert er sich durch Bewegung (Prädikat) und bewirkt dadurch den Menschen als Bewegten (Objekt).

Der Mensch ist Gottes Ebenbild, als dass er auch ein Beweger ist. Damit hat der Mensch teil am ewigen Leben.

Wer Gott als (unvergängliches) Sein glaubt, lebt ewig, auch wenn er stirbt. Wer aber das Sein für nichts achtet, ist schon tot, bevor er stirbt.

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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Johaennschen »

Sempre hat geschrieben:Nein, Johaennschen, auch eine Reihe von Dominosteinen unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung.
Sie soll ja auch nicht in Bewegung geraten, sondern schon immer in Bewegung sein. Es gibt dann keinen Zeitpunkt, an der sie in Ruhe gewesen wäre und angestoßen werden hätte müssen.
Wenn man sich nur immer eine unendlich lange ruhende Dominosteinkette vorstellt, und dann fragt: wie Bewegung reinbringen?, lautet die Antwort natürlich: etwas außerhalb der Reihe, nämlich Gott, stößt an.
Die Kette aber ruht nicht, sondern ist ja schon in Bewegung. Es geht dann doch um umfallende Steine und die Frage: welcher war der erste? Wäre die Kette unendlich lang, so gelangte man nie zu diesem. Sie bewegten sich einfach "schon immer".
Sempre hat geschrieben:Such Dir bitte einen Mathe-Nachhilfelehre, der sich um Dich kümmert, und bezahle ihn anständig.
Was sollte der mir Deiner Meinung nach genau beibringen? Vollständige Induktion mit hyperreellen Zahlen? :hae?:
Nein, im Ernst: die Aussage, "etwas hat keinen Anfang und an diesem Anfang...". Macht Dir auch die vollst. Induktion nicht wahr. Sie reicht eben nicht ins Unendliche, und um sie anwenden zu können, muß man erst die Voraussetzung (keinen Anfang haben) beseitigen, wie Du es ja auch in Deinen Beispielen tust.
Da hilft nun aber auch keine Mathenachhilfe, mir nicht und Dir auch nicht. :nuckel:
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:Damit sich da etwas bewegt, muss mindestens einer davon angestoßen werden. Warum? Weil sich voraussetzungsgemäß nichts von selbst bewegt. Dominosteine sind nunmal so.
Daran sieht man das ganze Dilemma bei Thomas. Er zieht das Pferd von der falschen Seite auf. Er fängt den Satz mit dem Objekt an, um zum Subjekt zu gelangen. Er zählt eine Reihe Objekte (causae) auf, um am Anfang das Subjekt (persona) zu sehen. Das Subjekt ist das Selbst. Wenn man vom Selbst ausgeht, erkennt man: Im Prinzip ist alles von selbst. Auch die Dynamik.

In unserer Grammatik beginnen die Personalpronomen mit dem Ich. Der Satz mit dem Subjekt. Das Subjekt steht im ersten Fall, dem Nominativ. Unser Denken beginnt also von vorne mit dem Selbst. Das Selbst ist die Identität mit der Summe ihrer Eigenschaften. Lebewesen sind als aktive Wesen nach außen hin relativ selbständig, unabhängig und frei. Dadurch zeichnet sich ihre Höhe aus (1). Niedere Wesen wie Steine sind unselbständig.

(1) Ihre Höhe / Bedeutung zeichnet sich aber nicht nur durch ihre Eigenschaften nach außen aus, sondern auch durch ihre Eigenschaften nach innen. Dabei zählen Konsistenz, Festigkeit, Dauerhaftigkeit, Stärke.

Gott ist der Größte durch seine Unabhängigkeit nach außen und seine Dauerhaftigkeit, Ewigkeit, Beständigkeit, Standhaftigkeit, Stärke nach innen.

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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Pilgerer »

Gottesbeweise können grundsätzlich entweder auf das Pferd der Logik setzen oder auf die Empirie. Die meisten bekannten Gottesbeweise setzen bei bestimmten Annahmen an und leiten daraus logisch ab, dass ein Gott sein muss. Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit, über empirische Gottesbeweise nachzudenken. So wie man zum Beispiel die Krümmung des Raumes durch Masse empirisch festgestellt hat, könnte man vielleicht auch irgendwie empirisch Gott feststellen. Die Frage dabei ist jedoch: wie kann Gott physisch in die Welt eingreifen? Woran könnten wir das messen/beobachten?
Ein Beispiel für einen empirischen Beleg: Wenn sich bestimmte Objekte anders bewegen, als sie es nach den bestehenden physikalischen Bedingungen sollten, kann dahinter eine weitere (unbekannte) physikalische Kraft stehen oder Gott. Wenn sich die Objekte abweichend von den Naturgesetzen in einer Weise bewegen, die eine bestimmte kluge Form ergibt, wäre das ein Hinweise darauf, dass Gott dahinter steht. Gott als Urheber eines Ereignisses bedeutet, dass dieses sinnvoll ist, also nicht einfach so passiert.
Andere empirische Belege für Gott sind mit den Methoden der Psychologie und Soziologie möglich: Hier kann untersucht werden, wie Menschen Gott wahrnehmen und ob dies sich von anderen menschlichen Erfahrungen unterscheidet. Rein soziologisch betrachtet kann die Tatsache, dass die Mehrheit der Menschen an Gott (oder Götter) glaubt, den Schluss zulassen, dass ein realer Gott existiert, der die Ursache für diesen Glauben ist. Ebenso kann das Verhalten der Atheisten/Agnostiker etc. für eine Existenz Gottes sprechen; hier denke ich zum Beispiel an die religiösen Bedürfnisse, die sich in der transzendenten Überhöhung irdischer Dinge äußern: Nation, Ideologie, Geld, Konsum, Musik, ... Dass Menschen sich an solche Dinge hängen, als wären sie Götter, zeigt, dass sie ein ungestilltes Bedürfnis nach Gott haben.
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Johaennschen hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Nein, Johaennschen, auch eine Reihe von Dominosteinen unendlicher Länge gerät nicht von selbst in Bewegung.
Sie soll ja auch nicht in Bewegung geraten, sondern schon immer in Bewegung sein. Es gibt dann keinen Zeitpunkt, an der sie in Ruhe gewesen wäre und angestoßen werden hätte müssen.
Bei endlich langen Reihen von Dominosteinen ist unmittelbar klar, dass die Reihe ohne Anstoß nicht in Bewegung gerät. Per Vollständiger Induktion folgt, dass das auch für unendlich lange Reihen von Dominosteinen gilt.

Du kannst in jedem guten Schulbuch für den Mathematikunterricht nachlesen, dass der Beweis per Vollständiger Induktion sich auf unendlich viele natürliche Zahlen bezieht. Es gibt unendlich viele natürliche Zahlen und der Beweis beweist den Sachverhalt für alle natürlichen Zahlen ab einem festen, endlichen Startwert. Die natürlichen Zahlen ab einem festen, endlichen Startwert sind aber immer unendlich viele. Daher gilt hier das, was für endlich lange Dominosteinreihen gilt, auch für unendlich lange Dominosteinreihen.

Wir können uns natürlich mehr oder weniger anschaulich vorstellen, dass selbst eine Welt, die aus nur endlich vielen Körpern besteht, die sich mehr oder weniger wild durcheinanderbewegen und gelegentlich aneinanderstoßen, immer schon, seit aller Ewigkeit, in Bewegung sei. Grundsätzlich vorstellbar ist das.

Der Gottesbeweis aus der Bewegung untersucht nun aber nicht die Frage, ob das grundsätzlich vorstellbar sei, sondern ob das unter Voraussetzung der beobachteten Passivität (Trägheit) der Materie (die in der klassischen Mechanik als 1. Newtonsches Gesetz und in der Quantenmechanik als Hamiltonprinzip formuliert ist) möglich ist. Der Beweis ergibt, dass es unmöglich ist, dass die Welt aus passiven Körpern besteht, die sich einerseits erst dann bewegen, wenn sie angestoßen werden, die andererseits aber immer schon in Bewegung gewesen sein sollen.

Du kannst 1000-fach insistieren, dass Du Dir das aber vorstellen kannst. Den Beweis widerlegst Du damit nicht. Angenommen, Deine Vorstellung wäre wahr, dann wäre die Materie nicht passiv. Dann gälte nicht die Voraussetzung, dass Dominosteine angestoßen werden müssen, bevor sie sich bewegen.

Also: Wenn Dominosteine angestoßen werden müssen, damit sie sich bewegen, dann gilt das auch für eine beliebige endlich oder unendlich lange Reihe von Dominosteinen. Wenn ich hingegen eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen ohne Anfang und ohne Ende vor mir sähe, die in Bewegung ist, dann müsste ich folgern: die Reihe ist Bewegung, ohne dass sie angestoßen wurde. Jeder einzelne Stein bewegte sich, nachdem er von einem anderen Stein in Bewegung versetzt wird. Die Bewegung aber, die ich beobachtete, hätte letztlich keine Ursache. Die Materie bewegte sich ohne Ursache. Folgerung: die Materie wäre nicht passiv.

Fazit:

1.) Wenn man die Voraussetzung akzeptiert, dass die Materie passiv ist, dass es keine ursachenfreie Bewegung gibt, dann bedarf jede Dominosteinreihe eines Anstoßes, um in Bewegung zu geraten. Der Beweisgang ist einwandfrei.

2.) Wenn man umgekehrt annähme, dass eine unendlich lange Dominosteinreihe ohne Anfang und ohne Anstoß in Bewegung sein könnte, dann folgte daraus, dass die Materie nicht passiv ist, es folgte, dass die Materie ohne Ursache bewegt sein könnte.

Punkt 2.) impliziert, dass das, was wir in Teilsystemen des Universums beobachten (Passivität, Trägheit der Materie), nur in Teilsystemen nicht aber in aber im gesamten Universum gälte. Es gälte dann in Teilsystemen des Universums, in der Zusammenfassung mehrerer Teilsysteme des Universums, nicht aber im gesamten Universum, nicht in der Zusammenfassung aller Teilsysteme des Universums. Man könnte dann mit gleichem Recht annehmen, dass die Materie nur heute passiv sei, gestern aber vielleicht noch nicht oder auch morgen nicht mehr.

Es kann gar nicht oft genug betont werden: Wer Ideen folgt, die implizieren, dass wir nicht einmal in der Lage seien, die Wirklichkeit der Schöpfung halbwegs korrekt zu erfassen --- logisch, dass der dann auch nicht akzeptiert, dass wir sicher auf die Existenz Gottes schließen können.

Gruß
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

bogolismus hat geschrieben:Das heißt aber: ich benötige die Herleitung durch vollständige Induktion überhaupt nicht. Mmh. Das ist jetzt wirklich harter Tobak...
Ja, man braucht die Vollständige Induktion nicht. Aristoteles, St. Thomas von Aquin und Immanuel Kant kommen ohne aus. Der Begriff der Vollständigen Induktion ist erst ca. 100 Jahre nach Kant geprägt worden. Das Induktionsprinzip findet sich zwar bereits implizit bei Euklid, die Leistungsfähigkeit der Vollständigen Induktion wird aber erst Ende des 19. Jahrhunderts erkannt.

Das kurze Argument lautet: Wenn es keinen ersten Dominostein gibt, dann kann der auch nicht angestoßen werden. Wenn sich weiterhin voraussetzungsgemäß kein Dominostein ohne Anstoß bewegt, dann kann der Prozess nicht gestartet werden und somit nicht stattfinden. Ein Prozess, der von Ewigkeit her im Gange wäre, schließt den voraussetzungsgemäß benötigten Anstoß aus.

Oder aber: Wenn der Tank leer ist, dann kauft man sich nicht unendlich viele Autos mit leerem Tank hinzu sondern lieber einen Kanister Benzin.

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Raphael

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Raphael »

Sempre hat geschrieben:Oder aber: Wenn der Tank leer ist, dann kauft man sich nicht unendlich viele Autos mit leerem Tank hinzu sondern lieber einen Kanister Benzin.
Das erscheint eine nette Umschreibung für Kirche zu sein: Seelische Tankstelle! :)

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Pilgerer hat geschrieben:Gottesbeweise können grundsätzlich entweder auf das Pferd der Logik setzen oder auf die Empirie. Die meisten bekannten Gottesbeweise setzen bei bestimmten Annahmen an und leiten daraus logisch ab, dass ein Gott sein muss. Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit, über empirische Gottesbeweise nachzudenken. So wie man zum Beispiel die Krümmung des Raumes durch Masse empirisch festgestellt hat, könnte man vielleicht auch irgendwie empirisch Gott feststellen. Die Frage dabei ist jedoch: wie kann Gott physisch in die Welt eingreifen? Woran könnten wir das messen/beobachten?
Ein Beispiel für einen empirischen Beleg: Wenn sich bestimmte Objekte anders bewegen, als sie es nach den bestehenden physikalischen Bedingungen sollten, kann dahinter eine weitere (unbekannte) physikalische Kraft stehen oder Gott. Wenn sich die Objekte abweichend von den Naturgesetzen in einer Weise bewegen, die eine bestimmte kluge Form ergibt, wäre das ein Hinweise darauf, dass Gott dahinter steht. Gott als Urheber eines Ereignisses bedeutet, dass dieses sinnvoll ist, also nicht einfach so passiert.
Andere empirische Belege für Gott sind mit den Methoden der Psychologie und Soziologie möglich: Hier kann untersucht werden, wie Menschen Gott wahrnehmen und ob dies sich von anderen menschlichen Erfahrungen unterscheidet. Rein soziologisch betrachtet kann die Tatsache, dass die Mehrheit der Menschen an Gott (oder Götter) glaubt, den Schluss zulassen, dass ein realer Gott existiert, der die Ursache für diesen Glauben ist. Ebenso kann das Verhalten der Atheisten/Agnostiker etc. für eine Existenz Gottes sprechen; hier denke ich zum Beispiel an die religiösen Bedürfnisse, die sich in der transzendenten Überhöhung irdischer Dinge äußern: Nation, Ideologie, Geld, Konsum, Musik, ... Dass Menschen sich an solche Dinge hängen, als wären sie Götter, zeigt, dass sie ein ungestilltes Bedürfnis nach Gott haben.
Wer davon ausgeht, dass im Prinzip alles eins ist, versteht auch, dass Logik und Empirie im Prinzip eins sind. Logische Deduktion und empirische Induktion müssen, wenn sie wahr sind, zum gleichen Ergebnis kommen. Deduktion bedeutet, den Satz von vorne zu lesen; Induktion von hinten.

Logik beginnt mit der Frage: Was suche ich? Die Antwort darauf nennt sich Definition. Induktion beginnt mit der Frage: Was habe ich erfahren? Die Antwort darauf nennt sich ebenfalls Definition. Die Frage zum Vergleich von Logik und Empirie lautet: Suche ich, was ich erfahren habe?

Beginnen wir mit der Logik: Gott ist das Prinzip von allem. Warum diese Definition? Weil wir Gott als den Größten verstehen. Alle anderen Definitionen würden Gott kleiner denken, als Teil der Schöpfung. Gen 1,1 definiert Gott als den Höchsten. Andere Religionen definieren ihre Götter vielleicht kleiner. Folgerung: Wenn Gott das Prinzip von allem ist, muss er in allem sein, sonst wäre er nicht das Prinzip von allem. Gen 1,1 wird durch Gen 3,9, Gen 3,21, Ps 139 und viele weitere Stellen konsequent weitergedacht. Die Bibel denkt Gott also als principium continuum weiter. Gott ist auch nach dem Sündenfall weiter in seiner Schöpfung präsent.

Anders bei Thomas Gottesbeweisen: prima causa erscheint bei ihm nicht als principium continuum oder principium aeternum. Deistisch ist Gott als prima causa, wenn auch ein besonderer Teil der Schöpfung, nur ein Teil der Schöpfung. Deistisch hat sich Gott am Samstag zur Ruhe gelegt. Deistisch erscheint die Schöpfung ab dem siebten Tag als gottlos.

Zweifel an Gen 1,1 und damit am ontologischen Gottesbeweis nach Anselm können aufkommen durch Orientierung an der Bild- und Körperhaftigkeit der Gottesbeschreibung in den Schöpfungsgeschichten. Gerade die Körperhaftigkeit lässt Gott als abgegrenzten Teil der Schöpfung erscheinen. Vor dem Hintergrund der Gottesvorstellung (Gottesdefinition) als principium continuum, ist die Körperhaftigkeit in ihrer Vergänglichkeit äußerlich und unwesentlich. Denn das Wesentliche, die Identität, das Selbst, der Geist ist das Bleibende.

Weiter vorne habe ich von der Körperlosigkeit Gottes gesprochen. Diese Körperlosigkeit leitete sich aus der absoluten Grenzenlosigkeit ab. Andererseits ist Gott als principium continuum auch in allem, in allen Körpern. Insofern können wir auch von einem Allkörper sprechen. Der Allkörper unterscheidet sich vom Teilkörper: Während der Allkörper grenzenlos ist, ist der Teilkörper begrenzt. Das führt uns zur Relation vom All und vom Teil. Alles ist grenzenlos, ein Teil von allem ist begrenzt.

Im Hinblick auf den prima causa Gottesbeweis kann man die logische Kette so beschreiben:

prima causa causa causa causa...

Man kann auch verkürzen:

causa

Gott ist causa. Gott ist principium.

Auf die Frage: Warum ein Stein zur Erde fällt, wird der Theologe sagen: Gott ist der Grund. Der Naturwissenschaftler wird sagen: Die Schwerkraft ist der Grund. Ein Widerspruch? Nein. Gott ist der Grund der Schwerkraft. Daraus folgt: Während der Theologe das Ganze erklärt, erklärt der Naturwissenschaftler ein Teil. Sobald der Naturwissenschaftler anfängt, das Ganze zu erklären, wird er zum Theologen.
Zuletzt geändert von overkott am Samstag 16. Juli 2011, 11:00, insgesamt 1-mal geändert.

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Sempre, bist du eigentlich Deist oder Nihilist? Dein Dominosteingerede ist jedenfalls ziemlich bibelfern. Auch dein Zweifel am Prozess, der von Ewigkeit her im Gange wäre, zweifelt an der Ewigkeit Gottes. Du hast Gott als Prinzip des Ganzen nicht verstanden. Bist du thomasgeschädigt?

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Reinhard
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Reinhard »

Sempre hat geschrieben:Fazit:

1.) Wenn man die Voraussetzung akzeptiert, dass die Materie passiv ist, dass es keine ursachenfreie Bewegung gibt, dann bedarf jede Dominosteinreihe eines Anstoßes, um in Bewegung zu geraten. Der Beweisgang ist einwandfrei.

2.) Wenn man umgekehrt annähme, dass eine unendlich lange Dominosteinreihe ohne Anfang und ohne Anstoß in Bewegung sein könnte, dann folgte daraus, dass die Materie nicht passiv ist, es folgte, dass die Materie ohne Ursache bewegt sein könnte.
Bei der Reihe Dominosteine und der Vollständigen Induktion gibt es ein paar Probleme.

- Zu Fazit 2: Die Argumentation geht von einem vollständig statischen Weltbild aus.
Der Schluss, dass jeder Stein von einem vorigen angestoßen sein muss, und folglich (wenn auch im Unendlichen) der erste Stein von außen bewegt worden sein muss, überspringt die Tatsache, dass jedes Anstoßen eine gewisse Zeit benötigt.
Das bedeutet aber auch: wenn es eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen gibt, bei der jedes Anstoßen des Nächsten eine endliche Zeit (größer Null) benötigt, und das Alter unseres Universums nicht unendlich ist (!), dann kann die Bewegung gar nicht von dem ersten Stein stammen, sondern der Impuls muss zu Beginn des Universums bereits viel weiter, im Endlichen unterwegs gewesen sein.
Man sieht, wie schwierig hier die Frage ist, ob diese denkerische Abstraktion überhaupt zulässig ist. Das erklärt auch den Widerspruch von Pilgerer und Johaennschen, weil eben die Annahme einer vollständig statischen Welt gar nicht gesichert ist.

- Fazit 1 ist nur richtig, wenn allein das Newtonsche Weltbild gültig ist.
Wenn Phänomene wie die Brownsche Bewegung, der Tunneleffekt und die Heisenbergsche Unschärfe nicht einfach übergangen werden, dann bleibt zwar richtig, dass es eine Ursache für das Umkippen eines Dominosteins geben muss. Allerdings braucht das dann nicht ein Anstoß durch einen anderen Stein sein, sondern kann auch andere Ursachen haben.
(Anmerkung: Vieles was wir unter "Zufall" subsummieren, bedeutet in Wirklichkeit ja nur "wir wissen die Ursache nicht" - da steckt gerade in modernen Weltbeschreibungen ein großes Feld, das sehr wohl ein direktes Eingreifen Gottes umfassen kann. Deshalb sind ja viele Physiker über ihre Wissenschaft zu ihrem Gottesglauben gelangt)

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Reinhard hat geschrieben:- Zu Fazit 2: Die Argumentation geht von einem vollständig statischen Weltbild aus.
Ewigkeit ist statisch.
Der Schluss, dass jeder Stein von einem vorigen angestoßen sein muss, und folglich (wenn auch im Unendlichen) der erste Stein von außen bewegt worden sein muss, überspringt die Tatsache, dass jedes Anstoßen eine endliche Zeit benötigt.
Zeit ist dynamisch. Das Verhältnis von Ewigkeit und Zeit ist wie das Verhältnis vom Ganzen zum Teil. Die Einheit von Ewigkeit und Zeit lässt sich beschreiben als Kontinuität im Wandel, als ständige Veränderung, als ewiges Leben.
Das bedeutet aber auch: wenn es eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen gibt, bei der jedes Anstoßen des Nächsten eine endliche Zeit benötigt, und das Alter unseres Universums nicht unendlich ist (!), dann kann die Bewegung gar nicht von dem ersten Stein stammen, sondern der Impuls muss zu Beginn des Universums bereits viel weiter, im Endlichen unterwegs gewesen sein.
1. Es gibt im Prinzip nur ein Universum, sonst wär es nicht das All.
2. Das All ist ewig, sonst wäre es ebenfalls nicht das All.
3. Im Prinzip sind Schöpfergeist und Schöpfung eins.
4. Durch geistige Differenzierung ("Gott sprach:") erkennen wir die Schöpfung (Objekt) als Teil des Schöpfers (Subjekt).
Das erklärt auch den Widerspruch von Pilgerer und Johaennschen, weil eben die Annahme einer vollständig statischen Welt gar nicht gesichert ist.
Die Annahme einer prinzipiell statischen Welt ist per Definition / Prinzip gesichert. Statik kommt von stare stehen, da sein. Die Welt könnte ohne Statik nicht existieren. Die Statik ist das Rückgrat der Dynamik (Statik und Dynamik sind im Prinzip eins, sie hängen zusammen.) , die Ewigkeit die Basis der Zeit (Ewigkeit ist absolute Zeit.)
(Anmerkung: Vieles was wir unter "Zufall" subsummieren, bedeutet in Wirklichkeit ja nur "wir wissen die Ursache nicht" - da steckt gerade in modernen Weltbeschreibungen ein großes Feld, das sehr wohl ein direktes Eingreifen Gottes umfassen kann. Deshalb sind ja viele Physiker über ihre Wissenschaft zu ihrem Gottesglauben gelangt)
Zufall bedeutet nicht Nichtwissen, sondern die Einsicht in die Unbedingtheit des Prinzips. Guten Zufall nennen wir von der Intention her Liebe, von der Konsequenz her Geschenk. Gott erfahren wir als guten Zufall. Kurz: Wir erfahren Gott als Guten (Subjekt) und sein Geschenk als Gut(es) (Objekt).

Kirchenjahr
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Kirchenjahr »

Sempre hat geschrieben:Es kann gar nicht oft genug betont werden: Wer Ideen folgt, die implizieren, dass wir nicht einmal in der Lage seien, die Wirklichkeit der Schöpfung halbwegs korrekt zu erfassen --- logisch, dass der dann auch nicht akzeptiert, dass wir sicher auf die Existenz Gottes schließen können.
Ich denke, hier hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Beweis ist für denjenigen erbracht, der im voraus bestimmte Annahmen als Axiom voraussetzt. Mit philosophisch wie naturwissenschaftlich statischen Weltbildern lassen sich die dafür erforderlichen Annahmen durchaus leicht vereinbaren. Es gibt heutzutage aber durchaus Weltbilder, die dynamisch sind oder gar physikalische Annahmen, die es dem Menschen unmöglich machen, die Wirklichkeit korrekt zu erfassen.

Ein Beispiel:
Bei der radioaktivem Halbwertzeit geht man davon aus, dass sich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne 50 % der Atomkerne in ein anderes Nuklid "umgewandel" haben. Diese Beoabachtung ermöglicht nur einen Teilaspekt. Der Beobachter weiß nicht, wie lange der Zerfall des letzten Atoms dauert. Auch weiß der Beobachter nicht, welche Atome wann zerfallen.

Der moderne Naturwissenschaftler arbeitet mit Modellen. Tauchen Fehler auf, werden diese Modelle modifiziert oder gar ganz verworfen. Die Geschichte der Wissenschaften hat gezeigt, dass Wissenschaftler sehr häufig fehlerhafte Annahmen zugrunde gelegt haben.

Ein Agnostizist wird den Kausalitätsbeweis daher niemals akzeptieren, ein Skeptiker wird diesen Beweis nie als erbracht ansehen und zweifeln, und ein moderner Naturwissenschaftler wird sich vehement dagegen wehren, eine Modell als Axiom zu setzen.

Der Beweis kann helfen, einen Anhänger Aristoteles zu überzeugen, er ist kontraproduktiv, wenn ein Skeptiker oder Relativist sich mit dem Beweisgang auseinandersetzt. Dagegen kann sich weder Skeptiker, Relativist, Wissenschaftler oder sonst wer dem Wirken des Hl. Geistes entziehen.

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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Reinhard hat geschrieben:Der Schluss, dass jeder Stein von einem vorigen angestoßen sein muss, und folglich (wenn auch im Unendlichen) der erste Stein von außen bewegt worden sein muss, überspringt die Tatsache, dass jedes Anstoßen eine gewisse Zeit benötigt.
Das bedeutet aber auch: wenn es eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen gibt, bei der jedes Anstoßen des Nächsten eine endliche Zeit (größer Null) benötigt, und das Alter unseres Universums nicht unendlich ist (!), dann kann die Bewegung gar nicht von dem ersten Stein stammen, sondern der Impuls muss zu Beginn des Universums bereits viel weiter, im Endlichen unterwegs gewesen sein.
Das ist kein Problem, denn es wird nicht vorausgesetzt, dass das Alter des Universums endlich sei. Das Ergebnis des Beweises lässt ein endlich altes Universum zu, steht also nicht im Widerspruch zu der Auffassung, dass das Alter der Schöpfung endlich ist.

Reinhard hat geschrieben:Bei der Reihe Dominosteine und der Vollständigen Induktion gibt es ein paar Probleme.
[...]
- Fazit 1 ist nur richtig, wenn allein das Newtonsche Weltbild gültig ist.
Wenn Phänomene wie die Brownsche Bewegung, der Tunneleffekt und die Heisenbergsche Unschärfe nicht einfach übergangen werden, dann bleibt zwar richtig, dass es eine Ursache für das Umkippen eines Dominosteins geben muss.
Irrtum! In der klassischen Mechanik gilt das newtonsche Trägheitsprinzip, die Materie ist absolut passiv. In der Quantenmechanik gilt das Hamiltonsche Prinzip, das das newtonsche Prinzip sinngemäß erweitert. Die Voraussetzung des Beweises aus der Bewegung steht daher in vollem Einklang sowohl mit der klassischen als auch mit der modernen Physik.

Gruß
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Es kann gar nicht oft genug betont werden: Wer Ideen folgt, die implizieren, dass wir nicht einmal in der Lage seien, die Wirklichkeit der Schöpfung halbwegs korrekt zu erfassen --- logisch, dass der dann auch nicht akzeptiert, dass wir sicher auf die Existenz Gottes schließen können.
Ich denke, hier hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Beweis ist für denjenigen erbracht, der im voraus bestimmte Annahmen als Axiom voraussetzt.
Das habe ich bereits mehrfach erwähnt. Ein jeder Beweis setzt Axiome voraus, denn ein Beweis tut nichts anderes, als Folgerungen aus Axiomen abzuleiten.

Wer z.B. bestreitet, dass es tatsächlich Kausalzusammenhänge in der Realität gibt, der wird zum kausalen Gottesbeweis sagen: Aus dem, was nicht ist, kann nicht auf die Existenz Gottes geschlossen werden.

Ich kann nur hoffen, dass Du erkennst, dass dieser mein Beitrag nur deswegen existiert, weil Du Deinen zuvor geschrieben hast, dass also ein kausaler Zusammenhang zwischen Deinem und meinem Beitrag existiert. Sowie auch, dass es glücklicherweise auf der Erde nicht sooo arg kalt ist, weil die Sonne sie fast ohne Unterlass bescheint.

Kirchenjahr hat geschrieben:Mit philosophisch wie naturwissenschaftlich statischen Weltbildern lassen sich die dafür erforderlichen Annahmen durchaus leicht vereinbaren. Es gibt heutzutage aber durchaus Weltbilder, die dynamisch sind oder gar physikalische Annahmen, die es dem Menschen unmöglich machen, die Wirklichkeit korrekt zu erfassen.
Zur Quantenmechanik hatte ich weiter oben in diesem Strang bereits geschrieben. Vor den 1970ern gab es da wüste Interpretationen. Heute haben Physiker die Dekohärenz aus der Quantenmechanik selbst theoretisch abgeleitet, aus der folgt, dass sich quantenmechanische Systeme, insoweit sie meßtechnisch erfasst werden können, immer deterministisch verhalten.

Kirchenjahr hat geschrieben:Der moderne Naturwissenschaftler arbeitet mit Modellen. Tauchen Fehler auf, werden diese Modelle modifiziert oder gar ganz verworfen. Die Geschichte der Wissenschaften hat gezeigt, dass Wissenschaftler sehr häufig fehlerhafte Annahmen zugrunde gelegt haben.
Ja, es gab im Laufe der Geschichte viele fehlerhafte Annahmen. Die Kausalität aber hat sich immer gehalten. Das mag auch daran liegen, dass dort, wo keine Kausalität herrscht, nicht mehr sinnvoll Naturwissenschaft betrieben werden kann.

Es gibt kein anerkanntes naturwissenschaftliches Modell, in dem nicht zwischen allen betrachteten Objekten bzw. Teilsystemen, die der Messung prinzipiell zugänglich sind, Kausalität herrscht, bzw. modellgemäß vorausgesetzt wird. Ja, sogar das Entropiegesetz herrscht in all diesen Modellen. Das Entropiegesetz ist eine theoretische Folgerung aus dem Kausaltätsprinzip. Einstein zum Entropiegesetz: It is the only physical theory of universal content which I am convinced, that within the framework of applicability of it basic concepts will never be overthrown.

Kirchenjahr hat geschrieben:Ein Agnostizist wird den Kausalitätsbeweis daher niemals akzeptieren, ein Skeptiker wird diesen Beweis nie als erbracht ansehen und zweifeln, und ein moderner Naturwissenschaftler wird sich vehement dagegen wehren, eine Modell als Axiom zu setzen.
Nein, falsch. Es wird kein Modell als Axiom gesetzt, sondern das Kausalitätsgesetz. Es mag jemand das Axiom ablehnen und damit auch das Resultat des Beweises. Der Beweisgang ist damit dennoch korrekt.

Wer aber das Kausalitätsgesetz ablehnt, der kann kaum eine sinnvolle und wahre Aussage über die Welt treffen. Dass der dann auch über die Existenz Gottes nicht sagen kann, verwundert kaum.

Dass ein Beweis einen Skeptiker oder einen Leugner der objektiven Wirklichkeit nicht überzeugt, tut dem Beweis keinen Abbruch. Wer eh meint, dass die Wirklichkeit nur in seinem Oberstübchen existiert und nach Belieben dort manipuliert oder gar konstruiert werden kann, der kann dort, in seinem Oberstübchen natürlich nach Belieben keinen, einen oder mehrere Götter installieren. In der Welt in seinem Oberstübchen kann dann auch eine Geometrie regieren, die er euklidisch nennt, in der alle rechtwinkligen Dreiecke gleichseitig sind, außer montags, da gilt der Satz des Pythagoras.

Gruß
Sempre
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Kirchenjahr hat geschrieben:Der Beweis kann helfen, einen Anhänger Aristoteles zu überzeugen,
Ja, in der Tat sprang der Aquinat auf die Aristoteleswelle. Der reimportierte Teil von Aristoteles war im 13. Jahrhundert zunächst als glaubensgefährdend verboten, dadurch unheimlich reizvoll und dann so "in" wie die Psychotheologen in den 80-er Jahren. Als er nicht mehr aufzuhalten war, sprangen Theologen wie Thomas auf die Welle auf. Aristoteles war also nichts anderes als ein Zeichen der Zeit, die Welt von heute im 13. Jahrhundert. Heute stehen wir Aristoteles und den Psychotheologen abgeklärt gegenüber und stellen fest: eine mögliche Perspektive, nicht zu verabsolutieren, in mancher Hinsicht ein Rückschritt gegenüber Gen 1,1 und dem entsprechenden ontologischen Gottesbeweis Anselms.

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Reinhard
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Reinhard »

Sempre hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Der Schluss, dass jeder Stein von einem vorigen angestoßen sein muss, und folglich (wenn auch im Unendlichen) der erste Stein von außen bewegt worden sein muss, überspringt die Tatsache, dass jedes Anstoßen eine gewisse Zeit benötigt.
Das bedeutet aber auch: wenn es eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen gibt, bei der jedes Anstoßen des Nächsten eine endliche Zeit (größer Null) benötigt, und das Alter unseres Universums nicht unendlich ist (!), dann kann die Bewegung gar nicht von dem ersten Stein stammen, sondern der Impuls muss zu Beginn des Universums bereits viel weiter, im Endlichen unterwegs gewesen sein.
Das ist kein Problem, denn es wird nicht vorausgesetzt, dass das Alter des Universums endlich sei. Das Ergebnis des Beweises lässt ein endlich altes Universum zu, steht also nicht im Widerspruch zu der Auffassung, dass das Alter der Schöpfung endlich ist.
Wie das ? - Willst Du jetzt hilfsweise, nur um diesen "Beweis" aufrecht zu erhalten, ein unendlich altes Universum einführen, obwohl sowohl das biblische Zeugnis als auch das profane Wissen um unsere Welt von einem endliche Alter des Universums ausgehen ?
Sempre hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Bei der Reihe Dominosteine und der Vollständigen Induktion gibt es ein paar Probleme.
[...]
- Fazit 1 ist nur richtig, wenn allein das Newtonsche Weltbild gültig ist.
Wenn Phänomene wie die Brownsche Bewegung, der Tunneleffekt und die Heisenbergsche Unschärfe nicht einfach übergangen werden, dann bleibt zwar richtig, dass es eine Ursache für das Umkippen eines Dominosteins geben muss.
Irrtum! In der klassischen Mechanik gilt das newtonsche Trägheitsprinzip, die Materie ist absolut passiv. In der Quantenmechanik gilt das Hamiltonsche Prinzip, das das newtonsche Prinzip sinngemäß erweitert. Die Voraussetzung des Beweises aus der Bewegung steht daher in vollem Einklang sowohl mit der klassischen als auch mit der modernen Physik.
Womit widerlegst Du hier die Möglichkeit, dass irgend ein Stein beispielsweise durch einen statistischen Ausreißer der Brownschen Bewegung oder durch einen getunnelten, oder wie auch immer dorthin übertragenen, anderen Impuls angestoßen sein könnte ? - Diese Möglichkeit einfach weg zu definieren reicht als Beweis nicht aus, und ich kann nicht erkennen wie dies aus dem Hamiltonschen Prinzip folgen soll.

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overkott
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von overkott »

Reinhard hat geschrieben:Willst Du jetzt hilfsweise, nur um diesen "Beweis" aufrecht zu erhalten, ein unendlich altes Universum einführen, obwohl sowohl das biblische Zeugnis als auch das profane Wissen um unsere Welt von einem endliche Alter des Universums ausgehen ?
Wo sollte denn die Grenze sein?

Verwechselst du vielleicht Anfang mit dem willkürlich gewählten Zeitpunkt in der Ewigkeit, als der ewige Gott sprach: Es werde Licht?

Verwechselst du vielleicht Universum mit Galaxie oder Planetensystem?

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Sempre
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Sempre »

Reinhard hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Der Schluss, dass jeder Stein von einem vorigen angestoßen sein muss, und folglich (wenn auch im Unendlichen) der erste Stein von außen bewegt worden sein muss, überspringt die Tatsache, dass jedes Anstoßen eine gewisse Zeit benötigt.
Das bedeutet aber auch: wenn es eine unendlich lange Reihe von Dominosteinen gibt, bei der jedes Anstoßen des Nächsten eine endliche Zeit (größer Null) benötigt, und das Alter unseres Universums nicht unendlich ist (!), dann kann die Bewegung gar nicht von dem ersten Stein stammen, sondern der Impuls muss zu Beginn des Universums bereits viel weiter, im Endlichen unterwegs gewesen sein.
Das ist kein Problem, denn es wird nicht vorausgesetzt, dass das Alter des Universums endlich sei. Das Ergebnis des Beweises lässt ein endlich altes Universum zu, steht also nicht im Widerspruch zu der Auffassung, dass das Alter der Schöpfung endlich ist.
Wie das ? - Willst Du jetzt hilfsweise, nur um diesen "Beweis" aufrecht zu erhalten, ein unendlich altes Universum einführen, obwohl sowohl das biblische Zeugnis als auch das profane Wissen um unsere Welt von einem endliche Alter des Universums ausgehen ?
Der Beweis beweist, dass jede Kausalkette einen Anfang besitzt. Daraus folgt, dass das Alter des Universums endlich ist. Wie kommst Du auf die Idee, ich führte ein unendlich altes Universum ein? Johaennschen hat solches vorgeschlagen und ich habe erklärt, warum ich Folgerungen daraus nicht akzeptieren kann. Mit dem Kausalbeweis hat das aber nichts zu tun.

Reinhard hat geschrieben:Womit widerlegst Du hier die Möglichkeit, dass irgend ein Stein beispielsweise durch einen statistischen Ausreißer der Brownschen Bewegung oder durch einen getunnelten, oder wie auch immer dorthin übertragenen, anderen Impuls angestoßen sein könnte ? - Diese Möglichkeit einfach weg zu definieren reicht als Beweis nicht aus, und ich kann nicht erkennen wie dies aus dem Hamiltonschen Prinzip folgen soll.
Es folgt - wie gesagt - aus der Dekohärenz, die eine zwingende Folgerung aus der Quantenmechanik selbst ist. Quantenmechanische Systeme, insoweit sie meßtechnisch erfasst werden können, verhalten sich immer klassisch (deterministisch). (In älterer Literatur mag sich anderes finden, erst ab den 1970ern begann sich diese Erkenntnis langsam durchzusetzen.)

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Reinhard
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Reinhard »

Sempre hat geschrieben:Der Beweis beweist, dass jede Kausalkette einen Anfang besitzt. Daraus folgt, dass das Alter des Universums endlich ist. Wie kommst Du auf die Idee, ich führte ein unendlich altes Universum ein? Johaennschen hat solches vorgeschlagen und ich habe erklärt, warum ich Folgerungen daraus nicht akzeptieren kann. Mit dem Kausalbeweis hat das aber nichts zu tun.
"Unendlich" heißt doch, dass man für jedes Beispiel immer ein noch größeres, längeres, älteres, ... (was auch immer) Gegenbeispiel nennen kann.
Wenn wir jetzt die Domino-Reihe betrachten, dann wandert der Impuls doch mit einer bestimmten Geschwindigkeit von einem Stein zum nächsten. Richtig ?
Wenn wir weiter das Alter der Welt betrachten, z.B. die 14 Mrd. Jahre, die man heute annimmt, dann kann der Impuls entlang der Domino-Reihe in diesen 14 Mrd. Jahren ja nur eine bestimmte, sehr große aber endliche (!) Strecke (und damit auch eine endliche Anzahl Steine) zurückgelegt haben. Auch D'accord ?
Das heißt aber, da die Reihe doch unendlich lang ist, dass hinter diesem Stein, der in dem Moment des Urknalls oder der Erschaffung der Welt gerade umkippte, noch unendlich viele, weitere Steine gewesen sein müssen, von denen wir nichts wissen (sonst wäre die reihe ja nicht unendlich lang).
Ob die stehen oder umgekippt sind ist egal, denn die Reihe wurde ja in diesem Zustand (zusammen mit der ganzen Welt) erschaffen oder erknallt. - davor gab es ja noch keine Welt !
- an dieser Stelle platzt der Beweis, denn Du behauptest ja, Gott habe den ersten Stein angestoßen. Das ist aber egal, weil der Impuls des ersten Steins wegen des endlichen Alters der Welt uns noch gar nicht erreicht haben kann. (-> Problem der Beobachtbarkeitsgrenze)

Die Rückbindung des Beweises an das physikalisch existierende Universum ist natürlich notwendig, weil der Gottesbeweis ja sehr wohl für unsere beobachtbare Welt gelten soll und nicht für eine beliebige, erdachte Welt.

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