Entstehung kirchlicher Ämter

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ad-fontes
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Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von ad-fontes »

Ist das dreigliedrige Amt schon immer dagewesen oder gab es zu Anfang entweder Bischof+Diakon oder ein Presbyterium (je nach Stadt) oder entwickelte sich das Episkopenamt aus dem Presbyteriat heraus?

Trifft die Theorie zu, daß in der Stadt Rom die Gemeinde zunächst eine Presbyterialverfassung hatte, die Sukzessionsliste also nicht geschichtlich ist?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Maurus
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Maurus »

ad-fontes hat geschrieben:Ist das dreigliedrige Amt schon immer dagewesen oder gab es zu Anfang entweder Bischof+Diakon oder ein Presbyterium (je nach Stadt) oder entwickelte sich das Episkopenamt aus dem Presbyteriat heraus?
Es kann schlecht "immer" dagewesen sein, weil es sich erst in der Urkirche entwickelt hat. Es gab unterschiedliche Gemeindeverfassungen: Die Presbyterverfassung nach dem Vorbild der Synagoge, die Betreuung durch umherziehende Wanderprediger und das paulinische Modell mit ortsgebundenen Aufsehern (Episkopen), die sich zum Monepiskopat weiterentwickelte.
Trifft die Theorie zu, daß in der Stadt Rom die Gemeinde zunächst eine Presbyterialverfassung hatte, die Sukzessionsliste also nicht geschichtlich ist?
Die Apostolische Sukzession wird schon durch den ersten Clemensbrief bezeugt (vor 100). Clemens war entweder der zweite oder der dritte Nachfolger des Hl. Petrus. Viel früher könnte man also nicht von einer Sukzession reden.

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ad-fontes
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von ad-fontes »

Mit "schon immer" meinte ich die apostolische bzw. nachapostolische Zeit - von da an. :ja:
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Maurus
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Maurus »

ad-fontes hat geschrieben:Mit "schon immer" meinte ich die apostolische bzw. nachapostolische Zeit - von da an. :ja:
Das ist ja ein Zeitraum und kein Zeitpunkt. Eine Dreigliederung hat mE schon in sehr früher Zeit bestanden (also meinetwegen in apostolischer Zeit), nur fehlte es an der heutigen Terminologie. Es gab Diakone und es gab den Kreis der Presbyter, aus dem wohl schon recht früh einer hervorragte, der Bischof, wenn man so will.

Pilgerer
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Pilgerer »

Wie unterschieden sich in der Anfangszeit die Aufgaben der Presbyter, der Bischöfe und Diakone?
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Protasius
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Protasius »

Pilgerer hat geschrieben:Wie unterschieden sich in der Anfangszeit die Aufgaben der Presbyter, der Bischöfe und Diakone?
In Rom zumindest waren die Diakone z. B. für die Armenfürsorge zuständig, also Almosen etc. (Ich weiß aber gerade leider nicht, wo ich das her hab, daher keine Quelle.)
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Pit
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Pit »

Protasius hat geschrieben: ...
In Rom zumindest waren die Diakone z. B. für die Armenfürsorge zuständig, also Almosen etc. (Ich weiß aber gerade leider nicht, wo ich das her hab, daher keine Quelle.)
Ich müsste noch mal nachschlagen, aber meines Wissens ist bereits in der Apostelgeschichte die Rede davon, daß Diakone eingesetzt wurden, um die Versorgung der Bedürftigen in der Gemeinde zu regeln.
Von denen stammt ja auch die Diakonie (also nicht der Verband) ursprünglich ab.
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Pit
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Pit »

Protasius hat geschrieben: ...
In Rom zumindest waren die Diakone z. B. für die Armenfürsorge zuständig, also Almosen etc. (Ich weiß aber gerade leider nicht, wo ich das her hab, daher keine Quelle.)
Ich müsste noch mal nachschlagen, aber meines Wissens ist bereits in der Apostelgeschichte die Rede davon, daß Diakone eingesetzt wurden, um die Versorgung der Bedürftigen in der Gemeinde zu regeln.
Von denen stammt ja auch die Diakonie (also nicht der Verband) ursprünglich ab.
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Thomas_de_Austria
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Als die Apostel noch waren, waren diese an der Spitze der Gemeinden mit Ältestenverfassung (was lt. Klaus Berger "offensichtlich von Korinth bis Jerusalem" galt). Am Anfang waren die Begriffe "πρεσβύτερος" und "ἐπίσκοπος" noch weitgehend austauschbar (nach Berger speziell dort, wo der Begriff "ἐπίσκοπος" im Plural steht). Der zuständige Apostel (durchaus auch für mehrere Gemeinden zuständig, da oft auch unterwegs, wie z. B. St. Paulus) war weisungsbefugt (sieht man bspw. in I Petr). Das, was wir jetzt Bischöfe nennen, kam erst so richtig nach dem Ableben der Generation der Apostel auf. Die Bischöfe kamen aus dem Kreis der Ältesten und bildeten dann quasi den vorsitzenden Apostel ab. Für diese neuen Vorsitzenden wurde dann einzig das Wort "ἐπίσκοπος" gebraucht, um auch sprachlich zwischen ihnen und den Presbytern, d. h. den Ältesten im gewöhnlichen Sinne, zu differenzieren. In noch Apostolischer Zeit galt schon:
[quote="K. Berger, "Die Urchristen", S. 226"]Der eine Vorgeordnete steht dem Gremium stets gegenüber; er kommt aus ihm oder wird aus ihm gewählt. – Dabei gilt: Der Apostel kann das Tun des Gremiums der Ältesten ersetzen oder bestätigend begleiten.[/quote]

Der Bischof ist nicht mit den Aposteln identisch. Er steht allerdings in ihrer Nachfolge und übernimmt viele Funktionen, die die Apostel innehatten:

[quote="K. Berger, "Die Urchristen", S. 229"]
Der eine Episkopos ist strukturell Nachfolger des je einen Apostels, insbesondere als Vorsitzender des Presbyteriums. Man kann auch sagen: Das Presbyterium bleibt, der Vorsitzende wechselt (vom Apostel zum Bischof). […] Offensichtlich speist sich daher die Entstehung des monarchischen Bischofsamtes aus zwei Quellen: aus der Nachbildung des monarchischen Apostelamtes und der Übernahme von Hirtenfunktion, die früher einige oder alle Älteste wahrnahmen. Gerade an der Hirtenfunktion lässt sich das auch terminologisch festmachen: Von den Ältesten wird sie behauptet in 1 Petr 5,2, von den Aufsehern (Episkopen im Plural, Apg 20,28), vom Episkopos (Bischof) im Singular in 1 Petr 2,25. – Entscheidend ist die Nachbildung des einen. In diesem Sinne wird Jesus Christus als der eine Bischof der Seelen genannt.
[/quote]

Diakone sind ein eigenes Kapitel und wieder gesondert zu betrachten.

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ad-fontes
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von ad-fontes »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Diakone sind ein eigenes Kapitel und wieder gesondert zu betrachten.
Darauf zielte eigentlich meine Frage: Ein Bischof und ein Diakon vs. Presbyterialverfassung, so eine Theorie.

Andererseits hören wir schon in der Apg vom Diakonat als Kollegium (so auch in Rom), später dann mit einem Archidiakon an der Spitze.
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Pilgerer
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Pilgerer »

Wurden die Presbyter und Bischöfe immer von den Aposteln (oder Vorgängern) eingesetzt oder gab es gelegentlich auch so etwas wie Wahlen durch das Kirchenvolk?
Wie einheitlich waren die Gemeinden des 1. Jahrhunderts? Die Neu-Christen kamen aus unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen. Wie stark haben sich die Apostel untereinander in der Gemeindeorganisation abgestimmt? Es gab neben der Westmission (Paulus, Markus, Petrus) auch noch die Ostmission in Syrien, Mesopotamien und Indien. Wie haben sich dort die kirchlichen Ämter und die Gemeinden entwickelt?
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Thomas_de_Austria
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Re: Entstehung kirchlicher Ämter

Beitrag von Thomas_de_Austria »

ad-fontes hat geschrieben:Ein Bischof und ein Diakon vs. Presbyterialverfassung, so eine Theorie.
Ich verstehe nicht ganz, worauf Du hinaus willst, um ehrlich zu sein: Was heißt hier "versus"? Ein Bischof an der Spitze und ein (oder mehrere) Diakon(e) "darunter" gegenüber den Presbytern, oder wie?
ad-fontes hat geschrieben:Andererseits hören wir schon in der Apg vom Diakonat als Kollegium (so auch in Rom), später dann mit einem Archidiakon an der Spitze.
Dazu noch einmal Berger:

[quote="K. Berger, "Die Urchristen", S. 233"]
Wir stellen als besonderes Merkmal frühchristlicher Verfassungen fest: Einem Gremium (dem Presbyterium) ist jeweils eine Einzelfigur höheren Ranges vorangestellt. Oder umgekehrt: Diese ranghöhere Figur ist jeweils durch ein Gremium vertreten, entfaltet, dargestellt. Die Repräsentation ist gegenseitig. Das beginnt bereits bei Moses (gegenüber 70 Ältesten), Jesus (gegenüber den zwölf Aposteln), den Aposteln (Älteste in Gemeinden), Jakobus dem Herrenbruder (Älteste in Jerusalem), dem Bischof (Presbyterium). Im Unterschied zum Presbyterium sind die Diakone nie ein solches Gremium.
[/quote]
Die Diakone unterscheiden sich in der Hinsicht, auch, wenn sie sich natürlich als eigene Gruppe begreifen und formell zusammenschließen, schon sehr, von den Presbytern. Traditionell waren die Diakone in Rom allerdings limitiert, auf sieben (wie auch in allen größeren Städten).
Pilgerer hat geschrieben: Wurden die Presbyter und Bischöfe immer von den Aposteln (oder Vorgängern) eingesetzt oder gab es gelegentlich auch so etwas wie Wahlen durch das Kirchenvolk?
Eine Einsetzung durch "Wahlen", so wie wir das heute verstehen, oder wie das gewisse "Reformer" in der Röm.-kath. Kirche für die Kirche möchten, gab es eindeutig nicht. Dort, wo ein Apostel war, setzte er die Presbyter bzw. auch seinen Nachfolger als Aufseher (Bischof) ein, aber auch das (von einem Apostel eingesetzte) Gremium der Presbyter besetzte u. U. aus den eigenen Reihen dieses Amt neu (speziell, wenn ein wandernder Apostel diversen Gemeinden vorstand und dieser dann verschied). So oder so werden aber Personen von bereits bestehenden Autoritäten zu ihren Aufgaben bestellt, in einer durchaus liturgischen Handlung, d. h. die Handauflegung ist bereits in der Frühzeit konstitutiv, samt noch einigen formalisierten "Verhaltensweisen".
[quote="K. Berger, "Die Urchristen", S. 250"]
Wir halten fest: Es wird grundsätzlich eine liturgische und vom Heiligen Geist inspirierte »Installatio« geleistet – dieses im Unterschied zu reformatorischen und anderen Gruppen, die von einer völligen Gleichheit aller Christen in jeder Hinsicht ausgehen. Und der »Himmel« schickt auch nicht einfach, wen er will, sondern die Bestallung geschieht durch Menschen. Sie wird hierarchisch vollzogen und nur von Menschen, die diese »Amtsgnade« schon besitzen, also nicht von allen. Die Handauflegung ist unersetzbares äußeres Zeichen.
[/quote]
D. h. allerdings nicht, dass die Gemeinde nicht gefragt wurde, was sie davon hält oder dass sie irgendwie vollständig übergangen worden wäre, wie man an Apg VI und bei der orth. Weihezeremonie mit ihren "Άξιος"-Rufen (die noch so ein Überbleibsel sind) sehen kann, nur lag auch, da hat Berger schon recht, die "Initiative" bei den Autoritäten, die auch dann die Handauflegung vollziehen, die Ordination also formell vollzogen, und die "Auswahl" durch Gebete, Fasten etc. begleiten.

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