Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 05:41
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 03:52
Das hört sich irgendwie nach universellen Hylemorphismus an. Aber ich bezweifle, dass du darauf hinaus wolltest. Unabhängig davon frage ich mich, inwieweit "Geist" durchaus "feinstofflich" (was man auch immer nun darunter verstehen mag) sein kann, und somit doch irgendwie "materiell" :hmm:
Universeller Hylemorphismus behauptet, daß alles Materie und Form hat, inklusive Seele und Geist. Das habe ich nicht behauptet. Hingegegen geht Deine Spekulation von einer "feinstofflichen" Materie des Geistes nun in diese Richtung. Worauf ich hinauswollte ist, daß es nur eine substantielle Form des Menschen gibt, die Seele. Wobei es vermutlich zuweit geht, das als Meinung "der Scholastik" zu bezeichnen (wie ich das getan habe), es ist jedenfalls thomistisch. Es ist sehr schwierig sich hier nicht in Knoten zu denken. "Non-Cartesian Substance Dualism and Materialism Without Reductionism" von Eleonore Stump ist recht gut bzgl. dessen was ich meine. Allerdings schwächelt der Artikel nun gerade bzgl. "Geist".

Vielleicht ist eine Analogie zu einem Computer und dessen Hardware und Software hilfreich. Ein Computer der ein Programm ausführt besteht aus Hardware (Körper) und Software (Seele). Obwohl man Hardware und Software geistig trennen kann, ist der spezifische Zustand der Hardware - die "Form" die die Transistoren annehmen - durch die Software bestimmt. Wir meinen mit der Programmausführung gerade, daß die Hardware durch die Software geformt wird. Andererseits ist die Software nicht wirklich identisch mit der Hardware. Man kann Software von den konkreten Details abstrahieren, den "Algorithmus an sich" betrachten. Alles mögliche, nicht nur Transistoren in einer CPU, kann einen Algorithmus realisieren. Das ist gerade die Idee der "Turing-Maschine". Insofern kann man sagen, daß Software im Prinzip eine "nicht-körperliche" Angelegenheit ist obwohl sie einen "Körper" formt.

Nun gehen wir aber weiter als nur bei dem Computer. Nehmen wir an, wir betrachten Computer und Programmierer. Beide zusammen bearbeiten ein Problem. Normalerweise sagen wir natürlich, daß der Programmierer mittels des Computers ein Problem bearbeitet. Aber versetzen wir uns in die Rolle des Managers, der ein Problem lösen will. Er setzt den Programmierer und den Computer als eine Einheit ein um das Problem zu lösen. Er bezahlt beide, den Computer kauft er ein und den Programmierer heuert er an, so daß sie zusammen das Problem für ihn lösen. Der menschliche Programmierer sei hier analog zu "Geist". Es ist ungewöhnlich, aber aus der Warte des Managers können wir nun das Wort "Software" verallgemeinern. Denn was an Software auf der Hardware des Computers konkret läuft ist ja nun abhängig von dem was der Programmierer programmiert um das Problem zu lösen. In gewissem Sinne umfasst die Software (Seele) jetzt auch die Form des programmierenden Menschen (Geist). Wenn wir wissen wollen in welcher Form (Seele) das Problem gelöst wird, können wir nicht mehr nur die Hardware des Computers (Körper) anschauen. Denn die Formen die die Transistoren annehmen variieren jetzt mit den verschiedenen Programmversionen die der Programmierer entwickelt. Es läuft hier quasi ein "höheres" Programm im Menschen zur Problemlösung, was nur in das Programm das auf dem Computer läuft heruntergebrochen wird. Obwohl letztlich alles immer auf dem Computer läuft, können wir was passiert nur recht erklären wenn wir den Programmier berüçksichtigen. Die Software in einem verallgemeinerten, Form-gebenden Sinne, hat hier eine nicht-Hardware Komponente, den Programmierer, "Geist".

Was passiert nun, wenn wir dem Programmierer den Computer wegnehmen? In gewissem Sinne ist dann das System "kaputt". Ohne Computer passiert nicht mehr viel, die Problemlösung wird angehalten. In einem anderen Sinne aber ist das System noch "komplett da". Der Däumchen-drehende Programmierer wartet ja quasi nur darauf, daß er wieder irgendeinen Computer in die Hände kriegt. Er kann dann sofort seine Algorithmen wieder umsetzen. Und es ist sogar möglich, daß der Programmierer jemandem anderen der Ahnung hat seien Algorithmen erklärt, dieser die anderweitig ausführt, und das Ergebnis zurückmeldet. So kann der Programmierer über einen Mittelsmann (Gott) quasi auch ohne Computer (Körper) seine Algorithmen laufen lassen. Aber das ist offenbar nur ein Behelf, bis ihm wieder ein neuer Computer (Körper) zur Verfügung steht.

Nun ist in der Analogie der "Geist" ein Programmierer, und der ist körperlich (jedenfalls auch...). Aber das ist nicht wesentlich. Wesentlich ist, daß er Dinge tut die der Computer alleine nicht kann, obwohl was er entwickelt am Ende immer wieder auf dem Computer läuft. Der menschliche "Geist" ist eben vergleichbar mit den Engeln, oder gar mit Gott. Er ist nicht-körperlich, er tut Dinge die der Köper nicht kann ("verstehen" im fundamentalen Sinne), aber in dem System Mensch wird das - im Gegensatz zu Engel und Gott - normalerweise im Köper umgesetzt, was der Geist produziert "läuft" als "Software" im Gehirn. Aber man kann nicht vom Gehirn zum Geist rückschließen, genausowenig wie man von Software auf den Programmierer zurückschließen kann, jedenfalls nicht komplett. Denn das Besondere an ihnen bedingt die Implementation, ohne daß die Implementation komplett das Besondere spezifiziert.
Das Geschriebene kann man wohl ganz gut als die Sichtweise hernehmen, mit der die Damen und Herren des Silicon Valley die Welt betrachten.

Viel Spaß mit denen in der Zukunft, der Transhumanismus steht bereits als Menetekel an der Wand! :glubsch:

Bruder Donald

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 05:41
Wobei es vermutlich zuweit geht, das als Meinung "der Scholastik" zu bezeichnen (wie ich das getan habe), es ist jedenfalls thomistisch.
In der Tat, ich bezweifle sehr, dass die neuplatonisch gesinnten Scholastiker deinen Ausführungen zugestimmt hätten (nämlich Seele als vom Körper unabhängige Idee/Form). ;D

Trisagion
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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 08:36
Das Geschriebene kann man wohl ganz gut als die Sichtweise hernehmen, mit der die Damen und Herren des Silicon Valley die Welt betrachten.
Der gute Thomas war ja nun eher im Seine Valley zuhause...
Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 08:36
Viel Spaß mit denen in der Zukunft, der Transhumanismus steht bereits als Menetekel an der Wand! :glubsch:
Alleine, es fehlt am Geist. In der Analogie gesprochen ist der Versuch einen Menschen zu programieren vergebens, weil man einen Menschen, den Programmierer, braucht um der Kombination von Hardware und darauf laufender Software die Einsicht einzuhauchen. Und zwar nicht nur einmal, sondern ständig, um eben das Programm intelligent und laufend anzupassen. Aber wenn man versucht den Programmierer durch ein Programm zu ersetzen, ergibt sich ein unendlicher Regress. An irgendeiner Stelle muß ein Mensch verstehen was los ist und ins System eingreifen.

Eine echte KI is deshalb nicht möglich, jedenfalls nicht solange Gott nicht beschließt ihr Geist zu geben. Und was wir KI nennen ist letztlich soetwas wie eine Momentaufnahme eines technologisch enorm verstärkten Menschen. Die Algorithmen auf dem Computer sind schon sehr wichtig und kräftig, sie reduzieren Komplexität auf ein dem Menschen verstehbares Maß. Aber was es soll und was man damit soll, das baut der Mensch in einem abstrakten Sinne an das Ende aller Berechnungen ein. Es ist letztlich nicht möglich diesen Schritt zu maschinisieren, man kann ihn nur herauszögern.

Andererseits sehen wir hier das "Star Trek" Prinzip, nur eben nicht dämlich im Äußerlichen (alle Außerirdische sehen im wesentlichen wie Menschen aus) sondern im Geistigen (alle Außerirdische sind im wesentlichen Menschen, indem sie eben mehr sind als die Biomaschinerie ihres Körpers). Sollte es Außerirdische geben, dann sind sie notwendigerweise unsere "Geschwister" im Geiste.

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 11:39
Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 08:36
Das Geschriebene kann man wohl ganz gut als die Sichtweise hernehmen, mit der die Damen und Herren des Silicon Valley die Welt betrachten.
Der gute Thomas war ja nun eher im Seine Valley zuhause...
Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 08:36
Viel Spaß mit denen in der Zukunft, der Transhumanismus steht bereits als Menetekel an der Wand! :glubsch:
Alleine, es fehlt am Geist. In der Analogie gesprochen ist der Versuch einen Menschen zu programieren vergebens, weil man einen Menschen, den Programmierer, braucht um der Kombination von Hardware und darauf laufender Software die Einsicht einzuhauchen. Und zwar nicht nur einmal, sondern ständig, um eben das Programm intelligent und laufend anzupassen. Aber wenn man versucht den Programmierer durch ein Programm zu ersetzen, ergibt sich ein unendlicher Regress. An irgendeiner Stelle muß ein Mensch verstehen was los ist und ins System eingreifen.

Eine echte KI is deshalb nicht möglich, jedenfalls nicht solange Gott nicht beschließt ihr Geist zu geben. Und was wir KI nennen ist letztlich soetwas wie eine Momentaufnahme eines technologisch enorm verstärkten Menschen. Die Algorithmen auf dem Computer sind schon sehr wichtig und kräftig, sie reduzieren Komplexität auf ein dem Menschen verstehbares Maß. Aber was es soll und was man damit soll, das baut der Mensch in einem abstrakten Sinne an das Ende aller Berechnungen ein. Es ist letztlich nicht möglich diesen Schritt zu maschinisieren, man kann ihn nur herauszögern.

Andererseits sehen wir hier das "Star Trek" Prinzip, nur eben nicht dämlich im Äußerlichen (alle Außerirdische sehen im wesentlichen wie Menschen aus) sondern im Geistigen (alle Außerirdische sind im wesentlichen Menschen, indem sie eben mehr sind als die Biomaschinerie ihres Körpers). Sollte es Außerirdische geben, dann sind sie notwendigerweise unsere "Geschwister" im Geiste.
Wie die Vorstellungen des Transhumanismus aussehen, ist im Roman "Brave new world" von Aldous Huxley näherhin ausgeführt: Das Kastensystem des Hinduismus verschmolzen mit den Möglichkeiten der westlichen Technologie und der hiesigen Unart, die Natur gewalttätig zu manipulieren. :auweia:

Da braucht's keine Außerirdischen, um Selbstoptimierung in die westliche Kultur einzuführen, sondern nur die Entschlossenheit der Transhumanisten notfalls "über Leichen zu gehen" ....................

Trisagion
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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 13:29
Wie die Vorstellungen des Transhumanismus aussehen, ist im Roman "Brave new world" von Aldous Huxley näherhin ausgeführt: Das Kastensystem des Hinduismus verschmolzen mit den Möglichkeiten der westlichen Technologie und der hiesigen Unart, die Natur gewalttätig zu manipulieren. :auweia:

Da braucht's keine Außerirdischen, um Selbstoptimierung in die westliche Kultur einzuführen, sondern nur die Entschlossenheit der Transhumanisten notfalls "über Leichen zu gehen" ....................
Ach so, hatte ich wohl falsch verstanden worauf Du hinauswolltest.

Entweder die Menschheit stirbt demnächst aus, oder sie explodiert in eine enorme Anzahl von Familien, Gattungen, Arten und Unterarten. "Menschartig" wird nur noch ein Name für die Unterordnung dieser Lebewesen sein.

Letztlich folgt das der normalen Entwicklung der Natur, aber es wird ganz unglaublich beschleunigt werden von unserer Technologie. In einem Jahrhundert wird man Veränderungen sehen für die die Natur Jahrmillionen braucht. Das sind auch nicht Zukunftsträume, die Technik existiert bereits oder ist praktisch garantiert erreichbar. (Im Gegensatz zu z.B. einem Warpdrive, wo wir keine echte Ahnung haben wie das gehen soll, wissen wir recht gut wie diese Dingen gehen können - wir sind nur noch nicht überall soweit das technisch im Griff zu haben.)

Da geht es nicht nur um Gentechnik und die direkte Änderung von "Biomasse", sondern auch um die konsequente Augmentierung von "Biomasse" mit Technologie. Verschiedene Cyborg-Varianten werden die Menschheit vielleicht noch schneller spalten als Erbgutveränderungen. Selbst wenn zwei Menschen "biologisch" gleich sind, werden sie u.U. "technologisch" komplett verschieden sein. Das passt dann zwar formal nicht in die biologische Systematik, wird aber praktisch gesehen ähnliche Konsequenzen haben.

Ich sehe das als ziemlich unausweichlich, und viel davon wird schlicht eine Frage der Konsumnachfrage sein. Interessanterweise ändert es genau null an der Religion oder an der scholastischen Diskussion. Jede Menschenvariante bleibt gefallen, sie alle bedürfen der Erlösung, und alle sind rationale Sinneswesen bestehend aus Geist und Körper geformt von einer Seele.

Im religiös-philosopisch-scholastischen Sinne bleibt der Mensch immer Mensch, auch wenn das eines Tages so unspezifisch wird wie heute die Unterordnung "Hundeartige" (Caniformia).

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 17:49
Raphael hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 13:29
Wie die Vorstellungen des Transhumanismus aussehen, ist im Roman "Brave new world" von Aldous Huxley näherhin ausgeführt: Das Kastensystem des Hinduismus verschmolzen mit den Möglichkeiten der westlichen Technologie und der hiesigen Unart, die Natur gewalttätig zu manipulieren. :auweia:

Da braucht's keine Außerirdischen, um Selbstoptimierung in die westliche Kultur einzuführen, sondern nur die Entschlossenheit der Transhumanisten notfalls "über Leichen zu gehen" ....................
Ach so, hatte ich wohl falsch verstanden worauf Du hinauswolltest.
Es ist eine kommunikationstheoretisch höchst interessante Frage, inwieweit der Sender dafür verantwortlich ist (oder gemacht werden kann), daß der Empfänger die Botschaft korrekt versteht bzw. verstehen kann. Hier jedoch off topic.
Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. Juni 2021, 17:49
Entweder die Menschheit stirbt demnächst aus, oder sie explodiert in eine enorme Anzahl von Familien, Gattungen, Arten und Unterarten. "Menschartig" wird nur noch ein Name für die Unterordnung dieser Lebewesen sein.

Letztlich folgt das der normalen Entwicklung der Natur, aber es wird ganz unglaublich beschleunigt werden von unserer Technologie. In einem Jahrhundert wird man Veränderungen sehen für die die Natur Jahrmillionen braucht. Das sind auch nicht Zukunftsträume, die Technik existiert bereits oder ist praktisch garantiert erreichbar. (Im Gegensatz zu z.B. einem Warpdrive, wo wir keine echte Ahnung haben wie das gehen soll, wissen wir recht gut wie diese Dingen gehen können - wir sind nur noch nicht überall soweit das technisch im Griff zu haben.)

Da geht es nicht nur um Gentechnik und die direkte Änderung von "Biomasse", sondern auch um die konsequente Augmentierung von "Biomasse" mit Technologie. Verschiedene Cyborg-Varianten werden die Menschheit vielleicht noch schneller spalten als Erbgutveränderungen. Selbst wenn zwei Menschen "biologisch" gleich sind, werden sie u.U. "technologisch" komplett verschieden sein. Das passt dann zwar formal nicht in die biologische Systematik, wird aber praktisch gesehen ähnliche Konsequenzen haben.

Ich sehe das als ziemlich unausweichlich, und viel davon wird schlicht eine Frage der Konsumnachfrage sein. Interessanterweise ändert es genau null an der Religion oder an der scholastischen Diskussion. Jede Menschenvariante bleibt gefallen, sie alle bedürfen der Erlösung, und alle sind rationale Sinneswesen bestehend aus Geist und Körper geformt von einer Seele.

Im religiös-philosopisch-scholastischen Sinne bleibt der Mensch immer Mensch, auch wenn das eines Tages so unspezifisch wird wie heute die Unterordnung "Hundeartige" (Caniformia).
Aus kirchlicher Sicht reicht es jedoch nicht aus, auf einem "religiös-philosopisch-scholastischen Sinn" zu beharren. Es ist ihr vielmehr aufgegeben, die Gefährdungen der Seele eines jeden Individuums durch Augmentierung, Selbstoptimierung und last but not least Selbstvergötzung aufzuzeigen; teilweise geht das ja in Richtung "Selbsterlösung".

Damit wird einer Fortschrittsfeindlichkeit nicht das Wort geredet, jedoch dem Maßhalten der Vorzug gegeben.

Trisagion
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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Raphael hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 16:55
Es ist ihr vielmehr aufgegeben, die Gefährdungen der Seele eines jeden Individuums durch Augmentierung, Selbstoptimierung und last but not least Selbstvergötzung aufzuzeigen; teilweise geht das ja in Richtung "Selbsterlösung". Damit wird einer Fortschrittsfeindlichkeit nicht das Wort geredet, jedoch dem Maßhalten der Vorzug gegeben.
Naja. Derzeit augmentiert eine Brille meine Augen zum Lesen kleiner Schrift. Ist meine Seele dadurch gefährdet? Ich denke nicht. In fünfzig Jahren kann man sich stattdessen vielleicht künstliche Augen einbauen lassen. Warum soll das die Seele mehr gefährden? Und nun kann es durchaus sein, daß man mit diesen künstlichen Augen besser sehen kann als es je ein Mensch natürlich konnte. Besser als ein Adler, vielleicht mit Infrarot dabei... Was genau gefährdet an dieser Erweiterung der Möglichkeiten die Seele? Die meisten von uns fahren ohne Gewissensbisse Auto, obwohl sie sich damit viel schneller fortbewegen als es mit Beinen möglich ist.

Es gibt natürlich die Theorie, daß hier soetwas wie ein persönlicher Turmbau zu Babel einsetzen könnte, eine Art Größenwahn sich biotechnisch in Gott verwandeln zu wollen. Aber ich sehe ehrlich gesagt diese Gefahr als ziemlich gering an, individuell gesehen. Technologie hat andere, religiös relevante Effekte. Der wichtigste Effekt ist wohl die Erhöhung der Lebensqualität und die Minderung des Elends in allen seinen Spielarten. Obowohl wir das selten so wahrnehmen, sind die meisten Leute die hier so schreiben in einem geschichtlichen und weltweiten Vergleich ziemlich reiche Leute. Und reiche Leute finden nunmal nur schwer zur Religion, wohingegen die Armen es recht einfach finden Gott anzuflehen. Aber die Lösung hier kann ja wohl nicht sein, die Menschheit ins Elend zu schicken damit sie religiöser wird. Eine andere Sache die Technologie macht ist menschliche Verhaltensweisen in schärfere Konturen zu bringen, Extreme zu verstärken und klarer sichtbar zu machen. Menschliches Balzverhalten war noch nie unproblematisch, aber ein Programm wie "Tinder" zur schnellen Auswahl verfügbarer Begattungspartner kann die Problematik quasi ungeschönt herausstellen.

Ich bin mir garnicht so sicher, daß das alles schlimm ist. Vielleicht ist es einfach nur ... erwachsen. Religion unter diesen Umständen ist sehr ehrliche Religion. Wohingegen der (natürlich unfaire) Rückblick in die Geschichte Religion teilweise doch recht unbedacht und unbedrängt erscheinen läßt.

Interessanterweise sehe ich die größten Probleme der Selbstvergötzung bei der Frage der Schönheit. Auch dem Narzissmus werden technologische Möglichkeiten eröffnet. Aber wenn es richtig los geht mit der Aufsplitterung der Menschheit, dann wird es keinen einheitlichen Schönheitsstandard mehr geben. Es gibt ja auch nicht den "schönsten" Hund. Vielleicht wird hier der Druck auf menschliches Verhalten sogar nachlassen.

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Raphael hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 16:55
Es ist ihr vielmehr aufgegeben, die Gefährdungen der Seele eines jeden Individuums durch Augmentierung, Selbstoptimierung und last but not least Selbstvergötzung aufzuzeigen; teilweise geht das ja in Richtung "Selbsterlösung". Damit wird einer Fortschrittsfeindlichkeit nicht das Wort geredet, jedoch dem Maßhalten der Vorzug gegeben.
Naja. Derzeit augmentiert eine Brille meine Augen zum Lesen kleiner Schrift. Ist meine Seele dadurch gefährdet? Ich denke nicht. In fünfzig Jahren kann man sich stattdessen vielleicht künstliche Augen einbauen lassen. Warum soll das die Seele mehr gefährden? Und nun kann es durchaus sein, daß man mit diesen künstlichen Augen besser sehen kann als es je ein Mensch natürlich konnte. Besser als ein Adler, vielleicht mit Infrarot dabei... Was genau gefährdet an dieser Erweiterung der Möglichkeiten die Seele? Die meisten von uns fahren ohne Gewissensbisse Auto, obwohl sie sich damit viel schneller fortbewegen als es mit Beinen möglich ist.
Auch ein Exo-Skelett, welches Gehbehinderten Bewegungsmöglichkeiten schafft, ist sicherlich nicht seelisch gefährdend. So etwas ist aber nicht gemeint.
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Es gibt natürlich die Theorie, daß hier soetwas wie ein persönlicher Turmbau zu Babel einsetzen könnte, eine Art Größenwahn sich biotechnisch in Gott verwandeln zu wollen. Aber ich sehe ehrlich gesagt diese Gefahr als ziemlich gering an, individuell gesehen. Technologie hat andere, religiös relevante Effekte. Der wichtigste Effekt ist wohl die Erhöhung der Lebensqualität und die Minderung des Elends in allen seinen Spielarten. Obowohl wir das selten so wahrnehmen, sind die meisten Leute die hier so schreiben in einem geschichtlichen und weltweiten Vergleich ziemlich reiche Leute. Und reiche Leute finden nunmal nur schwer zur Religion, wohingegen die Armen es recht einfach finden Gott anzuflehen. Aber die Lösung hier kann ja wohl nicht sein, die Menschheit ins Elend zu schicken damit sie religiöser wird. Eine andere Sache die Technologie macht ist menschliche Verhaltensweisen in schärfere Konturen zu bringen, Extreme zu verstärken und klarer sichtbar zu machen. Menschliches Balzverhalten war noch nie unproblematisch, aber ein Programm wie "Tinder" zur schnellen Auswahl verfügbarer Begattungspartner kann die Problematik quasi ungeschönt herausstellen.
Ebend! :unbeteiligttu:
Die Schwäche der Kreatur verleitet eher zu Egoismus als Altruismus.
Der kurzfristige Erfolg ist wichtiger als der langfristige.

Christen jedoch sind aufgerufen, mit den zeitlichen Gütern so umzugehen, daß sie die ewigen (und DAS ist schon ganz schön langfristig 8) ) nicht verlieren. Das Leben verdaddeln geht gar nicht! :dudu:
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Ich bin mir garnicht so sicher, daß das alles schlimm ist. Vielleicht ist es einfach nur ... erwachsen. Religion unter diesen Umständen ist sehr ehrliche Religion. Wohingegen der (natürlich unfaire) Rückblick in die Geschichte Religion teilweise doch recht unbedacht und unbedrängt erscheinen läßt.

Interessanterweise sehe ich die größten Probleme der Selbstvergötzung bei der Frage der Schönheit. Auch dem Narzissmus werden technologische Möglichkeiten eröffnet. Aber wenn es richtig los geht mit der Aufsplitterung der Menschheit, dann wird es keinen einheitlichen Schönheitsstandard mehr geben. Es gibt ja auch nicht den "schönsten" Hund. Vielleicht wird hier der Druck auf menschliches Verhalten sogar nachlassen.
Zum Thema Narzissmus muß man sich ja nur in den einschlägigen Medien über die Kardashians informieren. Danach ist der Fall geklärt! :glubsch:

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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Interessanterweise sehe ich die größten Probleme der Selbstvergötzung bei der Frage der Schönheit.
Ich in der Möglichkeit der Fremdkontrolle z.B. künstlicher Augen (Überwachung, Manipulation). Die Situation, daß solche Menschen sich der Bedrohung ausgesetzt sehen könnten bei "inkorrektem Verhalten" Komponenten abgeschaltet zu bekommen.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 20:08
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Interessanterweise sehe ich die größten Probleme der Selbstvergötzung bei der Frage der Schönheit.
Ich in der Möglichkeit der Fremdkontrolle z.B. künstlicher Augen (Überwachung, Manipulation). Die Situation, daß solche Menschen sich der Bedrohung ausgesetzt sehen könnten bei "inkorrektem Verhalten" Komponenten abgeschaltet zu bekommen.
Vielleicht. Allerdings ist Technologie in der Hinsicht meist ein zweischneidiges Schwert. An einen Diktator physisch ranzukommen, ist meist schwierig. An die in ihm eingebaute Technologie ranzukommen, kann sich als durchaus einfacher und risikoloser erweisen.

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 20:37
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 20:08
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 26. Juni 2021, 18:15
Interessanterweise sehe ich die größten Probleme der Selbstvergötzung bei der Frage der Schönheit.
Ich in der Möglichkeit der Fremdkontrolle z.B. künstlicher Augen (Überwachung, Manipulation). Die Situation, daß solche Menschen sich der Bedrohung ausgesetzt sehen könnten bei "inkorrektem Verhalten" Komponenten abgeschaltet zu bekommen.
Vielleicht. Allerdings ist Technologie in der Hinsicht meist ein zweischneidiges Schwert. An einen Diktator physisch ranzukommen, ist meist schwierig. An die in ihm eingebaute Technologie ranzukommen, kann sich als durchaus einfacher und risikoloser erweisen.
Wenn man hier in Richtung Science-Fiction weiter überlegen will, sind wohl so Filme wie Die Insel eher realistisch.
Organhandel soll ja - bösen Gerüchten zufolge - schon heute existieren.

Und das so etwas seelische Schädigungen beim Empfänger hervorruft, steht wohl außer Frage. :/

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Das paßt thematisch auch sehr gut hierhin:
Kann sich der Mensch selbst neu erfinden?

Dank an Libertas für den Hinweis! :daumen-rauf:

Trisagion
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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Raphael hat geschrieben:
Dienstag 6. Juli 2021, 07:57
Das paßt thematisch auch sehr gut hierhin:
Kann sich der Mensch selbst neu erfinden?
Dank an Libertas für den Hinweis! :daumen-rauf:
Das Video war durchaus gut und informiert, mit einer schönen Unterscheidung zwischen Leib und Körper. Aber es hält sich leider mit dem beliebten Ziel "Gender" auf. Bei "Gender" haben wir es mit Geisteswissenschaftlern zu tun. Beim Transhumanismus werden wir es mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu tun haben. Ob "Gender" nun kluges oder saudummes Gerede ist, es ist jedenfalls Gerede und wirkt konkret nur durch politische und kulturelle Beeinflußung. Transhumanismus wird hingegen auf einer soliden technischen Basis stehen; und welchen politischen und kulturellen Überbbau das zeitigt, wird man sehen. "Gender" hatte schon immer das Problem, daß es offensichtlich den Realitäten widerspricht. Transhumanismus wird damit anfangen neue Realitäten zu schaffen, konkret und praktisch, ohne große Sorge um die weiteren Folgen. Das war schon immer so bei begehrenswerter Technologie. Wir sehen das ja bereits schon bei der Geschlechtsumwandlung, wo quasi auf Steinzeit-Niveau der "Gender" Traum von der Medizintechnik realisiert wird. Aber wir bewegen uns eben rapide aus dieser offensichtlichen Steinzeit hinaus. Wenn eines Tages jede Zelle eines Körpers per Gentherapie von männlich auf weiblich umgestellt werden kann, oder umgekehrt, dann sind die Dinge eben nicht mehr so einfach. Aber vor allem wird es nicht nur um solche Fragen gehen. Es wird primär um Alter und Gesundheit gehen, sekundär um Leistungsfähigkeit in körperlichen und geistigen Bereich, und tertiär um Mode und Stil, um eine neue kreative Ausdrucksform. Transhumanismus wird keineswegs vor allem mit Flexibilität im sexuellen Bereich verkauft werden. Das auch, aber das wird nicht für die rapide Ausbreitung sorgen. Vielmehr wird er durch die Sorgen und Begehren eingeführt werden, die wir alle kennen. Hundert Jahre länger leben, aber eben ohne jeden körperlichen Verfall, sondern vielmehr mit köperlichen und geistigen Fähigkeiten die die heutiger hochtrainierter Eliten überschreiten - und das alles nur für Geld? Das wird ein Verkaufsschlager, jedenfalls für die Reichen.

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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Wie wird das dann auf "die Würde des Menschen" wirken, die zumindest in meinem Verständnis mit "von Gott gestaltet" (hier gerade auch in persönlichen Detailzuständen) zu tun hätte ...
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 6. Juli 2021, 12:17
Raphael hat geschrieben:
Dienstag 6. Juli 2021, 07:57
Das paßt thematisch auch sehr gut hierhin:
Kann sich der Mensch selbst neu erfinden?
Dank an Libertas für den Hinweis! :daumen-rauf:
Das Video war durchaus gut und informiert, mit einer schönen Unterscheidung zwischen Leib und Körper. Aber es hält sich leider mit dem beliebten Ziel "Gender" auf. Bei "Gender" haben wir es mit Geisteswissenschaftlern zu tun. Beim Transhumanismus werden wir es mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu tun haben. Ob "Gender" nun kluges oder saudummes Gerede ist, es ist jedenfalls Gerede und wirkt konkret nur durch politische und kulturelle Beeinflußung. Transhumanismus wird hingegen auf einer soliden technischen Basis stehen; und welchen politischen und kulturellen Überbbau das zeitigt, wird man sehen. "Gender" hatte schon immer das Problem, daß es offensichtlich den Realitäten widerspricht. Transhumanismus wird damit anfangen neue Realitäten zu schaffen, konkret und praktisch, ohne große Sorge um die weiteren Folgen. Das war schon immer so bei begehrenswerter Technologie. Wir sehen das ja bereits schon bei der Geschlechtsumwandlung, wo quasi auf Steinzeit-Niveau der "Gender" Traum von der Medizintechnik realisiert wird. Aber wir bewegen uns eben rapide aus dieser offensichtlichen Steinzeit hinaus. Wenn eines Tages jede Zelle eines Körpers per Gentherapie von männlich auf weiblich umgestellt werden kann, oder umgekehrt, dann sind die Dinge eben nicht mehr so einfach. Aber vor allem wird es nicht nur um solche Fragen gehen. Es wird primär um Alter und Gesundheit gehen, sekundär um Leistungsfähigkeit in körperlichen und geistigen Bereich, und tertiär um Mode und Stil, um eine neue kreative Ausdrucksform. Transhumanismus wird keineswegs vor allem mit Flexibilität im sexuellen Bereich verkauft werden. Das auch, aber das wird nicht für die rapide Ausbreitung sorgen. Vielmehr wird er durch die Sorgen und Begehren eingeführt werden, die wir alle kennen. Hundert Jahre länger leben, aber eben ohne jeden körperlichen Verfall, sondern vielmehr mit köperlichen und geistigen Fähigkeiten die die heutiger hochtrainierter Eliten überschreiten - und das alles nur für Geld? Das wird ein Verkaufsschlager, jedenfalls für die Reichen.
Sowohl der Genderismus als auch der Transhumanismus sind widerchristliche Ideologien, wobei der Genderismus eher sozial und der Transhumanismus eher technisch ausgerichtet ist. Der Genderismus manipuliert über die neu gesetzten Sprachkonventionen, der Transhumanismus verspricht letzten Endes individuelle Unsterblichkeit ohne das Eingreifen Gottes.
Beiden gemeinsam ist die Körperfeindlichkeit, die auf einen gnostizistischen Ursprung der Ideologie verweist.

Außerdem ist auffällig, daß beide Ideologien auf maximale Autonomie des Individuums wert legen. Niemand darf einem Anderem in dessen eigene Lebensgestaltung hineinreden, sondern "die Gesellschaft" hat zu akzeptieren, was der Einzelne für sich selber entschieden hat. Existentialismus in das Extrem getrieben.

Trisagion
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Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Trisagion »

Raphael hat geschrieben:
Mittwoch 7. Juli 2021, 06:38
Beiden gemeinsam ist die Körperfeindlichkeit, die auf einen gnostizistischen Ursprung der Ideologie verweist.
Ich glaube nicht, daß das stimmt. Es stimmt auf gar keinen Fall, daß sie "gnostischen Ursprungs" sind, jedenfalls nicht wenn man echten historischen Gnostizismus damit meint (statt eine "Gedankennähe"). Und diese Ideen sind nur dann "körperfeindlich", wenn man als "köperfreundlich" definiert den Körper in seinem "natürlichen" Zustand zu belassen, oder vielleicht, wenn man dem Körper eine Art Eigenleben garantieren will. Das ist aber durchaus nicht eine notwendige Definition, jedenfalls sicher nicht wenn man sich außerhalb des Christentums bewegt. Wer Modifikationen an seinem Körper vornimmt schätzt deswegen keineswegs seinen Körper gering. Jemand der ständig an seinem Auto rumschraubt schätzt deswegen noch lange nicht sein Auto gering. Eher schon das Gegenteil... Man kann eventuell hier über die "Leib statt Körper" Schiene eine Geringschätzung der körperliche Identität argumentieren. Aber selbst da wäre ich mir nicht so sicher, denn seinen Körper verbessern zu wollen wird schließlich nicht allgemein als Untergrabung der körperlichen Identität gesehen. Wenn ich beschließe, täglich dreißig Liegestützen zu machen, werde ich eher gelobt als verachtet.

Hier haltbare Prinzipien aufzustellen ist deutlich schwieriger als einfach nur zu sagen, daß so wie es war grundsätzlich besser ist.

Raphael

Re: Seele, Geist, Psyche, Wesen, Person

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 7. Juli 2021, 16:55
Raphael hat geschrieben:
Mittwoch 7. Juli 2021, 06:38
Beiden gemeinsam ist die Körperfeindlichkeit, die auf einen gnostizistischen Ursprung der Ideologie verweist.
Ich glaube nicht, daß das stimmt. Es stimmt auf gar keinen Fall, daß sie "gnostischen Ursprungs" sind, jedenfalls nicht wenn man echten historischen Gnostizismus damit meint (statt eine "Gedankennähe"). Und diese Ideen sind nur dann "körperfeindlich", wenn man als "köperfreundlich" definiert den Körper in seinem "natürlichen" Zustand zu belassen, oder vielleicht, wenn man dem Körper eine Art Eigenleben garantieren will. Das ist aber durchaus nicht eine notwendige Definition, jedenfalls sicher nicht wenn man sich außerhalb des Christentums bewegt. Wer Modifikationen an seinem Körper vornimmt schätzt deswegen keineswegs seinen Körper gering. Jemand der ständig an seinem Auto rumschraubt schätzt deswegen noch lange nicht sein Auto gering. Eher schon das Gegenteil... Man kann eventuell hier über die "Leib statt Körper" Schiene eine Geringschätzung der körperliche Identität argumentieren. Aber selbst da wäre ich mir nicht so sicher, denn seinen Körper verbessern zu wollen wird schließlich nicht allgemein als Untergrabung der körperlichen Identität gesehen. Wenn ich beschließe, täglich dreißig Liegestützen zu machen, werde ich eher gelobt als verachtet.

Hier haltbare Prinzipien aufzustellen ist deutlich schwieriger als einfach nur zu sagen, daß so wie es war grundsätzlich besser ist.
Nun, mit gnostizistisch war eine Überbetonung des Geistigen gemeint. :huhu:
Meiner persönlichen Meinung nach ist der Gnostizismus eine übersteigerter Platonismus. In diesen Denkbereichen und bei Weltanschauungen gibt es eher "Verwandschaften" als die harten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wie in den klassischen Naturwissenschaften.

Die Gnostiker sehen den Körper als etwas Lästiges, Hinderliches, letztlich Schäbiges an, was es zu überwinden gilt. Der Geist alleine ist real. Die Überwindung des Körpers geschieht im Transhumanismus nun nicht durch Abtötung, sondern durch die technisch mögliche Optimierung. Wobei sich die Optimierung an den selbst gesetzten Idealen orientiert. Dies kann man bspw. schon an den diversen Schönheitsoperationen sehen, die sich die Eine oder der Andere bereits heute unterziehen. (Wobei da nicht alle Opfer dieser Industrie gleich Transhumanisten sind. :unbeteiligttu: )
Bis zum bitteren Ende gedacht ist das transhumanistische Wunschbild, daß der Mensch seine gesamte Persönlichkeit in Daten verwandelt und sich gegebenenfalls einen neuen Körper verpaßt.
(Filmisches Beispiel!)

Im Genderismus wird der Körper schlicht ignoriert. Das Geschlecht wird rein sozial "konstruiert".
Diese Ignoranz gegenüber dem eigenen Körper ist die Verbindung zum Gnostizismus, den die Kirche seit ihren Anfängen abgelehnt hat.

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