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Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Freitag 21. Dezember 2012, 11:54
von christian12
Eine textkritische Frage zu 1 Thess 3,2. Sollte man synergos oder diakonos lesen? Nestle/Aland geht von synergos aus. Das ist wohl die schwierigste Lesart (?warum?) und für Paulus nicht singulär (vgl. 1 Kor 3,9) - so EKK 13, 125. Besser bezeugt ist aber diakonos (in A P Ψ, lat co - leider weiss ich nicht, was diese Kürzel bedeuten). Der textus receptus hat auch diakonos. - Mich interessiert diese Stelle, weil sie ja evt. ein (weiterer) früher Beleg für den "Diakon" sein könnte.
Was meint ihr dazu?
Beste Grüße
christian12
Re: Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Samstag 22. Dezember 2012, 00:43
von Pilgerer
In 1. Thessaloniker geht es um Timotheus. Kann dieser als Diakon gelten? Hatte er nicht eher ein apostolisches Amt?
"28 Und Gott hat in der Gemeinde eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede." (1. Korinther 12,28)
In 1. Korinther 3,9 schreibt Paulus, "wir sind Gottes Mitarbeiter". Soweit aus den biblischen Briefen zu lesen ist, ging es ihm nicht um sein Ansehen als Apostel, Diakon oder sonstwas, sondern um die Früchte des selbstlosen Wirkens: "7 So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt."
Re: Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Samstag 22. Dezember 2012, 01:28
von Robert Ketelhohn
Das τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν τοῦ ϑεοῦ I Thess 3,2 ist offenbar erst
ein neuerer Einfall und jedenfalls ganz abwegig. Meine Nestle-Ausgaben
(1906 und 1912) lesen τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ διάκονον c, ebenso
Tischendorf und Soden. Der textus receptus hat beides: τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν
καὶ διάκονον τοῦ ϑεοῦ καὶ συνεργὸν ἡμῶν. Diese Lesart hat eindeutig die
breiteste – und auch schon sehr alte – Überlieferung für sich. Soden hält das
καὶ συνεργὸν ἡμῶν für ergänzt aus Rm 16,21. Das ist denkbar, wenn auch
schwer beweisbar.
Der codex Vaticanus liest nur τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν, der codex
Bezæ τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν τοῦ ϑεοῦ. Daraus ist offenbar die
aktuelle Version Alands (?) entstanden. Wissenschaftlich kann ich solches
Arbeiten nicht nennen, aufgrund einzelner, aus der Reihe tanzender Zeugen
der Text zu revidieren. Die Tischendorf-Soden-Nestle-Lesart ist diskutabel –
sie hat auch eine Reihe Zeugen für sich, darunter die Vulgata –, die Aland-
sche nicht.
Re: Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Samstag 22. Dezember 2012, 01:31
von Robert Ketelhohn
Pilgerer hat geschrieben:In 1. Thessaloniker geht es um Timotheus. Kann dieser als Diakon gelten?
Hatte er nicht eher ein apostolisches Amt?
Bei Paulus ist διάκονος in der Regel nicht im spezifischen Sinn des Weihe-
amtes zu verstehen, sondern allgemein und in der Grundbedeutung des
Worts.
Re: Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Dienstag 25. Dezember 2012, 19:56
von christian12
Danke!
Was meint ihr zu der These, dass synergos die schwierigere Lesart und daher vorzuziehen sei?
Re: Textkritik 1 Thess 3,2
Verfasst: Dienstag 25. Dezember 2012, 20:36
von Robert Ketelhohn
Die Regel von der vorzuziehenden lectioni difficiliori gilt nicht absolut, sie
stellt keinen Automatismus dar. Offensichtliche Verschreibungen sind ja
auch lectiones difficiliores. Es ist natürlich auf den Kontext ebenso zu achten
wie auf den Gesamtbefund der handschriftlichen Überlieferung. Beides
spricht hier klar gegen die Lesart καὶ συνεργὸν (τοῦ ϑεοῦ).