"Psychologische Erklärung des Glaubens"

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ChrisCross
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"Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von ChrisCross »

Da stand ich also gestern in der Buchhandlung und vor mir lag ein Buch, das vorgab, erklären zu können - natürlich rein psychologisch -, warum Menschen glauben und wie das denn nun alles vor sich gehe. Dergleichen hört man ja öfters 'mal und nicht ganz unbedeutend scheint mir das für den Diskurs mit dem nicht ganz unbelesenen Ungläubigen sein. Insofern würde mich einmal interessieren, welche Erklärungsversuche es da gibt und wie sie mit dem Glauben der Kirche in Einklang zu bringen bzw zu widerlegen sind.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Rein psychologisch gesehen, ist die Seele dann vom Guten, wenn sie im Prinzip vom Guten ist, also quasi einen guten Vater hat. Dabei geht es psychologisch nicht um den leiblichen Vater - das wäre eine eher medizinische Betrachtung -, sondern um den geistigen Vater. Glaube ist die intakte Beziehung der Seele zum Guten, wenn also die Seele des Sohnes mit dem Vater eins ist. Der Zwiespalt zwischen dem Wissen um das Gute und der Versuchung des Bösen wird als Glaubens- und Gewissenskonflikt erfahren. Das Gewissen ist - andere Psychologen möchten das anders sehen - von katholischer Psychologie her die Instanz des Solls, also des Guten, das zum Ausgleich zwischen den Bedürfnissen des Nachbarn und den eigenen Bedürfnissen drängt. Andere Psychologen erfahren ihr Gewissen eher als eine negative Instanz des Verbotes.

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

Eine Standarderklärung ist mir da noch nicht untergekommen, sondern eher so viele verschiedene, wie es psychologische Schulen gibt ...
Kannst Du mir sagen, von wem das Buch war ?

Ich würde also mit meinem Gegenüber über seine Weltsicht reden, und warum er den Glauben als "psychologisch" sieht.
Erst danach kann ich Dir sagen, was ich dem erwidern würde.
(meist ist es etwas, das nicht ganz zu Ende gedacht worden ist, oft wird auch nur etwas betont, das zur menschlichen Seite von "glauben" tatsächlich dazu gehört)

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

Seit Eugen Drewermann ist doch die Anfrage dieses Threads eindeutig beantwortet:
Glauben ist eine rein humane Methode der Bewältigung von Lebensangst! :nuckel:

Sonst noch was? :pfeif:

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Reinhard hat geschrieben:Eine Standarderklärung ist mir da noch nicht untergekommen, sondern eher so viele verschiedene, wie es psychologische Schulen gibt ...
Kannst Du mir sagen, von wem das Buch war ?

Ich würde also mit meinem Gegenüber über seine Weltsicht reden, und warum er den Glauben als "psychologisch" sieht.
Erst danach kann ich Dir sagen, was ich dem erwidern würde.
(meist ist es etwas, das nicht ganz zu Ende gedacht worden ist, oft wird auch nur etwas betont, das zur menschlichen Seite von "glauben" tatsächlich dazu gehört)
Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Jesus gibt in seiner Psychologie nur Standardantworten. Er bringt nichts Neues, sondern er macht Gottes Wort wahr. Selbst sein neues Gebot ist nur für die neu, die das erste und zweite noch nicht kennen. Von daher ist Mt 11,29 zu verstehen. Es ist die summa Christi theologiae.

Dieter
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Dieter »

Religionen sind entstanden, weil die Menschen sonst "die Grausamkeit der Evolution nicht ertragen könnten" (Drewermann).

Die Evolution hat es so eingerichtet, dass der Mensch in allen Situation ein Stück Hoffnung braucht. Im Sterben kann die Hoffnung aber nur im Jenseits liegen.

Deswegen erscheint mir die Erklärung von Drewermann am plausibelsten.

Thomas_de_Austria
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Klassisch für eine religionskritische psych. Betrachtung wurde Sigmund Freuds Sichtweise, dieer in den Schriften „Der Mann Moses und die monotheistische Religion: Schriften über die Religion“, „Totem und Tabu“ und „Die Zukunft einer Illusion“ darlegte. Grob gesagt und möglichst kurz zusammengefasst, basiert seine "Erklärung" der Religion auf die Ähnlichkeit der religiösen Haltung eines Gläubigen zu Gott, zu der Haltung, die ein Kind zu seinem Vater einnimmt. Der Vater ist übermächtig, er lenkt das Kind, er legt dem Kind Verbote auf (u. a. Triebverzicht) und das Kind fürchtet sich vor Strafe. Hinzu kommt noch der Ödipuskomplex, der beim Kind der phallischen oder eben ödipalen Phase, vor der Latenzphase (ca. vom 5./6. bis zum 13. Lebensjahr), auftritt. Dieser äußere sich im sexuellen Begehren des gegengeschlechtlichen Elternteils. Das alles falle zusammen mit der "Entdeckung" der Geschlechtsorgane. Generell steht das Kind in einem ambivalenten Verhältnis zum Vater. Die infantile Abhängigkeit bleibt laut Freud auch bei Erwachsenen erhalten, die sich Gott als eine Art idealen Vater gestalten. Die Triebe (das sog. „Es“) werden aufgrund dieser Furcht vom „Ich“ unterdrückt und ins Unbewusste verlagert, zusätzlich wird eine verinnerlichte Form der elterlichen Regulierung ausgebildet, das sog. „Über-Ich“, in die die väterliche Autorität integriert wird. Freud führt aus:
S. Freud, [i]Die Zukunft einer Illusion[/i], IV. Ursprünge der Religion hat geschrieben: Das Verhältnis zum Vater ist aber mit einer eigentümlichen Ambivalenz behaftet. Er war selbst eine Gefahr, vielleicht von dem früheren Verhältnis zur Mutter her. So fürchtet man ihn nicht minder, als man sich nach ihm sehnt und ihn bewundert. Die Anzeichen dieser Ambivalenz des Vaterverhältnisses sind allen Religionen tief eingeprägt, wie auch in Totem und Tabu ausgeführt wird. Wenn nun der Heranwachsende merkt, daß es ihm bestimmt ist, immer ein Kind zu bleiben, daß er des Schutzes gegen fremde Übermächte nie entbehren kann, verleiht er diesen die Züge der Vatergestalt, er schafft sich die Götter, vor denen er sich fürchtet, die er zu gewinnen sucht und denen er doch seinen Schutz überträgt. So ist das Motiv der Vatersehnsucht identisch mit dem Bedürfnis nach Schutz gegen die Folgen der menschlichen Ohnmacht; die Abwehr der kindlichen Hilflosigkeit verleiht der Reaktion auf die Hilflosigkeit, die der Erwachsene anerkennen muß, eben der Religionsbildung, ihre charakteristischen Züge. Aber es ist nicht unsere Absicht, die Entwicklung der Gottesidee weiter zu erforschen; wir haben es hier mit dem fertigen Schatz von religiösen Vorstellungen zu tun, wie ihn die Kultur dem Einzelnen übermittelt.
Die Genese erklärt sich Freud durch seinen Mythos oder eher Konstrukt von der „Urhorde“. Das soll eine Horde gewesen sein, in der der ein autokratischer Vater herrscht, alleinigen Zugang zu den Frauen hat und die Söhne, wenn sie erwachsen werden, aus der Horde hinausdrängt. Einmal hätten sich die Söhne dann zusammengerottet, den Vater überwältigt und getötet. Aus einem Schuldgefühl heraus habe man dann das Töten von Stammesangehörigen tabuisiert, weiters sei der Grund für den Mord – das Verlangen nach Frauen – dadurch beseitigt worden, dass man auch den Inzest tabuisiert habe. Dennoch blieb das Verlangen nach einer großen Schutzmacht, wie dem getöteten Vater erhalten. Die Vatervorstellung wurde dann im Totemismus, die bei ihm quasi die Urform aller Religion ist, auf ein Totemtier, als bzw. stehend für den Gott des Stammes übertragen worden. Dieser Urmord, als eine kollektive, traumatische Erfahrung, sei generell der Ursprung aller Kultur und der Religion gewesen. Im Prinzip liegt die Projektion eines psych. Konflikts auf irgendetwas vor, was zur seelischen Entlastung führe. Der Ödipuskomplex spielt bei Freud eine Schlüsselrolle: Seine Ontogenese spiegelt seine Phylogenese wieder und vice versa. Religion ist bei Freud eine Art Ersatzbefriedigung für den notwendigen Triebverzicht, was an sich zwar insgesamt auf alle Kultur zutrifft, die Religion unterscheide sich aber von der Wissenschaft dadurch, dass sie keinen Wirklichkeitsbezug habe und von der Kunst, dass diese zugebe, bloße Illusion oder in irgendeiner Weise fiktiv zu sein. Religion ist also nach Freud eine bloße, noch dazu schädliche Illusion, eine neurotische Verzerrung der Wirklichkeit, auf die man auch verzichten könne. Freud hoffte, dass man die Religion eventuell durch „irreligiöse Erziehung“ loswerden könnte.
S. Freud, [i]Die Zukunft einer Illusion[/i], IX. Frage nach der Möglichkeit der Ablösung der religösen Illusion durch die Vernunft hat geschrieben:Ich widerspreche Ihnen also, wenn Sie weiter folgern, daß der Mensch überhaupt den Trost der religiösen Illusion nicht entbehren kann, daß er ohne sie die Schwere des Lebens, die grausame Wirklichkeit, nicht ertragen würde. Ja, der Mensch nicht, dem Sie das süße — oder bittersüße — Gift von Kindheit an eingeflößt haben. Aber der andere, der nüchtern aufgezogen wurde? Vielleicht braucht der, der nicht an der Neurose leidet, auch keine Intoxikation, um sie zu betäuben. Gewiß wird der Mensch sich dann in einer schwierigen Situation befinden, er wird sich seine ganze Hilflosigkeit, seine Geringfügigkeit im Getriebe der Welt eingestehen müssen, nicht mehr der Mittelpunkt der Schöpfung, nicht mehr das Objekt zärtlicher Fürsorge einer gütigen Vorsehung. Er wird in derselben Lage sein wie das Kind, welches das Vaterhaus verlassen hat, in dem es ihm so warm und behaglich war. Aber nicht wahr, der Infantilismus ist dazu bestimmt, überwunden zu werden? Der Mensch kann nicht ewig Kind bleiben, er muß endlich hinaus ins »feindliche Leben«. Man darf das »die Erziehung zur Realität« heißen, brauche ich Ihnen noch zu verraten, daß es die einzige Absicht meiner Schrift ist, auf die Notwendigkeit dieses Fortschritts aufmerksam zu machen?
Zu Freud möchte ich eigentlich gar nichts Näheres mehr sagen, man sollte ihn nur einmal erwähnt haben. Besser, man befasst sich mit Leuten wie z. B. dem protestantischen Theologen (Mitarbeit in der „Bekennenden Kirche“ während der NS-Zeit) Wolfgang Trillhaas (*1903 – †1995: „Grundzüge der Religionspsychologie“) oder dem Katholiken Wilhelm Pöll (*1897 – †1990: „Das religiöse Erlebnis und seine Struktur“, „Religionspsychologie“), die beide eine mehr oder minder stark an Rudolf Otto angelehnte verstehende Religionspsychologie entwickelt haben.

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

Dieter hat geschrieben:Religionen sind entstanden, weil die Menschen sonst "die Grausamkeit der Evolution nicht ertragen könnten" (Drewermann).

Die Evolution hat es so eingerichtet, dass der Mensch in allen Situation ein Stück Hoffnung braucht. Im Sterben kann die Hoffnung aber nur im Jenseits liegen.

Deswegen erscheint mir die Erklärung von Drewermann am plausibelsten.
Du nimmst auch alles gleich für bare Münze, was irgendwo geschrieben steht! :patsch:

Wo bleibt da die unbedingte kritische Distanz des Protestanten? :roll:

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Die Originalität der Psychologie Jesus liegt in seinem Denken vom Vater, vom Ursprung her. Jesus erfährt den Vater in erster Linie als Liebenden, in zweiter Linie als Versöhnungsbereiten. Das Jüngste Urteil kommt dem Sohn zu. Freud schien bereits überholt zu sein, als Jesus zu lehren begann. Und Drewermann mit seiner Vergötzung der Evolution hat das Denken aufgegeben. Er hat schlicht nicht darüber nachgedacht, warum die Evolution nicht der Vater aller Dinge sein kann. Der Ewigkeit untergeordnet, entspricht die Evolution als Entwicklung von A nach B der Zeit. Sie ist das Ergebnis einer göttlichen, allmächtigen Entscheidung, die kein Psychologe treffen kann, der nicht aufhören will, Psychologe zu sein.

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

Die Originalität der Psychologie Jesus liegt darin, daß ER der Schöpfer der Seele ist! :huhu:

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Peti
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Peti »

Raphael hat geschrieben:Seit Eugen Drewermann ist doch die Anfrage dieses Threads eindeutig beantwortet:
Glauben ist eine rein humane Methode der Bewältigung von Lebensangst! :nuckel:

Sonst noch was? :pfeif:
"Drewermann mischt aus Freud, Schulze-Henke und viel Jung eine Mixtur von unbewiesenen und unbeweisbaren Plausibilitäten zusammen, die er dann als "Ergebnisse der modernen Tiefenpsychologie" für bare Münze nimmt und gibt."
"Drewermann kennt Kritik und Selbstkritik der Tiefenpsychologie kaum"

Albert Görres in dem lesenswerten Buch "Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens?"-Anfragen an Eugen Drewermann
Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
Johannes Maria Vianney

Lilaimmerdieselbe
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Es gibt viele Gründe, in Religionen, besonders in der christlichen, Anworten auch auf psychologische Bedürfnisse der Menschen zu finden.
Wenn man an einen sich als Menschen liebend offenbarenden Gott glaubt, finde ich es nicht sehr erstaunlich, dass die Beziehung zu ihm menschlichen Bedürfnissen entspricht.
Einen Gottesglauben, der seine Wahrheit dadurch beweisst, dass er an menschlichen Bedürfnissen und Vorstellungen völlig vorbei geht, halte ich für ziemlich sinnfrei und keineswegs für glaubwürdiger.

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Klassisch für eine religionskritische psych. Betrachtung wurde Sigmund Freuds Sichtweise, ... kurz zusammengefasst, basiert seine "Erklärung" der Religion auf die Ähnlichkeit der religiösen Haltung eines Gläubigen zu Gott, zu der Haltung, die ein Kind zu seinem Vater einnimmt. Der Vater ist übermächtig, er lenkt das Kind, er legt dem Kind Verbote auf (u. a. Triebverzicht) und das Kind fürchtet sich vor Strafe.   ...
An diesem Beispiel kann man schön die Mängel einer solchen Sichtweise zeigen, aber auch die durchaus richtigen Punkte:
Grundsätzlich verwechselt und vermischt Freud hier unser jeweiliges Gottesbild mit Gott, wie Er tatsächlich ist.

Natürlich tragen wir - allein schon aufgrund der Einflüsse und Prägungen, die wir in unserem Leben erfahren haben - diverse Gottesbilder in uns. Eines davon ist auch das des großen Übervaters, vor dem man sich in jeder Hinsicht fürchten muss, der jeden Pieps und Papps bestraft. Solch ein Gottesbild entsteht schnell, wenn man in einem religiös strengen Umfeld aufwächst. (auch ich komme aus so einem Hintergrund. - in meiner Jugend hatte ich vor allem Angst vor Gott und vor der Hölle: Gott war für mich nur HERR, aber kein Vater !)
Das hat Freud ganz richtig beobachtet: wir übertragen unser menschliches Vater(zerr)bild auf Gott ! - er irrt allerdings gewaltig, wenn er meint, Gott und unser Bild von Ihm seien identisch.
Das ist der Punkt, wo Freud nicht zu Ende gedacht hat, wenn er Gott auf ein Bild reduziert und nicht berücksichtigt, dass wir es mit dem lebendigen Gott zu tun haben.
Richtig und gut sind allerdings die Fragen, die Freud an dieses Gottesbild stellt. Solche Fragen haben mir sehr geholfen, mein verzerrtes, verletztes Gottesbild als solches erstmal zu sehen und in Frage zu stellen: dieses Bild war nämlich überhaupt nicht gottgegeben, im Gegenteil !
Im Laufe der Zeit mit Gott hat Er dann diese falschen Bilder zurechtgerückt, ich durfte Seine Liebe erfahren, und heute ist Gott wirklich der himmlische Vater für mich: die Angst ist weg. Seine Größe und Liebe - bei aller Allmacht - bringen mich einfach nur zum Staunen.

- Das vielleicht als Illustration, was ich oben mit "zu kurz gedacht" und der "menschlichen Seite des Glaubens" meinte -

Dieter
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Dieter »

"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

Dieter hat geschrieben:"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach
Jaja, die Irrungen der menschlichen Seele ... :)

Aber lass mal, solche selbstgeschaffenen Gottesbilder haben nicht das letzte Wort. Im Gebet erkennen wir den Ewigen mehr und mehr, wie Er wirklich ist. Wir müssen nur zuhören !
Im Purgatorium wird der Rest von dem Mist dann weggebrannt, von daher: es ist alles gut !

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Hubertus
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Hubertus »

Dieter hat geschrieben:"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach
Das ist höchstens eine Erklärung für bestimmte Gottesbilder.
Die Frage nach der Existenz oder Nichtexistenz eines höchsten We-
sens ist damit in keiner Weise beantwortet.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

Zur Vielschichtigkeit des glaubens (als Tätigkeit !) habe ich hier in der Blogozese noch einen sehr passenden Beitrag gefunden.

Das alles ist die menschliche Seite, wie wir glauben, und gehört auch einfach mit dazu.

Pilgerer
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Pilgerer »

Aus einer sozialdarwinistischen Perspektive kann es so aussehen, als ob der Glaube etwas für die Schwachen sei, während die Erfolgreichen im Leben derartige "Phantasiegebilde" nicht brauchen, um sich zu trösten.
Dieter hat geschrieben:"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach
In der religionskritischen Theologie ist das tatsächlich der Fall.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

Pilgerer hat geschrieben:In der religionskritischen Theologie ...
Da muss man aber sehr aufpassen, dass man nicht Gottesbilder und Gottes Wirklichkeit verwechselt und vermengt !
Ganz genau so, wie wir es hier im Nachbarstrang hatten: wenn man Betrachtungsweise und Realität nicht auseinander halten kann, oder sogar vorsätzlich verquickt, dann kommen irrsinnige, absurde Dinge heraus. Das ist in der Theologie auch nicht anders.

Und genau damit schießen sich etliche der "aktuellen" Genitiv- Theologien selbst ins Knie !
Dieser hochvergeistologisierten Realitätsleugnung verweigere ich mich allerdings, und will ihr auch nicht auf den Leim gehen.
Von daher halte ich mich an Primärquellen und -offenbarungen ...

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

Pilgerer hat geschrieben:Aus einer sozialdarwinistischen Perspektive kann es so aussehen, als ob der Glaube etwas für die Schwachen sei, während die Erfolgreichen im Leben derartige "Phantasiegebilde" nicht brauchen, um sich zu trösten.
Dieter hat geschrieben:"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach
In der religionskritischen Theologie ist das tatsächlich der Fall.
Kennst Du eigentlich eine religionskritischere Theologie als die via negativa im Christentum? :hmm:

Oder ist die via negativa DER Weg, um alle falschen Anwandlungen in den nicht-christlichen Religionen als letztlich überflüssige menschliche Hinzufügungen zu desavouieren? :achselzuck:

Pilgerer
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Pilgerer »

Reinhard hat geschrieben:Dieser hochvergeistologisierten Realitätsleugnung verweigere ich mich allerdings, und will ihr auch nicht auf den Leim gehen.
Von daher halte ich mich an Primärquellen und -offenbarungen ...
Das Fatale ist, dass diese religionskritische Theologie den künftigen Lehrern und Pfarrern eingeimpft wird. Wenn sie vor dem Studium Glauben hatten, verlieren sie vielfach den lebendigen Glauben durch die Angriffe auf denselben. Besonders hart ist z.T. die Bibelexegese. Der Glaube, in dem Gott wirklich Halt gibt, wird in der religionskritischen Theologie als "naiv" angesehen.
Es erfordert Mut, das Treiben an den Universitäten zwar der Noten wegen mitzumachen, aber doch an den "naiven" Wahrheiten des christlichen Glaubens festzuhalten.
Raphael hat geschrieben:Kennst Du eigentlich eine religionskritischere Theologie als die via negativa im Christentum? :hmm:

Oder ist die via negativa DER Weg, um alle falschen Anwandlungen in den nicht-christlichen Religionen als letztlich überflüssige menschliche Hinzufügungen zu desavouieren? :achselzuck:
Die traditionelle Theologie war nicht in der Art religionskritisch, dass sie die christliche Religion widerlegen würde. Die moderne Theologie tut das.
Eine selbstbewusst christliche (oder katholische) Theologie sieht das Christentum nicht als eine Religion unter vielen, sondern sieht Jesus Christus als "den Weg, die Wahrheit und das Leben", gegen den alle Religionen Schnee von vorgestern sind.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Thomas_de_Austria
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Dieter hat geschrieben:"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild"

Ludwig Feuerbach
Wir wissen es, sehr sinnig, einfach nur solche Sätzchen reinzuwerfen.


Allerdings sind solche Sätzchen in gewisser Weise auch das Fundament und Prinzip einer ganz bestimmen Form von Religionskritik (die sich auch Weltanschauungs- oder Ideologiekritik nennt), wie sie von Ernst Topitsch (*1919 – †2003) und seinen Schülern vorgetragen wurde und wird. Diese Leute befassen sich praktisch niemals in einem systematischen, sondern immer nur in einem (kultur-)historischen und "weltanschauungskritischen" Sinne mit der Religion und religiösen Phänomenen. Sie fragen nicht, ob Gott existiert, ob Er tatsächlich Hohepriester, König, gerechter Richter oder gütiger Vater etc. ist, sondern spüren hinter den Denkmodellen her, die diesen Bestimmungen und anderen geläufigen Bildern von Gott, seinem Verhältnis zu den Menschen (bspw. vertraglicher Bundesschluss) ideengeschichtlich zugrunde liegen. Wenn sie etwas gefunden haben, das historisch gesehen tatsächlich als Vorlage für einen religiösen Gehalt diente, d. h. nach dessen Vorbild dieser überhaupt erst gestaltet wurde (so sehen sie das), oder zumindest eine hinreichende Ähnlichkeit mit dem zu untersuchenden Gehalt hat, so dass es nach menschlichem Ermessen plausibel ist, diesen einfach darauf zurückzuführen. So geschieht es z. B. – um ein bekanntes Beispiel zu wählen – bzgl. der himmlischen Hierarchien und Funktionen der Engel, verstanden als göttlicher Hofstaat, der einfach nach altorientalischen Vorbildern (Ägypten, Babylon, Hethiterreich, Persien) gestaltet worden sein soll. Damit hat sich dann im Großen und Ganzen die Geschichte. Die Frage, ob diese sozialen Strukturen zur Beschreibung herangezogen wurden, weil hier eine echte, den Tatsachen entsprechende Ähnlichkeit oder ein wirkliches, analog zu verstehendes Verhältnis besteht, wird dabei gar nicht erst gestellt. Zumindest wenn dieser Ansatz in seiner primitiven Form vorgebracht wird.
Topitsch selbst war dabei weit überlegter, seine Theorie kann sich durchaus auf die moderne Biologie, mit ihrer darwinistischen Evolutionstheorie als Grundlage, und Entwicklungspsychologie berufen, was er schrieb hat einen weit höheren Erklärungswert als das, was Feuerbach hervorbrachte und biegt sich Phänomene und historische Zusammenhänge nicht auf diese plumpe Art zurecht (wie man sie bei Feuerbach, Freud etc. vielfach findet). Dennoch handelt es sich lt. ihm bei allen umfassenden menschlichen Weltanschauungen/-deutungen, egal ob in Religion, Metaphysik oder sonst etwas, letztlich auch um eine Abfolge von Projektion und Rückholung der in die Welt projizierten Vorstellungen, um damit gewisse Gegebenheiten zu rechtfertigen, zu erklären oder psych./soziale Entlastung zu schaffen u. dgl. m., kurz also, um gewisse Bedürfnisse zu befriedigen und konkrete lebensdienliche Funktionen zu erfüllen, die auch in späteren Stadien zur Rechtfertigung von Machtverhältnissen ge- oder missbraucht werden können. Die Interpretationn der Phänomene ist dann ohnehin problematisch (s. o., man setzt sich praktisch nur in "genetischer" Hinsicht mit ihnen auseinander). Grundlage für unsere Weltdeutungen sind lt. Topitsch sog. „plurifunktionale Führungssysteme“, die sich im Laufe der menschlichen Naturgeschichte entwickelt haben:
E. Topitsch, [i]Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung[/i] (Mohr Siebeck), S. 40 hat geschrieben:Das alles bildet ein außerordentlich leistungsfähiges System der Orientierung und Verhaltenssteuerung. Die angeborenen Auslösemechanismen sprechen selektiv auf eben jene Reize an, die in typischen lebenswichtigen Situationen auftreten, und verursachen zugleich die zu deren Bewältigung erforderlichen Reaktionen – ein Vorgang, der wenigstens bei den höheren Tieren unter starken Gefühlserlebnissen vor sich geht. Dabei wird die Arbeit jener Mechanismen durch die vegetativ bedingte Veränderung der Schwellenwerte auf die jeweilige Bedarfslage des Organismus abgestimmt. Außerdem bewahrt ein derartiges System infolge seiner Selektivität das Tier vor der Überflutung durch Reize, deren Verarbeitung für es weder möglich noch notwendig ist. Diese Abschirmungswirkung fördert die Steuerungsleistung eines solchen Systems, bei der dieses eine dreifache Funktion in einem ausübt: Es informiert mit einer gewissen Verläßlichkeit über das Vorliegen lebensbedeutsamer Gegebenheiten in der Umwelt, es bewirkt ein entsprechendes Verhalten und es ruft zugleich eine damit verbundene emotionale Erregung hervor. Daher kann man es auch als plurifunktionales Führungssystem bezeichnen.
Die Entwicklung aller dieser Verhaltensmuster hat in der Entwicklung des Zentralnervensystems, vor allem des Gehirns, seine physische Grundlage.
E. Topitsch, [i]Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung[/i] (Mohr Siebeck), S. 58f hat geschrieben:Diesen vier Gruppen emotionaler und lebenspraktischer grundlegender Gegebenheiten unseres Daseins – den sozialen Beziehungen, dem handwerklich-künstlerischen Verfertigen, den auffälligsten Lebenserscheinungen und der Auseinandersetzung mit dem Druck der Realität – entstammen die maßgebenden Motive und Modellvorstellungen von Formen der Weltauffassung und Selbstdeutung, welche viele Jahrtausende hindurch das menschliche Denken fast unbestritten beherrscht haben und erst unter dem Einfluß der modernen Wissenschaft zurückgetreten und verblaßt sind. Von jenen zentralen Gegebenheiten ausgehend, erschließt sich der Mensch die weitere Umwelt, indem er die wohlbekannten und gefühlsgesättigten Merkmale und Eigenschaften seines engeren Lebenskreises unbewußt auf das Fernerliegende und Unbekannte überträgt. Auf diese Weise deutet er die Welt soziomorph als gesellschaftliches Gebilde, technomorph als Erzeugnis der Kunstfertigkeit oder biomorph nach dem Muster des Lebendigen; dazu kommen noch der gleichfalls schon erwähnte Vorstellungskreis der weltüberlegenen »Seele«, der besonders in schamanistischen und verwandten Formen der Magierekstatik sowie in den Reinigungsmysterien eine Schlüsselrolle spielt und den man daher als den ekstatisch-kathartischen bezeichnen kann.
Durch diese Deutungen wird aber zugleich auch das gesamte Universum auf den Menschen und seine gefühlsmäßig-lebenspraktischen Bedürfnisse bezogen, es erscheint ihm nicht fremd, rätselhaft und sinnlos, sondern empfängt die Züge des Vertrauten, Wohlbekannten und Sinnvollen. Gewiß enthalten die so zustandegekommenen Gedankengebilde auch zutreffende oder vermeintliche Informationen über Tatsachen, vor allem über Zusammenhänge zwischen Handlungen und Handlungsfolgen, doch andere ihrer Funktionen sind wichtiger. Die »gerechte Ordnung« des soziomorph interpretierten Kosmos sanktioniert die Gruppennorm und verleiht so Verhaltenssicherheit; zugleich vermindert sie als Form der Weltverklärung den Druck der Realität, in dem sie ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Aber auch dort ,wo die Härte der Wirklichkeit ungemildert empfunden wird, zeigen die ekstatisch-kathartischen Vorstellungen einen Ausweg der Weltüberwindung. Damit erfüllen jene gedanklichen Gebilde die Aufgabe plurifunktionaler Führungssysteme.
Die Entstehung solcher Interpretationen der Welt und des eigenen Selbst ist in sehr erheblichem Maße durch die Sprache gefördert worden. Diese ist ebenfalls aus jenen Grundgegebenheiten unseres Daseins hervorgegangen und in ihnen verwurzelt geblieben; vor allem trägt sie schon von den Anfängen ihrer phylogenetische Entwicklung her, die tief in das Vormenschliche und Paläopsychische hinabreichen, einen stark ausgeprägten sozialen Charakter.

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. Tatsächlich geht es ihm um die Frage nach richtigen Religion, konkret: nach der richtigen Erfüllung des Gesetzes. Jesus erweist sich als Christus, indem er Gesetz und Propheten als endgültiger Friedensbringer erfüllt.

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Reinhard
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Reinhard »

overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. ...
Ja, Jesus Christus ist sogar das Ende der Religion, insofern "Religion" das Bemühen des Menschen ist, Gott irgendwie zu erreichen, Ihm näher zu kommen, und sich mit Ihm zu versöhnen !

Denn dank der Erlösung durch Christus brauchen wir die Kluft zu Gott nicht mehr zu überbrücken (was ohnehin nie wirklich gelänge), sondern Er hat den Zugang zu Gott geebnet, und wir müssen uns nur noch darauf einlassen und über diese Brücke gehen.

Alles andere, unser Leben mit Gott und unsere ganze Nachfolge, das katholische Leben, folgen dann daraus. Sie sind sozusagen die Ratifizierung dieses Christus-Bundes.

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint.
Nur teilweise, ovi! :doktor:
overkott hat geschrieben:Tatsächlich geht es ihm um die Frage nach richtigen Religion, konkret: nach der richtigen Erfüllung des Gesetzes. Jesus erweist sich als Christus, indem er Gesetz und Propheten als endgültiger Friedensbringer erfüllt.
Naja, ER ist nicht nur Friedensbringer, sondern auch Streitstifter:
Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
(Matthäus 10, 35 ff.)

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Reinhard hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. ...
Ja, Jesus Christus ist sogar das Ende der Religion, insofern "Religion" das Bemühen des Menschen ist, Gott irgendwie zu erreichen, Ihm näher zu kommen, und sich mit Ihm zu versöhnen !

Denn dank der Erlösung durch Christus brauchen wir die Kluft zu Gott nicht mehr zu überbrücken (was ohnehin nie wirklich gelänge), sondern Er hat den Zugang zu Gott geebnet, und wir müssen uns nur noch darauf einlassen und über diese Brücke gehen.

Alles andere, unser Leben mit Gott und unsere ganze Nachfolge, das katholische Leben, folgen dann daraus. Sie sind sozusagen die Ratifizierung dieses Christus-Bundes.
Christus ist die Mitte der Religion, die Gottes-, Nächsten- und Eigenliebe zum Ausgleich bringt.

Pilgerer
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Pilgerer »

overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. Tatsächlich geht es ihm um die Frage nach richtigen Religion, konkret: nach der richtigen Erfüllung des Gesetzes. Jesus erweist sich als Christus, indem er Gesetz und Propheten als endgültiger Friedensbringer erfüllt.
Was Jesus kritisierte, war die Vergötzung der Religion. Wenn der Wert des Menschen von der Religion abhängig ist, ist diese sein Gott - und nicht der lebendige Gott.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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overkott
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von overkott »

Pilgerer hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. Tatsächlich geht es ihm um die Frage nach richtigen Religion, konkret: nach der richtigen Erfüllung des Gesetzes. Jesus erweist sich als Christus, indem er Gesetz und Propheten als endgültiger Friedensbringer erfüllt.
Was Jesus kritisierte, war die Vergötzung der Religion. Wenn der Wert des Menschen von der Religion abhängig ist, ist diese sein Gott - und nicht der lebendige Gott.
Das traditionelle Testament hat Jesus Christus durch das moderne Testament nicht aufgehoben, sondern mit Liebe erfüllt. Auch seine Kritik der Vergötzung ist traditionell. Dabei bedeutet Vergötzung zunächst den Ersatz Gottes durch Standbilder, dann aber auch eine Veräußerlichung der Religion durch Formalismus. Ihm ging es auch nicht um die Ablösung von Formalismus durch einen neuen Formalismus. Das wird am Unterschied zwischen Sohn und Diener deutlich. Beide tun eventuell formal das Gleiche, aber mit einer anderen Motivation. Der Sohn erfüllt den Willen des Vaters aus Liebe, der Knecht den Willen des Herrn für Lohn oder aus Furcht.

Pilgerer
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Pilgerer »

overkott hat geschrieben:
Pilgerer hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen, dass Jesus selbst in den Evangelien religionskritisch erscheint. Tatsächlich geht es ihm um die Frage nach richtigen Religion, konkret: nach der richtigen Erfüllung des Gesetzes. Jesus erweist sich als Christus, indem er Gesetz und Propheten als endgültiger Friedensbringer erfüllt.
Was Jesus kritisierte, war die Vergötzung der Religion. Wenn der Wert des Menschen von der Religion abhängig ist, ist diese sein Gott - und nicht der lebendige Gott.
Das traditionelle Testament hat Jesus Christus durch das moderne Testament nicht aufgehoben, sondern mit Liebe erfüllt. Auch seine Kritik der Vergötzung ist traditionell. Dabei bedeutet Vergötzung zunächst den Ersatz Gottes durch Standbilder, dann aber auch eine Veräußerlichung der Religion durch Formalismus. Ihm ging es auch nicht um die Ablösung von Formalismus durch einen neuen Formalismus. Das wird am Unterschied zwischen Sohn und Diener deutlich. Beide tun eventuell formal das Gleiche, aber mit einer anderen Motivation. Der Sohn erfüllt den Willen des Vaters aus Liebe, der Knecht den Willen des Herrn für Lohn oder aus Furcht.
Darum will der Sohn uns aus der doppelten Knechtschaft befreien: aus der Knechtschaft der Sünde und aus der Knechtschaft des buchstäblichen Gesetzes. Gott will, dass wir nicht auf Befehl, sondern aus Einsicht handeln.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

@ Pilgerer
Pilgerer hat geschrieben:Gott will, dass wir nicht auf Befehl, sondern aus Einsicht handeln.
Und wann kommst Du zu der Einsicht, daß der katholische Glaube der einzig wahre ist? :hmm:

Pilgerer
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Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Pilgerer »

Raphael hat geschrieben:@ Pilgerer
Pilgerer hat geschrieben:Gott will, dass wir nicht auf Befehl, sondern aus Einsicht handeln.
Und wann kommst Du zu der Einsicht, daß der katholische Glaube der einzig wahre ist? :hmm:
Für die nahe Zukunft halte ich das für unwahrscheinlich. Der römisch-katholische Glaube ist für mich ein wahrer christlicher Glaube, aber einer unter mehreren.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Raphael

Re: "Psychologische Erklärung des Glaubens"

Beitrag von Raphael »

@ Pilgerer
Pilgerer hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:@ Pilgerer
Pilgerer hat geschrieben:Gott will, dass wir nicht auf Befehl, sondern aus Einsicht handeln.
Und wann kommst Du zu der Einsicht, daß der katholische Glaube der einzig wahre ist? :hmm:
Für die nahe Zukunft halte ich das für unwahrscheinlich. Der römisch-katholische Glaube ist für mich ein wahrer christlicher Glaube, aber einer unter mehreren.
Und mit welcher Passage in der Hl. Schrift soll diese indifferente Ansicht fundiert sein? :achselzuck:

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