Versuchung Jesu in der Wüste

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
heiliger_raphael
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Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von heiliger_raphael »

Warum wurde Jesu in der Wüste versucht?

Durch den anderen Thread musste ich noch einmal an den Sündenbock denken. Der wurde buchstäblich mit allen Sünden "zum Teufel in die Wüste" getrieben. War die Wüste ein Ort, der in früheren Vorstellungen besonders stark mit den Sünden der Menschen in Verbindung stand? Vielleicht auch als Symbol dafür, dass die Wüste eine große Herausforderung für den Menschen ist und durch die Umstände den Körper besonders schwächen und schwache Körper eher anfällig sind für die Sünde?

Viele Grüße
heiliger_raphael

HeGe
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von HeGe »

heiliger_raphael hat geschrieben:Warum wurde Jesu in der Wüste versucht?

Durch den anderen Thread musste ich noch einmal an den Sündenbock denken. Der wurde buchstäblich mit allen Sünden "zum Teufel in die Wüste" getrieben. War die Wüste ein Ort, der in früheren Vorstellungen besonders stark mit den Sünden der Menschen in Verbindung stand? Vielleicht auch als Symbol dafür, dass die Wüste eine große Herausforderung für den Menschen ist und durch die Umstände den Körper besonders schwächen und schwache Körper eher anfällig sind für die Sünde?

Viele Grüße
heiliger_raphael
Ich denke, es geht bei der Wüste zum einen um die Abwesenheit kurzweiliger Ablenkungen, die den Menschen zur inneren Beschäftigung mit sich selbst bringen, zum anderen um die Einsamkeit, also das Fehlen menschlicher Gesprächspartner, die einem möglicherweise Unterstützung gegen die Sünde geben könnten.
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Protasius
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Protasius »

Daß die Wüste in besonderer Weise mit der Sünde in Verbindung steht, kann man zum Beispiel am Dämon Lilith sehen, der in der Wüste haust (Jes 34,14).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

HeGe
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von HeGe »

Man sollte aber auch erwähnen, dass die Wüste primär nicht als Ort der Versuchung und der Sünde gesehen wird, sondern eher als Ort, an dem man Gott, frei von Ablenkungen, näher kommen kann. Dies war schließlich die Motivation Jesu, sich in die Wüste zurückzuziehen.
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Protasius
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Protasius »

HeGe hat geschrieben:Man sollte aber auch erwähnen, dass die Wüste primär nicht als Ort der Versuchung und der Sünde gesehen wird, sondern eher als Ort, an dem man Gott, frei von Ablenkungen, näher kommen kann. Dies war schließlich die Motivation Jesu, sich in die Wüste zurückzuziehen.
Gilt das nicht für alle einsamen Orte, wie das auch bei Berggipfeln der Fall ist (Verklärung auf dem Tabor, Gesetzgebung auf dem Sinai)? Die Wüste ist immer wieder auch Ort der Versuchung und Auflehnung gegen Gott gewesen (Tanz um das goldene Kalb, Auflehnung von Datan, Abiron und Kore).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Pilgerer
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Pilgerer »

Es gibt geistlich betrachtet zwei Arten von Wüsten in der Bibel:
1. Die Wüste der Gottlosigkeit, wie sie etwa gemeint ist, wenn Jesus sagt, dass wir keinem falschen Christus in die Wüste folgen sollen
2. Die Wüste der Läuterung. Sie bedeuten eine äußerliche Abkehr von der sündigen Welt und ihren Leidenschaften. Sie wird auch durch die 40 Jahre der Wanderung Israels symbolisiert. Das ist eine Phase des Leidens, weil die Seele die alte böse Nahrung nicht mehr bekommt, aber die neue himmlische Nahrung auch noch nicht richtig erhält.

Wenn Jesus (oder Johannes) in die Wüste geht, dann handelt es sich um die Wüste 2. Art. HeGe hat das oben ähnlich erklärt.

Jesus war frei von Sünde, hätte also die 2. Wüste nicht nötig gehabt. Dennoch hat er in seinem Leben immer wieder das Joch der Sünder auf sich genommen, obwohl er es nicht verdient: Jesus wurde beschnitten, obwohl er das nicht verdiente; Jesus wurde getauft, obwohl er keiner Buße/Bekehrung bedurfte; ... dazu gehört auch, dass Jesus die Versuchung der Menschen auf sich nahm, obwohl das seiner höchst unwürdig war. Er hat der Versuchung jedoch mannhaft widerstanden und schenkt den Gliedern seines Leibes Anteil an diesem Sieg.

Jesus nahm all das auf sich, dessen Er nicht würdig war, um uns das zu schenken, dessen wir nicht würdig sind.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Lacrimosa
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Lacrimosa »

Die Wüste ist ein unberechenbarer, ambivalenter Ort, denn die Wüste kann auf Menschen gleichermaßen heilsam oder verstörend wirken. Aufgrund der Stille, der Leere oder des Raums kann sie entweder als Ort der Gottesnähe oder der Gottesferne empfunden werden. Abseits von der alltäglichen Betriebsamkeit, können durch die Stille jene „dunklen Seiten“ ins Bewusstsein aufsteigen, die sonst gerne verdrängt werden und die sich in Kämpfen – sowohl innerlichen, wie äußerlichen – entladen. Im Zusammenhang mit Jesus ist die Wüste ein spiritueller Ort, in der er kraft seiner geistigen (göttlichen) Reinheit den „gottesfernen“ Versuchungen widersteht.
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

Pilgerer
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Pilgerer »

Lacrimosa hat geschrieben:Die Wüste ist ein unberechenbarer, ambivalenter Ort, denn die Wüste kann auf Menschen gleichermaßen heilsam oder verstörend wirken. Aufgrund der Stille, der Leere oder des Raums kann sie entweder als Ort der Gottesnähe oder der Gottesferne empfunden werden. Abseits von der alltäglichen Betriebsamkeit, können durch die Stille jene „dunklen Seiten“ ins Bewusstsein aufsteigen, die sonst gerne verdrängt werden und die sich in Kämpfen – sowohl innerlichen, wie äußerlichen – entladen. Im Zusammenhang mit Jesus ist die Wüste ein spiritueller Ort, in der er kraft seiner geistigen (göttlichen) Reinheit den „gottesfernen“ Versuchungen widersteht.
Wir können uns an Jesu Hand nehmen lassen und von Seinem Umgang mit der Versuchung lernen: "worin er [...] versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden." (Hebräer 2,18)
Das Böse in uns besteht vor allem in der Maßlosigkeit unserer Begierden. Gott hat alle Begierden und Neigungen als "gut" geschaffen, aber dadurch dass sie zu klein oder zu groß sind, verursachen sie Böses. Darum besteht vermutlich die "geistliche Wüste" darin, die Begierden erstmal "versiegen" zu lassen und Gott als unsere höchste und einzige Sehnsucht an ihrer Stelle anzunehmen. Dabei besteht eine wesentliche Versuchung darin, wie Lots Frau zurück auf die eigene dunkle Vergangenheit zu schauen und im geistlichen Fortschritt stecken zu bleiben. Die einzige Hilfe ist der feste, unbeirrte Blick auf Gott.
"Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist" (Philipper 3,13)
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Lacrimosa
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von Lacrimosa »

Pilgerer hat geschrieben:
Lacrimosa hat geschrieben:Die Wüste ist ein unberechenbarer, ambivalenter Ort, denn die Wüste kann auf Menschen gleichermaßen heilsam oder verstörend wirken. Aufgrund der Stille, der Leere oder des Raums kann sie entweder als Ort der Gottesnähe oder der Gottesferne empfunden werden. Abseits von der alltäglichen Betriebsamkeit, können durch die Stille jene „dunklen Seiten“ ins Bewusstsein aufsteigen, die sonst gerne verdrängt werden und die sich in Kämpfen – sowohl innerlichen, wie äußerlichen – entladen. Im Zusammenhang mit Jesus ist die Wüste ein spiritueller Ort, in der er kraft seiner geistigen (göttlichen) Reinheit den „gottesfernen“ Versuchungen widersteht.
Wir können uns an Jesu Hand nehmen lassen und von Seinem Umgang mit der Versuchung lernen: "worin er [...] versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden." (Hebräer 2,18)
Das Böse in uns besteht vor allem in der Maßlosigkeit unserer Begierden. Gott hat alle Begierden und Neigungen als "gut" geschaffen, aber dadurch dass sie zu klein oder zu groß sind, verursachen sie Böses. Darum besteht vermutlich die "geistliche Wüste" darin, die Begierden erstmal "versiegen" zu lassen und Gott als unsere höchste und einzige Sehnsucht an ihrer Stelle anzunehmen. Dabei besteht eine wesentliche Versuchung darin, wie Lots Frau zurück auf die eigene dunkle Vergangenheit zu schauen und im geistlichen Fortschritt stecken zu bleiben. Die einzige Hilfe ist der feste, unbeirrte Blick auf Gott.
"Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist" (Philipper 3,13)
Interessante Bibelstellen. Vergessen in der groben Abfolge von: hinschauen, verarbeiten, vergessen und nicht wegschauen, leugnen und vergessen. (So streckt es sich dann auch besser.)
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

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phylax
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von phylax »

Zu diesem Thema empfiehlt sich die Lektüre des Buches "Jesus von Nazareth" von Papst Benedikt XVI.
(Derselbe Text wurde im Buch "Unterwegs zu Jesus Christus" veröffentlicht,unter dem NAmen J.Card.RAtzinger (S.79)
Von Gott kommt mir ein Freudenschein,/ wenn Du mich mit den Augen Dein/ gar freundlich tust anblicken

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overkott
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Re: Versuchung Jesu in der Wüste

Beitrag von overkott »

Die Wüste ist für viele eine Abstraktion. Wir kennen sie aus Bilderbüchern. Bei uns hier in Mitteleuropa haben wir ein gemäßigtes Klima. Wasserlosigkeit, Weite und Leere sind uns im Land der Kleingärten unbekannt. Manchmal dürfen wir für paradiesische Verhältnisse dankbar sein. Wir können uns nur die Wüste vorstellen, wenn wir hinfahren. Oder wenn wir uns einfach mal vorstellen, wie es ist, kein Wasser, kein Brot oder keinen Wein zu haben.

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