Vielleicht muss noch dazu gesagt werden, dass "Joseph und Aseneth" auch gar keine "Neuentdeckung" ist, die von der Kirche "zurückgehalten" wurde, sondern dass der Roman seit der Antike eigentlich durchgängig bekannt war und sich Motive aus dem Roman auch in der mittelalterlichen Ikonografie wiederfinden - die Geschichte muss also auch im MA bekannt gewesen sein. Soviel zum Thema Neuentdeckung.
Mal ganz davon abgesehen geht es in der Geschichte auch nicht um Jesus, sondern um den Patriarchen Josef. Aufgabe des Buches ist es jedenfalls zu zeigen, warum es ok ist, dass Josef in Gen 41,45 eine ägyptische Heidin heiratet, was natürlich eigentlich nicht angeht. Die Antwort wird dann im Roman nachgeliefert: Aseneth hat dem Götzendiesnt abgeschworen und wird Proselyitin.
Da das Buch allerdings zwischen dem 1. und 4. Jahrhundert entstanden ist, ist man sich in der Forschung nicht sicher, ob es auf Jüdische oder auf christliche Autoren zurückgeht, im Moment tendiert man eher wieder zu Jüdischer Autorschaft, wenngleich es möglicherweise christliche Revisionen gegeben hat, da sich an einigen Stellen soweit ich mich erinnere Formulierungen finden, die an eine Eucharistiefeier erinnern.
Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass deswegen mit dem Hauptsarsteller in Wirklichkeit nicht Josef sondern Jesus gemeint ist und dass das ganze ein "getarntes Evangelium" ist, aus dem man dann ableiten kann, dass Jesus eine Frau hatte (Aseneth wird dann mit Maria von Magdala identifiziert), ist der allergrößte Humbug.
Natürlich wird es Historiker geben, die dieses Märchenbuch analysieren werden. Da gibt es etwa die Frage: Hat es Jerusalem wirklich gegeben? Welche Gruppierung repräsentieren die Märchenerzähler in ihrer Zeit?
Katholische Theologen werden fragen: Was ist an dem Märchen geistlich gesehen falsch? Da kommt es sicher nicht so sehr auf den Buchstaben an.
Ist die Bibel selbst ein Enthüllungsbuch, dass die Weisheit Gottes in einem bis heute für viele, die nicht den heiligen Bonaventura kennen, unverständlichen Code verklausuliert enthüllt?