Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Coturnix
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Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Coturnix »

(Bin mir nicht sicher, ob das hier oder im Refektorium besser aufgehoben ist, da es um etwas sehr fundamentales geht, im Zweifelsfall bitte verschieben)

Ich denke jeder kennt diese Situation: Man redet mit einem kirchenfernen Menschen über Religion und dann kommen die zwei klassischen Einwände:

- Ich glaube nicht an Gott, bevor ich nicht einen guten Beweis dafür kriege.
- Jeder soll das Glauben, womit er glücklich ist, absolute Wahrheit gibt es nicht.

Wie argumentiert man in diesem Fall? Gegen Einwand Nr. 1 bin ich immer versucht zu entgegnen, dass man Gott nicht dem Experiment unterwerfen und auf diese Weise beweisen könne. Zwar gibt es die klassischen Gottesbeweise die ja auf einer philosophisch-rationalen Basis argumentieren, aber diese sind für viele Menschen heute schwer zugänglich und ich habe auch meine Zweifel ob sie einen Ungläubigen wirklich überzeugen können, an Gott zu glauben, weil da eben mehr dazu gehört, als etwas "vorgerechnet" zu kriegen. Letztendlich umfasst der Glauben ja ganz wesentlich die Gottesbeziehung, eine Beziehung ist aber nach meinem Verständnis eine Sache, die irgendwo am Subjekt hängt. Nur schlittert man hier natürlich in gefährliches Terrain, wenn man dem anderen versucht, den eigenen Glauben nur über die individuelle Gotteserfahrung plausibel zu machen. Denn in diesem Fall nimmt man sich ja selber den Boden unter den Füßen weg, wenn es darum geht, anschließend dem zweiten Einwand zu begegnen, nämlich, dass jeder Glauben gleich sei und jeder doch glauben solle, was ihm gefällt. Wenn man vorher nur mit dem eigenen Erleben argumentiert hat, kann man gegen diesen Einwand halt recht wenig einwenden.
Also wo liegt der Fehler? Wie sollte man hier vorgehen? Kann es einen rationalen Beweis für die Richtigkeit des Christentums geben? Man ist versucht, das Auferstehungswunder anzuführen, dass sich rational zwar sehr gut verteidigen lässt, aber ob der Ungläubige sich damit zufriedengibt?

Ralf

Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Ralf »

ad 1: dann lass es eben. Ist nicht Sein Problem (salopp formuliert)

ad 2: diese Aussage ist in sich unlogisch, da sie als Aussage faktisch absoluten Wahrheitsgehalt für sich reklamiert, den sie aber selbst ablehnt.

Coturnix
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Coturnix »

nochmal ad 1: Beim heutigen Fall handelte es sich eher um ein Agnostiker - "man kanns ja sowieso net definitiv wissen ob's den gibt, dann muss ich auch keine Zeit damit verschwenden, mir darüber den Kopf zu zerbrechen"

Das ist an sich schon ein recht schlimmer Zustand denke ich; mir fällt es sehr schwer eine solche Position nachzuvollziehen, da es doch im Menschen angelegt ist, über sich und über die Welt hinaus zu fragen und so zur Gottesfrage zu kommen. Wenn das einer aus Bequemlichkeit vermeidet, bin ich da doch etwas sprachlos und weiß nicht so recht, wo ich ansetzen soll.

Ein anderer Fall: Was sagt ihr zu jemanden, der schon einen Schritt weiter ist: "Ja vielleicht gibt es Gott, das kann schon gut sein, immerhin reden ja viele davon, aber woher soll ich wissen, welches jetzt der richtige ist?"
Meine Antwort ist hier in der Regel, ein "Alleinstellungsmerkmal" des Christentum zu nennen, also etwa die Konsequenzen, den der Glaube an die Inkarnation Gottes mit sich bringt und ähnliches. Ein "Beweis" für das Christentum ist das aber eben leider auch nicht - ich kann nur sagen, was mich daran besonders bewegt oder versuchen zu erklären, warum ich mich dazu "hingezogen" fühle. Aber dann kommt natürlich eine Antwort "Ja gut, dass wird wohl jeder Gläubige von sich sagen". Neulich auch: "Und was wäre, wenn eine andere Religion genau das (in diesem Fall die Stiftung der Religion durch den inkarnierten Gott) auch hätte? Was wäre dann das Besondere am Christentum?"

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overkott
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Coturnix hat geschrieben:(Bin mir nicht sicher, ob das hier oder im Refektorium besser aufgehoben ist, da es um etwas sehr fundamentales geht, im Zweifelsfall bitte verschieben)

Ich denke jeder kennt diese Situation: Man redet mit einem kirchenfernen Menschen über Religion und dann kommen die zwei klassischen Einwände:

- Ich glaube nicht an Gott, bevor ich nicht einen guten Beweis dafür kriege.
- Jeder soll das Glauben, womit er glücklich ist, absolute Wahrheit gibt es nicht.

Wie argumentiert man in diesem Fall? Gegen Einwand Nr. 1 bin ich immer versucht zu entgegnen, dass man Gott nicht dem Experiment unterwerfen und auf diese Weise beweisen könne.
Der Katholik antwortet gegen Einwand Nr. 1: Da liegst du voll auf der Linie der Bibel. Denn bei Jakobus steht:

15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot
16 und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das?
17 So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.
Zwar gibt es die klassischen Gottesbeweise die ja auf einer philosophisch-rationalen Basis argumentieren, aber diese sind für viele Menschen heute schwer zugänglich und ich habe auch meine Zweifel ob sie einen Ungläubigen wirklich überzeugen können, an Gott zu glauben, weil da eben mehr dazu gehört, als etwas "vorgerechnet" zu kriegen.
Jakobus sagt also: Der klassische Gottesbeweis ist die Nächstenliebe.
Kann es einen rationalen Beweis für die Richtigkeit des Christentums geben?
Jakobus folgt also der Rationalität Jesu, nach dem es keine Gottesliebe gibt ohne Nächstenliebe.

Tinius
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Tinius »

Sehr schön beschrieben. Hierzu ein nettes Büchlein:

http://www.scm-brockhaus.de/produkt-neu ... kobus.html


Man sollte sich Gedanken machen, warum Martin Luther so Angst vor dem Jakobusbrief hatte und ihn gerne losgeworden wäre. Weil der den Kern dieser Botschaft gar nicht verstanden hatte?

Coturnix
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Coturnix »

Vielen Dank für eure Beiträge. Nun war das Thema gute Werke am Nächsten sogar Teil der Diskussion gestern, mein Gesprächspartner kam sogar von selber drauf zu sprechen. Ich zitiere sinngemäß: "Ich finde Religion auch gut, wenn sie die Leute zu guten Werken an den anderen anspornt, die halt so einen Ansporn brauchen. Ich persönlich kann aber auch ohne Religion gute Werke vollbringen, brauche diesen Ansporn also nicht und der Fakt, dass es gute Werke ja auch in anderen Religionen gibt, zeigt ja, dass da keine überlegen ist".

heiliger_raphael
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von heiliger_raphael »

Coturnix hat geschrieben:Ich glaube nicht an Gott, bevor ich nicht einen guten Beweis dafür kriege.
Da das kein Argument ist, sondern eine Selbstaussage, würde ich das so stehen lassen. Der Apostel Thomas war nicht anders.
Jeder soll das Glauben, womit er glücklich ist, absolute Wahrheit gibt es nicht.
Dass jeder Mensch glücklich sein soll, ist doch ein guter Ansatz. Nur: wer wirklich "Subjektivist" ist, der hätte keinen Grund, eine "Wahrheit" zu verkünden. Denn jemand, der an allumfassende Subjektivität glaubt, müsste davon ausgehen, dass die Annahme selbst ausschließlich subjektiv gültig ist und er sich ihrer nicht sicher sein kann. Er scheint aber eine bestimmte Sicherheit zu besitzen, dass seine Ansicht durch etwas mehr als nur subjektiv ist. Gerade soviel mehr, dass sie ihm selbst Sicherheit bietet. Der "Subjektivist" nimmt für sich die Freiheit in Anspruch, etwas zu verkünden, von dem er glaubt, dass es Anteil an der Wahrheit hat und deshalb verkündet werden müsse. Je energischer er für seine Position entritt, desto mehr weist es auf den menschlichen Bezug zur nicht-subjektiven Wahrheit hin.
Der subjektivistische Mensch ist im Grunde ein moderner Beweis dafür, dass der Mensch sein Denken und Fühlen immer auf einen Grund stellt, von dem er glaubt, dass er eine Stabilität inne hat und nicht nur relativ und subjektiv ist.
Wie argumentiert man in diesem Fall? Gegen Einwand Nr. 1 bin ich immer versucht zu entgegnen, dass man Gott nicht dem Experiment unterwerfen und auf diese Weise beweisen könne. Zwar gibt es die klassischen Gottesbeweise die ja auf einer philosophisch-rationalen Basis argumentieren, aber diese sind für viele Menschen heute schwer zugänglich und ich habe auch meine Zweifel ob sie einen Ungläubigen wirklich überzeugen können, an Gott zu glauben, weil da eben mehr dazu gehört, als etwas "vorgerechnet" zu kriegen.
Die klassischen Gottesbeweise sind in dem Sinne auch keine wirklichen Beweise, sondern nur Hinweise. Sie sind vernünftig und hilfreich, weil sie zeigen, dass unser Verstand begrenzt ist. Sie deuten ja auch nur an, dass sich über die Begrenzung des Verstandes etwas erschließen lässt, was darüber hinaus geht, sie können aber dieses Transzendente selbst nicht fassen - und damit im strengen Sinne auch nicht beweisen.
Nur schlittert man hier natürlich in gefährliches Terrain, wenn man dem anderen versucht, den eigenen Glauben nur über die individuelle Gotteserfahrung plausibel zu machen.
Meinem persönlichen Eindruck nach hängt es davon ab, wie authentisch jemand lebt. Je authentischer ein Mensch nach dieser Gotteserfahrung lebt, desto eher sind andere Menschen zu akzeptieren bereit, dass es für diesen Menschen eine Erfahrung gegeben haben muss, die sein Leben verändert hat. Es ist also nicht Gott selbst, der vermittelt werden kann, aber die Echtheit einer Erfahrung, die auf den Menschen wirkt. Tatsächlich sind die verschiedenen Bekehrungen und Veränderungen von Menschen ein ganz starker Hinweis darauf, dass es etwas geben muss, dass diese Veränderung zum Guten hin bewirken kann.
Denn in diesem Fall nimmt man sich ja selber den Boden unter den Füßen weg, wenn es darum geht, anschließend dem zweiten Einwand zu begegnen, nämlich, dass jeder Glauben gleich sei und jeder doch glauben solle, was ihm gefällt.
Das widerspricht sich für mich nicht.
Also wo liegt der Fehler?
In der Annahme, dass es wirklich einen empirisch-naturwissenschaftlichen Beweis geben muss, der jeden Kritiker überzeugt. Es tut gut, sich davon zu befreien.

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phylax
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von phylax »

Vielleicht helfen Dir zwei Abschnitte aus Papst Benedikts "Einführung in das Christentum" (Ausgabe vOn 2000): einmal das Vorwort zur Neuausgabe 2000: "Einführung in das Christentum"- gestern, heute und morgen; sowie das erste Kapitel: Zweifel und Glaube: die Situation des Menschen vor der Gottesfrage
Von Gott kommt mir ein Freudenschein,/ wenn Du mich mit den Augen Dein/ gar freundlich tust anblicken

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overkott
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Coturnix hat geschrieben:Vielen Dank für eure Beiträge. Nun war das Thema gute Werke am Nächsten sogar Teil der Diskussion gestern, mein Gesprächspartner kam sogar von selber drauf zu sprechen. Ich zitiere sinngemäß: "Ich finde Religion auch gut, wenn sie die Leute zu guten Werken an den anderen anspornt, die halt so einen Ansporn brauchen. Ich persönlich kann aber auch ohne Religion gute Werke vollbringen, brauche diesen Ansporn also nicht und der Fakt, dass es gute Werke ja auch in anderen Religionen gibt, zeigt ja, dass da keine überlegen ist".
Das sagt einer, der den Unterschied nicht kennt zwischen Gott und Göttern, Religion und Religionen. Heute begeben sich selbst manche Priester in die Niederungen der zweiten Ebene.

Fakt ist, wo Gottes Wille in Form von Nächstenliebe geschieht - in welcher religiösen Verkleidung auch immer -, ist Gott erfahrbar. Wo Gottes Wille - in welcher religiösen Verkleidung auch immer - nicht geschieht, wird Gottes Ferne leidvoll erfahrbar.

Coturnix
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Coturnix »

overkott hat geschrieben:Das sagt einer, der den Unterschied nicht kennt zwischen Gott und Göttern, Religion und Religionen. Heute begeben sich selbst manche Priester in die Niederungen der zweiten Ebene.

Fakt ist, wo Gottes Wille in Form von Nächstenliebe geschieht - in welcher religiösen Verkleidung auch immer -, ist Gott erfahrbar. Wo Gottes Wille - in welcher religiösen Verkleidung auch immer - nicht geschieht, wird Gottes Ferne leidvoll erfahrbar.

Da sprichst du denke ich schon etwas Wahres an. Den Unterschied zwischen Gott und den Göttern ist das erste, was ich ich der Diskussion mit Atheisten klarzumachen versuche. Oft hört man ja solche "Argumente" wie: "Wer sagt, dass dein Gott der richtige ist, man könnte ja genauso gut an Zeus, Allah, Odin oder die Zahnfee glauben, das ist alles genauso wahrscheinlich wie dein Gott" - das hier ein Missverständnis offen hervortritt, ist denke ich klar, und es wurde bisher sogar den meisten meiner Gesprächspartner klar, als ich ihnen versucht habe zu erklären, was ein ernsthafter Theist unter Gott versteht und was diese Gottesvorstellung von der Idee eines Gespenstes oder Kobolds unterscheidet.

Nur wie leitet man dann zu den Offenbarungswahrheiten des Christentums über? Du nennst als Maßstab die Liebe - das ist sicher nciht verkehrt und ich denke viele könnten sich damit auch anfreunden, die Frage ist nur, ob du daraus tatsächlich sämtliche christliche Glaubensvorstellung "ableiten" kannst. Auch die Konzeption Gottes als die Liebe ist ja schon wieder eine Offenbarungswahrheit, gegen die sich ein Atheist auch sträuben kann, wenn er sie eben als menschliche Setzung betrachtet.

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overkott
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Coturnix hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Das sagt einer, der den Unterschied nicht kennt zwischen Gott und Göttern, Religion und Religionen. Heute begeben sich selbst manche Priester in die Niederungen der zweiten Ebene.

Fakt ist, wo Gottes Wille in Form von Nächstenliebe geschieht - in welcher religiösen Verkleidung auch immer -, ist Gott erfahrbar. Wo Gottes Wille - in welcher religiösen Verkleidung auch immer - nicht geschieht, wird Gottes Ferne leidvoll erfahrbar.

Da sprichst du denke ich schon etwas Wahres an. Den Unterschied zwischen Gott und den Göttern ist das erste, was ich ich der Diskussion mit Atheisten klarzumachen versuche. Oft hört man ja solche "Argumente" wie: "Wer sagt, dass dein Gott der richtige ist, man könnte ja genauso gut an Zeus, Allah, Odin oder die Zahnfee glauben, das ist alles genauso wahrscheinlich wie dein Gott" - das hier ein Missverständnis offen hervortritt, ist denke ich klar, und es wurde bisher sogar den meisten meiner Gesprächspartner klar, als ich ihnen versucht habe zu erklären, was ein ernsthafter Theist unter Gott versteht und was diese Gottesvorstellung von der Idee eines Gespenstes oder Kobolds unterscheidet.

Nur wie leitet man dann zu den Offenbarungswahrheiten des Christentums über? Du nennst als Maßstab die Liebe - das ist sicher nciht verkehrt und ich denke viele könnten sich damit auch anfreunden, die Frage ist nur, ob du daraus tatsächlich sämtliche christliche Glaubensvorstellung "ableiten" kannst. Auch die Konzeption Gottes als die Liebe ist ja schon wieder eine Offenbarungswahrheit, gegen die sich ein Atheist auch sträuben kann, wenn er sie eben als menschliche Setzung betrachtet.
Bei manchen in der Kirche leitet sich alles aus dem rechten Daumen ab und einer Affinität zum Samstag. Die tun sich selbst mit Gott schwer, wo Gott dem offenbar nicht entspricht. Christlich gesehen, ist zunächst einmal die Bibel der Ausgangspunkt - noch vor den Dogmen, den Vätern, den Lehrern usw. -, egal ob sich ein Atheist oder ein Andersgläubiger dagegen sträubt oder nicht.

Coturnix
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Coturnix »

Nun ich versuche das etwas näher zu erklären: Gegenüber einem rein materialistisch-empiristisch geprägten Menschen ist es denke ich zunächst einmal wichtig aufzuzeigen, dass es nicht per se sinn- und gegenstandslos ist, von etwas Unsichtbarem zu reden. Das kann man treffenderweise an allgemeinen Begriffen wie dem Begriff der "Schönheit" zeigen, die wir wie selbstverständlich gebrauchen, obwohl sie innerhalb der empirischen Welt eben nicht sichtbar sind. Daraus geht hervor, dass auch das Reden von Gott nicht sinnlos sein muss. Nun wurde ja innerhalb der Geistesgeschichte auch immer wieder gerade das Vorhandensein der schönen Dinge in der Welt als Hinweis auf Gott gesehen (etwa im Symposion, aber auch christlichen Theologen), eine Ansicht, die ich durchaus teilen kann.
Nun scheint aber meiner Ansicht nach die moderne Lebenseinstellung und der Subjektivismus gerade an diesen Punkten zu rütteln. Das die schönen Dinge ein Hinweis auf Gott sein sollen, erscheint nicht einsichtig, da ja jeder (mittlerweile?) etwas anderes schön zu finden glaubt und es etwas objektiv schönes nicht zu geben scheint. Der eine Mensch findet es schön, in einer lateinischen Messe zu sitzen und den gregorianischen Chorälen zu lauschen, während der andere dies langweilig oder gar abstoßend findet und es vorzieht, sich die im Museum ausgestellten Exkremente eines modernen Künstlers anzusehen. Wenn der Schönheitsbegriff allerdings soweit auseinander geht, kann er nicht mehr sinnvoll in Zusammenhang mit Gott gebracht werden, da Gott dann selbst droht, subjektiv zu werden und nur noch von der Empfindung des Menschen abzuhängen. Die Wahrheit des Christentums darf aber doch nicht eine Frage des Geschmacks sein, oder seht ihr das etwa anders?

@overkott: Ob jetzt Bibel, Dogmen oder Kirchenväter - was man als Autorität aktzeptiert ist ja erstmal egal für die Frage, wie man überhaupt eine Autorität begründen kann. Das ist es, um was es sich hier dreht - die von dir angesprochene Frage schließt sich dann als zweite an diese an.

heiliger_raphael
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von heiliger_raphael »

Coturnix hat geschrieben:[Auch die Konzeption Gottes als die Liebe ist ja schon wieder eine Offenbarungswahrheit, gegen die sich ein Atheist auch sträuben kann, wenn er sie eben als menschliche Setzung betrachtet.
Hier könnte der Atheist hingegen eine Vorstellung bekommen, dass sich manche Dinge nicht beschreiben lassen. Vorausgesetzt er versucht, die Liebe zu beschreiben. Man könnte ihm natürlich versuchen zu vermitteln, dass man mit dem ureigenen Wesen der Liebe in Beziehung geraten ist. Das setzt allerdings eine Bereitschaft beim Gegenüber aus, die bei Atheisten selten gefunden wird. Die meisten Atheisten sind ja Materialisten, die bereits das Ende der Religion prophezeit hatten.

Meiner Erfahrung nach besteht aber für die meisten Ungläubigen weniger ein Problem darin, von der Möglichkeit eines nicht beschreibbaren "Absolutums" auszugehen, sondern für sie ist eher unverständlich, warum und wie aus einem nicht beschreibbaren Absolutum konkrete Normen abgeleitet werden können. Die Theodizee-Kritik richtet sich ja auch gegen Vorstellungen und nicht gegen eine Gottesannahme.

Rational finde ich diese Frage oder Kritik erst einmal nachvollziehbar. Man darf auch nicht vergessen, dass außerhalb der Naturwissenschaften keine empirische Methodik existiert. Schon die Psychiatrie/Psychologie arbeitet größtenteils auf Basis von Statistiken und nicht auf streng empirischen Fakten wie z.b. die Physik oder Chemie. Deshalb ist es auch schwer, so etwas wie eine persönliche Gottesbeziehung zu beweisen, weil es sich dabei natürlich um einen inneren Bezug des Menschen handelt.
Zuletzt geändert von heiliger_raphael am Dienstag 23. September 2014, 21:01, insgesamt 2-mal geändert.

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overkott
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Nun stell dir einmal vor, Coturnix, du vergleichst historisch-kritisch den Demokratiebegriff des Grundgesetzes mit dem der DDR. Das klang doch alles ganz schön gleich. Offenbar war es wichtig, sich zunächst einmal auf eine Textgrundlage zu verständigen, festzustellen, dass eine Verständigung nicht möglich war, oder zu erklären, dass offenbar gleich klingende Worte nicht immer gleich gleiche Bedeutung haben.

Du leistest jetzt den Transfer auf den Gottesbegriff. Da sind zum Beispiel Andersgläubige, die bei gleich klingendem Gottesbegriff etwas anderes glauben. Oder da sind zum Beispiel Religionswissenschaftler, die keinen Gottesbegriff, sondern einen Götterbegriff haben. Jetzt kannst du dich auf den Standpunkt stellen: Ich erkläre dir meinen Gottesbegriff anhand der Bibel.

Wenn dir Jesus als Rabbi und Theologe besonders wichtig ist, schaust du dir seine Gottesweisheit an: Was sagt er? Wem gegenüber? Was tut er? Welche Methoden wendet er jeweils an. Dann stellst du fest, dass er es auch mit materialistisch-empiristischen Typen zu tun hatte, die entweder Wunder sehen wollten oder eher weisheitlich diesen Standpunkt vertraten. Dann setzte er mal ein Zeichen der Nächstenliebe, erzählte in sehr anschaulichen Beispielen und übersetzte seinen Jüngern so eine Bildergeschichte auch mal in Klartext. Schnell wirst du verstehen, dass er aus dem kulturellen Denk- und Erfahrungshorizont des Alten Testaments her dachte, diesen auf Gott als Prinzip und sein Gebot der Liebe als Richtschnur auf dem Weg zum ewigen Leben zurückführte.

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Jarom1
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Jarom1 »

Ich finde den Ansatz von Cornelius Van Til sehr interesssant. Er argumentiert, dass Ordnung einen schöpferischen Geist voraussetzt. Wenn es also Gott nicht gibt, kann das Universum nicht geordnet sein und muss folgerichtig chaotisch sein. In einem chaotischen Universum kann es aber keine erkennbaren Gesetzmässigkeiten geben, so dass wissenschaftliche Erkenntnis unmöglich wäre. Somit ist die Existenz eines Schöpfers die notwendige Grundlage für die Naturwissenschaften.
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overkott
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Die zweite Schöpfungsgeschichte argumentiert, dass der größte Teil des Universums Wildnis ist und selbst im Garten der Schöpfung die Gesetzmäßigkeiten nicht eingehalten werden. Die Bibel ist in der Gottesdebatte da schon ein Stück weiter gewesen.

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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von Jarom1 »

Wie definierst Du "Wildnis"? Willst Du damit sagen, dass nicht die ganze Schöpfung durch den Logos geformt wurde?
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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Fragen wir lieber, warum die biblischen Theologen die zwei Schöpfungsgeschichten aufgenommen haben und eine dritte offensichtlich nicht. Vergleichen wir mal die beiden Geschichten auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Inwieweit erzählen beiden Schöpfungsgeschichten die Entstehung von Mann und Frau? Inwieweit kommt in beiden Schöpfungsgeschichten die Gleichwertigkeit von Mann und Frau zum Ausdruck? Inwieweit zeigt die erste Schöpfungsgeschichte eher ein väterliches Gottesbild und die zweite Schöpfungsgeschichte eher ein mütterliches Gottesbild? Inwieweit ist in beiden Schöpfungsgeschichten Gottes Geist frei und ordnend? Inwieweit bringen beide Schöpfungsgeschichten Gottes schenkende Liebe zum Ausdruck? Inwieweit kommt dies besonders in der Gottförmigkeit ( Gottebenbildlichkeit ) von Mann und Frau zum Ausdruck? Inwieweit gehört dazu auch die Möglichkeit des Versagens ( des Neinsagens )? Inwieweit verliert der Mensch durch chaotisches Handeln die Gottförmigkeit? Inwieweit folgt aus chaotischem und zerstörerischem Handeln der Tod? Inwieweit beschreiben die beiden Schöpfungsgeschichten anhand von Gott und Geschöpf, von Sonne und Mond anschaulich das Verhältnis von Ursache und Wirkung? Inwieweit sind die Schöpfungsgeschichten also logisch folgerichtig? Inwieweit ergänzen sie sich in der Debatte durch Widerspruch?

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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

Jetzt zur "Wildnis".

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Re: Wie begegnet man dem Subjektivismus?

Beitrag von overkott »

In der Tat erzählt die zweite Schöpfungsgeschichte, dass der Schöpfer erst einmal einen Lehmmann erschaffen und dann weiter gesehen hat. So entstand der Tiergarten. Die Frau hat er sich aus der Rippe des Mannes geschnitten. Als Mann und Frau die Regeln des Gartens nicht einhielten, wurden sie in die unerschaffene Wildnis geschickt. Dort sollten sie sich selbst einen Bauernhof anlegen.

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