Philosophien

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Raphael

Re: Philosophien

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 22. April 2020, 19:14
Der Unterschied zwischen Realismus und Idealismus ist knapp gesagt die Frage was existentiellen Vorrang hat: die Dinge oder das Geistige? Platonismus ist dann eine bestimme Form des Idealismus (Vorrang des Geistigen), Aristotelismus ist eine bestimmte Form des Realismus (Vorrang der Dinge). Sie reden zwar beide über Ideale, aber bei Platon leiten sich die Dinge von diesen geistigen Realitäten ab, bei Aristoteles leitet sich diese geistigen Vorstellungen von den Dingen ab. Das ist nicht gleich, sondern gegensätzlich.
Diese Auseinandersetzung zieht sich seit Jahrhunderten mit immer neue Begrifflichkeiten durch die Geistesgeschichte. Auch der Universalienstreit gehört dazu.
Heutzutage wird der Streit bspw. in der Neurowissenschaft unter dem Thema "Geist/Hirn-Schranke" disputiert.
In der Philosophie des Geistes sind die Stichwörter Emergenz resp. Fulguration.

Im Grunde geht es um ein Erkenntnisproblem:
Was erkennt der Mensch und wie erkennt er es?
Und daran anschließend: Ist Geist ein Epiphänomen der Materie oder wird Materie durch einen (bzw. den) Geist erst erschaffen?

Platon sagt, der Mensch erkennt letztlich die Ideen und baut sich so eine ideale (Zweit-)Welt, die dann die eigentliche Welt ist. In der Folge hat er jedoch ein Problem dabei, wenn er nach der Ursache des Bösen in der Welt forscht.
Aristoteles sagt, die Ideen sind als Substanz bereits in der Materie verborgen und können vom erkennenden Subjekt durch die Akzidentien unterschieden werden. Für Aristoteles gibt es kein Böses in der Welt, denn diese ist so wie sie eben ist.

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 22. April 2020, 19:14
Der Unterschied zwischen Realismus und Idealismus ist knapp gesagt die Frage was existentiellen Vorrang hat: die Dinge oder das Geistige? Platonismus ist dann eine bestimme Form des Idealismus (Vorrang des Geistigen), Aristotelismus ist eine bestimmte Form des Realismus (Vorrang der Dinge). Sie reden zwar beide über Ideale, aber bei Platon leiten sich die Dinge von diesen geistigen Realitäten ab, bei Aristoteles leitet sich diese geistigen Vorstellungen von den Dingen ab. Das ist nicht gleich, sondern gegensätzlich.
Das stimmt.
Meine Frage ging in die Richtung, welches Prinzip/Ursprung denn nun für das Sein ursächlich ist: "Geist" oder "Materie"?
Bei Platon ganz eindeutig Geist, bei Aristoteles ja eigentlich auch, wenn aber differenzierter. Wenn auch Aristoteles den Einzeldingen einen existentiellen Vorrang gibt, bedeutet es ja nicht, dass die Dinge (also salopp die "Materie") ursächlich für das "Geistige" sind. Vielmehr ist es ja so, dass die "Form/eidos" mit der materiellen Potenz erst dem Einzelding "Gestalt gibt". Ohne "Form/eidos" also, gar kein Einzelding. Wo Platon noch die Ideen, also das Geistige, von denn materiellen Einzeldingen trennt, sind die Ideen bei Aristoteles als "Form/eidos" in den Einzeldingen enthalten.
Des Weiteren identifiziert er das "Wesen/ousia" eines Einzeldings mit der "Form/eidos"? Darüber hinaus ist für ihn "Gott" immaterielle, "reine Form" (actus purus), der Form-, Wirk- und Zweckursache alles Seins ist. (Was ist dann mit der Materie? Wo "kommt" die dann her? :hmm:) In diesem Sinne wäre er ja eben "Idealist", kein "Materialist".
Ich gestehe, ob ich nicht in einer Sackgasse bin, wenn ich die Denkweise "Geist&Materie" auf Arsitoteles' Philosophie überstülpe. :hmm: Das mag daran liegen, dass Aristoteles' "Materie/Stoff" nicht das bedeutet, was heutzutage allgemein unter Materie verstanden wird, und eben "Form" auch nicht mit "Geist" gleichzusetzen ist.
Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 22. April 2020, 19:14
Wie gesagt ist Aristoteles zwar ein Dualist, aber nicht in dem üblichen Sinne von Geist-Materie Dualismus eines Descartes. Sondern im Sinne von Form-Materie, und Form ist nicht gleich Geist. Es ist insofern nicht hilfreich von Aristoteles als Dualist zu sprechen, weil man damit praktisch automatisch grobe Mißverständnisse herausfordert.
Ja, es macht Sinn, was du schreibst. Aber irgendwie hat Aristoteles' Philosophie etwas "Geistiges", aber ich kann er einfach nicht verorten. Die Seele? Gott? :hmm:
Eines irritiert mich hierbei aber: Wenn Gott "reine Form" ist, aber nicht die "Form" das Geistige, sondern das "rein" dieses ist, ist die "Form" dann nicht abhängig bzw. kann sie dann überhaupt selbststehend sein? :hmm:

Wo ist der Geist bei Aristoteles? Ich sehe ihn irgendwie nicht :detektiv:

Trisagion
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Re: Philosophien

Beitrag von Trisagion »

Also, "actus purus" heißt zunächst mal "reiner Akt", nicht "reine Form". Wobei "Akt" hier im Gegensatz zu "Potential(ität)" steht. Es wäre vermutlich besser auf Deutsch "reine Tatsächlichkeit" oder "reine Wirklichkeit" oder derlei zu sagen (auf Englisch: "pure actuality"). Man kann in der Tat vom "actus purus" her argumentiern, daß Gott nur Form (und nicht Materie) ist, nämlich insofern als das Materie immer Potential(ität) hat und insofern nicht mit dem "actus purus" kompatibel ist. Aber das aus dem einen das andere folgt bedeutet nicht, daß die Begriffe austauschbar sind.

Mir scheint Dein Problem mit dem Verständnis von Aristoteles, und der Position seiner Philosophie auf der Idealismus - Realismus Achse, schlicht darauf zu beruhen, daß Du "Form" als etwas "Geistiges" an sich verstehst.

Also, nehmen wir mal ein Beispiel. Hier ist die deutsche Wikipedia zum Thema Pferde. Sie ist ziemlich lang, aber zu einem großen Teil ist sie damit beschäftigt die Form der Pferde zu bescheiben. Da geht es einerseits um die Anatomie, Physiologie usw., also "Form" in einem ziemlich direkten Sinne. Aber andererseits auch um z.B. Verhalten, Lebensraum usw. Das ist auch Teil der "Form" eines Pferdes, wenn auch in einem weniger offensichtlichen Sinne. Insgesamt ist es das Ziel dieser langen Beschreibung dem Leser zu ermöglichen, in die Welt zu deuten und zu sagen "das ist ein Pferd" und auf etwas anderes zu deuten und zu sagen "das ist kein Pferd". Letzteres mag trivial sein wenn man z.B. zwischen Pferd und Käse unterscheiden soll, aber es wird weniger trivial wenn man zwischen Pferd und Esel, oder zwischen Pferd und einer realistischen Wachsfigur eines Pferdes unterscheiden muß. Darum sind Formbeschreibungen oft ziemlich lang.

Ist diese Form nun irgendwie "geistig"? Nein, überhaupt nicht. Natürlich war eine geistige Leistung nötig um die Beschreibung auf Wikipedia zu produzieren, und es ist auch eine nötig um diese Beschreibung zu verstehen. Man kann in diesem Sinne die Beschreibung der Form "geistig" nennen. Aber es ist eben die Beschreibung die "geistig" ist, nicht die Form an sich. Wenn ich neben einem Pferd stehe, dann ist das einfach ein Pferd, hat einfach die Form eines Pferdes, daran ist erstmal nichts "geistig". Das Pferd muß nicht Wikipedia lesen um ein Pferd zu sein.

Die Form ist also schlicht, was etwas ist. Die Materie ist woraus es gemacht ist, was also für körperliche Dinge die Form trägt. Immer noch ist hier nicht von irgendeinem "Geist" die Rede. Es mag nun sein, daß es auch nicht-körperliche Dinge gibt. Die kann man "Geist" nennen, wenn man will. Nun, obwohl man auf einen solchen "Geist" nicht deuten kann, kann man ihn jedoch vermutlich unterscheiden von anderen "Geistern". (Christen denken z.B. darüber nach, ob "Engel" und "Gott" die gleiche Art "Geist" ist.) Wenn dem so ist, dann müssen dieses "Geister" eine nicht-körperliche Form haben. Denn wir können ja sagen "dies ist jener Geist, das ist ein anderer", wir können also sage was für einen "Geist" wir meinen. Und genau das ist eine "Form". Aber, und das ist wichtig, dies ist dann zwar die Form eines "Geistes", aber die Form ist nicht selber "geistig". Wenn wir darüber nachdenken, ist das geistige Aktivität in uns, aber das macht die Form auch nicht "geistig". Die Form ist einfach was etwas ist. Hier also ein "Geist", aber das ändert nichts an dem was "Form" bedeutet.

Um wieder zu der Wikipedia-Seite zurückzukehren. Sie beschreibt kein bestimmtes Pferd, sondern Pferd-sein, was eine Abstraktion ist von jedem tatsächlich existierenden Tier. Platon sagt nun, daß die Wikipediaseite ein menschlicher Versuch ist der perfekten Abstraktion nahe zu kommen. Und daß das "perfekte Pferd-sein" dem wir uns geistig nähern die echte Realität ist. Und diese Realität agiert quasi als ein abstrakter Stempel: die Pferde die wir so sehen sind mehr oder weniger gute Stempelabdrücke in Materie. Für Platon ist also unsere Abstraktionsfähigkeit ein Weg sich der eigentlichen Realität, der abstrakten Perfektion, zu nähern. In diesem Sinne sieht er den Geist und seine Analyse des Pferd-seins als wahrer als die rumlaufenden Pferde an. Das macht Platon zum Idealisten.

Aristoteles stimmt Platon zu, daß wir geistig das Pferd-sein vom konkreten Pferd abstrahieren. Aber für ihn bedeutet das schlicht, daß wir geistig die eine Form des konkreten Pferdes aufspalten in einen (akzidentalen) Teil der nur dieses bestimmte Pferd betrifft, und einen (substantiellen) Teil, der alle Pferde betrifft. Das ist eine praktische Sache, denn es bedeutet, daß man in Allgemeinheiten denken kann. Also z.B. "um schneller ans Ziel zu kommen, sollte ich ein Pferd reiten". Das "Pferd" in diesem Satz ist kein bestimmten Pferd, sondern nur irgendein Ding das Pferd-sein hat. Und das ist so, obwohl bestimmte Pferde aufgrund ihrer akzidentalen Form hier nicht hilfreich sind, also etwa ein lahmes Pferd oder ein Fohlen. Wir operien da aber mit dem allgemeinen Pferd-sein, demnach Pferde typischerweise schneller laufen können als ein Mensch und einen Menschen auf dem Rücken tragen können. Trotzdem ist das alles nur in unserem Kopf, die echte Realität ist immer die komplette, ungeteilte Form des konkreten Tiers. Und wenn es sich herausstellt, daß wir ein Zwergpferd gekauft haben, dann hat es sich was mit dem Reiten. Das macht Aristoteles zum Realisten.

Was nun das "Geistige" angeht, ist soweit ich weiß Aristoteles der Überzeugung, daß der Geist des Menschen schlicht Teil der Form des menschlichen Körpers ist. Bis auf das andere Vokabular ist das die typische Haltung des materialistischen Hirnforschers heute. Aber anders als ein Materialist hat Aristoteles kein Problem damit die Existenz eines nicht-körperlichen Gottes anzunehmen. Der hat dann eine Form, also z.B. muß er ewig sein. Aber wie erwähnt, das ist die Form eines Geistes, es macht nicht die Form selber "geistig". Es sagt nur, was für ein Geist das nun ist. Und wie auch erwähnt ist der christliche "Trick" um Aristoteles "aufzubohren" schlicht zu sagen, daß die eigentlichen menschlichen Verstandesoperationen nicht-körperlich sind. Nach Aristoteles selber hat der Mensch dann sofort sowohl körperliche als auch nicht-körperliche Form, denn man kann offensichtlich fragen was für eine Art Verstand der menschliche ist. Und Aristoteles Argumentation bzgl. des nicht-körperlichen Gott folgend kann man dann für die Unsterblichkeit der Seele argumentieren, usw. usf. Aristoteles hat eben eine Methodik etabliert, und wenn man der andere Eingangsbedingungen füttert als Aristoteles kriegt man eben andere Ergebnisse heraus als er. Trotzdem benutzt man seine Methodik, und in diesem Sinne kann man sagen, daß die Scholastik weitgehend Aritstoteles übernommen hat.

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Juergen
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Re: Philosophien

Beitrag von Juergen »

Um zu wissen war ein Pferd ist braucht man keine Wikipedia.

So wie die Stuhlheit den Stuhl zum Stuhl macht,
so macht die Pferdheit das Pferd zum Pferd
und die Bescheidenheit den Bescheid zum Bescheid, außer er kommt vom Finanzamt.
Gruß Jürgen

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Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 18:22
Also, "actus purus" heißt zunächst mal "reiner Akt", nicht "reine Form". Wobei "Akt" hier im Gegensatz zu "Potential(ität)" steht. Es wäre vermutlich besser auf Deutsch "reine Tatsächlichkeit" oder "reine Wirklichkeit" oder derlei zu sagen (auf Englisch: "pure actuality"). Man kann in der Tat vom "actus purus" her argumentiern, daß Gott nur Form (und nicht Materie) ist, nämlich insofern als das Materie immer Potential(ität) hat und insofern nicht mit dem "actus purus" kompatibel ist. Aber das aus dem einen das andere folgt bedeutet nicht, daß die Begriffe austauschbar sind.
Nun, laut Recherche wird der Form der Akt, der Materie die Möglichkeit zugesprochen. Ich habe mich schon gewundert, ob die Begriffe zu trennen sind, aber der oberflächlichen Internetsuche nach, trennt es irgendwie keiner. :achselzuck:
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 18:22
Mir scheint Dein Problem mit dem Verständnis von Aristoteles, und der Position seiner Philosophie auf der Idealismus - Realismus Achse, schlicht darauf zu beruhen, daß Du "Form" als etwas "Geistiges" an sich verstehst.
Ich würde eher sagen, dass ich versuche "Geist/Geistiges" in seiner Philosophie zu verorten, und es am nächsten eben in der "Form" finde.
Die Probleme mögen liegen in:
1, Kann man überhaupt das Geist-Materie-Denen auf Aristoteles anwenden?
2. Was ist mit Geist nun überhaupt gemeint? (Kann es sein, dass du mit Geist ein "denkendes Bewusstsein" meinst? :tuete: )
3. Wo kommen Formen (und Materie) denn überhaupt her? Meinte Palton (oder waren es erst die Neuplatoniker?) nicht, dass die Ideen/eidos im nous/logos/(Welt-)Geist entstehen bzw. aus diesem entspringen?

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 18:22
Ist diese Form nun irgendwie "geistig"?
Kommt darauf an, wie man "geistig" eben versteht. Als "denkendes Bewusstsein", nein, dann nicht.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 18:22
Wenn ich neben einem Pferd stehe, dann ist das einfach ein Pferd, hat einfach die Form eines Pferdes, daran ist erstmal nichts "geistig".
Du stehst zunächst neben dem Einzelding-Pferd. Die "Form" steckt ja in dem Ding drin. Es ist eine Art "Code" der dem konkreten Einzelding zugrunde liegt. Ist der Code nun zwingend "geistig"? Vielleicht nicht, aber es geht irgendwie in die Richtung. Materiell ist er ja jedenfalls nicht.
Versuchen wir einmal einen anderen Zugang und bleiben beim Wort "Code".
"Code" ist ja quasi "Formel" und "Formeln" bestehen aus Zahlen (lapidar gesagt). Würdest du mich nun fragen, ob Zahlen denn Geist seien, würde ich sagen: "irgendwie nicht, nein".
Das führt mich dann zur Frage: wie hielt es denn Aristoteles (und Platon) denn eigentlich mit Zahlen? Zahlen sind auch real, auch wenn sie kein Stoff haben, oder?
(Und ich frage mich, ob ich mir mit dem Wechsel in diesen Bereich einen Gefallen getan hab :tuete: )
Zuletzt geändert von Bruder Donald am Donnerstag 23. April 2020, 20:52, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Re: Philosophien

Beitrag von Juergen »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
…Zahlen sind auch real…
Zahlen sind kompliziert. Es führt z.B. kein klarer Weg von der Einheit zur Zweiheit (vgl. Platon: Apologie)

Gruß Jürgen

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Trisagion
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Re: Philosophien

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
nun, laut Recherche wird der Form der Akt, der Materie die Möglichkeit zugesprochen.
In dem Sinne, daß Materie viele Möglichkeiten hat such zu arrangieren, aber sich in der Tat (im Akt) jeweils gerade auf eine Weise formiert. Dem modernen Menschen sollte dies eigentlich einsichtig sein, der Atomlehre sei dank. Offensichtlich könnte der Kohlenstoff in meinem Körper auch einen Dimanten formen. Tut er aber gerade nicht. Er hilft derzeit dabei mich zu formen. Wenn mich nun aber ein Super-Presse mit Zigtausenden Tonnen Last zusammenquestschen würde, käme dabei (unter anderem) eben ein Diamant heraus. Die Möglichkeit Diamant zu werden ist latent in der Materie Kohlenstoff vorhanden, und er kann durch einen Akt in diese Form gebracht werden. Aber in alledem werden Form-Akt und Materie-Möglichkeit nur miteinander assoziiert, sie werden nicht Synonyme.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
Ich würde eher sagen, dass ich versuche "Geist/Geistiges" in seiner Philosophie zu verorten, und es am nächsten eben in der "Form" finde.
Und nun weißt Du eben, daß das nicht klappt.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
1, Kann man überhaupt das Geist-Materie-Denen auf Aristoteles anwenden?
Nein, schon garnicht auf Aristoteles selber, wenn Du den menschlichen Geist meinst. AFAIK hält er den menschlichen Geist für eine menschliche Körperfunktion, letztlich nicht anders als die Verdauung.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
2. Was ist mit Geist nun überhaupt gemeint? (Kann es sein, dass du mit Geist ein "denkendes Bewusstsein" meinst? :tuete: )
Ich habe im obigen Geschreibsel keine klare Definition gebraucht oder gegeben. "Geist" war meist ein Kürzel für nicht-körperliches Wesen, "geistig" für (ein Produkt des) menschlichen Denkens. Der Grund warum ich mir leisten konnte vage zu bleiben ist das egal wie oder was, "Form" schlicht nicht "Geist" bedeutet, und "geistig" nicht "geformt".
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
3. Wo kommen Formen (und Materie) denn überhaupt her? Meinte Palton (oder waren es erst die Neuplatoniker?) nicht, dass die Ideen/eidos im nous/logos/(Welt-)Geist entstehen bzw. aus diesem entspringen?
Ich glaube nicht, daß ich je gelesen habe was Aristoteles selber zur Schöpfung gesagt hat. Und zwar habe ich Platon komplett gelesen, aber das ist nun auch schon ein paar Jahrzehnte her und ich hab ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer mehr was er da wo gesagt haben mag.

Ich kann Dir allerdings sagen, daß bei Aristoteles bzgl. Schöpfung sicher irgendwas mit Primärmaterie (Materie ohne eigene substantielle Form) abgeht. Und auch, daß Aristoteles ein berühmtes Argument geliefert hat (Fuß im Sand stehend) warum Schöpfung durch Gott nicht bedeutet, daß die Schöpfung einen zeitlichen Anfang hat. Gott kann eine ewige Schöpfung schaffen. Aus diesem Grund hat Thomas von Aquin, unter anderem kontra Buonaventura, vertreten, daß der zeitliche Anfang der Welt im Schöpfungsakt nur durch Offenbarung aber nicht durch natürliches Nachdenken erkennbar ist.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
Du stehst zunächst neben dem Einzelding-Pferd. Die "Form" steckt ja in dem Ding drin. Es ist eine Art "Code" der dem konkreten Einzelding zugrunde liegt. Ist der Code nun zwingend "geistig"? Vielleicht nicht, aber es geht irgendwie in die Richtung.
Genau dieses Gefühl macht Dich zum Idealisten, also Team Platon.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 20:33
Das führt mich dann zur Frage: wie hielt es denn Aristoteles (und Platon) denn eigentlich mit Zahlen? Zahlen sind auch real, auch wenn sie kein Stoff haben, oder? (Und ich frage mich, ob ich mir mit dem Wechsel in diesen Bereich einen Gefallen getan hab :tuete: )
Nun ja, Du hast Dir da mit sicherem Instinkt einen weiteren philosophischen Kriegsschauplatz ausgesucht, wobei dort gilt: Platonismus gegen alle, alle gegen Platonismus. Soll heißen, Platonismus der "Zahlen sind real" Sorte ist eine populäre Position bei Mathematikern, und die anderen Positionen definieren sich quasi durch ihr Argumente warum das Quatsch ist. Aristoteles spielt dort aber m.W. nach keine große Rolle. Vermutlich auch weil er das nicht besonders entwickelt. Wenn ich mich recht entsinne war das so nach dem Motto "ein Apfel, zwei Äpfel, drei Äpfel, ... laß die Äpfel im Geiste weg, dann hast Du Zahlen".

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

[/quote]
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 22:28
Und nun weißt Du eben, daß das nicht klappt.
Geist grundsätzlich bei Aristoteles' Philosophie zu finden oder diesen in der Form zu lokalisieren?
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 22:28
Ich habe im obigen Geschreibsel keine klare Definition gebraucht oder gegeben. "Geist" war meist ein Kürzel für nicht-körperliches Wesen, "geistig" für (ein Produkt des) menschlichen Denkens. Der Grund warum ich mir leisten konnte vage zu bleiben ist das egal wie oder was, "Form" schlicht nicht "Geist" bedeutet, und "geistig" nicht "geformt".
Was meinst du mit Wesen? Ein konkretes Einzelding oder eine "Essenz"?
"Geist" würde ich nämlich als "nicht-körperliche Essenz" verstehen. Die Essenz ist für mich ein Synonym für Wesen/ousia, was wiederum Aristoteles laut Metaphysik als "Form/eidos" ansieht. Aber dann drehe ich mich ja wieder nur im Kreis. Mit der Form kann ich ja nach dem "Was" eines Einzeldings fragen. Mit Geist ja wiederum nicht.
Ein nicht-materielles Einzelding kann es nach Aristoteles ja nicht geben. Denn alles Seiende ist aus Form und Stoff. Außer "Gott".
Kann es eigentlich sowas wie Engel im aristotelischen Sinne geben? Wenn ja, dann nur weil sie aus einem Soff bestehen, denn wir einfach nur nicht kennen?
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 22:28
Ich glaube nicht, daß ich je gelesen habe was Aristoteles selber zur Schöpfung gesagt hat.
Ich habe jetzt auch nichts hierzu aufgeschnappt. Halte ich aber für ziemlich wichtig, vor allem da Aristoteles einen unbewegten Beweger konstatiert.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 22:28
[...]warum Schöpfung durch Gott nicht bedeutet, daß die Schöpfung einen zeitlichen Anfang hat. Gott kann eine ewige Schöpfung schaffen. Aus diesem Grund hat Thomas von Aquin, unter anderem kontra Buonaventura, vertreten, daß der zeitliche Anfang der Welt im Schöpfungsakt nur durch Offenbarung aber nicht durch natürliches Nachdenken erkennbar ist.
Hierbei passe ich.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 22:28
Genau dieses Gefühl macht Dich zum Idealisten, also Team Platon.
Werde ich wohl mit leben müssen. :maske: Wäre ja gar nicht mal in allzu schlechter Gesellschaft.

Aber der Code ist doch in dem Einzelding vorhanden. Gut, ich kann nicht aussagen, ob dieser Code nun auf einer immateriellen Ebene unabhängig von diesem Einzelding existiert. Aber der Code macht das Einzelding doch gerade zu dem, was es (eigentlich) ist. Also kommt diesem Code ein Vorrang zu, er ist wichtiger, ursprünglicher, als der "Rest".

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 23. April 2020, 18:22
Was nun das "Geistige" angeht, ist soweit ich weiß Aristoteles der Überzeugung, daß der Geist des Menschen schlicht Teil der Form des menschlichen Körpers ist.
Mit "Geist" meinst du hier aber "Verstand", also die kognitive Fähigkeit, welcher Teil der menschlichen Seele ist?
Bei Aristoteles sind Körper und Seele eine Einheit, die Seele stirbt mit dem Körper, somit also auch der Verstand.
Mit christlicher Denkweise ist da so erstmal nicht vereinbar.
Du erwähnst ja den "Trick", man müsse also den "Verstand" (Geist) als etwas Denken, das nicht Teil der Seele/Form des Menschen ist, sondern ein selbstständiges, nicht-materielles "Ding". Zu Lebzeiten eines Menschen sind Körper und "Verstand" zwar miteinander verbunden, aber der "Verstand" kann als nicht-materielles Ding (und potenziell unsterblich) weiter existieren. Soweit richtig verstanden?
Soweit ich verstanden habe, gibt es für Aristoteles nur einen Geist, nämlich "Gott". Natürlich könnte man über A. hinausdenken und viele weitere kleinere "Geister" annehmen. Aber für A. selber war diese Option wohl eher nicht möglich, weil Seiendes ja nur aus Stoff und Form existieren kann?

Wenn ich das jetzt richtig zusammenfasse, KÖNNTE es "Geist", als nicht-materielles Ding, durchaus geben, aber dem "Geist" muss eine Form zugrundeliegen. Das macht dann die Form nicht "geistig", sondern ist ja in dem "Geist" vorhanden. Habe ich dich so richtig wiedergegeben?
Somit könnte es eine eigenständige, immaterielle (Geistes-)Welt geben, aber das wäre nicht das Gleiche, was bei Platon mit "Ideenwelt" zu verstehen ist? :hmm:

Trisagion
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Re: Philosophien

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 01:46
Geist grundsätzlich bei Aristoteles' Philosophie zu finden oder diesen in der Form zu lokalisieren?
Ja. ;D
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 01:46
Was meinst du mit Wesen? Ein konkretes Einzelding oder eine "Essenz"?
"Geist" würde ich nämlich als "nicht-körperliche Essenz" verstehen. Die Essenz ist für mich ein Synonym für Wesen/ousia, was wiederum Aristoteles laut Metaphysik als "Form/eidos" ansieht. Aber dann drehe ich mich ja wieder nur im Kreis. Mit der Form kann ich ja nach dem "Was" eines Einzeldings fragen. Mit Geist ja wiederum nicht.
"Wesen" kann man sicher auch als Synonym für "Essenz" gebrauchen, aber in meinem Satz bedeutete es ein irgendwie lebendiges Individuum. Wie gesagt, ich war da nirgendwo um Genauigkeit bemüht, weil es immer nur darum ging Form von "Geist" zu trennen.

Geist kann man nicht als "nicht-körperliche Essenz" verstehen. Essenz bezeichnet wie man ist, nicht das man ist. Nur im Falle Gottes kann man davon reden, daß Essenz und Existenz "identisch" sind, weil es Gottes Essenz ist zu existieren. Und selbst da ist die Aussage etwas ungenau, weil man eben einmal übers "auf welche Weise sein" und das anderemal übers "sein an sich" redet.
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 01:46

Ein nicht-materielles Einzelding kann es nach Aristoteles ja nicht geben. Denn alles Seiende ist aus Form und Stoff. Außer "Gott".
Kann es eigentlich sowas wie Engel im aristotelischen Sinne geben? Wenn ja, dann nur weil sie aus einem Soff bestehen, denn wir einfach nur nicht kennen?
Ich kenne mich mit Aristoteles letztlich nur durch die Scholastik aus, und das ist ein "aufgebohrter" Aristoteles der fürs Christentum passend gemacht wurde. Für den scholastischen Aristotelismus sind Engel deshalb selbstverständlich möglich.

Das ist auch nicht besonders schwierig. Man muß Aristoteles quasi nur ernst nehmen. Was macht Form? Es erlaubt Unterscheidung. Ein Hund ist keine Katze. Diese Art der Unterscheidung beruht auf der Substanz (Wesen, Essenz, Natur, ...) der Dinge. Es gibt aber auch eine Unterscheidung nach den Akzidenten, also ein blonder Mann ist nicht ein Mann mit schwarzen Haaren. Jedenfalls nicht gleichzeitig, sondern höchstens nach dem Haare färben. Im Hier und Jetzt sind zwei Dinge nur identisch wenn sie in der Form komplett übereinstimmen, substantiell und akzidental. Materie garantiert nun mindestens einen akzidentalen Unterschied, nämlich die Position. Zwei bis auf das Atom gleiche Hunde sind trotzdem nicht identisch, wenn sie nebeneinander stehen. Sie haben verschiedenes "Wo". Deshalb macht Materie eine Vielzahl von "substantiellen Kopien" möglich. Nun nehme man die Materie weg. Was passiert? Solange Dinge noch irgendwie unterscheidbar bleiben, haben sie immer noch verschiedene Form. Aber uns fehlt nun das "Wo" der Materie, insofern muß eine Unterscheidung zwischen nicht-körperlichen Dingen auf anderen substantiellen und akzidentalen Merkmalen beruhen. An dieser Stelle sei gesagt, daß nach Thomas von Aquin alle Akzidenten auf Materie beruhen. Demnach wären also alle Unterscheidungen zwischen den Engeln der Substanz nach (also, ein Engel ist von einem anderen Engel so verschieden wie Hund von Katze, nicht wie ein Hund von einem anderen Hund). Ich persönlich habe hier Zweifel, und halte das für eine unzulässige Verallgemeinerung von unseren beschränkten Beobachtungen. Aber wie dem auch sei, solange man wortwörtlich die Geister voneinander scheiden kann, irgendwie, gibt es keine Problem damit eine Vielzahl nicht-körperlicher Individuen anzunehmen. Also, Engel.

In Aristoteles selber muß man da auf seine Diskussion der Sphären schauen, die "bewegten Beweger" und die "unbewegten Beweger" (Götter), und so. Irgendwo da ist sicher soetwas ungefähr wie ein Engel zu finden, und man kann dann schauen wie er damit umgeht. Aber das habe ich nicht parat, weil ich ja letztlich nicht an Aristoteles selber interessiert bin, sondern an dem "aufgebohrten" Aristoteles des Christentum.
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 01:46
Ich habe jetzt auch nichts hierzu aufgeschnappt. Halte ich aber für ziemlich wichtig, vor allem da Aristoteles einen unbewegten Beweger konstatiert.
Ich interessiere mich für Philosophie, aber nicht besonders für Philosophiegeschichte. Ich habe da eine wissenschaftlich-angewandte nicht literarisch-historische Haltung. Insofern finde ich Aristoteles eigenes Argument zum unbewegten Beweger nur interessant, wenn es etwas anderes macht als sagen wir mal das Argument von Thomas von Aquin. Und auch dann letztlich nur, wenn es irgendwie "besser" ist für mich... Im übrigen stimmt es glaube ich nicht ganz hier vom Singular zu reden. Wenn ich mich recht entsinne, ist es bei Aristoteles mindestens ein unbewegter Beweger, und wenn man Konsistenz über sein Werk hinweg verlangt, dann eben eine Vielzahl (weil die bewegten Beweger der Sphären jeweils einen unbewegten Beweger imitieren). Aber da lasse ich mich gerne von jemand mit mehr Ahnung korrigieren.
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 01:46
Aber der Code ist doch in dem Einzelding vorhanden. Gut, ich kann nicht aussagen, ob dieser Code nun auf einer immateriellen Ebene unabhängig von diesem Einzelding existiert. Aber der Code macht das Einzelding doch gerade zu dem, was es (eigentlich) ist. Also kommt diesem Code ein Vorrang zu, er ist wichtiger, ursprünglicher, als der "Rest".
Ohne jeden Zweifel kann ich den "Code" eine Einhorns bedenken, den eines Hobbits, den eines feuerspuckenden Drachens, den eines Mondes aus Käse. Wenn das so furchtbar wichtig ist und total Vorrang hat, warum bleiben die dann alle so ... imaginär, eben nicht-real? Merkwürdig, die einzigen "Codes" auf die es praktisch ankommt scheinen die zu sein, die uns konkret in Einzeldingen begegnen. Vielleicht ist das doch irgendwie von Belang?

Christlich gesehen bin ich Idealist bzgl. Gott, und Realist bzgl. der Schöpfung. Wenn Du so willst, hat das "Ideal" Apfel in Gott Vorrang vor dem realen Apfel, denn Gottes Wille wird/ist existent. Aber mein menschliches Denken hat Nachrang hinter dem realen Apfel, und das "Ideal" Apfel in meinem Kopf existiert nur wegen des realen Apfels. Als Abbild Gottes bin ich nun in der Lage das "Ideal" in meinem Kopf an das in die Existenz gewollte "Ideal" Gottes anzunähern, meine Vernunft hat diese Gott-gegebene Kraft. Sein Apfel wird mein Apfel, das schließt den Kreis. Aber, der Kreis wird nur in eine Richtung durchlaufen: was vorher und nachher kommt ändert sich nicht dadurch, daß ich zum Ursprung zurückkehre.

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 14:01
"Wesen" kann man sicher auch als Synonym für "Essenz" gebrauchen, aber in meinem Satz bedeutete es ein irgendwie lebendiges Individuum. Wie gesagt, ich war da nirgendwo um Genauigkeit bemüht, weil es immer nur darum ging Form von "Geist" zu trennen.
Also, Geist = nicht-körperliche Existenz.
Trisagion hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 14:01
Geist kann man nicht als "nicht-körperliche Essenz" verstehen. Essenz bezeichnet wie man ist, nicht das man ist. Nur im Falle Gottes kann man davon reden, daß Essenz und Existenz "identisch" sind, weil es Gottes Essenz ist zu existieren. Und selbst da ist die Aussage etwas ungenau, weil man eben einmal übers "auf welche Weise sein" und das anderemal übers "sein an sich" redet.
Da liegt offenbar der Hund begraben.
Und wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, versuchte Platon den Essenzen/Wesen/Ideen eine eigenständige Existenz (in einer geistigen Sphäre) zuzusprechen, worauf ihm Aristoteles eben widersprach. Und ich war auf einem platonischen "Tripp", weil ich davon ausging, Essenz/Wesen/Form hätte eine geistige Existenz.
Gut, dass wir am "Ende" die Begrifflichkeit geklärt haben :D
Trisagion hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 14:01
Ohne jeden Zweifel kann ich den "Code" eine Einhorns bedenken, den eines Hobbits, den eines feuerspuckenden Drachens, den eines Mondes aus Käse. Wenn das so furchtbar wichtig ist und total Vorrang hat, warum bleiben die dann alle so ... imaginär, eben nicht-real?
Das ist wiederum für mich nicht die Frage. Ich frage nach dem "bestimmenden" Prinzip (für etwas real Seiendes) und das wäre in meinen Augen eben der Code/die Form. Dann würde ich eben nach dem "Ursprung" des "Codes" fragen. Und wie Aristoteles oder auch eben Platon, würde ich eben zu einem "Geist" kommen. "Geist" wäre also Ursprung aller Dinge. Das versteht man ja auch unter "Idealismus".
Es ist doch auch ein ontologischer Idealismus, aber ein anderer den du aufführst. Meta-ontologischer Idealismus? :hmm:

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 24. April 2020, 14:01
Ich kenne mich mit Aristoteles letztlich nur durch die Scholastik aus, und das ist ein "aufgebohrter" Aristoteles der fürs Christentum passend gemacht wurde.
Hast du dazu (Scholastik, speziell das philosophische Denken) vielleicht ein einführendes Standardwerk, oder hast du dich zum Thema bei mehreren verschiedenen Werken eingelesen?
Mit Scholastik meinst du speziell den Thomismus oder fasst du darunter auch z. B. den Scotismus mit ein?

Trisagion
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Re: Philosophien

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 25. April 2020, 12:07
Hast du dazu (Scholastik, speziell das philosophische Denken) vielleicht ein einführendes Standardwerk, oder hast du dich zum Thema bei mehreren verschiedenen Werken eingelesen? Mit Scholastik meinst du speziell den Thomismus oder fasst du darunter auch z. B. den Scotismus mit ein?
Ja, wenn ich "Scholastik" sage meine ich zumeist "Thomismus", weil der der dominant ist in der erhalt- und bezahlbahren (Fach)literatur und auch weil mir Thomas von Aquin lesen intellektuelle Freude macht (was leider bei 90% auch der klassischen Theologie nicht der Fall ist, das ist dann mehr "Arbeit"). Meine Bücher sind praktisch durch die Bank Englisch. Ich bin so gut wie zweisprachig, und auf Englisch gibt es sehr viel mehr und meist auch bessere Bücher (besser im Sinne von meinem Geschmack). Ich habe so einiges primär gelesen, also z.B. die komplette Summa Theologiae. Im Englischen gibt es übrigens auch Übersetzungen der Kommentare von Thomas von Aquin zu Werken des Aristoteles! Aber in der Breite bin wohl auch viel durch Sekundärliteratur informiert, also z.B. von Herbert McCabe, Brian Davis, Jacques Maritain, Jean-Pierre Torrell, Denys Turner, Servais Pinckaers, ... Ich kenne keine gute "Einführung in die allgemeine Scholastik", was nicht heißen soll, daß es die nicht gibt. Aber "gut" heißt hier eben für mich auch "finde ich lesbar" und "kostet nicht so viel", so ein hölzernes Lehrbuch für hunderte Euros brauche ich nicht. Wenn Du des Englischen mächtig bist, dann würde ich zum Einstieg in den Thomismus Eleonore Stumps "Aquinas" empfehlen, oder wenn es kürzer sein soll Edward Fesers "Scholastic Metaphysics - A Contemporary Introduction".

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Hubertus
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Re: Philosophien

Beitrag von Hubertus »

Sehr erhellend fand ich damals Martin Grabmanns Die Geschichte der scholastischen Methode, die bei archive.org verfügbar ist und sich als recht passabler Scan als .pdf herunterladen läßt.

Ein monumentales zweibändiges Werk (hier zu Band 2), aber man muß ja nicht alles lesen.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Danke.

Ich werde es vielleicht mit "Thomas lesen." von Albert Zimmermann, versuchen.

Bruder Donald

Re: Philosophien

Beitrag von Bruder Donald »

Hat jemand von euch Heidegger gelesen und verstanden?
Verstehe nicht, was so toll an seinen Gedankengängen und vor allem "innovativ" sein soll. :hae?:
"Sein und Zeit" ist im Grunde existenzialphilosophisch, da verstehe ich nicht was er besser macht als andere Existenzialisten und seine spätere "Kehre" zur Metaphysik an sich in "Was ist Metaphysik?", ja, was ist daran so neu und bahnbrechend, bzw. was liefert er da für Erkenntnisse?
War Karl Rahner nicht sein Schüler und hat in stark rezipiert?

Heidegger - der überbewerteste "Philosoph" aller Zeiten? :hmm:

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