Nietzsches Argumente gegen Gott

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
philipp

Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von philipp »

Gott ist tot!

Aber was meinte Nietzsche denn tatsächlich zur Gottesfrage? Was waren seine Argumente gegen einen Monotheistischen Gott?

Nähern wir uns der Frage gemeinsam an.

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Juergen
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Juergen »

Im Zusammenhang:
Die fröhliche Wissenschaft, 3. Buch, Der tolle Mensch hat geschrieben:
Der tol­le Mensch.

Habt ihr nicht von je­nem tol­len Men­schen ge­hört, der am hel­len Vor­mit­ta­ge ei­ne La­ter­ne an­zün­d­e­te, auf den Markt lief und un­auf­hör­lich schrie: »Ich su­che Gott! Ich su­che Gott!« – Da dort ge­ra­de vie­le von de­nen zu­sam­men­stan­den, wel­che nicht an Gott glaub­ten, so er­reg­te er ein gro­ßes Ge­läch­ter. Ist er denn ver­lo­ren­ge­gan­gen? sag­te der ei­ne. Hat er sich ver­lau­fen wie ein Kind? sag­te der an­de­re. Oder hält er sich ver­steckt? Fürch­tet er sich vor uns? Ist er zu Schiff ge­gan­gen? aus­ge­wan­dert? – so schri­en und lach­ten sie durch­ein­an­der.
Der tol­le Mensch sprang mit­ten un­ter sie und durch­bohr­te sie mit sei­nen Bli­cken. »Wo­hin ist Gott?« rief er, »ich will es euch sa­gen! Wir ha­ben ihn ge­töt­et – ihr und ich! Wir al­le sind sei­ne Mör­der! Aber wie ha­ben wir dies ge­macht? Wie ver­moch­ten wir das Meer aus­zu­trin­ken? Wer gab uns den Schwamm, um den gan­zen Ho­ri­zont weg­zu­wi­schen? Was ta­ten wir, als wir die­se Er­de von ih­rer Son­ne los­ket­te­ten? Wo­hin be­wegt sie sich nun?
Wo­hin be­we­gen wir uns? Fort von al­len Son­nen? Stür­zen wir nicht fort­währ­end? Und rück­wärts, seit­wärts, vor­wärts, nach al­len Sei­ten? Gibt es noch ein Oben und ein Un­ten? Ir­ren wir nicht wie durch ein un­end­li­ches Nichts? Haucht uns nicht der lee­re Raum an? Ist es nicht käl­ter ge­wor­den? Kommt nicht im­mer­fort die Nacht und mehr Nacht?
Müs­sen nicht La­ter­nen am Vor­mit­ta­ge an­ge­zün­d­et wer­den? Hör­en wir noch nichts von dem Lärm der To­ten­grä­ber, wel­che Gott be­gra­ben? Rie­chen wir noch nichts von der gött­li­chen Ver­we­sung? – auch Göt­ter ver­we­sen!
Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir ha­ben ihn ge­töt­et!
Wie trös­t­en wir uns, die Mör­der al­ler Mör­der? Das Hei­ligs­te und Mäch­tigs­te, was die Welt bis­her be­saß, es ist un­ter un­sern Mes­sern ver­blu­tet – wer wischt dies Blut von uns ab? Mit wel­chem Was­ser könn­ten wir uns rei­ni­gen? Wel­che Süh­ne­fei­ern, wel­che hei­li­gen Spie­le wer­den wir er­fin­den müs­sen?
Ist nicht die Grö­ße die­ser Tat zu groß für uns? Müs­sen wir nicht sel­ber zu Göt­tern wer­den, um nur ih­rer wür­dig zu er­schei­nen? Es gab nie ei­ne grö­ße­re Tat – und wer nur im­mer nach uns ge­bo­ren wird, ge­hört um die­ser Tat wil­len in ei­ne höhe­re Ge­schich­te, als al­le Ge­schich­te bis­her war!«
Hier schwieg der tol­le Mensch und sah wie­der sei­ne Zu­hö­r­er an: auch sie schwie­gen und blick­ten be­frem­det auf ihn. End­lich warf er sei­ne La­ter­ne auf den Bo­den, daß sie in Stü­cke sprang und er­losch. »Ich kom­me zu früh«, sag­te er dann, »ich bin noch nicht an der Zeit. Dies un­ge­heu­re Er­eig­nis ist noch un­ter­wegs und wan­dert – es ist noch nicht bis zu den Oh­ren der Men­schen ge­drun­gen. Blitz und Don­ner brau­chen Zeit, das Licht der Ge­stir­ne braucht Zeit, Ta­ten brau­chen Zeit, auch nach­dem sie ge­tan sind, um ge­sehn und ge­hört zu wer­den. Die­se Tat ist ih­nen im­mer noch fer­ner als die ferns­ten Ge­stir­ne – und doch ha­ben sie die­sel­be ge­tan!«
Man er­zählt noch, daß der tol­le Mensch des­sel­bi­gen Ta­ges in ver­schie­de­ne Kir­chen ein­ge­drun­gen sei und da­r­in sein Re­qui­em ae­ter­nam deo an­ge­stimmt ha­be. Hin­aus­ge­führt und zur Re­de ge­setzt, ha­be er im­mer nur dies ent­geg­net: »Was sind denn die­se Kir­chen noch, wenn sie nicht die Grüf­te und Grab­mä­ler Got­tes sind?«

Der Satz "Gott ist tot" kommt auch in Also sprach Zarathustra vor. Dort allerdings nicht groß ausgefaltet, bis vielleicht auf die Stelle über das Mitleid:
…Man soll sein Herz fest­hal­ten; denn läßt man es gehn, wie bald geht ei­nem da der Kopf durch!
Ach, wo in der Welt ge­sch­a­hen grö­ße­re Tor­hei­ten, als bei den Mit­lei­di­gen? Und was in der Welt stif­te­te mehr Leid als die Tor­hei­ten der Mit­lei­di­gen?
We­he al­len Lie­ben­den, die nicht noch ei­ne Höhe ha­ben, wel­che über ih­rem Mit­lei­den ist!
Al­so sprach der Teu­fel einst zu mir: »auch Gott hat sei­ne Höl­le: das ist sei­ne Lie­be zu den Men­schen.«
Und jüngst hör­te ich ihn dies Wort sa­gen: »Gott ist tot; an sei­nem Mit­lei­den mit den Men­schen ist Gott ge­stor­ben.«
So seid mir ge­warnt vor dem Mit­lei­den: da­her kommt noch den Men­schen ei­ne schwe­re Wol­ke! Wahr­lich, ich ver­ste­he mich auf Wet­ter­zei­chen!
Mer­ket aber auch dies Wort: al­le gro­ße Lie­be ist noch über all ih­rem Mit­lei­den: denn sie will das Ge­lieb­te noch – schaf­fen!
»Mich sel­ber brin­ge ich mei­ner Lie­be dar, und mei­nen Nächs­ten gleich mir« – so geht die Re­de al­len Schaf­fen­den.
Al­le Schaf­fen­den aber sind hart…
Gruß Jürgen

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philipp

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von philipp »

leider bin ich nicht intelektuell genug um Schlüsse aus den Sätzen Nietzsches zu ziehen bezogen auf meine Frage :kugel:

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

philipp hat geschrieben:
Sonntag 20. September 2020, 14:10
Gott ist tot!

Aber was meinte Nietzsche denn tatsächlich zur Gottesfrage? Was waren seine Argumente gegen einen Monotheistischen Gott?

Nähern wir uns der Frage gemeinsam an.
Gott ist tot! - Nietzsche, 1883

Nietzsche ist tot. - Gott, 1900

Ufff, Nietzsche. Erscheint mir müssig, über seine "Argumentation" zu sprechen, da seine Gedankengänge (in meinen Augen) kein System, keinen roten Faden aufweisen.
Interessant dazu eine seiner Aussagen:
Nietzsche hat geschrieben:Ich kenne den Atheismus durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu fragwürdig, zu übermüthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!
Da er kein "Gespür" fürs Übernatürliche hatte, kann es ergo so etwas nicht geben. Wow, ganz tolle Argeumentation... :gaehn:

Sein "Gott-ist-tot" Aphorismus ist allerdings nicht religionskritisch gemeint (so lese ich neuerdings gängige Interpretationen dazu), sondern eine Kritik an ien Menschen, die sich von Gott abgewendet haben und ihr eigenes "Ding" machen. So betrachtet, hätte diese Kritik auch von einem gläubigen Christen stammen können. Ähnlich kann auch Søren Kierkegaard verstanden werden.
Man beachte: Beide Philosophen waren seelisch kranke Menschen und man kann mMn zu recht hinterfragen, inwiefern sie ihre Philosophien auf Grundlage ihrer persönlichen Probleme und subjektiven Sichtweise erstellt haben. Aufgrund dessen stehen sie in bester Tradition mit M. Luther und man beachte: Nietzsche und Kierkegaard waren auch originär protestantisch.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 10:49
Beide Philosophen waren seelisch kranke Menschen und man kann mMn zu recht hinterfragen, inwiefern sie ihre Philosophien auf Grundlage ihrer persönlichen Probleme und subjektiven Sichtweise erstellt haben.
In einer argumentativen(!) Auseinandersetzung mit ihren Lehren, hat diese Diskreditierung durch Pathologisierung aber nichts zu suchen! :dudu: :regel: :dudu:
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:06
In einer argumentativen(!) Auseinandersetzung mit ihren Lehren, hat diese Diskreditierung durch Pathologisierung aber nichts zu suchen! :dudu: :regel: :dudu:

Meinst du das ironisch/sarkastisch?

Ich habe nicht gemeint, dass sie krank waren, sind auch ihre Überlegungen krank, sondern, dass man bei der Auseinandersetzung mit ihren Lehren durchaus ihre persönliche Probleme in Betracht ziehen sollte, weil es u. a. durchaus ihr Denken erklärt (und eben beeinflusst hat).
Unterm Strich aber verlieren diese Philosophien auf Grundlage ihrer "subjektiven Methode" deutlich an Wert.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:16
Meinst du das ironisch/sarkastisch?
Nein.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:16
Ich habe nicht gemeint, dass sie krank waren, sind auch ihre Überlegungen krank, sondern, dass man bei der Auseinandersetzung mit ihren Lehren durchaus ihre persönliche Probleme in Betracht ziehen sollte, weil es u. a. durchaus ihr Denken erklärt (und eben beeinflusst hat).
In einer Auseinandersetzung mit den Argumenten ihrer Lehre im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt, sollte das Psychologisieren außen vor bleiben.
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Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:29
In einer Auseinandersetzung mit den Argumenten ihrer Lehre im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt, sollte das Psychologisieren außen vor bleiben.
Sehe ich anders, weil meine Anmerkung unter die Sparte "Methodenkritik" fällt.

Ich habe ja auch ein Beispiel hierzu zitiert und interpretiert. Wenn Nietzsche meint, dass es Gott nicht geben kann und Metaphysik "Schwachsinn" ist, under es allein damit "begründet", dass er kein "intuitives Gespür" dafür hat, dann ist das methodisch richtig schwach.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:38
Wenn Nietzsche meint, dass es Gott nicht geben kann und Metaphysik "Schwachsinn" ist, under es allein damit "begründet", dass er kein "intuitives Gespür" dafür hat, dann ist das methodisch richtig schwach.
Genau! Es gibt also gar keinen Grund, auf das Feld der Psychologie zu wechseln.
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:44
Genau! Es gibt also gar keinen Grund, auf das Feld der Psychologie zu wechseln.
Sag das Nietzsche, der ja bei seiner Philosophie von sich ausgeht.
Wenn er meinte, subjektivistisch argumentieren zu müssen, muss er sich auch Kritik diesbezüglich gefallen lassen.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:49
Sag das Nietzsche
Wenn du mir sagst, wie das geht, dann mach ich´s ;)
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Nietzsche war Sohn eines lutherischen Pfarrers. Ein gutes Argument für das zölibatere Priestertum. 8)

Ich glaube nicht, daß Nietzsche besonders an der Konstruktion eines schlagenden Arguments gegen Gott interessiert war. Sein Ding war eher eine sozio-kulturelle Analyse: seiner Meinung nach wurde der (christliche) Glaube durch die Aufklärung im Wesentlichen unmöglich gemacht. Darum halt sagt er "wir haben Gott getötet", nämlich durch die sozialen und kulturellen Umwälzungen der Moderne in der Folge der Aufklärung.

Genau wie bei Marx kann man auch bei Nietzsche sagen: Analyse originell und voller interessanter Anstöße, eigene Schlußfolgerungen und Entwicklung der Gedanken leider oft problematisch, aber anschließende Aufnahme und Umsetzung durch andere absolut katastrophal in ihren historischen Auswirkungen.

Jedenfalls kann man wohl kaum abstreiten, daß Nietzsche mit seiner Analyse recht hatte: die durch die Aufklärung ausgelöste Moderne tötet Gott langsam aber sicher (in menschlichen Köpfen), und für die meisten Menschen im Westen ist er inzwischen tot. Wenn man das heute sagt, ist es ziemlich offensichtlich, zu Nietzsches Zeit war es noch ziemlich radikal.

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:38
Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:29
In einer Auseinandersetzung mit den Argumenten ihrer Lehre im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt, sollte das Psychologisieren außen vor bleiben.
Sehe ich anders, weil meine Anmerkung unter die Sparte "Methodenkritik" fällt.
Nein, das war in der Tat ein klassisches argumentum ad hominem von Dir, also ein Angriff auf die Person um ihre Aussagen zu diskreditieren, ohne sie zu diskutieren.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:38
Ich habe ja auch ein Beispiel hierzu zitiert und interpretiert. Wenn Nietzsche meint, dass es Gott nicht geben kann und Metaphysik "Schwachsinn" ist, under es allein damit "begründet", dass er kein "intuitives Gespür" dafür hat, dann ist das methodisch richtig schwach.
Das sagt Nietzsche in Deinem Zitat überhaupt nicht. Nietzsche gibt hier vielmehr eine sehr ehrliche "psychologische" Selbstanalyse seiner Reaktion auf das Reden über Gott und wie er zu seinem Atheismus kommt.

Nietzsche muß man mehr "literarisch" als "logisch" lesen.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 12:16
Nein, das war in der Tat ein klassisches argumentum ad hominem von Dir, also ein Angriff auf die Person um ihre Aussagen zu diskreditieren, ohne sie zu diskutieren.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 10:49
Man beachte: Beide Philosophen waren seelisch kranke Menschen und man kann mMn zu recht hinterfragen, inwiefern sie ihre Philosophien auf Grundlage ihrer persönlichen Probleme und subjektiven Sichtweise erstellt haben.
Tut mir Leid, sehe deinen Einwand hierfür nicht zutreffend.
Ansonsten möge man mir erklären, was daran ein Angriff ad hominem sein soll, wenn ich darauf hinweise, dass man bei der Analyse der Denkweisen bestimmter Philosophen, ihre persönlichen Situationen und Umstände mit in Betracht ziehen sollte.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 12:16
Das sagt Nietzsche in Deinem Zitat überhaupt nicht. Nietzsche gibt hier vielmehr eine sehr ehrliche "psychologische" Selbstanalyse seiner Reaktion auf das Reden über Gott und wie er zu seinem Atheismus kommt.
Dann können wir ja auch zum Thread-Thema kommen: Wie begründet Nietzsche dann den Atheismus?

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:57
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:49
Sag das Nietzsche
Wenn du mir sagst, wie das geht, dann mach ich´s ;)
Seance?! :P

Ich halte subjektivistische Philosophien und ihre Methoden für defizitär. Da müssen sich ihre Protagonisten und ihre Befürworter es gefallen lassen, wenn man eben die dazugehörigen Subjekte mit in die Analysen miteinbezieht. Das dann als "argumentum ad hominem" zu maßregeln halte ich wiederum für unangebracht.

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 12:28
Tut mir Leid, sehe deinen Einwand hierfür nicht zutreffend.
Ansonsten möge man mir erklären, was daran ein Angriff ad hominem sein soll, wenn ich darauf hinweise, dass man bei der Analyse der Denkweisen bestimmter Philosophen, ihre persönlichen Situationen und Umstände mit in Betracht ziehen sollte.
Du sagst daß diese Philosophen "seelisch kranke Menschen" waren und um sicher zu gehen, daß das die Voreingenommenheit auch durchschlägt, spekulierst Du dann explizit daß "sie ihre Philosophien auf Grundlage ihrer persönlichen Probleme" erstellt haben. Das suggeriert eben, daß Nietzsche nicht ernst zu nehmen ist weil seine Gedanken "krank" waren, und daß wer ihm zustimmt vermutlich selber ähnlich "krank im Kopf" ist. Es geht kaum klarer was den Versuch eines argumentum ad hominem angeht...

Eine korrekte Diskussion (philosophischer) Aussagen hingegen ist komplett neutral was die Person und ihre Umstände angeht. Man redet ausschließlich über die Aussagen selber, nicht darüber woher sie kommen und warum sie gemacht wurden. Allenfalls kann man solche Information gebrauchen um die Aussagen überhaupt zu verstehen. Es kann z.B. sein, daß man in Zeit und Kultur so fern von dem Sprecher ist, daß man ohne diese Information die Aussage garnicht richtig versteht. Aber dies muß minimal bleiben um eben gerade jede Voreingenommenheit zu vermeiden.

Das gilt im Übrigen auch im Positiven, nur ist das halt seltener. Aber es kommt durchaus vor, daß jemand über den Klee gelobt wird um positive Voreingenommenheit für seine Aussagen zu erzeugen.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:06
Du sagst daß diese Philosophen "seelisch kranke Menschen" waren und um sicher zu gehen, daß das die Voreingenommenheit auch durchschlägt, [...]
Voreingenommenheit? Wohl eher glasklare Fakten.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:06
[...]spekulierst Du dann explizit daß "sie ihre Philosophien auf Grundlage ihrer persönlichen Probleme" erstellt haben.
Spekulation? Ich habe angeführt, auch ruhig das zu bedenken, inwiefern ihre Philosophien auch mit ihren persönlichen Umständen und Problemen zu tun haben. Darüber kann und sollte man auch nachdenken, wenn man sich mit den Philosophen und ihren Lehren auseinandersetzt. Was ist daran falsch?
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:06
Das suggeriert eben, daß Nietzsche nicht ernst zu nehmen ist weil seine Gedanken "krank" waren, und daß wer ihm zustimmt vermutlich selber ähnlich "krank im Kopf" ist.
Das ist DEINE Interpretation meiner Worte und du hast mich eindeutig missverstanden. Tut mir Leid. Ich habe es jetzt hier nochmals erklärt, worauf ich hinaus wollte. Wenn du immer noch meinst, dass wäre eine Diffamierung der Person Nietzsches, dann belasse ich es dabei und kann dir auch nicht mehr helfen.

Oder willst du behaupten, alle Philosophen haben rein objektiv ihre Ansätze völlig neutral unabhängig ihrer Umstände und Situationen entwickelt?

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:21
Darüber kann und sollte man auch nachdenken, wenn man sich mit den Philosophen und ihren Lehren auseinandersetzt. Was ist daran falsch?
Nichts. Nur wenn man über Aussagen formal debatiert, dann ist das eben nicht gestattet. Und der Grund ist, daß das ein beliebtes Täuschungmanöver ist. Man ersetzt die Kritik am Argument durch die Kritik an der Person, in der Regel weil es leicht ist die Person aber schwer das Argument anzugreifen. Es kann sein, daß Du da frei von jedem Hintergedanken blauäugig einfach nur etwas zu Nietzsche sagen wolltest. Aber das ändert nichts daran, daß Leute die ihre eristische Dialektik kennen sofort einen unerlaubten Angriff konstatieren.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:21
Wenn du immer noch meinst, dass wäre eine Diffamierung der Person Nietzsches, dann belasse ich es dabei und kann dir auch nicht mehr helfen. Oder willst du behaupten, alle Philosophen haben rein objektiv ihre Ansätze völlig neutral unabhängig ihrer Umstände und Situationen entwickelt?
Es geht überhaupt nicht darum, ob Du etwas Wahres über Nietzsche gesagt hast. Diffamierung ist einfach nicht im Spiel. Es geht auch überhaupt nicht darum, daß kein Mensch jemals "völlig neutral unabhängig von Umständen und Situationen" spricht. Das versteht sich von selbst. Es geht darum, daß die Sache zu diskutieren ist, nicht die Person. Punkt und aus. Wenn Hitler sagt daß Wasser naß ist und Stalin daß ein Kreis rund ist, dann haben sie recht, völlig unabhängig davon daß sie menschliche Monster waren. Wenn Einstein sagt, daß Australien die Hauptstadt von Luxemburg ist, dann hat er unrecht, auch wenn er ein Genie ist. Wenn der Dalai Lama sagt, daß der Mond aus Käse ist, dann hat er unrecht, auch wenn er ein symapthischer Erleuchteter ist. In einer formalen Debatte tut die Person wortwörtlich nichts zur Sache, sondern nur die Aussage. Sie steht oder fällt aus eigener Kraft, alles andere ist der rhetorischen Trickspielerei verdächtig.

Du kannst allerdings durchaus ins Feld führen, daß der Kreuzgang kein Ort der formalen Debatte ist, und daß wir uns unsere Bedenken sonstwo hinschieben können. Das ist auch völlig richtig, selbstverständlich steht es Dir komplett frei hier eine Polemik vom Stapel zu lassen. Aber Du hast Dich auf das Spielchen von Vinzenz eingelassen, und solange wir nach den Regeln formaler Debatte beurteilen, hatte er schlicht recht und Du unrecht.

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Juergen
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Juergen »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 17:07
…Wenn der Dalai Lama sagt, daß der Mond aus Käse ist, dann hat er unrecht,…
Echt jetzt‽ :auweia:
Gruß Jürgen

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Martina

Nietzsches Argumente für Gott

Beitrag von Martina »

Ich kann es mir nicht verkneifen, aber das einzige, was mich bei Nietzsche beeindruckt hat, war das - oder gibt es noch einen anderen Nietzsche?


Friedrich Wilhelm Nietzsche
Dem unbekannten Gott

Noch einmal, eh ich weiterziehe
Und meine Blicke vorwärts sende,
Heb' ich vereinsamt meine Hände
Zu dir empor, zu dem ich fliehe,
Dem ich in tiefster Herzenstiefe
Altäre feierlich geweiht,
Daß allezeit
Mich deine Stimme wieder riefe.

Darauf erglüht tiefeingeschrieben
Das Wort: dem unbekannten Gotte.
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte
Auch bis zur Stunde bin geblieben:
Sein bin ich - und ich fühl' die Schlingen,
Die mich im Kampf darniederziehn
Und, mag ich fliehn,
Mich doch zu seinem Dienste zwingen.

Ich will dich kennen, Unbekannter,
Du tief in meine Seele Greifender,
Mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender,
Du Unfaßbarer, mir Verwandter!
Ich will dich kennen, selbst dir dienen.

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Vielen Dank, Martina. Wunderbar. :hutab: Wann hat er das denn geschrieben?

Martina

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Martina »

Ich weiß nicht, wann Nietzsche das geschrieben hat. Ich habe mich immer gewundert, wieso das keiner kennt und Nietzsche als Atheisten bezeichnet.Wir hatten das in der Schule im Deutschunterricht.
In dem Buch Nietzsche und die Lyrik steht unter Einzelgedichte, die religiöse Tradition sei in Nietzschevtief verwurzelt gewesen aufgrund seiner Herkunft, und dass er sie »nicht mehr loswerden konnte.

Das erscheint mir aber viel zu simpel und zu profan. Er klingt mir eher wie ein verzweifelt Suchender.

P.S.: jetzt hab ich's gefunden. In dem Buch steht bloß "Einzelgedichte bis 1877". Hier ist noch ein Link: https://link.springer.com/chapter/10.10 ... -05596-5_5.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 17:07
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 14:21
Darüber kann und sollte man auch nachdenken, wenn man sich mit den Philosophen und ihren Lehren auseinandersetzt. Was ist daran falsch?
Nichts.
Gut. Dann verstehe ich nicht, wozu du dann so darüber erregst.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 17:07
Nur wenn man über Aussagen formal debatiert, dann ist das eben nicht gestattet.
Ich warte immer noch für den Nachweis, wo ich irgendeine Aussage Nitzsches mit dem Hinweis auf seine schlechte psychische Verfassung abgetan habe. Ich bitte um ein Zitat.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 17:07
Diffamierung ist einfach nicht im Spiel.
Solang du mir nicht erklären kannst, was an der Nennung der Tatsache, dass Nitzsche usw. psychische Probleme hatten, diffamierend sein soll, verstehe ich dein Problem nicht.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 17:07
Es kann sein, daß Du da frei von jedem Hintergedanken blauäugig einfach nur etwas zu Nietzsche sagen wolltest.
Ja, hättest du einfach in Ruhe gelesen, statt irgendeinen Unsinn in meine Worte hineinzuinterpretieren, dann hättest du es auch gemerkt.
Natürlich, ich (be-)werte Nietzsches Philosophie und ordne sie mit meinem Verweis auf seine schwache psychische Verfassung philosophiehistorisch ein.
Wenn ich mir das Gesamtpaket "Nitzsches Philosophie" angucke, dann verstehe ich nicht, warum diese Denkweise überhaupt eine soziale Relevanz haben sollte, wenn man bedenkt, dass er quasi von sich aus gesehen verallgemeinert hat, ähnlich wie Luther oder Kierkegaard. Damit meine ich, dass ich die Methodik ihrer "Erkenntnisgewinnung" mangelhaft finde.
Das ändert aber nichts daran, dass man sich einzelne Standpunkte und Ansätze angucken und inhaltlich-formal bearbeiten kann. In diesem Falle wäre ein Verweis auf die psychische Verfassung selbstverständlich nicht angebracht. Nur habe ich das nicht gemacht. Du wirfst mir das aber vor. Also bin ich irritiert, was du von mir willst.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 12:16
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 11:38
Ich habe ja auch ein Beispiel hierzu zitiert und interpretiert. Wenn Nietzsche meint, dass es Gott nicht geben kann und Metaphysik "Schwachsinn" ist, under es allein damit "begründet", dass er kein "intuitives Gespür" dafür hat, dann ist das methodisch richtig schwach.
Das sagt Nietzsche in Deinem Zitat überhaupt nicht. Nietzsche gibt hier vielmehr eine sehr ehrliche "psychologische" Selbstanalyse seiner Reaktion auf das Reden über Gott und wie er zu seinem Atheismus kommt.
Und welche Argumente bringt Nietzsche dann für den Atheismus vor, statt nur den seinen?

Trisagion
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 23:11
Gut. Dann verstehe ich nicht, wozu du dann so darüber erregst.
Ich habe mich nicht besonders erregt, Ich habe Dir nur Vinzenz Mahnung erläutert. Was Du konkret geschrieben hast kann jeder einfach oben nachlesen. Ich denke es war unbestreitbar ein argumentum ad hominem, Du bestreitest das, andere können sich ihr eigenes Bild machen.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 24. September 2020, 23:11
Und welche Argumente bringt Nietzsche dann für den Atheismus vor, statt nur den seinen?
So ungefähr, daß der Mensch nur frei werden und zu seiner wahren Größe kommen kann, wenn er den Glauben an (den christlichen) Gott abschüttelt, weil dieser Glaube ihn mit Moralismus und Bedenkentragen kleinhält und zum Selbsthass und zur Selbstbegrenzung verführt.

Das ist also weniger ein logisches Argument gegen die Existenz, als vielmehr ein Aufruf zur Revolution, zum Freiheitskampf gegen den Unterdrücker der Menschheit, Gott. Es ist praktisch hilfreich, wenn es Gott nicht wirklich gibt, weil die Revolution dann nur bis zu den Glaubenstäuschern vordringen muß. Aber gäbe es Gott doch, dann würde Nietzsche versuchen ihn zu stürzen und töten, den Menschen zuliebe...

Es macht recht wenig Sinn, Nietzsche wie einen "normalen" Atheisten anzugehen der gegen die Existenz Gottes argumentiert. Nietzsche geht es mehr um die Motivation warum wir Atheisten sein sollten, oder auf jeden Fall nicht Christen sein sollten.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. September 2020, 04:21
So ungefähr, daß der Mensch nur frei werden und zu seiner wahren Größe kommen kann, wenn er den Glauben an (den christlichen) Gott abschüttelt, weil dieser Glaube ihn mit Moralismus und Bedenkentragen kleinhält und zum Selbsthass und zur Selbstbegrenzung verführt.

Das ist also weniger ein logisches Argument gegen die Existenz, als vielmehr ein Aufruf zur Revolution, zum Freiheitskampf gegen den Unterdrücker der Menschheit, Gott. Es ist praktisch hilfreich, wenn es Gott nicht wirklich gibt, weil die Revolution dann nur bis zu den Glaubenstäuschern vordringen muß. Aber gäbe es Gott doch, dann würde Nietzsche versuchen ihn zu stürzen und töten, den Menschen zuliebe...

Es macht recht wenig Sinn, Nietzsche wie einen "normalen" Atheisten anzugehen der gegen die Existenz Gottes argumentiert. Nietzsche geht es mehr um die Motivation warum wir Atheisten sein sollten, oder auf jeden Fall nicht Christen sein sollten.
Das ist natürlich interessant.
Da frage ich mich, wie seine religiöse Erziehung war, welches Gottesbild ihm vermittelt wurde, dass er Gott als Unterdrücker angesehen hat.
Darauf aufbauend kann man auch fragen, inwiefern Nietzsche gegen (den christlichen) Gott argumentiert, oder bloß gegen ein falsches, verengtes Gottesbild.
Wie denn auch sei, offenbar ging es Nietzsche primär um Ethik-/Moralkritik:
Alle metaphysischen und religiösen Spekulationen seien dagegen psychologisch erklärbar; sie hätten vor allem der Legitimation bestimmter Moralen gedient. Die jeweilige Art zu denken, die Philosophien der Philosophen sind nach Nietzsche aus deren körperlicher und geistiger Verfassung sowie ihren individuellen Erfahrungen abzuleiten.

„In der That, man thut gut (und klug), zur Erklärung davon, wie eigentlich die entlegensten metaphysischen Behauptungen eines Philosophen zu Stande gekommen sind, sich immer erst zu fragen: auf welche Moral will es (will er –) hinaus?“
– Jenseits von Gut und Böse
Tja, auf welche Moral wollte Nietzsche hinaus?

War Nietzsche eigentlich von Feuerbach beeinflusst? Klingt sehr nah an jenem. Die Menschen machten sich einen Gott um eine bestimmte Ethik einzusetzen. Um eine neue Ethik zu begründen, muss man diesen Gott / diese Gottes-Projektion töten oder durch einen neuen "Gott" ersetzen.
Interessant, wie Nietzsche und Feuerbach in den Köpfen vieler heutiger christlicher "Theologen" herumspuken...
Zuletzt geändert von Bruder Donald am Freitag 25. September 2020, 10:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Vinzenz Ferrer
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Vinzenz Ferrer »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. September 2020, 04:21
Es macht recht wenig Sinn, Nietzsche wie einen "normalen" Atheisten anzugehen der gegen die Existenz Gottes argumentiert.
:ja:
„Tot“ kann übrigens nur jemand sein, der irgendwann mal gelebt hat. Ist das ein Anknüpfungspunkt? Ein Zugang? Eine Brücke?
Glaube heißt Widerstand gegen die Schwerkraft. (Benedikt XVI.)

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Vinzenz Ferrer hat geschrieben:
Freitag 25. September 2020, 10:45
Trisagion hat geschrieben:
Freitag 25. September 2020, 04:21
Es macht recht wenig Sinn, Nietzsche wie einen "normalen" Atheisten anzugehen der gegen die Existenz Gottes argumentiert.
:ja:
„Tot“ kann übrigens nur jemand sein, der irgendwann mal gelebt hat. Ist das ein Anknüpfungspunkt? Ein Zugang? Eine Brücke?
Naja, Gott als Projektion.
Erst hat der Mensch sich seinen Gott geschaffen, ihm leben eingehaucht, am Ende hat man diesen Gott, diese Projektion, getötet.

Bruder Donald

Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Bruder Donald »

Doku zu Nietzsches "Gott ist tot" Aussage.

Skylark
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Skylark »

Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 30. September 2020, 17:43
Doku zu Nietzsches "Gott ist tot" Aussage.
Der Satz "Gott ist tot." ist keine Blasphemie, sondern bewegt sich im Spannungsfeld von menschlicher Dummheit, menschlicher Hybris und Maulheldentum.

Nietzsche verwendet ihn in erster Linie als Teaser, um Aufmerksamkeit für seine subjektive Gedankenwelt zu erregen.
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Lycobates
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Lycobates »

Skylark hat geschrieben:
Samstag 3. Oktober 2020, 22:06
Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 30. September 2020, 17:43
Doku zu Nietzsches "Gott ist tot" Aussage.
Der Satz "Gott ist tot." ist keine Blasphemie, sondern bewegt sich im Spannungsfeld von menschlicher Dummheit, menschlicher Hybris und Maulheldentum.

Nietzsche verwendet ihn in erster Linie als Teaser, um Aufmerksamkeit für seine subjektive Gedankenwelt zu erregen.
Natürlich, Skylax, aber trotzdem können „menschliche Dummheit, menschliche Hybris und Maulheldentum“ auch blasphemisch sein, saltem materialiter.
Das macht es im Grunde nur umso trauriger.
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Lycobates
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Re: Nietzsches Argumente gegen Gott

Beitrag von Lycobates »

Lycobates hat geschrieben:
Samstag 3. Oktober 2020, 22:26
Skylark hat geschrieben:
Samstag 3. Oktober 2020, 22:06
Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 30. September 2020, 17:43
Doku zu Nietzsches "Gott ist tot" Aussage.
Der Satz "Gott ist tot." ist keine Blasphemie, sondern bewegt sich im Spannungsfeld von menschlicher Dummheit, menschlicher Hybris und Maulheldentum.

Nietzsche verwendet ihn in erster Linie als Teaser, um Aufmerksamkeit für seine subjektive Gedankenwelt zu erregen.
Natürlich, Skylax, aber trotzdem können „menschliche Dummheit, menschliche Hybris und Maulheldentum“ auch blasphemisch sein, saltem materialiter.
Das macht es im Grunde nur umso trauriger.
Entschuldigung, Skylark, nicht Skylax ...
(but thou need'st not to be gone ;) )
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