Bruder Donald hat geschrieben: ↑Freitag 4. Dezember 2020, 00:52
Den drauf folgenden Satz verstehe ich nun so, dass selbst die Heiligen gar nicht im Jenseits existent bzw. bei Bewusstsein sind:
Heinzmann, S. 256 hat geschrieben:Konkret besagt das, und so steht es bei Thomas, daß man etwa zu Petrus nur beten kann mit dem Blick auf sein irdisches Leben oder in der Hoffnung auf die Auferstehung.[82]*
*Die Fußnoten muss ich mir noch genauer angucken
Führt das aber nicht unsere katholische Tradition, z. B. für die Verstorbenen zu beten oder einen Ablass für sie zu erwirken ad absurdum? Was sind denn nun die Auswirkungen Heinzmanns Argumentation auf den gelebten Glauben?
Die Fußnote enthält einen Verweis auf
ST IIa IIae q. 83 a. 11 arg. 5 (ad 5)
Die Heiligen im Himmel beten für uns.
...
V. Die Seele des Petrus ist nicht Petrus. Also müßten wir im jetzigen Zustande der vom Leibe getrennten Seelen nicht den heiligen Petrus anrufen, sondern die Seele des heiligen Petrus; was die Kirche nicht thut. Also beten, zumal vor der Auferstehung, die Heiligen nicht für uns.
...
V. Weil die Heiligen es hier auf Erden verdienten, daß sie für uns bitten, deshalb nennen wir sie mit jenen Namen, mit denen man sie hier nannte; so sind sie uns vertrauter und bekannter; und ebenso auf Grund Glaubens an die Auferstehung, nach Exod. 3.: „Ich bin der Gott Abrahams etc.“
Analyse: Es geht also darum ob die Heiligen im Himmel für uns beten. Nr. 5 liefert ein Gegenargument, woraus wir implizit schließen können, welches Argument dafür zu Fall gebracht werden soll. Das vorausgesetzte Argument dafür ist, daß die Kirche sowohl offiziell und in der Liturgie als auch allgemein durch die Gläubigen die Heiligen im Himmel um ihre Gebete bittet. Dadurch wird die These (die Heiligen im Himmel beten für us) durch die Praxis der rechten Autorität (der Kirche) bestätigt, und die Diskussion scheint beendet.
Das Gegenargument attackiert dies, und zwar indem es Thomas eigene Thesen gegen ihn wendet. Nicht so schnell, sagt das Gegenargument: du, Thomas, sagst ja daß die separierte Seele des Petrus nicht der Petrus selber ist. Die Kirche aber ruf nun mal Petrus an, nicht die "separierte Seele des Petrus". Ob sie damit überhaupt etwas vernünftiges tut sei dahin gestellt, aber auf jeden Fall geht es dabei nicht um Petrus in seinem jetzigen Zustand als separierte Seele. Nach der Auferstehung mag eine solche Anrufung des Petrus dann auch den Petrus wie er tatsächlich als Mensch ist meinen, aber nicht jetzt. Also kann man sich nicht auf die Praxis der Kirche berufen um zu behaupten, daß die Heiligen im Himmel für uns beten.
Die Antwort des Thomas bezieht sich nun spezifisch auf diese Gegenargument, explizit spricht er nur dazu. Er sagt im wesentlichen, daß dieses Gegenargument Bananenbiegerei ist. Wir rufen die separierte Seele des Petrus als Petrus an, schlicht weil Petrus sich seine Heiligkeit als Mensch auf Erden verdient hat (
pace Diskussion der Gnade der Erlösung, andere Baustelle), und wir ihn eben daher kennen. Das ist schlicht ein natürlicher Sprachgebrauch, es ist keine theologische Analyse. Und Thomas weißt darauf hin, daß Gott selber so redet (Exodus 6,3), und daß der Sprachgebrauch auch theologisch Sinn macht im Rahmen des Glaubens an die Auferstehung. Will sagen, würde Petrus nun für immer eine separierte Seele bleiben, müßte man das vielleicht auch sprachlich reflektieren. Aber nicht nur kennen wir Petrus als kompletten Mensch aus seiner irdischen Vergangenheit, sondern wir werden ihn auch im Himmel in Ewigkeit so sehen, und es macht keinen Sinn nun für die endliche Zeit zwischen seinem irdischen Tod und der Auferstehung seines Leibes eine besondere Sprachregelung zu finden.
Das war es auch schon. Es geht hier garnicht wirklich um den Zustand der Heiligen, sondern darum eine spitzfindiges Argument abzuwehren, daß sich diesen Zustand zu Nutze machen will um das Gewicht der Praxis der Kirche in Frage zu stellen. Und Thomas Antwort ist eine pragmatische Analyse unserer Sprache, keine theologische Analyse des Zustands selber. Allenfalls kann man hier implizite Folgerung bzgl. des Zustands anstellen. So greift Thomas z.B. nicht die Unterscheidung zwischen Petrus als kompletten Menschen und Petrus als separierte Seele an, die das Gegenargument macht - er sagt also etwa nicht, daß diese essentiell gleich sind. Man kann also folgern, daß er dieser Unterscheidung zustimmt, oder sie zumindestens als möglich duldet. Aber das wissen wir ja eh schon, Thomas macht solche Unterscheidungen explizit anderswo. Insofern ergibt sich hier wenig neues.
Um jetzt zu Heinzmanns Satz
"Konkret besagt das, und so steht es bei Thomas, daß man etwa zu Petrus nur beten kann mit dem Blick auf sein irdisches Leben oder in der Hoffnung auf die Auferstehung." zurückzukehren: Dieser Satz ist richtig vom Inhalt her, aber führt vom Ausdruck her in die Irre. Es ist richtig, daß man zu Petrus (dem kompletten Menschen) nur beten kann mit Blick auf sein irdischen Leben oder die Auferstehung (Glaube an, übrigens, nicht Hoffnung auf). Denn nur dort ist Petrus als kompletter Mensch zu finden, derzeit im Himmel ist er eine separierte Seele. Aber der Satz führt in die Irre, weil er das problematisiert, wohingegen Thomas im Gegenteil mit seiner Rede entproblematisiert. Thomas sagt, daß es sprachlich in Ordnung ist die separierte Seele normal menschlich als Petrus anzureden, ohne groß Gedanken auf Petrus Zustand als separierte Seele zu verschwenden, wohingegen Heinzmann den Eindruck erweckt, daß der Betende quasi nur zu Petrus beten darf falls er gleichzeitig explizit an entweder an Petrus Leben auf Erden oder nach der Auferstehung denkt. Heinzmann ist vom Sachinhalt bei Thomas, in der Bewertung und bzgl. praktischer Konsequenzen aber nicht.
Weder Heinzmann noch Thomas würden die katholische Praxis die Heiligen um Gebete anzurufen in Frage stellen. Aber Thomas ist wesentlich pragmatischer als Heinzmann, er sagt daß die von ihm gemachten Unterscheidungen bzgl. der separierten Seele für diese Praxis keine echte Rolle spielen.
Du wiederum redest etwas an beiden vorbei, indem Du nicht über unsere Anrufung der Heiligen - mit der Bitte, daß sie für uns beten - redest, sondern vielmehr über unser Gebet für die Noch-nicht-Heiligen im Fegefeuer. Ich denke weder Heinzmann noch Thomas würden dies ablehen, und warum auch? (In der Tat, genau in dieser Frage & Artikel, aber unter Argument III, findest Du einen Kommentar der implizit offensichtlich macht, daß Thomas an die normale kirchliche Praxis in dieser Sache glaubt.)