Paulusbriefe / Katholische Briefe

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Bruder Donald

Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Bruder Donald »

Es scheint ja größtenteils "wissenschaftlicher" Konsens zu sein, dass bestimmte Briefe des Neuen Testaments nicht denjenigen zugeschrieben werden, deren Namen sie Tragen.
Paulus z. B. werden nur 7 Briefe zugerechnet, die zwei Petrusbriefe sind wahrscheinlich gar nicht von Petrus (noch nicht einmal von einem einzigen Autor).
Was haltet ihr davon? Ist es relevant, ob nun Paulus den Brief an die Epheser verfasst hat, nimmt es sich viel an seiner Theologie?
Wie stand Klaus Berger dazu?

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Jakobgutbewohner
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Es kam schon vor, daß jemand meinte Texte, die ich schrieb, würden von verschiedenen Autoren stammen.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Bruder Donald

Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Bruder Donald »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Freitag 12. März 2021, 22:22
Es kam schon vor, daß jemand meinte Texte, die ich schrieb, würden von verschiedenen Autoren stammen.
Wir sind im Scriptorium. Intelligente Beiträge zum Thema sind gerne gesehen.

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Protasius
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Protasius »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 12. März 2021, 22:41
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Freitag 12. März 2021, 22:22
Es kam schon vor, daß jemand meinte Texte, die ich schrieb, würden von verschiedenen Autoren stammen.
Wir sind im Scriptorium. Intelligente Beiträge z um Thema sind gerne gesehen.
Tatsächlich halte ich diesen Beitrag für durchaus zum Thema gehörig. Die moderne Bibelwissenschaft versucht in den Paulusbriefen (wie auch anderen Büchern der Heiligen Schrift) verschiedene Autorenschichten allein anhand des Textes festzustellen; viel anderes bleibt ihr bei diesem Unterfangen ja auch schwerlich übrig. Es gibt dabei zwei Ansatzpunkte. Einerseits wird mit außertheologischen Gründen wie Stilistik und verwendetem Vokabular argumentiert, andererseits wird theologisch mit dem Inhalt argumentiert, der sich zwischen den älteren und jüngeren Briefen (insbesondere den Pastoralbriefen) so wesentlich unterscheide, daß man nicht vom selben Autor ausgehen könne.

Heutzutage im wesentlichen unbestritten ist die Autorschaft von 7 der 13 paulinischen Briefe, die als älter betrachtet werden und in denen Paulus auf vorangegangene Briefe und Schüler verweist. Bei den Briefen an die Epheser, an die Kolosser und dem zweiten an die Thessalonicher ist sich die Forschung uneins (manche Forscher nennen sie Deuteropaulinen und betrachten sie als Pseudepigraphen); die drei Pastoralbriefe unterscheiden sich stilistisch von den anderen und werden von vielen Neutestamentlern heute Paulusschülern zugeschrieben (entweder Deuteropaulinen oder Tritopaulinen, falls man bereits Eph, Kol und 2 Thess für Deuteropaulinen erachtet).

Bis zu einem gewissen Grade ist diese Unterscheidung ein Steckenpferd der deutschen theologischen Forschung und findet sich etwa im englischen Sprachraum eher vereinzelt. Ein kritischer Beitrag dazu ist Klaus Haacker: Rezeptionsgeschichte und Literarkritik. Anfragen an die communis opinio zum Corpus Paulinum. Theologische Zeitschrift 65 / 2009, S. 209–228.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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taddeo
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von taddeo »

Einerseits kann, darf und muss man an biblische Texte genauso mit den Methoden einer seriösen Quellenkritik herangehen wie an alle anderen Texte. Die Grundfragen "wer kann das geschrieben haben, wann, zu welchem Zweck" sind nichts Ehrenrühriges, auch nicht für die Heilige Schrift.

Andererseits wäre auch der Erweis kein echtes Problem, dass zB Paulus nicht alle ihm zugeschriebenen Briefe vom ersten bis zum letzten Wort selbst verfasst hätte, und dass Schüler von ihm mit beteiligt gewesen wären. Vielleicht kann man das mit päpstlichen Entzückliken vergleichen: da gibt es auch immer schon "Ghostwriter", die weite Teile des Textes verfassen. Entscheidend ist, dass der Papst sich diese Vorlagen zu eigen macht und sie unter seinem Namen und seiner Autorität veröffentlicht werden. Wenn die Kirche Schriften autoritativ als "Paulinen" rezipiert hat, gibt es keinen Grund, ihre theologische Gültigkeit anzuzweifeln.
(Anderes Beispiel: Ein Rembrandt hat auch nur eine bestimmte Zahl von Bildern vom ersten bis zum letzten Pinselstrich selber gemalt; etwa die Hälfte aller "Rembrandts" stammt aber von Schülern aus seiner Werkstatt und entspricht daher trotzdem in Stil, Technik und Qualität den Absichten des Meisters.)

Bruder Donald

Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Bruder Donald »

Protasius hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 07:46
Tatsächlich halte ich diesen Beitrag für durchaus zum Thema gehörig.
Als Teilargument schon, aber eben nicht als einzige "Erklärung", vor allem nicht aus einer rein persönlichen Perspektive. Mir ist zu Studienzeiten ähnliches passiert, da hat mich ein Dozentin fast eines Plagiats oder der Täuschung bezichtigt, da ihrer Meinung nach meine Hausarbeit verschiedene Stile aufwies (was ich gar nicht abstreite, denn ich hatte meiner eigenen Meinung nach noch die einen konsequenten oder konstanten Schreib- bzw. Ausdrucksstil).
Protasius hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 07:46
Heutzutage im wesentlichen unbestritten ist die Autorschaft von 7 der 13 paulinischen Briefe, die als älter betrachtet werden und in denen Paulus auf vorangegangene Briefe und Schüler verweist.
So der wissenschaftliche Mainstream. Klaus Berger datiert die paulinischen Briefe aber recht früh (s. Wikipedia), dass man durchaus von einer Autorenschaft Paulus' (Pauli?) ausgehen kann? Ob das Berger nun so gesehen hat kann ich leider nicht nachprüfen, da mir dazu mMn wichtige Anhaltspunkte wie sein Paulus-Buch oder sein NT-Kommentar nicht zur Verfügung stehen.
Protasius hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 07:46
Bis zu einem gewissen Grade ist diese Unterscheidung ein Steckenpferd der deutschen theologischen Forschung und findet sich etwa im englischen Sprachraum eher vereinzelt.
Inwiefern? Wie wird da datiert und unterschieden?
Protasius hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 07:46
Ein kritischer Beitrag dazu ist Klaus Haacker: Rezeptionsgeschichte und Literarkritik. Anfragen an die communis opinio zum Corpus Paulinum
Danke dafür! :daumen-rauf: Werde es mir mal angucken.

Bruder Donald

Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Bruder Donald »

taddeo hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 11:22
Andererseits wäre auch der Erweis kein echtes Problem, dass zB Paulus nicht alle ihm zugeschriebenen Briefe vom ersten bis zum letzten Wort selbst verfasst hätte, und dass Schüler von ihm mit beteiligt gewesen wären.
Es wäre wohl kein Problem, wenn ein Schüler es zwar verfasst und Paulus es abgesegnet hätte. Aber soweit ich die Wissenschaft(ler) verstehe, wurden die den Paulusschülern zugeschriebenen Briefe postmortem geschrieben?
Dann wäre ja immer noch die Frage inwiefern sie genug von den theologischen Ansichten des Paulus enthalten. Für mich als Gläubigen mag das ja im Grunde nicht wirklich relevant sein, ob die Inhalten in Epheser nun 100% paulinisch sind oder eben nicht. Aber wenn man Paulusforschung betreibt wäre es doch etwas unredlich, Kolosser usw. in die Arbeit zu integrieren, wenn Paulus diese gar nicht verfasst hat. Oder nicht?
taddeo hat geschrieben:
Samstag 13. März 2021, 11:22
(Anderes Beispiel: Ein Rembrandt hat auch nur eine bestimmte Zahl von Bildern vom ersten bis zum letzten Pinselstrich selber gemalt; etwa die Hälfte aller "Rembrandts" stammt aber von Schülern aus seiner Werkstatt und entspricht daher trotzdem in Stil, Technik und Qualität den Absichten des Meisters.)
Interessant, das wusste ich nicht.

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Siard
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Siard »

Letztlich ist diese Frage rein akademischer Natur.
Interessant, aber für den Glauben unbedeutend – es sei denn, man bezweifelt die Autorität der Kirche.
Außerdem sind die wissenschaftlichen "Erkenntnisse" nicht in Stein gemeißelt, sondern ändern sich immer mal wieder.

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Endzeitmann
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Endzeitmann »

Was ist denn mit "katholische Briefe" gemeint?

Gibt es dann auch die "evangelischen Briefe"? Und wenn, wären die dann irrelevant?

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Siard
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Siard »

Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 12:24
Was ist denn mit "katholische Briefe" gemeint?
Eine Suchmaschine oder Wikipedia hätten Dir geholfen.
Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 12:24
Gibt es dann auch die "evangelischen Briefe"? Und wenn, wären die dann irrelevant?
:hae?:

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Endzeitmann
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Endzeitmann »

Danke für deine genauen Ausführungen

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Siard
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Siard »

Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 15:18
Danke für deine genauen Ausführungen
:unbeteiligttu:
Katholisch ist hier nicht konfessionell gemeint, daher ist der zweite Teil merkwürdig.
Klingt für mich wie die Frage: wenn es einen englischen Gruß gibt, gibt es dann auch einen französischen?

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Endzeitmann
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Endzeitmann »

Katholisch ist hier nicht konfessionell gemeint, daher ist der zweite Teil merkwürdig.
Aber wie dann? Das wird in dem Artikel auch nicht so richtig klar.
Klingt für mich wie die Frage: wenn es einen englischen Gruß gibt, gibt es dann auch einen französischen?
Ist halt für mich neu...da es zu der Zeit der Briefe ja noch kein "katholisch" und "evangelisch" gab, warum bezeichnet man diese dann so? Die Wortbedeutung wäre ja: katholisch (von altgriechisch καθολικός katholikós ‚allumfassend')...so hört sich das dann für mich an, als ob es allumfassende Briefe und nicht-allumfassende Briefe gäbe...wobei doch die ganze Bibel inspiriert ist :achselzuck:

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Lycobates
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Lycobates »

Siard hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 20:03
Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 15:18
Danke für deine genauen Ausführungen
:unbeteiligttu:
Katholisch ist hier nicht konfessionell gemeint, daher ist der zweite Teil merkwürdig.
Klingt für mich wie die Frage: wenn es einen englischen Gruß gibt, gibt es dann auch einen französischen?
Als Kind habe ich mich darüber gewundert, daß die Englischen Fräulein hierzulande oft gar kein Englisch konnten ...
;D
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Protasius
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Protasius »

Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 20:23
Katholisch ist hier nicht konfessionell gemeint, daher ist der zweite Teil merkwürdig.
Aber wie dann? Das wird in dem Artikel auch nicht so richtig klar.
Klingt für mich wie die Frage: wenn es einen englischen Gruß gibt, gibt es dann auch einen französischen?
Ist halt für mich neu...da es zu der Zeit der Briefe ja noch kein "katholisch" und "evangelisch" gab, warum bezeichnet man diese dann so? Die Wortbedeutung wäre ja: katholisch (von altgriechisch καθολικός katholikós ‚allumfassend')...so hört sich das dann für mich an, als ob es allumfassende Briefe und nicht-allumfassende Briefe gäbe...wobei doch die ganze Bibel inspiriert ist :achselzuck:
Die anderen Briefe, die nicht zu den katholischen Briefen gezählt werden, sind Briefe an einen bestimmten Adressaten, bspw. an die Gemeinde zu Korinth, zu Rom, zu Ephesus oder ein Brief an Titus, an Timotheus oder an Philemon. Die katholischen Briefe sind hingegen nicht an einen bestimmten Adressatenkreis geschrieben, sondern allumfassend, also ähnlich wie eine Enzyklika, die ja auch nicht an bspw. die Gläubigen in Ozeanien, in Deutschland oder in Burundi gerichtet ist, sondern an alle Gläubigen auf dem Erdkreis. Mit der Inspiration oder ihrer Abwesenheit hat diese Allumfassendheit nicht direkt etwas zu tun.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Endzeitmann
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Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Endzeitmann »

Die katholischen Briefe sind hingegen nicht an einen bestimmten Adressatenkreis geschrieben, sondern allumfassend, also ähnlich wie eine Enzyklika, die ja auch nicht an bspw. die Gläubigen in Ozeanien, in Deutschland oder in Burundi gerichtet ist, sondern an alle Gläubigen auf dem Erdkreis. Mit der Inspiration oder ihrer Abwesenheit hat diese Allumfassendheit nicht direkt etwas zu tun.
Super, danke dir, das ist die Erklärung die ich benötigt habe :huhu:

Bruder Donald

Re: Paulusbriefe / Katholische Briefe

Beitrag von Bruder Donald »

Endzeitmann hat geschrieben:
Sonntag 14. März 2021, 20:23
[...]warum bezeichnet man diese dann so?
Wie Siard dir bereits sagte, Wikipedia hätte dir geholfen:
Die Bezeichnung der Briefe als katholisch (griechisch καθολικός katholikós „allgemein“) geht darauf zurück, dass die Angabe der Adressaten „allgemeiner“ ist als bei den an einzelne Gemeinden oder Einzelpersonen gerichteten Briefen des Apostels Paulus. Zwar werden etwa im 1. Petrusbrief die Christen von fünf Regionen als Empfänger genannt, aber daraus ließe sich keine Kurzbezeichnung formen wie etwa beim Römerbrief. Nur der dritte der Johannesbriefe nennt einen einzelnen Empfänger mit Namen, nämlich Gajus. Die Bezeichnung „katholische Briefe“ verband sich bald mit dem Gedanken, dass diese Briefe an die gesamte Kirche gerichtet seien

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