Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Jakobgutbewohner
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Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Soweit ich sehe, gibt es zu diesem Aspekt bisher noch kein Thema, was mich stärker wundert. In anderen Themen kam er in letzter Zeit schon zur Sprache:
Johannes vom Kreuz, Karmelberg, Buch 3, Kapitel 13 hat geschrieben:... immerhin erneuert sich im Gedenken die Liebe und das Gemüt erhebt sich zu Gott, besonders beim Innewerden übernatürlicher Gestalten, Bilder oder Empfindungen, die sich der Seele so einzusiegeln und einzuprägen pflegen, daß sie lange Zeit anhalten oder gar der Seele nie mehr entschwinden. Fast jedesmal, wenn sich die Seele deren erinnert, die ihr so eingeprägt sind, bemerkt sie in sich göttliche Wirkungen der Liebe, der Milde, des Lichtes usw., manchmal mehr, manchmal weniger; denn dazu wurden sie ihr eingeprägt. So aber erweist Gott ihr eine große Gnade, da sie in sich einen Schacht voll von Schätzen hat.

7 Gestalten, die solche Wirkung üben, wohnen der Seele lebendig inne. Sie gleichen nicht den
von der Phantasie bewahrten Bildern und Formen. Darum hat die Seele es nicht nötig, sich an diese
Fähigkeit zu wenden, wenn sie sich jener erinnern will. Sie findet sie ja in sich und schaut sie wie ein
Bild im Spiegel. Ist es einer Seele verliehen, solche Gestalten formell in sich zu haben, so darf sie sich
ihrer wohl entsinnen um der besagten Liebeswirkung willen. Dadurch wird ihre Liebesvereinigung im
Glauben nicht behindert, da sie sich nicht an der Gestalt entzücken, sondern in der Liebe fördern will,
während sie die Gestalt gleich wieder läßt. So wird sie ihr eher helfen.
viewtopic.php?p=936815#p936815
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Montag 27. März 2023, 13:02
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Sonntag 26. März 2023, 22:38
Der Beamte fing sofort an, von seinen Visionen zu sprechen - dass er beim Gebet ständig Licht an den Ikonen sehe, einen Wohlgeruch wahrnehme, eine außerordentliche Süße im Munde verspüre und so weiter. Nachdem der Mönch diesen Bericht gehört hatte, fragte er den Beamten: „Hatten Sie schon einmal den Gedanken, sich umzubringen?“ – „Und ob!“, antwortete der Beamte, „einmal habe ich mich schon in die Fontanka geworfen, aber man hat mich wieder herausgezogen.“ Es stellte sich heraus, dass der Beamte die vom Heiligen Simeon beschriebene Art des Gebets angewandt und sein Einbildungsvermögen und Blut dadurch sehr erhitzt hatte, wobei der Mensch zu intensivem Fasten und Wachen fähig wird. Diesem Zustand der willkürlich gewählten Selbsttäuschung hatte der Teufel seine Wirkung, die diesem Zustand verwandt ist, hinzugefügt, und die menschliche Selbsttäuschung war in eine deutliche Prelest übergegangen.
https://www.orthpedia.de/index.php/Prelest
viewtopic.php?p=937859#p937859

Weiter aus dem verlinkten Prelest-Artikel:
„Über Prelest“ vom hl. Hierarchen Ignatios (Brjantschaninow) hat geschrieben:Die gefährlichste der falschen Arten des Gebets besteht darin, dass der Betende durch seine Einbildungskraft Phantasien oder Bilder ersinnt, die er anscheinend aus der Heiligen Schrift entnimmt. In der Tat entnimmt er sie aber aus seinem eigenen Zustand, seinem eigenen Fall, seiner eigenen Sündhaftigkeit, seiner eigenen Selbsttäuschung, Mit diesen Bildern schmeichelt er seiner Eingebildetheit, seinem Ehrgeiz, seiner Hochmütigkeit, seinem Stolz; er belügt sich selbst. Offenbar ist, dass alles, was durch die Träumerei unserer Natur, unserer durch den [Sünden]fall verzehrten Natur ersonnen ist, in der Tat nicht existiere - es ist Fiktion und Lüge, dem gefallenen Engel so innewohnend, von ihm so geliebt. Von seinem ersten Schritt auf dem Weg des Betens geht ein Träumer aus dem Bereich der Wahrheit heraus, er betritt den Bereich der Lüge, in den Bereich des Satans und unterwirft sich willkürlich dessen Einfluss.

Der Heilige Simeon der Neue Theologe beschreibt das Gebet eines Träumers und seine Früchte wie folgt: „Er hebt seine Arme, seine Augen und seinen Verstand zum Himmel empor, er bildet sich in seinem Versand“, - ähnlich Klopstock und Milton, - „Göttliche Ratschlüsse, himmlische Freuden, Chöre der heiligen Engel, Einsiedlungen der Heiligen, - kurz gesagt, in seiner Einbildung sammelt er alles, was er in der Heiligen Schrift gehört hat, er betrachtet das während des Betens, schaut zum Himmel empor, und bei all dem regt sich seine Seele im Sehnen und zur Liebe zum Göttlichen, manchmal vergießt er Tränen und weint. Auf diese Weise, nach und nach, wird sein Herz eingebildet, ohne dass dies vom Verstand eingesehen wird; er meint, dass das von ihm Vollzogene eine Frucht der Göttlichen Gnade sei, die zu seinem Trost diene, und er betet zu Gott darum, dass ER ihn würdige, immer in diesem Tun zu verbleiben. Dies ist ein Zeichen von Prelest. Für solch einen Menschen, auch wenn er in perfekter Schweigsamkeit verbleibt, ist es kaum möglich, dass er Geistesverwirrung und Verrücktheit entgeht. Wenn ihm das nicht geschehen sollte, ist es für ihn jedenfalls nicht möglich, die spirituellen Würden der Vernunft und der Tugend oder auch der Leidenschaftslosigkeit zu erreichen. Auf diese Weise ließen sich diejenigen verführen, die das Licht und sein Scheinen mit diesen körperlichen Augen sahen, die mit ihrem Geruchssinn liebliche Gerüche rochen, die mit ihren Ohren Stimmen hörten. Einige von denen wurden besessen und gingen, beschädigt in ihrem Verstand, von Ort zu Ort; die Anderen empfingen den Dämon, der die Gestalt des hellen Engels angenommen hatte, wurden getäuscht und blieben sogar bis zum Ende unberichtigt, ohne von einem der Brüder einen Ratschlag anzunehmen; einige von denen, vom Teufel angestiftet, töteten sich selbst: einige andere stürzten in Bergschlünde hinunter; andere erdrosselten sich. Und wer kann die verschiedenen Täuschungen durch den Teufel aufzählen, mit denen er täuscht und die unsagbar sind? Allerdings kann jeder vernünftiger Mensch aus dem, was von uns gesagt wird, lernen, welcher Schaden aus dieser Art des Gebets entsteht. Wenn aber jemand von denen, die sie praktizieren, keinem der oben genannten Unheile unterzogen wird (aufgrund dessen, dass sie mit ihren Brüdern zusammenleben, da solche Unheile meist alleine wohnenden Eremiten widerfahren), verbringt er sein ganzes Leben erfolglos“ (Über die erste Art der Aufmerksamkeit und des Gebets)

[...]

Zwischen diesen zwei Arten von Prelest existiert gewisslich eine Verbindung. Die Prelest der ersten Art ist mit der Prelest der zweiten Art – der „Meinung“ – immer verbunden. Einer, der sich mittels des natürlichen Vorstellungsvermögens verführerische Bilder ausmalt, der mittels Schwärmerei (Phantasie) diese Bilder in ein verzauberndes Panorama zusammenstellt und sein ganzes Wesen dem verführerischen und kraftvollen Einfluss dieser Malerei unterordnet, meint, dass diese Malerei durch die Wirkung der Göttlichen Gnade zustande komme und dass die Herzensempfindungen, die durch diese Malerei erregt werden, eben segensspendende Empfindungen seien.

Die zweite Art der Prelest – die eigentliche „Meinung“ – wirkt ohne Ersinnung verführerischer Bilder; sie begnügt sich mit der Ersinnung angeblich segensspendender Empfindungen und Zustände, aus denen eine generell falsche, verkehrte Auffassung der geistlichen Askese (Podwig) entsteht. Einer, der sich in der Prelest der „Meinung“ befindet, bekommt eine falsche Ansichtsweise auf alles, was ihn umgibt. Er ist sowohl bezüglich seines Inneren als auch bezüglich seines Äußeren irregeleitet. Die Schwärmerei wirkt stark in denen, die durch die Meinung betrogen und verführt sind; doch wirkt sie ausschließlich im Bereich des Abstrakten. Sie befasst sich entweder gar nicht oder sehr selten mit der eingebildeten Darstellung von Paradies, himmlischen Heimstätten und Palästen, himmlischem Licht und Wohlgeruch, Christus, Engel und Heiligen; doch ersinnt sie immer angeblich spirituelle Zustände, eine enge Freundschaft mit Jesus (Die Nachfolge [Christi] von Thomas vom Kempen, Buch 2, Kap. 8), ein inneres Gespräch mit IHM (Die Nachfolge [Christi] von Thomas vom Kempen, Buch 3, Kap. 1), mystische Offenbarungen (Die Nachfolge [Christi], Buch 3, Kap. 3), Stimmen und Genüsse; sie gründet darauf eine falsche Auffassung über sich selbst und über die christliche Askese (Podwig), sie begründet generell eine falsche Denkweise und eine falsche Stimmung des Herzens; sie versetzt mal in Selbstberauschung, mal in fieberhafte Exaltation und Ekstase. Diese verschiedenartigen Empfindungen kommen vom Ehrgeiz und von der Genusssucht: das Blut gerät in sündige, verführerische Bewegung, die einem wie ein segensspendender Genuss vorkommt. Der Ehrgeiz und die Genusssucht werden ihrerseits vom Hochmut, diesem untrennbaren Gefährten der „Meinung“, erregt. Der schreckliche Stolz, dem Stolz der Dämonen ähnlich, ist die vorherrschende Eigenschaft derjenigen, die sich beide Arten von Prelest zu Eigen gemacht haben. Diejenigen, die durch die erste Art von Prelest verführt sind, versetzt der Stolz in den Zustand eindeutiger Geistesverwirrung; bei den durch die zweite Art Verführten ist sie weniger auffällig, obwohl sie ebenfalls eine Geistesstörung bewirkt, die in der Schrift die Verdorbenheit der Gesinnung genannt wird (2 Tim. 3,8); sie kleidet sich in die Maske der Demut, der Frömmigkeit, der Weisheit und kann an ihren bitteren Früchten erkannt werden. Diejenigen, die mit der „Meinung“ über ihre Tugenden, insbesondere über ihre Heiligkeit, verseucht sind, sind zu allen möglichen Listen, zu Heuchelei, Trug, Falschheit und allen möglichen Übeltaten fähig. Sie schnauben in unversöhnlicher Feindseligkeit wider die Diener der Wahrheit und stürmen gegen sie mit wütendem Hass, da diese den angeblichen Zustand der Verführten nicht anerkennen, welcher ihnen durch die „Meinung“ zugeschrieben und der blind bleibenden Welt zur Schau gestellt wird.
Was hat es damit also genauer auf sich?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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Jakobgutbewohner
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Wenn ich einfach versuche mich möglichst einfach dem Thema zu widmen, wäre vielleicht die Frage interessant, was eigentlich geschieht, wenn jemand z.B. einen Roman liest? Der Leser ist vielleicht sehr angetan vom Protagonisten darin, fühlt, weint, triumphiert mit ihm. Man könnte wohl sagen, das findet in seiner Phantasie statt, denn es ist eine Geschichte, die im letztlich von einem anderen Menschen erzählt wird und die dieser sich in der Regel ausgedacht haben dürfte.

So wie ich Johannes vom Kreuz verstehe bewertet er es auch als bedenklich, wenn ein Mensch eine echte geistige Erfahrung machte, die dann aber vergangen war, danach nicht mehr "lebendig gefühlt" wird, sondern für ihn eher in seiner Erinnerung weiterexistiert, so wie ein Mensch sich vielleicht auch an irgendwelche recht irdischen außergewöhnlichen Ereignisse erinnern wird. Die Erinnerung vieler Menschen verblasst allerdings mit der Zeit und wenn man heutige Polizisten und Richter fragt, dann dürften diese wohl in der Regel ausführen, daß Menschen sich an Ereignisse, zu denen sie eine Zeugenaussage machen, auch ohne böswillige Absichten oft falsch erinnern, weil sie Erlebtes danach durchdacht haben und sich oft so manches zusammenreimten, das gar nicht stimmt und dies später für eine eigene Erinnerung an das betreffende Ereignis halten und so angeben.

Übertragen auf einzelne verblassende mystische Erlebnisse wäre das auch in religiöser Hinsicht natürlich ein Problem. Aber das wäre so wie ich auch Johannes vom Kreuz verstehe nicht immer gegeben. Wie also könnte das im Umgang unter Christen entsprechend geeignet betrachtet werden, wenn man eben erkennt, daß es auch keine gute Lösung sein dürfte alles direkte Erleben pauschal abzuqualifizieren?
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Jakobgutbewohner
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Hier gibt Johannes an, der Teufel könne etwas nicht bewirken. Das könnte also theoretisch als etwas Richtung objektiver Unterscheidung aus jeweiligem Erfahren taugen?
Johannes vom Kreuz, Karmelberg, Buch 2, Kapitel 26 hat geschrieben:Auch kann nur eine Seele die zur Vereinigung mit Gott gelangt,
eines so erhabenen Erkennens inne werden; denn es ist ja selbst die Vereinigung und besteht in einer
gewissen Berührung, die der Seele in der Gottheit zuteil wird; so aber ist es Gott selber, der hier ge-
fühlt und verkostet wird, wohl noch nicht so offenbar und klar wie in der Glorie, doch das Erkennen
und Verkosten durchdringt das Wesen der Seele in einer so erhabenen Berührung, daß der Teufel
sich nicht einmischen, noch es nachahmen kann. Er hat ja weder dieses noch etwas Ähnliches zur
Verfügung und vermag dergleichen Wonne und Freude nicht einzugießen. Jenes Erkennen schmeckt
nach göttlicher Wesenheit und ewigem Leben, und etwas so Erhabenes kann der Teufel nicht vortäu-
schen.

6 Er könnte es jedoch zum Schein nachäffen und der Seele irgend etwas Großartiges und recht fühl-
bar Aufgebauschtes vorstellen in der Absicht, sie zu überzeugen, dies sei Gott. Doch dies dringt nicht
in das Wesen der Seele ein, sie zu erneuern und jäh zur Liebe zu entflammen, wie Gott es tut. Es gibt
nämlich ein Erkennen durch Berührung Gottes im Wesen der Seele, das diese derart bereichert, daß
es nicht nur genügt, der Seele mit einem Male alle Unvollkommenheiten zu nehmen, die sie durch ihr
ganzes Leben nicht loswerden konnte, sondern sie mit Kräften und Gaben Gottes zu erfüllen.
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 25. April 2023, 13:16
Hier gibt Johannes an, der Teufel könne etwas nicht bewirken. Das könnte also theoretisch als etwas Richtung objektiver Unterscheidung aus jeweiligem Erfahren taugen?
Nein, denn was sollte sich anmaßen können hier etwas "objektiv zu unterscheiden"? Doch bloß der Selbst-Wille, der Wahrnehmungen ergreift, Wissen daraus machen will, darüber nachdenkt um verblendet von sich selbst mittels seiner Kreatürlichkeit sich dem anzunähern versucht, das unendlich von seiner Kreatürlichkeit entfernt ist.
Es heißt hier:
Since this knowledge is imparted to the soul suddenly, without the
exercise of free will, individuals do not have to be concerned about
desiring it or not.
Demzufolge sollte man auch diesen Wahrnehmungen gegenüber gleichgültig sein.

Tatsächlich sind Johannes Worte zu diesen Wahrnehmung einer "naked truth" (über Gott) von Kap. 26 Pkt 1-10 sehr ambivalent, weil er sich einerseits von dieser Wahrnehmung distanziert, indem er sie unter den Wahrnehmungen aufführt, welche man hinter sich lassen muss, um dem Gnadengeschenk der Kontemplation kein Hinderniss entgegenzustellen, andererseits redet er in zustimmendem Ton davon, ja er spricht sogar davon als "reine Kontemplation" ("Since this commu­nication is pure contemplation"), nennt sie einen "aspect of union" und weist solche Wahrnehmungen nicht zurück ("I do not say that people should behave negatively"). Solche nackten Wahrheiten über Gott sind zwar unaussprechbar, sagt Johannes, doch wenn die Seele dennoch drüber redet, dann wisse sie, dass ihre eigenen Worte nicht das ausdrücken können, worum es geht.
Nirgendwo sonst in dieser Schrift findet sich eine derartig verdichtete Ambivalenz und man kann sich fragen "Warum nur?"
Mir scheint, dass Johannes hier über die Art von "Kontemplation" spricht, welche die einzige ist, von der Thomas vA sprechen konnte, welche aber nicht das Gnadengeschenk der passiv empfangenen Kontemplation ist, um die es Johannes vK eigentlich geht, sondern es handelt sich um eine erworbene Kontemplation auf der Basis der beschaulichen Vernunft, welche sich göttlichen Dingen widmet. Ein ganz deutlicher Hinweis ist seine Rede von " sweetness and intimate delight" und "spiritual delight" im Kontext dieser Wahrnehmungen, welches darauf hindeutet, dass die denkende mit Begriffen arbeitende Vernunft und damit die Sinnlichkeit involviert ist.
Natürlich fühlt sich Johannes vK dem Thomas vA verbunden, er wurde ja mit seiner Lehre unterrrichtet, baut seine Schrift auf der Anthropologie des Thomas vA auf und - sehr wichtig! - Thomas vA galt auch zur Zeit des Johannes als DER Kirchenlehrer, an dem sich viele Amtsträger der Kirche orientierten. Johannes vK konnte es gar nicht wagen, sich deutlich von Thomas vA abzusetzen und es hätte seiner Empfehlung widersprochen, dass man sich immer an der katholischen Kirche orientieren solle. Man darf nicht vergessen, dass bei der Thematik seiner Schrift immer das Damoklesschwert des Quietismus über ihm schwebte, und zwar um so deutlicher, je mehr er sich von allgemein akzeptierten Autoritäten absetzen würde. Damit will ich nicht sagen, dass nur politisches Kalkül hinter seinem Kap. 26 1-10 steckt, nein, er war sicherlich so in der katholischen Kirche verwurzelt, dass er das ganz natürlich so sehen musste. Aber - und das kann man heutzutage deutlich aussprechen - die Kontemplation von der Thomas vA sprach war sicherlich nicht die Kontemplation, auf die die Schrift des Johannes vK abzielte, die Verbindung/Einswerdung mit Gott. Vor diesem Hintergrund, und als Mahnung, sollte man sich auch die hier behandelten Worte des Thomas vA vor Augen halten mit denen er seine Wissenschaft beendete. Die Enttäuschung/Desillusionierung des Thomas vA scheint mir zu beruhen auf einer übertriebenen Wertschätzung seiner philosophischen "Kontemplationen" und der daraus resultierenden Wahrnehmungen gemäß Kap. 26 Pkt 1-10. Es handelt sich bei diesen jedoch nur um mittels Kreatürlichem erworbenen Erfahrungsinhalten ... verlockender, süßes Ergötzen hervorrufender Schall und Rauch.

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Jakobgutbewohner
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 26. April 2023, 13:25
Nein, denn was sollte sich anmaßen können hier etwas "objektiv zu unterscheiden"?
Z.B. Johannes eben in seinem genannten Buch? Er macht dort Unterscheidungen, die schon recht prägnant wirken und somit theoretisch, richtig aufgefasst, als objektives Kriterium taugen sollten.
Doch bloß der Selbst-Wille, der Wahrnehmungen ergreift, Wissen daraus machen will, darüber nachdenkt um verblendet von sich selbst mittels seiner Kreatürlichkeit sich dem anzunähern versucht, das unendlich von seiner Kreatürlichkeit entfernt ist.
Hm, und Johannes tat z.B. soetwas in seinem Buch?
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Mittwoch 26. April 2023, 14:49
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 26. April 2023, 13:25
Nein, denn was sollte sich anmaßen können hier etwas "objektiv zu unterscheiden"?
Z.B. Johannes eben in seinem genannten Buch? Er macht dort Unterscheidungen, die schon recht prägnant wirken und somit theoretisch, richtig aufgefasst, als objektives Kriterium taugen sollten.
Doch bloß der Selbst-Wille, der Wahrnehmungen ergreift, Wissen daraus machen will, darüber nachdenkt um verblendet von sich selbst mittels seiner Kreatürlichkeit sich dem anzunähern versucht, das unendlich von seiner Kreatürlichkeit entfernt ist.
Hm, und Johannes tat z.B. soetwas in seinem Buch?
Der Johannes kann nicht diskursiv instrumentalisiert werden, denn sonst dürfte man seine Schrift gar nicht zur Kenntnis nehmen: ohne ein Wissen, welches er als durch die Hoffnung zu überwinden lehrt, hätte er ja seine Schrift gar nicht verfassen können. Johannes Tun bewegt sich also außerhalb der Begrifflichkeiten seiner Lehre.
Wenn er unterscheidet, dann unterscheidet er und unterscheidet doch nicht. Ich habe die Ambivalenz im obigen Beitrag ausreichend hervorgehoben. Es hängt hier wirklich nur vom Leser ab, ob bei ihm ankommt, was ankommen soll, ob also die Worte des Johannes Offenbarung sein können oder nicht. Der Johannes-Glaube Typ a1 ist auf jeden Fall Voraussetzung dafür, dass ankommt, was ankommen soll.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 26. April 2023, 14:55
Der Johannes-Glaube Typ a1 ist auf jeden Fall Voraussetzung dafür, dass ankommt, was ankommen soll.
Bei diesem Johannes geht es ja um ein von ihm erklärtes Ziel sozusagen der Nähe, des Einsseins mit Gott. Ich frage mich nun ganz grundsätzlich: Hast du das Gefühl Gott fern zu sein?
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 16:16
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 26. April 2023, 14:55
Der Johannes-Glaube Typ a1 ist auf jeden Fall Voraussetzung dafür, dass ankommt, was ankommen soll.
Bei diesem Johannes geht es ja um ein von ihm erklärtes Ziel sozusagen der Nähe, des Einsseins mit Gott. Ich frage mich nun ganz grundsätzlich: Hast du das Gefühl Gott fern zu sein?
Der Johannes-Glaube Typ a1 ist kein Gefühl, mit welchem ein Begriff von "nah" oder "fern" assoziiert sein könnte - denn was ist es denn, das sich "nah" oder "fern" fühlen könnte? Doch nur das Selbst bzw. eine Intuition von "ich, mein, mir". Wie sollte solch eine Intuition zusammen mit diesem Glauben sein können?

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Mir ging es um deine Motivation diesen "Weg des Johannes vom Kreuz" den er im Karmelberg-Buch beschrieben hat hervorgehoben anziehend zu finden. Wenn ich dich richtig verstand ist soetwas ja bei dir der Fall? Es könnte naheliegen, daß Teil einer solchen Motivation wäre auch das Gefühl zu haben, daß einen so einiges von Gott entfernt hält, man sich ihm gegenüber als ungut entfernt erfährt?
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Nein, keine Motivation es anziehend zu finden. Da war mal ein Impuls das Buch zu öffnen und darin zu lesen und das war's dann. Da es vorher keinen Gott gab, konnte es auch kein Gefühl der Entfernung von ihm geben.

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Jakobgutbewohner
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Das hast du mal formuliert.
Stefanro hat geschrieben:
Freitag 21. April 2023, 06:49
In diesem Sinne ist die Darstellung von Johannes vK mir eine Offenbarung Gottes. Da habe ich gar keine andere Wahl, weil ich das so empfange im Zustande des mir derzeit höchstmöglichen Grades der Demut (in Relation zum höchsten Grad der Demut), welchen ich auch nur empfangen kann.
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Peduli
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Peduli »

Stefanro hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 19:50
Nein, keine Motivation es anziehend zu finden. Da war mal ein Impuls das Buch zu öffnen und darin zu lesen und das war's dann. Da es vorher keinen Gott gab, konnte es auch kein Gefühl der Entfernung von ihm geben.
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 15. Februar 2023, 12:20
Ich weiß ja nicht wo du wohnst, aber bei mir zuhause ist man in die katholische Kirche "hineingeboren" worden, wenn die Eltern katholisch waren. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich nicht freiwillig entschieden, getauft zu werden und ich bin auch nicht gottgläubig geboren worden. In meiner Heimat ging wohl es den meisten Katholiken so wie mir, dass sie Mitglied der katholischen Kirche waren, bevor sie an Gott geglaubt haben.


:hmm: :hmm: :hmm:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 20:00
Das hast du mal formuliert.
Stefanro hat geschrieben:
Freitag 21. April 2023, 06:49
In diesem Sinne ist die Darstellung von Johannes vK mir eine Offenbarung Gottes. Da habe ich gar keine andere Wahl, weil ich das so empfange im Zustande des mir derzeit höchstmöglichen Grades der Demut (in Relation zum höchsten Grad der Demut), welchen ich auch nur empfangen kann.
Ja, diese Formulierung scheint mir gelungen. Und sie passt auch zu dieser:
Stefanro hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 19:50
Nein, keine Motivation es anziehend zu finden. Da war mal ein Impuls das Buch zu öffnen und darin zu lesen und das war's dann. Da es vorher keinen Gott gab, konnte es auch kein Gefühl der Entfernung von ihm geben.

Deine Formulierung "Motivation es anziehend zu finden" dagegen scheint doch absichtsvolle Überlegungen zu implizieren. Ich möchte nicht ausschließen, dass jemand der sich - warum auch immer - auf einem Glaubensweg befindet, sich hier und da informiert, weil er nach Orientierung sucht und nicht zufrieden ist mit seiner aktuellen Situation, unterschiedliche Schriften zum Glauben studiert und dabei Präferenzen entwickelt - warum auch immer. Aber so kenne ich das nicht.

Aber lass uns nun nicht weiter off-area/off-topic gleiten. Denn gemäß den Vorgaben zum Scriptorium ...
Das Scriptorium dient theologischen und philosophischen Fachgesprächen.
Die Beteiligung daran steht allen Teilnehmern offen, doch unter Achtung des beschriebenen Anspruchs.
Alltagsgeschwätz unterbleibt.
Das jeweilige Strangthema wird konsequent beachtet.
Behauptungen, Zitate und dergleichen werden gemäß wissenschaftlichen Gepflogenheiten belegt.
... sollen nicht User-persönliches und "human interest" das Thema von hiesigen Threads sein, sondern Theologisches und Philosophisches, welches mit Zitaten auch referenziert werden kann.
Dein von dir gewähltes Thema "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" sollte sich also beziehen auf "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" im Kontext von Schriften. Bis zu deiner - für mich befremdlichen - Frage nach meinen Gefühlen Gott gegenüber wurden die Vorgaben zum Scriptorium eingehalten. Ich weiß nicht, was dich veranlasste so grob von den Vorgaben abzuweichen, aber wir sollten darauf zurückkommen. Wenn dir der Sinn aber doch mehr nach "human interest" und Gefühlen steht, dann gäbe es noch das Parlatorium - aber rechne bitte nicht damit, dass ich mich an Gesprächen bei denen "Du und deine Gefühle" und "Ich und meine Gefühle" das Thema ist, beteiligen werden. Ich bevorzuge dann doch eher dialektische Konversationen über das, was andere geschrieben und behauptet haben, weil die Worte anderer jeder - ganz unabhängig vom Glauben - sehen kann, unter "Gefühle" aber doch so ziemlich jede Phantasie, Einbildung und Autosuggestion subsumiert werden kann, deren Subjekt immer nur ein Individuum ist und deren verbale Ausdrücke in keinster Weise von irgendjemand anderem valide nachvollziehbar sein können.

Johannes vK hat selbst Schriften verfasst, in denen er über seine "Erfahrungen" ("Gefühle"?) - ob mystisch oder nicht - schreibt. Da er dies als Poet getan hat kann ich das akzeptieren, aber kommentieren kann ich das nicht. Ich bevorzuge deshalb auch bei Johannes vK dessen mehr dialektische Schriften, wobei diese eher moderat dialektisch sind, weil sie ja auch nur seinen eigenen Erfahrungsweg zum Thema haben - ganz im Gegensatz zB zu den streng dialektischen Schriften des Thomas vA, welche einen ganz anderen - nämlich dogmatisch allgemeingültigen - Anspruch haben. Aber auch die Schriften des Thomas vA muss man nicht so ernst nehmen wie er sie vielleicht gedacht hat, sondern man kann sie durchaus als Denkvorschläge oder Meditationsanleitungen verstehen und ausprobieren "ob's Klick macht" oder nicht.

Peduli
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Peduli »

Eines der interessantesten Bücher, die in der deutschen Philosophie der letzten Jahrzehnte erschienen ist, ist folgendes:
Die philosophische Hintertreppe

Da werden nicht nur die "Gedankensysteme", sondern auch die Lebensumstände und das Umfeld der "Geistesriesen" geschildert, auf denen die westliche Zivilisation aufbaut. Kultur kann ohne Personalität nicht verstanden werden! :doktor:
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 06:28
Dein von dir gewähltes Thema "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" sollte sich also beziehen auf "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" im Kontext von Schriften.
Nein, schon im Startbeitrag geht es um auch gefühlsmäßige Verfasstheiten von Menschen, die sich als Christ einordnen und deren Bewertung.
Ich weiß nicht, was dich veranlasste
Ich empfand dieses Thema für die beabsichtigte Hintergrundthematik als passend. Es ging mir dabei auch eniger wirklich um dich als Mensch, schon aber um Zusammenhänge, Hintergründe für vorliegendes Empfinden, Orientierung. Die Frage drängte mich auf, wieso du eigentlich so wie du es tust an diese Johannes-Schrift herangehst.
weil die Worte anderer jeder - ganz unabhängig vom Glauben - sehen kann, unter "Gefühle" aber doch so ziemlich jede Phantasie, Einbildung und Autosuggestion subsumiert werden kann, deren Subjekt immer nur ein Individuum ist und deren verbale Ausdrücke in keinster Weise von irgendjemand anderem valide nachvollziehbar sein können.
Und doch können solche Faktoren sich entscheiden auswirken noch bevor von jemandem rationalisiert wird, eine bestimmte Lehre persönlich als zumindest stimmiger als andere erkoren wird, denke ich.
Stefanro hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 19:50
Da war mal ein Impuls das Buch zu öffnen und darin zu lesen und das war's dann. Da es vorher keinen Gott gab, konnte es auch kein Gefühl der Entfernung von ihm geben.
Soweit ich dich weiter verstand, meinst du in der Folge Gott nahegekommen zu sein?
Deine Formulierung "Motivation es anziehend zu finden" dagegen scheint doch absichtsvolle Überlegungen zu implizieren.
Es ist ein Versuch von mir diese Hintergründe bei dir besser zu verstehen.
Aber so kenne ich das nicht.
Achso, offenbar auch kein Gefühl irgendeines inneren Mangels, vielleicht ein Gefühl z.B. irdische Bedürfnisse würden einen irgendwie von etwas entfernen oder so.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 09:56
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 06:28
Dein von dir gewähltes Thema "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" sollte sich also beziehen auf "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" im Kontext von Schriften.
Nein, schon im Startbeitrag geht es um auch gefühlsmäßige Verfasstheiten von Menschen, die sich als Christ einordnen und deren Bewertung.
...
weil die Worte anderer jeder - ganz unabhängig vom Glauben - sehen kann, unter "Gefühle" aber doch so ziemlich jede Phantasie, Einbildung und Autosuggestion subsumiert werden kann, deren Subjekt immer nur ein Individuum ist und deren verbale Ausdrücke in keinster Weise von irgendjemand anderem valide nachvollziehbar sein können.
Und doch können solche Faktoren sich entscheiden auswirken noch bevor von jemandem rationalisiert wird, eine bestimmte Lehre persönlich als zumindest stimmiger als andere erkoren wird, denke ich.
Stefanro hat geschrieben:
Dienstag 2. Mai 2023, 19:50
Da war mal ein Impuls das Buch zu öffnen und darin zu lesen und das war's dann. Da es vorher keinen Gott gab, konnte es auch kein Gefühl der Entfernung von ihm geben.
Soweit ich dich weiter verstand, meinst du in der Folge Gott nahegekommen zu sein?
Was du einbringst, sind allesamt Beipiele natürlicher Wahrnehmungen bzw. - sofern im Gedächtnis abgespeichert - natürlichen Wissens:
- "gefühlsmäßige Verfasstheiten von Menschen, die sich als Christ einordnen und deren Bewertung"
- "eine bestimmte Lehre persönlich als zumindest stimmiger als andere erkoren wird"
- "meinst du in der Folge Gott nahegekommen zu sein?"
Johannes (in Book2, ch 10, 2) hat geschrieben:Natural knowledge includes every­ thing the intellect can understand by way of the bodily senses or through reflection.
Johannes (in Book3, ch 2, 4) hat geschrieben:To begin with natural knowledge in the memory, I include under
this heading all that can be formed from the objects of the five corporeal
senses (hearing, sight, smell, taste, and touch) , and everything like this
sensory knowledge that the memory can evoke and fashion. It must strip
and empty itself of all this knowledge and these forms and strive to lose
the imaginative apprehension of them. It should do this in such a way that
no knowledge or trace of them remains in it; rather it should be bare and
clear, as though nothing passed through it, forgetful of all and sus­
pended.
There is no way to union with God without annihilating the memory
as to all forms. This union cannot be wrought without a complete
separation of the memory from all forms that are not God. As we
mentioned in the night of the intellect, God cannot be encompassed by
any form or distinct knowledge
Nach Johannes geht es also nicht nur darum, sich von den vermeintlich übernatürlichen Wahrnehmungen zu lösen, welche zu natürlichem und hinderlichem Wissen führen, wenn darüber nachgedacht wird, sondern sich auch von natürlichen Wahrnehmungen (Wahrnehmungen des Selbst und allem was dazugehört: Gefühlen, Gedanken, Ängste etc) und Überlegungen (zu diesen wie "bin ich Gott nah?" oder "bin ich Gott fern?", "mache ich was richtig?", "mache ich was falsch?") zu lösen.
Ausführlich widmet er sich aber nur den vermeintlich übernatürlichen Wahrnehmungen, vermutlich weil diese sich idR erst nach der ersten passiven Nacht ereignen, wenn Forschritte beim mentalen Gebet erzielt worden sind und vermutlich gerade deshalb solche Wahrnehmungen zu Illusionen und Selbsttäuschung und unbewußten Blockaden führen.

Der Johannes-Glaube Typ a1 transzendiert die natürliche Vernunft, was dazu führt, dass sowohl vermeintlich übernatürlichen als auch natürlichen Wahrnehmungen (erscheinende konditionierten Gedanken, Gefühle etc) keine mentale Beachtung geschenkt wird, d.h. die transzendierte Vernunft kann sich diesen mentalen Phänomenen also nicht mehr natürlich kognitiv zuwenden und diese lösen sich deshalb - weil sie nicht beachtet werden - ebenso schnell auf wie sie - aus welchen Gründen auch immer - erschienen sind. Das ist das "detachment" von dem Johannes berichtet und zu dem er auffordert.
Johannes (in Book2, ch 7, 7) hat geschrieben: If they aim after
the possession of something, from God or elsewhere, their journey will
not be one of nakedness and detachment from all things, and conse­
quently there will be no room for them on this narrow path nor will they
be able to climb it.
Das Thema dieses Threads "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" ist demzufolge gar nicht auf das anwendbar, was Johannes beschreibt, denn handelt es sich um phantasierende Impulse, so wird diesen keine Beachtung geschenkt, und handelt es sich um "Erfahren", so wird dem auch keine Beachtung geschenkt. Warum? Weil die Vernunft die natürliche kognitive Verarbeitung mentaler Phänomene, mit denen das Selbst sich sonst üblicherweise identifiziert, eingestellt hat. Karol Wojtyla spricht von der ontologischen Transzendenz des Glaubens, von dem Johannes spricht.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 11:47
Was du einbringst, sind allesamt Beipiele natürlicher Wahrnehmungen bzw. - sofern im Gedächtnis abgespeichert - natürlichen Wissens
Ich meine nicht, daß derartige Empfindungen nur "natürlich" wären, sondern daß Gott auf Menschen in Gefühlen wirkt, Gott ist ja z.B. laut Bibel Agapeliebe. Und Menschen positionieren sich gegenüber Gott auch ansonsten oft aufgrund ihrer Empfindungen. In diesem dürfte öfters "Geist" wirken, eben nicht nur "Fleisch".
Johannes (in Book2, ch 10, 2) hat geschrieben:Natural knowledge includes every­ thing the intellect can understand by way of the bodily senses or through reflection.
Das wäre dann dabei aus meiner Sicht so auch nicht der Fall.
Überlegungen (zu diesen wie "bin ich Gott nah?" oder "bin ich Gott fern?", "mache ich was richtig?", "mache ich was falsch?")
Soetwas wäre auch etwas anderes als "geistiges Empfinden"/Intuition?
kann sich diesen mentalen Phänomenen also nicht mehr natürlich kognitiv zuwenden und diese lösen sich deshalb - weil sie nicht beachtet werden - ebenso schnell auf wie sie - aus welchen Gründen auch immer - erschienen sind.
Geistferne Überlegungen im Menschen so einzuordnen fände ich sinnvoll, aber ich fände es verkehrt dies auf "inspritierte Überlegungen" mit geistigen Anteilen genauso anzuwenden. Mit "Geist" meine ich hier z.B: Gott, so wie er Geist ist, nicht (natürlichen/fleischlichen) menschlichen "Verstand" o.ä.
Das ist das "detachment" von dem Johannes berichtet und zu dem er auffordert.
Johannes (in Book2, ch 7, 7) hat geschrieben: If they aim after
the possession of something, from God or elsewhere, their journey will
not be one of nakedness and detachment from all things, and conse­
quently there will be no room for them on this narrow path nor will they
be able to climb it.
Das kann geschehen, ich habe bisher aber den Eindruck du leitest soetwas zu strikt ab und verfehlst daher das was Johannes nach meinem Vermuten eigentlich gemeint hätte.
Das Thema dieses Threads "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" ist demzufolge gar nicht auf das anwendbar, was Johannes beschreibt, denn handelt es sich um phantasierende Impulse, so wird diesen keine Beachtung geschenkt, und handelt es sich um "Erfahren", so wird dem auch keine Beachtung geschenkt.
Buch 2, Kapitel 24 hat geschrieben:4 Eine geistige Wesensschau kann also in diesem Leben nicht unverhüllt und klar mit dem Ver-
stande wahrgenommen, doch sie kann im Wesen der Seele durch lieblichste Berührungen und Be-
gegnungen gefühlt werden. Dies gehört zu den geistigen Empfindungen, von denen wir mit Gottes
Gunst später sprechen wollen. Denn dahin ist ja unsere Feder ausgerichtet und unterwegs, zu dieser
göttlichen Begegnung und Vereinigung mit der göttlichen Wesenheit. Wir werden dies zusammen mit
der noch nicht erklärten mystischen und undeutlichen oder dunklen Einsicht behandeln und darle-
gen, in welcher Weise Gott sich mittels dieses liebevollen und dunklen Erkennens der Seele in hohem
und göttlichem Grade vereinigt. Denn dieses liebevolle, dunkle Erkennen, nämlich der Glaube, dient
in diesem Leben in gewisser Weise so der göttlichen Vereinigung wie im anderen die klare Schau Gottes.
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 12:32
...
Ich meine nicht, ... aus meiner Sicht ... fände ich sinnvoll, aber ich fände es verkehrt ... ich habe bisher aber den Eindruck ... du ... verfehlst daher das was Johannes nach meinem Vermuten eigentlich gemeint hätte.
Ja so ist das. Da gibt es eine Schrift, Übersetzungen auf englisch und deutsch (sicher auch noch weitere Sprachen) und der eine liest dieses [hinein und/oder heraus] und der andere liest jenes [hinein und/oder heraus].
Betrachtet man dabei den kognitiven Vorgang, so gibt es Formen ("Buchstaben"), die sich von farblich unterschiedlichem Hintergrund abheben und so dem Auge sichtbar werden und da gibt es die Vernunft, welche gelernt hat, aus Buchstaben Worte zu bilden und aus Worten Sätze. Weder den Buchstaben, noch den Worten, noch den Sätzen wohnt - im ontologischen Sinne - eine Bedeutung inne, die Bedeutung nämlich wird erst synthetisiert von der Vernunft, die gelernt hat zu lesen. Welcher Art nun konkret die Einflüsse sind, dass die eine Vernunft dieses [hinein und/oder heraus] liest und die andere Vernunft jenes [hinein und/oder heraus] liest, welche Mechanismen der Assoziation dazu aktiviert werden müssen, damit befasst sich u.a. die Kognitionswissenschaft.
Was ist nun richtiges oder falsches Verständnis eines Textes, wenn man den Autor des Textes und die von ihm beabsichtigte Bedeutung nicht mehr befragen kann? Ich würde vermuten, es hängt von der kognitiv-sprachlichen Historie und der Zielsetzung eines Lesers ab, was er versteht, wenn er liest, und was er selbst sagt oder schreibt, wenn er sein Verständnis eines Textes sprachlich ausdrückt. Vernutlich wird es aber die Zielsetzung sein, welche ihm Sicherheit bei seiner Interpretation des Textes gibt: wird die Zielsetzung erreicht oder die Erreichung des Zieles unterstützt, so wird ein Leser sicher sein, den Text richtig verstanden zu haben.
Handelte es ich nun um einen Text, der einen süßen Geschmack beschreibt bis ins kleinste Detail samt aller anatomischen, physiologischen, chemischen Details, welche beim Empfinden des süßen Geschmacks involviert sind, und der würde gelesen von einem Leser, der den süßen Geschmack nicht kennt, mit der Zielsetzung den süßen Geschmack kennen zu lernen, wie sollte dieser Leser denn entscheiden können, ob er den Text richtig versteht? Er kann lesen und lesen und wird doch niemals die süße Geschmacksempfindung erfahren.
Beim Lesen des Textes des Johannes vK verhält es sich anders, denn wenn dieser Text im Erfahrungsraum eines Leser irgendwas auslöst (was nicht der Fall sein muss), dann kann das seiner Zielsetzung entsprechen oder nicht, selbst dann, wenn er gar keine bewußte Zielsetzung gehabt hat, sondern diese unbewußt in ihm schlummerte, weil sie seiner Natur eingeschrieben worden ist. Bei dieser Zielsetzung muss es sich aber - theologisch gesprochen - um das Mittel zum Zweck des letztendlichen Zieles handeln, denn sonst hätte ja jeder Mensch den gleichen Zugang zum Glauben, was aber offensichtlich nicht der Fall ist, vermutlich weil Gott Gefallen an Vielfalt hat. Deshalb spielt Johannes vK auch nur für relativ wenige Gläubige in ihrem Leben eine Rolle und bei jenen, bei denen er eine Rolle spielt, mögen durchaus unterschiedliche Verständnisse seiner Texte gegeben sein.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Donnerstag 4. Mai 2023, 06:27
Vernutlich wird es aber die Zielsetzung sein, welche ihm Sicherheit bei seiner Interpretation des Textes gibt: wird die Zielsetzung erreicht oder die Erreichung des Zieles unterstützt, so wird ein Leser sicher sein, den Text richtig verstanden zu haben.
Vielleicht könnte hier auch quasi mystisches Wirken des Gottgeistes gesehen werden, das individuell verschieden sein kann, auch was die Ausgangssituation eines Menschen betrifft. Wenn Geist wirkt kann ein solcher Mensch theoretisch auch in nicht so ganz wahren Texten Wahres "mißverstehen". "Phantasie" könnte bei jemandem aus noch wirkendem Finsterem der Seele zudem ein Faktor sein.
Beim Lesen des Textes des Johannes vK verhält es sich anders, denn wenn dieser Text im Erfahrungsraum eines Leser irgendwas auslöst (was nicht der Fall sein muss), dann kann das seiner Zielsetzung entsprechen oder nicht, selbst dann, wenn er gar keine bewußte Zielsetzung gehabt hat, sondern diese unbewußt in ihm schlummerte, weil sie seiner Natur eingeschrieben worden ist.
Ja, vor allem ist auch dieser Text für deine Herngehensweise an diesen Gott wohl grundlegender. Meine gründet da eigentlich gar nicht auf diesen Text, aber ich kann ihn lesen und überlegen, wie er wohl gemeint sein könnte auch bisherige Erfahrungen einbeziehend. Er ist für mich nicht so bedeutend. Manche Inhalte finde ich interessant, ob Johannes in manchem nicht so ganz getroffen hat oder manches vielleicht nicht bei so weitem Horizont gesehen hat wie es wünschenswerter gewesesen wäre, ist für mich erstmal nicht so entscheidend. Für dich wäre dann die Frage, was es dir wert wäre andere Perspektiven zu einem für dich wohl sehr bedeutenden Text zu erfahren, sie im Gespräch abzugleichen. Aber vielleicht ist es für dich auch nicht die richtige Zeit dafür, weil du dir selbst die Bedeutung noch erschließt, noch nicht eine innere Position darin erlangt hat so darüber zu reflektieren.
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Peduli
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Peduli »

Die Einlassungen des stefanro haben einen ganz anderen Hintergrund: :hmm:
Es ist der Versuch einer Selbstexculpation!

Er meint, die Texte des Johannes vom Kreuz so interpretieren zu können, daß der Gott, zu dem die Texte des Johannes vom Kreuz einen Zugang ermöglichen wollen, sündiges Tun goutieren würde. Die von ihm konstruierte Begründung ist, daß sich die Seele in dem von ihm konstruierten Glauben so "klein" mache, daß sie Platz für den Zugang Gottes schaffe.

Johannes vom Kreuz zeigt einen Weg auf, wie sich die menschliche Seele reinigen kann, um für Gott anziehend zu werden. Das jedoch schließt gewohnheitsmäßiges Sündigen absolut aus. Die Einlassungen des stefanro sind bloße Rationalisierungen.

Um es mit den Worten von Jesus Christus höchstselbst zu sagen:
.....gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 4. Mai 2023, 20:26
Stefanro hat geschrieben:
Donnerstag 4. Mai 2023, 06:27
Vernutlich wird es aber die Zielsetzung sein, welche ihm Sicherheit bei seiner Interpretation des Textes gibt: wird die Zielsetzung erreicht oder die Erreichung des Zieles unterstützt, so wird ein Leser sicher sein, den Text richtig verstanden zu haben.
Vielleicht könnte hier auch quasi mystisches Wirken des Gottgeistes gesehen werden, das individuell verschieden sein kann, auch was die Ausgangssituation eines Menschen betrifft.
Ob mystisch oder nicht, beide Arten von Theologen, die mystischen als auch die wissenschaftlichen, reden von der "Gnade Gottes". Thomas vA hat eine faszinierende Gnadenlehre entwickelt. Die Gnadenlehre sieht durchaus eine allgemeine, der menschlichen Natur entsprechende Gnade, als auch eine besondere, eine dem Individuum entsprechende Gnade vor.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 4. Mai 2023, 20:26
Wenn Geist wirkt kann ein solcher Mensch theoretisch auch in nicht so ganz wahren Texten Wahres "mißverstehen". "Phantasie" könnte bei jemandem aus noch wirkendem Finsterem der Seele zudem ein Faktor sein.
Anders: Wenn Gnade geschenkt wird kann ein Mensch durchaus auch stattdessen dem Selbst-Willen folgen. Die Gnade würde richtiges Verstehen beinhalten, während der Selbst-Wille zu falschem Verstehen führt. Die Gnade macht also, dass (oder ob) der Text eine Offenbarung Gottes ist. Auch die Ablehnung eines Textes kann auf der Gnade Gottes beruhen und die vernünftigen Überlegungen, die zu dessen Ablehnung führen, können also Offenbarungen Gottes sein. "Phantasie" kann auch als "natural knowledge" verstanden werden, von welchem Johannes vK Loslösung empfielt, denn die Phantasie beruht ja auf der Modifikation von vorher sinnlich Wahrgenommenem durch die (ggf. irregeleitete) Vernunft. Die Phantasie kann aber auch hilfreich und eine gnädige Eingebung sein.
Alles dieses "kann" oder "könnte" [dieses oder jenes sein], sowohl das hilfreich gnädig Bewirkte als auch das irreführende auf Selbst-Willen beruhende, ist jedoch kreatürlich und damit unendlich weit entfernt vom Göttlichen entfernt. Es ist also nada und wenn es erscheint, wird ihm keine Beachtung geschenkt, denn die Wirkungen der göttliche Gnade wirken hilfreich auch ohne dass man weiter über sie nachdenkt und Wissen draus machen will und der Selbst-Wille "perlt ab" am Johannes-Glaube Typ a1, sofern dieser vorhanden und vom guten Willen aktiviert ist.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 4. Mai 2023, 20:26
Beim Lesen des Textes des Johannes vK verhält es sich anders, denn wenn dieser Text im Erfahrungsraum eines Leser irgendwas auslöst (was nicht der Fall sein muss), dann kann das seiner Zielsetzung entsprechen oder nicht, selbst dann, wenn er gar keine bewußte Zielsetzung gehabt hat, sondern diese unbewußt in ihm schlummerte, weil sie seiner Natur eingeschrieben worden ist.
Ja, vor allem ist auch dieser Text für deine Herngehensweise an diesen Gott wohl grundlegender. Meine gründet da eigentlich gar nicht auf diesen Text, aber ich kann ihn lesen und überlegen, wie er wohl gemeint sein könnte auch bisherige Erfahrungen einbeziehend. Er ist für mich nicht so bedeutend. Manche Inhalte finde ich interessant, ob Johannes in manchem nicht so ganz getroffen hat oder manches vielleicht nicht bei so weitem Horizont gesehen hat wie es wünschenswerter gewesesen wäre, ist für mich erstmal nicht so entscheidend. Für dich wäre dann die Frage, was es dir wert wäre andere Perspektiven zu einem für dich wohl sehr bedeutenden Text zu erfahren, sie im Gespräch abzugleichen. Aber vielleicht ist es für dich auch nicht die richtige Zeit dafür, weil du dir selbst die Bedeutung noch erschließt, noch nicht eine innere Position darin erlangt hat so darüber zu reflektieren.
Eine diskursive Behandlung des Textes erscheint mir widersinnig, deshalb habe ich auf die thomistischen Interpretationen wissenschaftlicher Theologen (Karol Wojtyla, Réginald Garrigou-Lagrange) zurückgegriffen. Über deren Interpretationen kann man sich diskursiv austauschen, man kann ihnen zustimmen oder sie ablehnen. Die Schrift des Johannes vK entzieht sich jedoch einer solchen Betrachtungsweise, v.a. was das Leitmotiv nada im Kontext allen Kreatürlichens angeht.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Peduli »

Stefanro hat geschrieben:
Freitag 5. Mai 2023, 08:07
Eine diskursive Behandlung des Textes erscheint mir widersinnig, deshalb habe ich auf die thomistischen Interpretationen wissenschaftlicher Theologen (Karol Wojtyla, Réginald Garrigou-Lagrange) zurückgegriffen. Über deren Interpretationen kann man sich diskursiv austauschen, man kann ihnen zustimmen oder sie ablehnen. Die Schrift des Johannes vK entzieht sich jedoch einer solchen Betrachtungsweise, v.a. was das Leitmotiv nada im Kontext allen Kreatürlichens angeht.
Die übliche häretische Methodik! :roll: :roll: :roll:

Diabolus at work ..................
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Freitag 5. Mai 2023, 08:07
Wenn Gnade geschenkt wird kann ein Mensch durchaus auch stattdessen dem Selbst-Willen folgen. Die Gnade würde richtiges Verstehen beinhalten, während der Selbst-Wille zu falschem Verstehen führt.
Ja, wobei ich diese Verwendung des Begriffs "Selbst" ja irreführend finde. Stattdessen könnte z.B. wie oben "(finstere) Phantasie" eingesetzt werden.
Gamaliel hat geschrieben:
Sonntag 19. Juni 2011, 21:44
kathpedia hat geschrieben:Am 19. Juni 1675, in der Fronleichnamsoktav, erschien Jesus Christus der heiligen Margareta Maria Alacoque in Paray-le-Monial, als sie vor dem Tabernakel kniete. Er zeigte ihr sein Herz und sagte:
"Sieh hier das Herz, das die Menschen so sehr liebt, dass es nichts gespart hat, um sich zu opfern, und zu erschöpfen in Liebesbeweisen; und als Dank empfange ich von den meisten Menschen nur Kälte, Unehrerbietigkeit, Verachtung und Sakrilegien in diesem Sakrament der Liebe. Was mich aber am meisten schmerzt, ist, dass Herzen, die Mir besonders geweiht sind, Mir auf diese Weise begegnen. Darum verlange Ich von dir, dass der erste Freitag nach der Fronleichnamsoktav ein besonderer Festtag zur Verehrung Meines Herzens werde; dass man an dem Tage sich dem heiligen Tische nahe, und einen Ehrenersatz leiste, zur Sühnung all der Beleidigungen, welche Meinem Herzen, seit es auf den Altären weilt, zugefügt wurden, und ich verspreche Dir, dass mein Herz diejenigen im reichsten Maße den Einfluss seiner Liebe fühlen lassen wird, die es verehren, und die sorgen, dass es auch von andern verehrt werde."
"Phantasie" kann auch als "natural knowledge" verstanden werden, von welchem Johannes vK Loslösung empfielt, denn die Phantasie beruht ja auf der Modifikation von vorher sinnlich Wahrgenommenem durch die (ggf. irregeleitete) Vernunft.
Ja, der Mensch schafft sich etwas aus "eigenem Wissen", das für ihn ungünstig ersehntem mystischem Erleben ähnelt, aber eher einem Trugbild gleichkommt.
Die Phantasie kann aber auch hilfreich und eine gnädige Eingebung sein.
Wie für viele Begriffe gibt es auch hier unterschiedliches Verständnis. Als "Phantasie" in einem solchen Sinne könnte z.B. gelten, gerade wenn jemand übliche menschliche Vorstellungen "verlässt", auch wenn dies eigentlich von Heiligem Geist gewirkt wäre.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Mir scheint, die meisten Gläubigen werden mit der christlichen Mystik im Allgemeinen und Johannes vK im Besonderen nichts anfangen können und sie werden erst gar nicht damit in Berührung kommen in ihrem Leben. Das ist auch gut so. Denn wenn sie auf dem Weg der katholischen Kirche unterwegs sind UND damit auch zufrieden und zuversichtlich sind, ist es doch gut. Ich würde da niemanden weglocken wollen und würde jeden, der mich fragt, an die katholische Kirche verweisen, obgleich ich kein Katholik bin.
Denn wenn das Heil nur durch die katholische Kirche zu den Menschen kommt, die katholische Kriche aber neben dem katholischen Mainstream auch die mystische Theologie anbietet, dann passt doch alles und letztendlich entscheidet die göttliche Gnade über den für die/den Einzelnen richtigen Weg.

Was nun aber den Johannes vK angeht, so scheinen mir folgende, bereits erwähnte Punkte wichtig:
1. Die Schriften als solche stehen außerhalb der Begrifflichkeiten seiner Lehre (welcher er mit den Schriften ausdrückt), denn sonst müsste man sich mit all den Widersprüchlichkeiten zwischen seiner Lehrtätigkeit und dem Inhalt seiner Schriften dialektisch auseinandersetzen und könnte so ggf. niemals die Essenz seiner Lehre erfassen.
2. Seine Schriften folgen in keinster Weise einer Systematik und Strukturiertheit, welche man von der wissenschaftlichen Theologie erwarten würde, sondern sollten als mehr oder weniger spontaner Ausdruck eines Poeten verstanden werden, der versucht, seine Erfahrung dialektisch auszudrücken ohne in Dialektik geschult zu sein.
3. Innerhalb seiner Schrift "The Ascent of Mount Carmel" widerspricht sich er sich sehr häufig, indem er opportunistisch befürwortet, was einem Prinzip entspricht, das er zuvor ablehnt. Aber das zeigt eigentlich nur, dass er die Nöte und allzu menschlichen Bedürfnisse seiner Leser nicht von oben herab missachtet, sondern sie zu ermutigen sucht, indem er zumindest als dem Zwecke förderlich beschreibt, was diese Leser letztendlich "bei der Stange hält" (nämlich süße gefühlige und/oder ekstatische Erfahrungen), obgleich es irreführend ist, wenn man bei solchen Erfahrungen verweilt und sie nicht "loslässt" (was er ja auch lehrt).
4. Die zentrale Rolle des Weges der Reinigung von Vernunft, Erinnerung (Wissen) und Wille spielt der besondere Glaube des Johannes vK ohne den seine Schriften keinen Sinn ergeben und die explizite Zielsetzung seiner Schriften "The Ascent of Mount Carmel" und "The Dark Night", welche die Einswerdung mit Gott ist. Wenn seine Schriften verstanden werden als allgemeiner Ratgeber für Gläubige, dann liegt man so falsch, dass man gar nicht falscher liegen kann, denn ausschließlich der Weg zur "Einswerdung mit Gott" ist das Thema seiner Schriften und diese Einswerdung ist im Lebens eines normalen Gläubigen so irrelevant, dass es nicht irrelevanter geht. Denn ein normaler Gläubiger hat sein Leben auszurichten auf die Tugenden, mit denen er sein Leben in Verantwortung für Gesellschaft, Betrieb, Familie vervollkommnen kann hinsichtlich der Gottgefälligkeit.
5.
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 3. Mai 2023, 11:47
Das Thema dieses Threads "Phantasie und echtes mystisches Erfahren" ist demzufolge gar nicht auf das anwendbar, was Johannes beschreibt, denn handelt es sich um phantasierende Impulse, so wird diesen keine Beachtung geschenkt, und handelt es sich um "Erfahren", so wird dem auch keine Beachtung geschenkt. Warum? Weil die Vernunft die natürliche kognitive Verarbeitung mentaler Phänomene, mit denen das Selbst sich sonst üblicherweise identifiziert, eingestellt hat. Karol Wojtyla spricht von der ontologischen Transzendenz des Glaubens, von dem Johannes spricht.
6. Tatsächlich kann Pkt 5 nicht verstanden werden, wenn man sich nicht näher befasst mit dem Glauben, von dem Johannes vK spricht. Die wissenschaftlich-theologische Interpretation dieses Glaubens, welche Karol Wojtyla vorgenommen hat (s. dort und hier und da), ist dabei nur eine Option, welche man - im Gegensatz zur mehr oder weniger geschickt dialektisch ausgedrückten Erfahrung des Joahnnes vK - ablehnen oder akzeptieren kann. Eine diskursive Behandlung der Texte des Johannes vK erscheint mir dagegen widersinnig, weil der Ausdruck einer Erfahrung für sich steht, auch dann wenn er für andere erfolgt. Die wissenschaftlich-theologische Interpretation des Ausdrucks einer Erfahrung jedoch beansprucht ihrer Natur nach den Status objektiven allgemeingültigen Wissens und unterliegt deshalb notwendigerweise der diskursiven Kritik.
In diesem Kontext ist diese Aussage von Reginald Garrigou-Lagrange relevant (zitiert aus The Three Ages of the Interior Life (vol. 2)):
No one can know the true meaning of the language of spiritual writers
if he is unable to explain it theologically
wobei er mit "spiritual writers" die Autoren mystischer Schriften meint und mit "theologically" auf sein eigenes Handwerk der wissenschaftlichen Theologie referenziert.
Er schreibt allerdings auch weiter:
and, on the other hand, no one can know the sublimity of theology if he is ignorant of its rela-
tions to mysticism.
Der ersten Aussage von Reginald Garrigou-Lagrange würde ich nicht zustimmen, vielleicht weil ich mit "know" nicht notwendigerweise die Fähigkeit des verbal-logischen Ausdrucks von "know" verbinde, der zweiten Aussage würde ich dagegen schon zustimmen, weil der verbal-logische Ausdruck einer wissenschaftlichen Theologie als solcher nada ist, hinsichtlich des Zieles, dem sich die Schriften des Johannes vK widmen und welches die Einswerdung mit Gott ist und weil eine "sublimity" eines verbal-logischen Ausdrucks der wissenschaftlichen Theologie ohne die nicht verbal-logisch ausdrückbare Erfahrung eines Johannes vK gar nicht wahrnehmbar ist. Jedoch kann jemand, der die Einswerdung mit Gott verfolgt auf die "sublimity of theology" gut verzichten, aber ein wissenschaftlicher Theologe, der die Einswerdung mit Gott verfolgt, kann nicht auf die nicht verbal-logisch ausdrückbare Erfahrung eines Johannes vK verzichten.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 10. Mai 2023, 21:20
Mir scheint, die meisten Gläubigen werden mit der christlichen Mystik im Allgemeinen und Johannes vK im Besonderen nichts anfangen können und sie werden erst gar nicht damit in Berührung kommen in ihrem Leben.
Nur, wieso ist das so?
Das ist auch gut so.
Ich befürchte nicht, was "mystisches" (eigenes) Erleben angeht, das in den biblischen Evangelien, soweit ich sehe, durchaus auch Thema ist.
Denn wenn sie auf dem Weg der katholischen Kirche unterwegs sind UND damit auch zufrieden und zuversichtlich sind, ist es doch gut. Ich würde da niemanden weglocken wollen und würde jeden, der mich fragt, an die katholische Kirche verweisen, obgleich ich kein Katholik bin.
Die Wege sind verschieden, Wege in Gott, die Christen gehen, begreife ich als "katholisch" (allgemein). Da geht es aus meiner Sicht um die Einheit im Begehren hin zu einem Gott, nicht so sehr um einheitliche mit Lippen bekannte individuelle (oder in Menschengruppen tradierte Lehr)Ansichten.
2. Seine Schriften folgen in keinster Weise einer Systematik und Strukturiertheit, welche man von der wissenschaftlichen Theologie erwarten würde, sondern sollten als mehr oder weniger spontaner Ausdruck eines Poeten verstanden werden, der versucht, seine Erfahrung dialektisch auszudrücken ohne in Dialektik geschult zu sein.
Spielt für mich keine so große Rolle und ich blicke erstmal mit Sympathie auf sein hier zuletzt reflektiertes Werk. Für mich ist bedeutender, daß jemand etwas zu sagen hat als daß jemand irgendwelche durch Menschen erwarteten Formen einhält.
indem er zumindest als dem Zwecke förderlich beschreibt, was diese Leser letztendlich "bei der Stange hält" (nämlich süße gefühlige und/oder ekstatische Erfahrungen)
Hm.
obgleich es irreführend ist, wenn man bei solchen Erfahrungen verweilt und sie nicht "loslässt" (was er ja auch lehrt).
Dazu frage ich mich noch immer, ob du ihn so recht verstanden hast.

Wenn Jesus in der im Zitat oben beschriebenen Offenbarung vor einigen Jahrhunderten von "Kälte" etc. sprach, ist für mich durchaus auch die Frage, ob damit auch etwas inbegriffen sein könnte, das du aus der Schrift des Johannes zu entnehmen sollen meinst. Oder eventuell gar etwas, das Johannes dort als seine Position vertrat, indem er riet sich nicht mit Prüfungen aufzuhalten, ob eine Erfahrung wohl von Gott komme oder nicht.
4. Die zentrale Rolle des Weges der Reinigung von Vernunft, Erinnerung (Wissen) und Wille
An sich finde ich das gut und gegenüber vielen Menschen wohl auch berechtigt. Möglicherweise steht sein Werk allerdings auch im Zusammenhang von Kreisen, einer Region oder Zeit, in der sich viel mit mystischen Erfahrungen befasst wurde und diese dann auch oft eine Rolle dabei spielten sich aufzuspielen gegenüber anderen. Und ich würde schon sagen, daß das Pendel in dieser Region und Zeit, die auch gegenüber diesem Internetforum vor allem prägend wirkt, so ziemlich auf der anderen Seite steht, nämlich mystische Erfahrungen und somit einen Teil christlichen Lebens, der eine heute wohl auch massiv unterschätzte Bedeutung für heile christliche Gemeinde hat, geradezu "wegzumobben". Johannes Schrift in einem solchen möglicherweise ganz anderen Kontext zu deuten kann schiefgehen, indem in die falsche Richtung gestoßen wird und dadurch Probleme der aktuellen Situation eventuell noch verschärft würden.
die Einswerdung mit Gott
Um es nocheinmal anzumerken: Als Ziel finde ich das durchaus gut.
Wenn seine Schriften verstanden werden als allgemeiner Ratgeber für Gläubige, dann liegt man so falsch, dass man gar nicht falscher liegen kann, denn ausschließlich der Weg zur "Einswerdung mit Gott" ist das Thema seiner Schriften
Gut und ich würde hinzufügen: Einswerden mit Gott auf einem bestimmten Weg, der nicht der einzige mögliche Weg ist. Soweit ich seine Schrift verstehe geht es da vor allem um Menschen, die in ihrem Herzen in gewisser Weise Gott etwas fern sind und dazu neigen von ihm wegzusteben. Gegenüber solchen Menschen kann eine solche Stoßrichtung sinnvoll sein. Ich würde solchen Christen aber trotzdem wohl zu einem meist ganz anderen Ansatz raten (einer Annäherung über das Herz).
und diese Einswerdung ist im Lebens eines normalen Gläubigen so irrelevant, dass es nicht irrelevanter geht. Denn ein normaler Gläubiger hat sein Leben auszurichten auf die Tugenden, mit denen er sein Leben in Verantwortung für Gesellschaft, Betrieb, Familie vervollkommnen kann hinsichtlich der Gottgefälligkeit.
Was ich ja bekanntlich dann doch eher skeptisch betrachte, da "Tugend" nach meinem Eindruck oft das Herz nicht "mitnimmt" und dann eher nur leerere "Gerechtigkeit" hervorbringt, die die Seele kaum erhellt oder heil macht.
welches die Einswerdung mit Gott ist und weil eine "sublimity" eines verbal-logischen Ausdrucks der wissenschaftlichen Theologie ohne die nicht verbal-logisch ausdrückbare Erfahrung eines Johannes vK gar nicht wahrnehmbar ist.
Ich bin weiterhin der Meinung, daß verbal-symbolisch alles ausgedrückt werden kann, das von jemandem erfahren wird - oder nichts. Wenn die Erfahrungshintergründe sich zwischen individuellen Menschen stark unterscheiden, kann die reduzierte symbolhafte Menschensprache nichts dafür.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Stefanro hat geschrieben:
Mittwoch 10. Mai 2023, 21:20
Mir scheint, die meisten Gläubigen werden mit der christlichen Mystik im Allgemeinen und Johannes vK im Besonderen nichts anfangen können und sie werden erst gar nicht damit in Berührung kommen in ihrem Leben.
Nur, wieso ist das so?
Weil die Menschen idR ein tätiges Leben führen, zu welchem sich die mystische Kontemplation nicht eignet. Eine Gesellschaft aus lauter Mystikern wäre nicht funktionsfähig.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
2. Seine Schriften folgen in keinster Weise einer Systematik und Strukturiertheit, welche man von der wissenschaftlichen Theologie erwarten würde, sondern sollten als mehr oder weniger spontaner Ausdruck eines Poeten verstanden werden, der versucht, seine Erfahrung dialektisch auszudrücken ohne in Dialektik geschult zu sein.
Spielt für mich keine so große Rolle und ich blicke erstmal mit Sympathie auf sein hier zuletzt reflektiertes Werk. Für mich ist bedeutender, daß jemand etwas zu sagen hat als daß jemand irgendwelche durch Menschen erwarteten Formen einhält.
Die Folge der fehlenden Systematik und Strukturiertheit sind halt die erwähnten Widersprüche in seiner Schrift und dass sie sich der diskursiven Kritik entzieht. Warum sollte man ihm auch widersprechen, wenn er sich selbst kontinuierlich widerspricht?
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
indem er zumindest als dem Zwecke förderlich beschreibt, was diese Leser letztendlich "bei der Stange hält" (nämlich süße gefühlige und/oder ekstatische Erfahrungen)
Hm.
Nun, das zieht Menschen an: süße Gefühle von Liebe und ekstatische Berauschung an den Konstrukten der eigenen Vernunft. Was er tatsächlich lehrt, für jene, die über solch ein Anfängerstadium hinauswollen, ist die Leerheit der Seele. Was sollte schon an Leerheit attraktiv sein?
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
obgleich es irreführend ist, wenn man bei solchen Erfahrungen verweilt und sie nicht "loslässt" (was er ja auch lehrt).
Dazu frage ich mich noch immer, ob du ihn so recht verstanden hast.
No creature, none of its actions and abilities, can reach or encompass God’s nature.
Consequently, a soul must strip itself of everything pertaining to creatures and of its actions
and abilities (of its understanding, satisfaction, and feeling), so that when everything unlike
and unconfirmed to God is cast out, it may receive the likeness of God. (Book 2, Ch 5, 4)
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Wenn seine Schriften verstanden werden als allgemeiner Ratgeber für Gläubige, dann liegt man so falsch, dass man gar nicht falscher liegen kann, denn ausschließlich der Weg zur "Einswerdung mit Gott" ist das Thema seiner Schriften
Gut und ich würde hinzufügen: Einswerden mit Gott auf einem bestimmten Weg, der nicht der einzige mögliche Weg ist.
Da mir kein anderer Weg bekannt ist, ich aber nichts ausschließe, was "Wege" angeht, lasse ich das so stehen.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Soweit ich seine Schrift verstehe geht es da vor allem um Menschen, die in ihrem Herzen in gewisser Weise Gott etwas fern sind und dazu neigen von ihm wegzusteben.
Nein, das missverstehst du. In Johannes' Orden spielt das mentale (stille) Gebet eine dominante Rolle (s.a. Theresa von Avila) und in seiner Schrift geht es um die Einswerdung auf dem Weg eines eingegossenen "Gebets", welches keinerlei Ähnlichkeit mehr hat mit dem, was landläufig unter "Gebet" verstanden wird und deshalb "Kontemplation" genannt wird:
But we are imparting instructions here for advancing in contempla­-
tion to union with God. All these sensory means and exercises of the
faculties must consequently be left behind and in silence so that God
himself may effect divine union in the soul. As a result one has to follow
this method of disencumbering, emptying, and depriving the faculties of
their natural authority and operations to make room for the inflow and
illumination of the supernatural. (Book 3, Ch 2)
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
und diese Einswerdung ist im Lebens eines normalen Gläubigen so irrelevant, dass es nicht irrelevanter geht. Denn ein normaler Gläubiger hat sein Leben auszurichten auf die Tugenden, mit denen er sein Leben in Verantwortung für Gesellschaft, Betrieb, Familie vervollkommnen kann hinsichtlich der Gottgefälligkeit.
Was ich ja bekanntlich dann doch eher skeptisch betrachte, da "Tugend" nach meinem Eindruck oft das Herz nicht "mitnimmt" und dann eher nur leerere "Gerechtigkeit" hervorbringt, die die Seele kaum erhellt oder heil macht.
In Verbindung mit der heiligen Liebe kann eine Tugend durchaus übernatürliche Qualität erlangen. Aber dass das bloße Wort "Tugend" in dir Aversionen auslöst ist nichts Neues, weil Tugend natürlich mit geregeltem Verhalten zu tun hat.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
welches die Einswerdung mit Gott ist und weil eine "sublimity" eines verbal-logischen Ausdrucks der wissenschaftlichen Theologie ohne die nicht verbal-logisch ausdrückbare Erfahrung eines Johannes vK gar nicht wahrnehmbar ist.
Ich bin weiterhin der Meinung, daß verbal-symbolisch alles ausgedrückt werden kann, das von jemandem erfahren wird - oder nichts. Wenn die Erfahrungshintergründe sich zwischen individuellen Menschen stark unterscheiden, kann die reduzierte symbolhafte Menschensprache nichts dafür.
Ich sag mal so: Jeder kann alles ausdrücken, was er zu behaupten begehrt. Glauben schenken muss man den Behauptungen aber nicht. Im Kontext des Zitates jedoch ging es um die Haltung eines wissenschaftlichen Theologen, der tatsächlich glaubte, dass nur der verbal-logische Ausdruck seiner wissenschaftlichen Theologie über "wahr" oder "unwahr" entscheiden kann:
No one can know the true meaning of the language of spiritual writers
if he is unable to explain it theologically

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 16:47
Weil die Menschen idR ein tätiges Leben führen, zu welchem sich die mystische Kontemplation nicht eignet. Eine Gesellschaft aus lauter Mystikern wäre nicht funktionsfähig.
Mystische Erfahrungen treten nicht speziell dort auf, wo Menschen sich in solcher Weise zurückziehen und Gott wurde z.B. ja auch Mensch, der als Handwerker tätig war. Daher halte ich diese Folgerung an sich für irrig.

Nach meinem Verständnis macht Kontemplation dort Sinn, wo Gott auch "zieht". Gott kann sich in einem Menschen regen und der Mensch kann sich entscheiden, ob er dem entgegen der vielleicht stark dominierenden Betonung irdischer Dinge in seinem Umfeld nachgehen möchte. Er gibt dann etwas mehr Raum, das schon vorher "im tätigen Alltag" wirkte. Sich einfach von Irdischem z.B. fernzuhalten erzeugt an sich keine vergleichbare Situation, da bei einem Menschen solcher "Zug" vielleicht gar nicht vorhanden ist aufgrund des Zustands seiner Seele.
Warum sollte man ihm auch widersprechen, wenn er sich selbst kontinuierlich widerspricht?
Für mich ginge es bei einer Betrachtung um das, was Johannes, laut dem was andere Menschen dazu auffassten, mutmaßlich sagen wollte.
Nun, das zieht Menschen an: süße Gefühle von Liebe und ekstatische Berauschung an den Konstrukten der eigenen Vernunft.
Das würde dann eventuell eher "Schwärmerei" sein, "aus geschöpflicher Phantasie"?
Was er tatsächlich lehrt, für jene, die über solch ein Anfängerstadium hinauswollen, ist die Leerheit der Seele. Was sollte schon an Leerheit attraktiv sein?
Eigentlich geht es doch um Fülle? Darum die Fülle quasi nicht zu verwässern, indem ein Mensch sich in dazu ungünstiger Weise an Dinge halten würde, die dieser Fülle, vielleicht auch Seligkeit entgegenstreben?
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
obgleich es irreführend ist, wenn man bei solchen Erfahrungen verweilt und sie nicht "loslässt" (was er ja auch lehrt).
Dazu frage ich mich noch immer, ob du ihn so recht verstanden hast.
No creature, none of its actions and abilities, can reach or encompass God’s nature.
Consequently, a soul must strip itself of everything pertaining to creatures and of its actions
and abilities (of its understanding, satisfaction, and feeling), so that when everything unlike
and unconfirmed to God is cast out, it may receive the likeness of God. (Book 2, Ch 5, 4)
4 Dies ist nicht nur von einem Widerstand in der Tat, sondern auch im Zustand zu verstehen.
Es sind also nicht nur freiwillige Akte der Unvollkommenheit zu vermeiden, sondern die Zuständ-
lichkeiten jedweder Unvollkommenheit sind zu vernichten. Da nun keinerlei Geschöpf und nichts
von dessen Tätigkeiten und Fähigkeiten dem Göttlichen gleichkommt, so hat sich die Seele jeglichen
Geschöpfes und all ihrer Tätigkeiten und Fähigkeiten zu entblößen, nämlich ihres Verstehens, Ver-
kostens und Empfindens, um nach Beseitigung alles dessen, was Gott unähnlich und unangeglichen
ist, das Ähnlichsein von Gott zu empfangen, so dass in ihr nichts verbleibt, was nicht Gottes Wille ist,
wodurch sie sich in Gott umgestaltet.
Nur, was ist "ihr Verstehen" etc., wenn teils auch der Heilige Geist im Menschen wirkt?
Da mir kein anderer Weg bekannt ist, ich aber nichts ausschließe, was "Wege" angeht, lasse ich das so stehen.
Ich würde in Anlehnung an meinen Absatz weiter oben "heute" meist sinnvoller finden den Erdenmenschen zu raten den "Zug" zu steigern, sich entsprechend zu entscheiden. Soweit ich sehe braucht es dazu eher nicht viel "Kontemplation", eher Entschiedenheit, Intensität. Dann zeigt er (letztlich Jesus) aus sich den Weg, wie er für das Individuum gut wäre.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Soweit ich seine Schrift verstehe geht es da vor allem um Menschen, die in ihrem Herzen in gewisser Weise Gott etwas fern sind und dazu neigen von ihm wegzusteben.
Nein, das missverstehst du. In Johannes' Orden
Nun spielt in der betreffenden Schrift des Johannes ja schon eine große Rolle so manches sein zu lassen und sich in einer Orientierung hin auf anderes (Gott, auch im Sinne spürbarer Wirkungen) zu halten?
In Verbindung mit der heiligen Liebe kann eine Tugend durchaus übernatürliche Qualität erlangen. Aber dass das bloße Wort "Tugend" in dir Aversionen auslöst ist nichts Neues, weil Tugend natürlich mit geregeltem Verhalten zu tun hat.
Ich finde einen "Zug" wie oben angesprochen maßgeblicher, denn er ist etwas "Lebendiges" (aus Geist) während "Tugend" oft doch eher tot ist, aber zu Lebendigem streben möchte, wobei dies aus ihr ohne Geist nicht gelingen kann.

Ich merke an, daß ich an deiner Antwort mit am interessantesten fand, worauf in ihr nicht eingegangen wurde ("Kälte", etc.). ;)
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Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 17:58
Stefanro hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 16:47
Weil die Menschen idR ein tätiges Leben führen, zu welchem sich die mystische Kontemplation nicht eignet. Eine Gesellschaft aus lauter Mystikern wäre nicht funktionsfähig.
Mystische Erfahrungen treten nicht speziell dort auf, wo Menschen sich in solcher Weise zurückziehen und Gott wurde z.B. ja auch Mensch, der als Handwerker tätig war. Daher halte ich diese Folgerung an sich für irrig.
Gott ist Wissenschaft, schreibt Thomas vA. Und wenn der Mensch tatsächlich das Bild Gottes ist, dann ist Wissenschaft Teil seiner Natur und also sind verbal-logischer Ausdruck und verbal-logisches Denken Teil der Natur des Menschen, auch dann wenn Mystiker sich dessen nicht bedienen (können oder wollen). Sich dessen (Wissenschaft, verbal-logischer Ausdruck und verbal-logisches Denken) nicht zu bedienen (was ich Mystikern unterstelle) ist - formal betrachtet - eine Sünde wider das Naturgesetz, dessen Autor Gott ist, und damit eine Sünde wider die natürliche Ordnung, welche die Basis für das Funktionieren menschlicher Gesellschaften ist. Die natürliche Ordnung wird aber nicht gestört durch einzelne Mystiker, weil es ja genug andere Menschen gibt, die sich um das Funktionieren der Gesellschaft kümmern - die formale Sünde der Mystiker wider die Natur wird also kompensiert und ist im eigentlichen Sinne deshalb keine Sünde, weil der Gott, der Wissenschaft ist, immer das Ganze auf der Basis der Diversität seiner Teile optimiert.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 17:58
Nach meinem Verständnis macht Kontemplation dort Sinn, wo Gott auch "zieht". Gott kann sich in einem Menschen regen und der Mensch kann sich entscheiden, ob er dem entgegen der vielleicht stark dominierenden Betonung irdischer Dinge in seinem Umfeld nachgehen möchte. Er gibt dann etwas mehr Raum, das schon vorher "im tätigen Alltag" wirkte. Sich einfach von Irdischem z.B. fernzuhalten erzeugt an sich keine vergleichbare Situation, da bei einem Menschen solcher "Zug" vielleicht gar nicht vorhanden ist aufgrund des Zustands seiner Seele.
Kontemplation ist ausschließlich eine gnädige Gabe Gottes. Dem einen gibt er sie, dem anderen nicht, eben weil er das Ganze auf der Basis der Diversität seiner Teile optimiert. Dann gibt es noch den freien Willen des Menschen, den es als Analogie geben muss, wenn der Mensch ein Bild Gottes sein soll, weil Gott absolute Autonomie ist.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 17:58
Nun, das zieht Menschen an: süße Gefühle von Liebe und ekstatische Berauschung an den Konstrukten der eigenen Vernunft.
Das würde dann eventuell eher "Schwärmerei" sein, "aus geschöpflicher Phantasie"?
Das sind im Prinzip die Resultate der Gebete und diskursiven Meditationen, die einen "Anfänger" (ich mag das Wort nicht, aber Johannes und seine Kommentatoren machen selbst eine solche Unterscheidung), auf den Weg bringen und ihn zunächst - bis zur ersten passiven Nacht - darauf halten.
Observing how we annihilate the faculties in their operations, it will
perhaps seem that we are tearing down rather than building up the way
of spiritual exercise. This would be true if our doctrine here were
destined merely for beginners who need to prepare themselves by means
of these discursive apprehensions
. (Book 3, Ch 2)
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Was er tatsächlich lehrt, für jene, die über solch ein Anfängerstadium hinauswollen, ist die Leerheit der Seele. Was sollte schon an Leerheit attraktiv sein?
Eigentlich geht es doch um Fülle? Darum die Fülle quasi nicht zu verwässern, indem ein Mensch sich in dazu ungünstiger Weise an Dinge halten würde, die dieser Fülle, vielleicht auch Seligkeit entgegenstreben?
Erst die Leerheit, dann die Fülle. Wer Fülle haben will, klammert sich an kreatürliche Phämomene, welche unendlich weit von Gott entfernt sind, weil er nicht bereit ist, sein Selbst zu opfern.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Dazu frage ich mich noch immer, ob du ihn so recht verstanden hast.
No creature, none of its actions and abilities, can reach or encompass God’s nature.
Consequently, a soul must strip itself of everything pertaining to creatures and of its actions
and abilities (of its understanding, satisfaction, and feeling), so that when everything unlike
and unconfirmed to God is cast out, it may receive the likeness of God. (Book 2, Ch 5, 4)
4 Dies ist nicht nur von einem Widerstand in der Tat, sondern auch im Zustand zu verstehen.
Es sind also nicht nur freiwillige Akte der Unvollkommenheit zu vermeiden, sondern die Zuständ-
lichkeiten jedweder Unvollkommenheit sind zu vernichten. Da nun keinerlei Geschöpf und nichts
von dessen Tätigkeiten und Fähigkeiten dem Göttlichen gleichkommt, so hat sich die Seele jeglichen
Geschöpfes und all ihrer Tätigkeiten und Fähigkeiten zu entblößen, nämlich ihres Verstehens, Ver-
kostens und Empfindens, um nach Beseitigung alles dessen, was Gott unähnlich und unangeglichen
ist, das Ähnlichsein von Gott zu empfangen, so dass in ihr nichts verbleibt, was nicht Gottes Wille ist,
wodurch sie sich in Gott umgestaltet.
Nur, was ist "ihr Verstehen" etc., wenn teils auch der Heilige Geist im Menschen wirkt?
Verstehen ist kreatürliches Wissen, welches wie alles Kreatürliche unendlich weit von Gott entfernt ist. Auch die Begrifflichkeit "der Heilige Geist [wirkt] im Menschen" ist bloß kreatürliches Wissen.

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Da mir kein anderer Weg bekannt ist, ich aber nichts ausschließe, was "Wege" angeht, lasse ich das so stehen.
Ich würde in Anlehnung an meinen Absatz weiter oben "heute" meist sinnvoller finden den Erdenmenschen zu raten den "Zug" zu steigern, sich entsprechend zu entscheiden. Soweit ich sehe braucht es dazu eher nicht viel "Kontemplation", eher Entschiedenheit, Intensität. Dann zeigt er (letztlich Jesus) aus sich den Weg, wie er für das Individuum gut wäre.
Alle kreatürliche Absichten bringen nichts, sind nada. Den einen gibt's Gott, den anderen nicht und von denen, denen er's gibt, gibt es immer welche, die das Geschenk nicht annehmen.

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Donnerstag 11. Mai 2023, 15:21
Ich merke an, daß ich an deiner Antwort mit am interessantesten fand, worauf in ihr nicht eingegangen wurde ("Kälte", etc.). ;)
Alles was dir daran "interessant" erscheint, entspringt wohl deiner Erwartungshaltung, die dich auch veranlasste davon zu schreiben. Ich muss dich aber enttäuschen, weil ich nicht auf Worte eingehe, die meiner Vernunft spontan keinen konsistenten Sinn erscheinen lassen. Ich frage dann aber auch nicht weiter nach der von dir beabsichtigten Bedeutung, weil eine Unterhaltung auch denn ihren Zweck erfüllt, wenn man nicht alles versteht (bzw man glaubt ja nur, es zu verstehen), was der andere ausdrücken will.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Buch 3, Kapitel 13 hat geschrieben:4 Es ist auch klar, daß die Seele in Niedrigkeit wirkt. Ihre Kräfte kommen ja aus sich selbst nicht
zum Denken und Tun außer mit Hilfe irgendeiner Form, Gestalt oder Abbildung. Diese aber ist nur
die äußere Schale und das Zufällige am Wesentlichen und Geistigen, das sich unter dieser Schale des
Zufälligen verbirgt. Wesen und Geist vereinen sich den Seelenkräften nicht in wahrer Einsicht und Lie-
be, ehe die Tätigkeit dieser Kräfte aufhört. Absicht und Ziel solcher Tätigkeit ist es ja, das in die Seele
aufzunehmen, was sie als Wesen der Formen erkennt und liebt. Nun ergibt sich zwischen aktivem und
passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist
es schon getan. Aktiv ist sie wie jemand, der etwas erreichen möchte, passiv wie jemand, der es schon
erreicht hat. Daraus läßt sich auch entnehmen: wendet die Seele ihre Kräfte aktiv an solche übernatür-
liche Wahrnehmungen - während doch Gott, wie wir sagten, ihr deren Geist in passiver Weise mitteilt
- so täte sie nichts anderes, als das schon Erreichte aufgeben, um es nochmals anzustreben. So wird sie
sich des Erreichten nicht erfreuen und mit ihrer Geschäftigkeit es nur behindern. Sie kann ja (wie wir
sagten) aus eigenen Kräften den Geist nicht erreichen, den Gott ihr gibt ohne deren Einsatz. So wäre
es geradewegs ein Auslöschen des Geistes, den Gott mittels der bildhaften Wahrnehmungen eingießt,
wenn die Seele sie aufspeichern wollte. Sie muß sie also lassen und sich passiv und abweisend verhal-
ten. Dann wird Gott die Seele mehr erheben, als sie es könnte und wüsste. In diesem Sinne sagt der
Prophet: Ich will auf meiner Warte stehen, auf meinem Wachtturm innehalten und schauend lauschen, was er
mir wohl sagt (Hab 2,1). Er meint damit: über alles hinweg will ich meine Kräfte überwachen und nicht ei-
nen Schritt durch meine Tätigkeit vorangehen. So kann ich das, was Er mir sagt, beschauen und so werde
ich verstehen und verkosten, was mir übernatürlich zuteil wird.
Was meint er also damit? In dieser Welt tun hat in der Regel mit "erreichen mögen" zu tun? Z.B. auch in diesem Gespräch? Aber z.B. zu sprechen steht dem, was er da meinte nicht entgegen, oder meinst du doch? Denn das Eine ist die Verfasstheit des Menschen, ein anderes sein Tun in Begegnung mit anderen mit freiem Willensspielraum in dieser Welt?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Freitag 12. Mai 2023, 09:36
Buch 3, Kapitel 13 hat geschrieben:4 Es ist auch klar, daß die Seele in Niedrigkeit wirkt. Ihre Kräfte kommen ja aus sich selbst nicht
zum Denken und Tun außer mit Hilfe irgendeiner Form, Gestalt oder Abbildung. Diese aber ist nur
die äußere Schale und das Zufällige am Wesentlichen und Geistigen, das sich unter dieser Schale des
Zufälligen verbirgt. Wesen und Geist vereinen sich den Seelenkräften nicht in wahrer Einsicht und Lie-
be, ehe die Tätigkeit dieser Kräfte aufhört. Absicht und Ziel solcher Tätigkeit ist es ja, das in die Seele
aufzunehmen, was sie als Wesen der Formen erkennt und liebt. Nun ergibt sich zwischen aktivem und
passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist
es schon getan. Aktiv ist sie wie jemand, der etwas erreichen möchte, passiv wie jemand, der es schon
erreicht hat. Daraus läßt sich auch entnehmen: wendet die Seele ihre Kräfte aktiv an solche übernatür-
liche Wahrnehmungen - während doch Gott, wie wir sagten, ihr deren Geist in passiver Weise mitteilt
- so täte sie nichts anderes, als das schon Erreichte aufgeben, um es nochmals anzustreben. So wird sie
sich des Erreichten nicht erfreuen und mit ihrer Geschäftigkeit es nur behindern. Sie kann ja (wie wir
sagten) aus eigenen Kräften den Geist nicht erreichen, den Gott ihr gibt ohne deren Einsatz. So wäre
es geradewegs ein Auslöschen des Geistes, den Gott mittels der bildhaften Wahrnehmungen eingießt,
wenn die Seele sie aufspeichern wollte. Sie muß sie also lassen und sich passiv und abweisend verhal-
ten. Dann wird Gott die Seele mehr erheben, als sie es könnte und wüsste. In diesem Sinne sagt der
Prophet: Ich will auf meiner Warte stehen, auf meinem Wachtturm innehalten und schauend lauschen, was er
mir wohl sagt (Hab 2,1). Er meint damit: über alles hinweg will ich meine Kräfte überwachen und nicht ei-
nen Schritt durch meine Tätigkeit vorangehen. So kann ich das, was Er mir sagt, beschauen und so werde
ich verstehen und verkosten, was mir übernatürlich zuteil wird.
Was meint er also damit? In dieser Welt tun hat in der Regel mit "erreichen mögen" zu tun? Z.B. auch in diesem Gespräch? Aber z.B. zu sprechen steht dem, was er da meinte nicht entgegen, oder meinst du doch? Denn das Eine ist die Verfasstheit des Menschen, ein anderes sein Tun in Begegnung mit anderen mit freiem Willensspielraum in dieser Welt?
Er spricht nicht über "In dieser Welt tun". Der Kontext seiner Rede ist immer und ausschließlich:
The discreet reader must always keep in mind my intention and goal
in this book: to guide the soul in purity of faith through all its natural and
supernatural apprehensions, in freedom from deception and every
obstacle, to divine union with God. (Book 2, Ch 28)
...
In each of these books readers must keep in mind the intention we
have in writing. Failure to do so will give rise to many doubts about what
they read. ... But we are imparting instructions here for advancing in contempla­-
tion to union with God. (Book 3, Ch 2)
In dem Kontext der Kontemplation als Weg zur "divine union with God" ist das aus Buch 3, Kapitel 13 Zitierte zu verstehen. Wie bereits gesagt: Johannes vK gibt in seiner Schrift keine allgemeinen Anweisungen für Gläubige und deren Verhalten oder Lebensgestaltung. Der Kontext ist immer ein sehr begrenzter, nämlich
1. der Glaube, sofern er von Gott gegeben wurde, als das einzige Medium durch das auch die heilige Liebe gegeben werden kann, sofern Gott diese auch geben will.
2. hat Gott sowohl diesen Glauben als auch die heilige Liebe gegeben, dann kann er auch die Kontemplation noch geben (wenn er will), so dass es durch diese zur "divine union with God" kommen kann.
Nur weil der ggf. gegebene Glaube eine Tugend ist, kann Johannes auch von einer "aktiven Nacht" sprechen, denn nur dadurch dass er eine Tugend ist, kann es auch den Willen geben, die Tugend auch einzusetzen, wenn sich der Wille nicht dagegen entscheidet.
Nur in diesem Kontext also ist es zu verstehen, dass Vernunft, Erinnerung und Wille sich nicht mit den Wahrnehmungen befassen sollen, die Gott auch bewirken kann (wenn sie nicht aus anderer Quelle stammen!), weil sie ja bereits gegeben sind, wenn der Selbst-Wille sich ihnen über die kreatürliche Vernunft und Erinnerung zuwendet. Wenn sich der Selbst-Wille aber diesen kreatürlichen Wahrnehmungen über die kreatürliche Vernunft und Erinnerung zuwendet, dann setzt er ja erneut auf das Kreatürliche (nämlich Vernunft und Erinnerung als Agens und die Wahrnehmung als Objekt), welches von Gott unendlich weit entfernt ist, um zu erhalten, was Gott bereits gegeben hat und was von Vernunft und Erinnerung unendlich weit entfernt ist (nämlich die unmittelbare göttliche Wirkung, die zwar auch die kreatürliche Wahrnehmung mit-bewirkt, aber eben nicht diese kreatürliche Wahrnehmung selbst ist und schon gar nicht das ist, was die kreatürliche Vernunft oder die kreatürliche Erinnerung daraus fabrizieren.
In einem anderen Kontext als 'sich selbst grade auf dem Weg zur Einswerdung mit Gott befindend', z.B. im Kontext der Lehrtätigkeit wie sie Johannes mit seiner Schrift ausübt, kann man sich natürlich schon mit den kreatürlichen Wahrnehmungen mittels der kreatürlichen Vernunft und kreatürlichen Erinnerung befassen, was Johannes zum Zwecke der Instruktion mit seiner Schrift ja auch tut.

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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Johannes vom Kreuz, Karmelberg, Buch 3, Kapitel 13 hat geschrieben:2 Doch du wirst vielleicht fragen, warum denn viele Geisteslehrer den Seelen raten, sie mögen
trachten, aus den Mitteilungen und Empfindungen von seiten Gottes Gewinn zu ziehen; sie mögen
auch gerne etwas von Ihm empfangen, damit sie Ihm etwas zu geben haben; denn gibt Er uns nichts,
so haben wir Ihm nichts zu geben. Sagt der Hl. Paulus nicht: Löschet den Geist nicht aus (1 Thess 5,
19)' Und der Bräutigam zur Braut: Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen
Arm (Hl 8, 6). Dies ist doch etwas Wahrnehmbares. Dergleichen soll nun nach der oben gegebenen
Lehre insgesamt nicht erstrebt, es muß sogar, wenn Gott es schickt, abgewiesen und vermieden wer-
den. Und ist es nicht klar, daß wenn Gott etwas gibt, es zum Heile gibt und Gutes damit bewirken will.
Wir dürfen doch nicht Perlen zum Unrat werfen. Es ist auch eine Art von Hochmut, Göttliches nicht
zuzulassen, so als vermöchten wir auch ohne dieses, aus uns selbst, etwas zu leisten.
Gamaliel hat geschrieben:
Sonntag 19. Juni 2011, 21:44
Laut Überlieferung Jesus Christus zur heiligen Margareta Maria Alacoque hat geschrieben:"Sieh hier das Herz, das die Menschen so sehr liebt, dass es nichts gespart hat, um sich zu opfern, und zu erschöpfen in Liebesbeweisen; und als Dank empfange ich von den meisten Menschen nur Kälte, Unehrerbietigkeit, Verachtung und Sakrilegien in diesem Sakrament der Liebe. Was mich aber am meisten schmerzt, ist, dass Herzen, die Mir besonders geweiht sind, Mir auf diese Weise begegnen. Darum verlange Ich von dir, dass der erste Freitag nach der Fronleichnamsoktav ein besonderer Festtag zur Verehrung Meines Herzens werde; dass man an dem Tage sich dem heiligen Tische nahe, und einen Ehrenersatz leiste, zur Sühnung all der Beleidigungen, welche Meinem Herzen, seit es auf den Altären weilt, zugefügt wurden, und ich verspreche Dir, dass mein Herz diejenigen im reichsten Maße den Einfluss seiner Liebe fühlen lassen wird, die es verehren, und die sorgen, dass es auch von andern verehrt werde."
Bestehen da nicht etwa doch Parallelen, zumindest was ein bestimmtes Verständnis der Absicht des Johannes betrifft, vielleicht auch etwas an seiner tatsächlichen Position hierbei? Zweifellos, Johannes vertritt die Position seine Ansicht sei auf die Hinwendung an Gott gerichtet.
Buch 3, Kapitel 13 hat geschrieben:Ihre Kräfte kommen ja aus sich selbst nicht zum Denken und Tun außer mit Hilfe irgendeiner Form, Gestalt oder Abbildung. [...] Wesen und Geist vereinen sich den Seelenkräften nicht in wahrer Einsicht und Liebe, ehe die Tätigkeit dieser Kräfte aufhört.
Das Geschöpf kann aus eigenem Betrachten schlußfolgern, sich Reime zu machen versuchen aus Wahrgenommenem. Das kann sich auf durch Sinne des Leibes Wahrgenommenes beziehen oder auch auf durch "seelische/übernatürliche" Sinne. Dem stimme ich soweit zu. Hier kann "Phantasie" auch entspechend wirken, indem im Grunde bei sich so Erschlossenem verharrt wird, sich nicht dem wirklich hingegeben wird, das sich in Wahrheit aus Geist ergibt.
Absicht und Ziel solcher Tätigkeit ist es ja, das in die Seele aufzunehmen, was sie als Wesen der Formen erkennt und liebt. Nun ergibt sich zwischen aktivem und passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist es schon getan.
Meinst du, ist "schon getan" etwas, das im Rahmen deiner persönlichen Erfahrungen bereits vorgekommen ist? Oder befasst du dioch damit in der Weise einer theoretischen Hindeutung des Johannes?

Ich würde sagen, das was Johannes da "aktiv" und "passiv" nent schließt sich nicht zwangsläufig aus. Zumindest ich erfahre es, soweit mein Verständnis dazu aussieht, so. Wenn aber ein Mensch aufgrund seines Zustands dazu neigt stärker von Gott wegzuirren, dann machen für mich die Hinweise des Johannes gewissen Sinn. Er hätte dies aber eventuell zu sehr verallgemeinert, so daß ihn nun manche darin möglicherweise entsprechend mißverstehen und dabei eventuell auch Jesus (Gott in Form eines geschöpflichen Gegenüber) und sein Heilswirken teils von sich abweisen?
Daraus läßt sich auch entnehmen: wendet die Seele ihre Kräfte aktiv an solche übernatürliche Wahrnehmungen - während doch Gott, wie wir sagten, ihr deren Geist in passiver Weise mitteilt - so täte sie nichts anderes, als das schon Erreichte aufgeben, um es nochmals anzustreben.
Sofern sich das gegenseitig tatsächlich zwingend so ausschlösse.
So wäre es geradewegs ein Auslöschen des Geistes, den Gott mittels der bildhaften Wahrnehmungen eingießt, wenn die Seele sie aufspeichern wollte. Sie muß sie also lassen und sich passiv und abweisend verhalten.
"Aufspeichern wollen" in dieser kritischen Weise würde für mich Sinn machen, wenn das Geschöpf darin vom Geist auch abirren würde. Aber wieso sollte soetwas geschehen, es sei denn es hätte ein Herz, das von Gott entsprechend abzuirren neigt (was in der Tat keine Seltenheit auf der Erde ein dürfte, leider auch nicht unter Menschen, die sich als Christen verstehen - aber unter "neugeborenen Kindern Gottes"?).
Er meint damit: über alles hinweg will ich meine Kräfte überwachen und nicht einen Schritt durch meine Tätigkeit vorangehen. So kann ich das, was Er mir sagt, beschauen und so werde ich verstehen und verkosten, was mir übernatürlich zuteil wird.
Könnte man hier in meinem Sinne auffassen?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Stefanro
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Re: Phantasie und echtes mystisches Erfahren

Beitrag von Stefanro »

Natürlich muss jeder, der sich - aus freien Stücken - mit Johannes Schrift befassen will (warum will er das überhaupt?) mit dem zurechtkommen, was seiner Vernunft erscheint und was die Vernunft selbst daraus macht. Zu diskutieren, ob man etwas (auch) so oder anders verstehen können, ist müßig, denn was einem erscheint, erscheint einem und was die Vernunft daraus macht ist vom Willen abhängig.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Freitag 12. Mai 2023, 12:23
Absicht und Ziel solcher Tätigkeit ist es ja, das in die Seele aufzunehmen, was sie als Wesen der Formen erkennt und liebt. Nun ergibt sich zwischen aktivem und passivem Wirken folgender Unterschied und Vorteil: ist sie aktiv, so ist sie am Tun; ist sie passiv, so ist es schon getan.
Meinst du, ist "schon getan" etwas, das im Rahmen deiner persönlichen Erfahrungen bereits vorgekommen ist? Oder befasst du dioch damit in der Weise einer theoretischen Hindeutung des Johannes?

Ich würde sagen, das was Johannes da "aktiv" und "passiv" nent schließt sich nicht zwangsläufig aus. Zumindest ich erfahre es, soweit mein Verständnis dazu aussieht, so.
Es könnte einem erscheinen, dass Johannes davon spricht, dass dieses abzulehnen/zurückzuweisen sei und jenes auch, dann noch dies und darüberhinaus das etc. etc. So kann der Eindruck entstehen, dass die Vernunft zu gar keinem Ende kommt damit, bei jeder Wahrnehmung - ob natürlich oder vermeintlich übernatürlich - abzuwägen "Soll ich das beachten oder doch besser nicht?" "Johannes rät 'nicht beachten', aber ich kann nicht anders als es zu beachten" etc etc.
Dies ginge jedoch an der eigentlichen Botschaft vorbei, nämlich der, dass der entscheidende Faktor der Glaube ist, um den es Johannes geht, der 'Johannes-Glaube Typ a1', der einem gegeben wurde. Sollte dieser Glaube einem nicht gegeben worden sein, dann macht es auch keinen Sinn sich mit Johannes' Schrift zu befassen. Denn die einzige Entscheidung, die bei jeglicher Wahrnehmung im engen Kontext des von Johannes beschriebenen Weges anstehen kann ist nicht "Soll ich das beachten oder doch besser nicht?", sondern "Soll ich das beachten oder glaube ich?" Denn wenn ich's beachte, hat sich der Wille gegen die Tugend des Glaubens entschieden. Wenn ich aber glaube, dann "perlt" jede Wahrnehmung an der Vernunft ab ("ontologische Transzendenz" nach Karol Wojtyla), weil der Glaube und die göttliche Essenz ihrem Wesen nach ähnlich sind. Wenn ich glaube stellt sich also die Frage "Beachten oder nicht?" gar nicht, ebenso wenig die analoge Frage "aktiv oder passiv?", weil der Glaube "alles auf Empfang" stellt, dadurch dass die kreatürlichen Wahrnehmungen "abperlen". Die Seele ist über das Medium des Glaubens "ganz an Gott", hat - bildlich gesprochen - "an Gott angedockt" (ist aber noch nicht einsgeworden, weil das Einswerden oder das - bildlich - "Verschmelzen" nur durch die zusätzliche heilige Liebe bewerkstelligt werden kann, nicht durch den Glauben alleine).

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